Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.01.2012, Az. I R 36/11

1. Senat | REWIS RS 2012, 10293

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Keine Arbeitsort-Fiktion für Arbeitnehmer an Bord von Binnenschiffen schweizerischer Unternehmen


Leitsatz

NV: Art. 15 Abs. 3 Satz 1 des DBA-Schweiz 1971/1992 enthält für Arbeitnehmer an Bord von Binnenschiffen schweizerischer Unternehmen keine Fiktion, dass ihre Arbeit ungeachtet des tatsächlichen Aufenthaltsorts des Schiffes stets als im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1971/1992 "in der Schweiz ausgeübt" gilt .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob [X.]rt. 15 [X.]bs. 3 Satz 1 des [X.]bkommens zwischen der [X.] und der [X.] zur Vermeidung der [X.]oppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. [X.]ugust 1971 ([X.] 1972, 1022, [X.]St[X.]l I 1972, 519) in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. [X.]ezember 1992 ([X.] 1993, 1888, [X.], 928) --[X.][X.][X.]-[X.] 1971/1992-- für [X.]rbeitnehmer an [X.]ord von [X.]innenschiffen [X.] Unternehmen eine Fiktion enthält, wonach ihre [X.]rbeit ungeachtet des tatsächlichen [X.]ufenthaltsorts des Schiffes stets als [X.]. 24 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 1 [X.]uchst. [X.] 1971/1992 "in [X.] ausgeübt" gilt.

2

[X.]er Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde für die Streitjahre (2005 und 2006) mit seiner später verstorbenen Ehefrau zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Seinerzeit hatten beide Ehegatten ihren Wohnsitz in der [X.] ([X.]). [X.]er Kläger war als … auf dem Motorschiff "[X.]" (einem sog. Trockengüterschiff) [X.] tätig. [X.]as Schiff stand im Eigentum der Reederei [X.] (einer Kapitalgesellschaft nach [X.]m Recht mit Sitz der Geschäftsleitung in [X.]/[X.]) und führte die [X.] Flagge. Es fuhr im [X.]ontainerverkehr zwischen dem [X.]innenhafen [X.] und den Seehäfen an der [X.] und [X.] Nordseeküste.

3

In den Streitjahren befuhr der Kläger ausschließlich den [X.] zwischen [X.] und [X.] und ab [X.] den [X.] flussabwärts bis zu den Häfen [X.] ([X.]elgien) und [X.] ([X.]) und wieder zurück. [X.]abei befand er sich an 243 Tagen (2005) bzw. 236 Tagen (2006) an [X.]ord des Schiffes. Für seine Tätigkeit bezog er einen [X.]ruttolohn von … [X.] --[X.]HF-- (2005) bzw. … [X.]HF (2006). [X.]ie [X.]rbeitgeberin nahm einen [X.] nach [X.]m Recht von … [X.]HF (2005) bzw. … [X.]HF (2006) vor; die Quellensteuer führte sie an die [X.] ([X.]) ab.

4

In den Einkommensteuererklärungen behandelte der Kläger die Vergütungen als [X.]rbeitslohn, der nach dem [X.][X.][X.]-[X.] 1971/ 1992 von der [X.]esteuerung in [X.] freizustellen sei. [X.]emgegenüber vertrat der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --F[X.]--) die [X.]uffassung, dass die Vergütung nur insoweit der Freistellungsmethode unterliege, als die [X.]rbeit tatsächlich in [X.] ausgeübt worden sei, während für [X.]rbeitstage, an denen die Tätigkeit in [X.] oder in [X.]rittstaaten erbracht worden sei, eine [X.]oppelbesteuerung nur durch [X.]nrechnung der [X.]n [X.]bzugsteuer vermieden werden könne. [X.]as F[X.] setzte auf dieser Grundlage die aus [X.] bezogenen Einnahmen für die Streitjahre mit [X.] (2005) und [X.] (2006) als steuerpflichtige Einnahmen an; den Steuerabzug ([X.] [2005] bzw. [X.] [2006]) berücksichtigte es im Wege der Steueranrechnung. [X.]ie Klage blieb erfolglos (Finanzgericht --[X.]-- [X.]aden-Württemberg, Urteil vom 6. [X.]pril 2011  1 K 5515/08, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1624). [X.]abei hat das [X.] "im Hinblick auf § 51a [X.]bs. 5 Satz 1 EStG, § 1 [X.]bs. 5 des [X.]gesetzes 1995 ... und § 14 [X.]bs. 2 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in [X.]aden-Württemberg (Kirchensteuergesetz ...) vom 15. Juni 1978 ... davon ab(gesehen), die Klage insoweit zu bescheiden, als sie wegen des [X.]s und der Kirchensteuer der Streitjahre erhoben worden ist".

5

[X.]er Kläger rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt sinngemäß, unter [X.]ufhebung des angefochtenen Urteils die geänderten Einkommensteuerbescheide für 2005 und 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu ändern und die Einkommensteuer (sowie die Kirchensteuer und den [X.]) jeweils auf null € herabzusetzen.

6

[X.]as F[X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist unzulässig, soweit der Kläger eine Herabsetzung der Festsetzungen zum Solidaritätszuschlag und zur Kirchensteuer beantragt, da das [X.] insoweit ausdrücklich keine (ihn belastende) Entscheidung getroffen hat. Im Übrigen ist die Revision unbegründet und damit insgesamt zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat die vom Kläger erzielten Einkünfte zu Recht der inländischen [X.]esteuerung --unter Anrechnung der [X.] Quellensteuer ([X.]. 24 Abs. 1 Nr. 2 [X.] 1971/1992)-- unterworfen.

8

1. Der Kläger war [X.] seine [X.] in den Streitjahren gemäß § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes unbeschränkt steuerpflichtig; nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) hatten beide einen Wohnsitz im Inland. Die Eheleute unterlagen daher mit allen in den Streitjahren erzielten Einkünften der Einkommensteuer. Ferner ist das [X.] ersichtlich davon ausgegangen, dass der Kläger aus abkommensrechtlicher Sicht in [X.] ansässig war ([X.]. 4 Abs. 1 [X.] 1971/1992); diese Einschätzung wird von den Verfahrensbeteiligten geteilt.

9

2. Die Ausübung des hiernach bestehenden [X.]esteuerungsrechts ist, soweit es um die streitgegenständlichen Einkünfte des [X.] geht, nicht durch [X.]. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 [X.]uchst. d [X.] 1971/1992 ausgeschlossen.

a) Gemäß [X.]. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 [X.]uchst. d [X.] 1971/1992 werden bei einer in [X.] ansässigen Person die aus [X.] stammenden Einkünfte aus unselbständiger Arbeit i.S. des [X.]. 15 [X.] 1971/1992 --mit Ausnahme der im Streitfall nicht in [X.]etracht kommenden Einkünfte i.S. des [X.]. 17 [X.] 1971/1992-- von der [X.]emessungsgrundlage der [X.] Einkommensteuer ausgenommen, wenn sie nach den dem [X.]. 24 voranstehenden [X.]ikeln des Doppelbesteuerungsabkommens in [X.] besteuert werden können und die unselbständige Arbeit in [X.] ausgeübt wird.

aa) Ob die Einkünfte in [X.] besteuert werden können, regelt [X.]. 15 [X.] 1971/1992. Nach seinem Abs. 1 Satz 1 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen aus unselbständiger Arbeit grundsätzlich in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der [X.]ezieher der Vergütungen ansässig ist (Ansässigkeitsstaat). Gemäß [X.]. 15 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 [X.] 1971/1992 dürfen, wenn eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte aus einer im anderen Vertragsstaat ausgeübten unselbständigen Arbeit bezieht, diese Einkünfte unter bestimmten Voraussetzungen auch in dem anderen Vertragsstaat (Tätigkeitsstaat) besteuert werden. Ergänzend bestimmt [X.]. 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1971/1992, dass ungeachtet der Abs. 1 und 2 der Norm u.a. Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an [X.]ord eines [X.] ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden können, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des (Schifffahrts-)Unternehmens befindet ([X.]); werden die Vergütungen im [X.] nicht besteuert, können sie im Ansässigkeitsstaat besteuert werden ([X.]. 15 Abs. 3 Satz 2 [X.] 1971/1992).

bb) Im Streitfall ergibt sich ein abkommensrechtliches [X.]esteuerungsrecht [X.] aus [X.]. 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1971/1992. Nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.], die gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O für den erkennenden Senat bindend sind, erfüllten die dem Kläger gezahlten Vergütungen die danach bestehenden Voraussetzungen; die [X.] war der Unternehmens- und [X.] der Ansässigkeitsstaat.

cc) Entgegen der Auffassung des [X.] steht [X.] abkommensrechtlich kein ausschließliches [X.]esteuerungsrecht zu.

aaa) Nach [X.]. 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1971/1992 "können" die Vergütungen im [X.] besteuert werden. Eine Einschränkung, dass sie "nur" in diesem Staat besteuert werden dürfen, lässt sich dem Wortlaut des [X.]. 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1971/1992 nicht entnehmen. Er spricht allein das [X.]esteuerungsrecht des [X.]s an. Er ist auch nur hinsichtlich derjenigen Regelungen in Abs. 1 und 2 lex specialis, die das [X.]esteuerungsrecht des Vertragsstaats regeln, der der [X.] ist. Das [X.]esteuerungsrecht des [X.] wird von [X.]. 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1971/1992 nicht berührt. An diesem Grundsatz (s. Senatsurteil vom 22. Oktober 2003 [X.], [X.], 102, [X.], 704) ist festzuhalten.

bbb) Ebenfalls ist daran festzuhalten, dass sich aus [X.]. 15 Abs. 3 Satz 2 [X.] 1971/1992 kein ausschließliches [X.]esteuerungsrecht [X.] ergibt. Die Regelung lässt nicht den Umkehrschluss zu, dass die Vergütungen nur dann im Ansässigkeitsstaat besteuert werden dürfen, wenn sie im [X.] nicht besteuert werden. Da [X.]. 15 Abs. 3 Satz 2 [X.] 1971/1992 das Entstehen sog. weißer Einkünfte verhindern soll, bestünde ohne diese Regelung eine [X.], falls der Vertragsstaat, der [X.] ist, von seinem [X.]esteuerungsrecht keinen Gebrauch macht und der Ansässigkeitsstaat die Einkünfte ganz oder teilweise nach [X.]. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 [X.]uchst. d [X.] 1971/1992 freistellen müsste. Gewollte Rechtsfolge des [X.]. 15 Abs. 3 Satz 2 [X.] 1971/1992 ist somit eine Ausweitung des [X.]esteuerungsrechts des [X.]. Dies und die Tatsache, dass [X.]. 15 Abs. 3 Satz 2 an [X.]. 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1971/1992 anknüpft und dieser das [X.]esteuerungsrecht des [X.] nicht berührt, sprechen dafür, auch aus [X.]. 15 Abs. 3 Satz 2 [X.] 1971/1992 keine Einschränkung des [X.]esteuerungsrechts des [X.] abzuleiten.

b) Der erkennende Senat hat auch entschieden, dass in Fällen des [X.]. 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1971/1992 die unselbständige Arbeit nicht stets als im [X.] ausgeübt gilt, so dass die für diese Arbeit gezahlten Vergütungen im Ansässigkeitsstaat [X.] nicht stets gemäß [X.]. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 [X.]uchst. d [X.] 1971/1992 in vollem Umfang von der [X.]esteuerung freizustellen sind. Daran ist festzuhalten.

aa) [X.]. 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1971/1992 enthält keine derartige Fiktion (Senatsurteil in [X.], 102, [X.], 704; Oberfinanzdirektion --OFD-- [X.], Verfügung aus Juli 2004, [X.][X.]/von [X.]/[X.], Doppelbesteuerungsabkommen [X.]-[X.], [X.]. 15 Rz [X.] 15.3 Nr. 15; Prokisch in [X.]/[X.], D[X.]A, 5. Aufl., [X.]. 15 Rz 102; [X.]gesang in [X.]/[X.]/Grotherr, D[X.]A-Kommentar, [X.]. 15 [X.] Rz 261; [X.], Internationales Steuerrecht --[X.]-- 2005, 514, 516; a.[X.] vom 24. April 2003, [X.][X.]/von [X.]/[X.], a.a.[X.], [X.]. 15 Rz [X.] 15.3 Nr. 12 [s. nun aber auch [X.] vom 26. Oktober 2007, ebenda, Nr. 17]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Doppelbesteuerungsabkommen [X.]-[X.], [X.]. 15 Rz 94, 98; [X.] in [X.]/[X.], Doppelbesteuerung, [X.] [X.]. 15 Rz 41, 181; [X.]randis, ebenda, [X.]. 15 [X.] Rz 85; Grotherr in [X.]/ [X.]/Grotherr, a.a.[X.], [X.]. 24 [X.] Rz 26; [X.], [X.] 2005, 477, 479 f.; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] [Hrsg.], Festschrift [X.], 2005, [X.], 767 f.). Die Regelung unterscheidet zwischen dem Arbeitsort "an [X.]ord" eines Schiffes oder Luftfahrzeuges, der sich in der Regel geographisch ständig ändert und oft auch außerhalb des Hoheitsgebiets der Vertragsstaaten liegt, und dem Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens. Das [X.]esteuerungsrecht des [X.]s knüpft gerade nicht an den geographischen Arbeitsort, sondern unabhängig vom Ort der Ausübung der Arbeit an den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens an. Rechtsfolge des [X.]. 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1971/1992 ist zwar ein abkommensrechtliches [X.]esteuerungsrecht des [X.]s, das dem [X.]esteuerungsrecht des Vertragsstaats entspricht, in dem die gesamte Arbeit ausgeübt wird; diese Identität der Rechtsfolgen ändert aber nichts daran, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der [X.]esteuerungsrechte sich unterscheiden und der [X.] nur insoweit Tätigkeitsstaat i.S. des [X.]. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 [X.]uchst. d [X.] 1971/1992 ist, als die Arbeit in dessen Hoheitsgebiet ausgeübt wird.

bb) In den [X.] vom 25. Oktober 2006 [X.] ([X.]FHE 215, 237, [X.]St[X.]l II 2010, 778) und vom 11. November 2009 [X.]/08 ([X.]FHE 227, 402, [X.]St[X.]l II 2010, 781) hat der Senat darauf hingewiesen, dass in der Frage der sog. Arbeitsortfiktion zwischen [X.]. 15 Abs. 3 und Abs. 4 [X.] 1971/1992 zu unterscheiden ist: Die im Urteil in [X.], 102, [X.], 704 getroffene Entscheidung ist für [X.]. 15 Abs. 4 [X.] nicht maßgebend. [X.]. 15 Abs. 3 [X.] 1971/1992 kann mit [X.]. 15 Abs. 4 [X.] 1971/1992 im Hinblick auf dessen Entstehungsgeschichte und die mit dieser Regelung verbundene Praxis der Vertragsdurchführung nicht verglichen werden. [X.]. 15 Abs. 3 [X.] 1971/1992 knüpft für die Zuordnung des [X.]esteuerungsrechts ausschließlich an den Ort der Geschäftsleitung des Unternehmens an; ein [X.]ezug zu der tatsächlichen Verrichtung der Tätigkeit fehlt und die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist in seinem Anwendungsbereich in aller Regel auch nicht geschäftsleitender Natur. Der [X.] der Vorschrift enthält daher --im Gegensatz zu [X.]. 15 Abs. 4 [X.] 1971/1992-- keine Anhaltspunkte dafür, dass der räumliche Anknüpfungspunkt der [X.]esteuerungszuständigkeit zugleich als Tätigkeitsort i.S. des [X.]. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 [X.]uchst. d [X.] 1971/1992 anzusehen ist.

cc) Daran ist festzuhalten.

aaa) [X.]. 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1971/1992 lässt sich die nahtlose Fortführung einer bereits unter dem [X.] 1931/1959 geltenden Fiktion des [X.] im [X.] nicht entnehmen: Denn der Wortlaut sieht --abweichend von der 1957 vereinbarten und 1959 ratifizierten Vorgängerregelung des [X.] zu [X.]. 4 (dort Abs. 2 Satz 1) [X.] 1931-- gerade keine Formulierung vor, nach der die "Personen, die ständig oder vorwiegend an [X.]ord von Schiffen oder Flugzeugen eines Unternehmens der Schiff- und Luftfahrt Dienst leisten ..., ... als in demjenigen der beiden [X.] erwerbstätig (gelten), in dem sich der Ort der Leitung des Unternehmens befindet". Vielmehr unterscheidet der Wortlaut zwischen dem Arbeitsort "an [X.]ord" eines Schiffes oder Luftfahrzeuges (der sich in der Regel räumlich ständig ändert und oft auch außerhalb des Hoheitsgebiets der Vertragsstaaten liegt) und dem Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Schifffahrtsunternehmens (vgl. Senatsurteil in [X.], 102, [X.], 704, unter II.4.). [X.]. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 [X.]uchst. d [X.] 1971/1992, demzufolge die Anwendung der Freistellungsmethode voraussetzt, dass "die Arbeit (...) in [X.] ausgeübt" wird, kommt auf dieser Grundlage die [X.]edeutung zu, die Freistellungsmethode auf die Situation zu beschränken, dass sich der in [X.] ansässige Arbeitnehmer zugleich "an [X.]ord eines Schiffes ..." und "in [X.]" befindet.

bbb) Dem Umstand, dass die Steuerverwaltungen der beiden [X.] offenbar bis in das [X.] hinein übereinstimmend in der Praxis der Vertragsdurchführung für die in Rede stehenden Tätigkeitsvergütungen in [X.] ansässiger [X.]innenschiffer für Arbeit an [X.]ord [X.] [X.]innenschiffe von einem alleinigen [X.]esteuerungsrecht [X.] ausgegangen sind (s. aus [X.] Sicht z.[X.]. OFD [X.], Verfügung vom 3. Juli 2000, Recht der [X.] 2000, 808 ["geänderte Verwaltungsauffassung" anzuwenden frühestens ab Veranlagungszeitraum 1996]; aus [X.] Sicht [X.] vom 19. Dezember 1975 und vom 11. November 1977, [X.][X.]/von [X.]/[X.], a.a.[X.], [X.]. 15 Rz [X.] 15.3 Nr. 2, 3; s.a. [X.] in Festschrift [X.], a.a.[X.], [X.], 768), kommt für die Auslegung der Norm keine entscheidende [X.]edeutung zu. Denn die dieser Praxis zugrunde liegende Rechtsauffassung hat keinen ausreichenden Rückhalt im [X.] (Senatsurteil in [X.], 102, [X.], 704). Eine übereinstimmende spätere Übung bei der Anwendung eines völkerrechtlichen Vertrages ist aber nur dann gemäß [X.]. 31 Abs. 3 [X.]uchst. b des [X.] über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 ([X.]G[X.]l II 1985, 926) bei der Vertragsauslegung als gewichtiges Indiz zu berücksichtigen, wenn sie im [X.] einen ausreichenden Anhalt findet. Darüber hinaus wird man dem Umstand der Änderung des Wortlauts gegenüber der Vorgängerregelung in [X.]. 4 Abs. 2 Satz 1 des [X.] zu [X.]. 4 [X.] 1931/1959 entnehmen können, dass sich die [X.] Seite hinsichtlich der dort behandelten Einkünfte der ([X.]innen-)Schiffer bereits 1971 von der bisherigen Rechtslage lösen wollte.

ccc) Der vom Kläger angeführte [X.] kann eine abweichende Lösung nicht rechtfertigen. Auch wenn sich auf der Grundlage einer auf den Unternehmenssitz abstellenden Arbeitsortfiktion erübrigen würde, den jeweiligen Standort des Schiffes bzw. Luftfahrzeuges zu ermitteln und zu dokumentieren (s. insoweit auch [X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], [X.] [X.]. 15 Rz 181; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], [X.]. 15 Rz 87, 98; [X.] in [X.], [X.]/D[X.]A, [X.] [X.]. 15 Rz 168), ist eine solche Aufgabe jedenfalls nicht außerhalb der tatsächlichen Möglichkeiten eines [X.]etroffenen (a.A. wohl [X.], ebenda). Ein solcher Nutzen, wenn er Zielpunkt der Vertragsstaaten gewesen sein sollte, wäre deutlicher im Wortlaut des Abkommens anzuführen gewesen. Das ist nicht geschehen.

3. Dass der Kläger seine Tätigkeit in den Streitjahren jedenfalls in dem dem Ansatz anteiliger Einnahmen entsprechenden Umfang ausschließlich in [X.] bzw. in Drittstaaten ausgeübt hat, ist Gegenstand der tatrichterlichen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 [X.]O) und unter den [X.]eteiligten nicht in Streit.

Meta

I R 36/11

10.01.2012

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 6. April 2011, Az: 1 K 5515/08, Urteil

Art 15 Abs 3 S 1 DBA CHE, Art 24 Abs 1 Nr 1 S 1 Buchst d DBA CHE, Art 15 Abs 3 S 2 DBA CHE, Art 15 Abs 4 DBA CHE

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.01.2012, Az. I R 36/11 (REWIS RS 2012, 10293)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10293

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I R 47/14 (Bundesfinanzhof)

Besteuerung von in Deutschland ansässigem Flugzeugführer einer österreichischen Fluggesellschaft


I R 92/09 (Bundesfinanzhof)

Schweizer Altersrente unterfällt nicht dem Kassenstaatsprinzip - Abgrenzung zwischen Leibrente und Ruhegeld - Abkommensautonome Auslegung …


I R 93/10 (Bundesfinanzhof)

Genossenschaft ist keine Kapitalgesellschaft i.S. des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz


I R 32/19 (Bundesfinanzhof)

Grenzgänger nach dem DBA-Schweiz 1971/2010 bei 24-Stunden-Diensten und geringfügiger Beschäftigung


I R 44/16 (Bundesfinanzhof)

Auslegung von DBA - Lichtdesigner als werkschaffender Künstler


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.