Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.02.2024, Az. 2 StR 485/23

2. Strafsenat | REWIS RS 2024, 1224

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. August 2023

a) im Schuldspruch in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei tateinheitlichen Fällen sowie des Besitzes eines verbotenen Gegenstandes ([X.]) schuldig ist,

b) aufgehoben

aa) im Ausspruch zu den Einzelstrafen in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe,

bb) im [X.].

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von zwei [X.]n (Fälle II.1 und 2 der Urteilsgründe), Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung (Fall [X.]) und Besitzes von Betäubungsmitteln (Fall II.4 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und die Einziehung von sichergestelltem Bargeld in Höhe von 570 € im Wege der erweiterten Einziehung angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. [X.] hat – soweit für die Begründung der Revisionsentscheidung von Bedeutung – die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

a) Am 23. März 2021 verfügte der Angeklagte im Wohnzimmer der von ihm und seiner damaligen Lebenspartnerin bewohnten Wohnung in der [X.] in [X.]  über 129,7 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 16,34 Gramm THC. Die Betäubungsmittel waren zu 60 % für den gemeinsamen Eigenkonsum und zu weiteren 40 % zum Handel bestimmt. Im [X.] befanden sich in einer Entfernung von etwa zwei bis drei Metern zu den Betäubungsmitteln zwei [X.]. Die [X.] hat den Angeklagten wegen „unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit (§ 52 StGB) mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) in Tateinheit (§ 52 StGB) mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von zwei [X.]n (§ 52 Abs. 3 Nr. 1 [X.]. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.4.3. zum Waffengesetz)“ verurteilt (Fall II.1 der Urteilsgründe).

4

b) Am selben Tag wurde die Wohnung einer Verwandten des Angeklagten in der [X.] in [X.]  durchsucht. Dorthin hatte der Angeklagte in der Woche zuvor ohne Wissen seiner Verwandten 100,96 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 12,21 Gramm THC verbracht. Von dieser Menge waren wiederum 60 % für den [X.] mit seiner Partnerin und 40 % für den Handel bestimmt. Die Betäubungsmittel stammten aus einem anderen Ankaufgeschäft als diejenigen, die in der Wohnung in der [X.] in [X.]  aufgefunden worden waren. Die [X.] hat den Angeklagten insoweit wegen „des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit (§ 52 StGB) mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG)“ schuldig gesprochen (Fall II.2 der Urteilsgründe).

5

2. Die Revision ist teilweise begründet.

6

a) Die Verfahrensrüge versagt aus den in der Zuschrift des [X.] dargestellten Gründen.

7

b) Hingegen hat das Rechtsmittel mit der Sachrüge teilweise Erfolg.

8

aa) Die Überprüfung der Schuld- und Strafaussprüche in den Fällen II.3 und 4 der Urteilsgründe, [X.] waren der 24. Februar 2023 bzw. der 2. März 2023, der Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie der Anordnung der erweiterten Einziehung von 570 € haben keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

9

bb) Hingegen hält die Verurteilung in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

(1) Die von der [X.] vorgenommene konkurrenzrechtliche Bewertung der festgestellten Delikte erweist sich in doppelter Hinsicht als rechtsfehlerhaft.

(a) Die [X.] hat zunächst übersehen, dass nach ständiger Rechtsprechung der gleichzeitige Besitz an verschiedenen Betäubungsmitteln zum Eigenverbrauch das Gesetz nur einmal verletzt. Dieser Zusammenhang entfällt auch dann nicht, wenn der Täter diese getrennt voneinander aufbewahrt (vgl. [X.], Urteile vom 16. Oktober 2014 – 3 [X.], juris Rn. 14; vom 21. April 2021 – 6 StR 6/21, juris Rn. 5; Beschlüsse vom 12. Oktober 2004 – 4 [X.], [X.]R BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 4; vom 12. Juli 2017 – 5 [X.], juris Rn. 2; vom 5. Juli 2020 – 2 [X.], juris Rn. 8; vom 15. Juli 2022 – 2 StR 565/21, juris Rn. 5). Daneben verklammert der einheitliche Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hier die beiden selbständigen Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (in geringer Menge) zur Tateinheit (vgl. zur Klammerwirkung [X.], Beschlüsse vom 14. Februar 2017 – 4 [X.], juris Rn. 5 ff.; vom 12. September 2017 – 4 StR 298/17, juris Rn. 7).

(b) Die [X.] hat zudem nicht bedacht, dass die zeitgleiche Aufbewahrung von Waffen und Betäubungsmitteln die Annahme einer Handlungseinheit regelmäßig nur dann rechtfertigen kann, wenn jenseits der Gleichzeitigkeit ein – hier gerade nicht festgestellter – funktionaler Zusammenhang zwischen beiden Besitzlagen besteht (vgl. [X.], Urteil vom 7. Juli 2020 – 1 [X.], juris Rn. 7; Beschluss vom 24. November 2021 – 2 [X.], juris Rn. 7).

(c) Der Angeklagte hat sich daher in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei tateinheitlichen Fällen und daneben wegen des Besitzes eines verbotenen Gegenstandes ([X.]) strafbar gemacht.

(2) Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend dem sachlich-rechtlich richtigen Konkurrenzverhältnis abgeändert (vgl. zum Tenor beim Waffendelikt [X.], Beschluss vom 2. Februar 2022 – 4 [X.], juris Rn. 13). § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

cc) Die Schuldspruchänderung in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe bedingt aufgrund des zwischen den Taten verschobenen [X.] die Aufhebung der beiden Einzelstrafen. Der Wegfall der beiden Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und neun Monaten zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Die Feststellungen sind von den aufgezeigten [X.] nicht betroffen und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).

3. Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht bei der neuerlichen Zumessung der Einzelstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe nicht gehindert ist, diese dem – naheliegend – erhöhten Schuldgehalt anzupassen. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) steht einer Erhöhung dieser Einzelstrafe nicht entgegen. Jedoch darf die Summe der neu zuzumessenden Einzelstrafen in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe die bisherige Summe dieser beiden Einzelstrafen nicht überschreiten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. Oktober 1995 – 3 [X.], [X.]R StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 7; vom 29. Januar 2015 – 1 StR 587/14, juris Rn. 22; vom 13. September 2023 – 4 StR 48/23, juris Rn. 5). Bei dieser Zumessung wird das Tatgericht zudem zu bedenken haben, dass die bisher getroffenen Feststellungen den für eine von der [X.] in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe angenommene Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG erforderlichen Zusammenhang zwischen der aufgedeckten Betäubungsmitteltat und den Taten des Angeklagten als Aufklärungsgehilfen [X.]/[X.]/[X.]/[X.], BtMG, 6. Aufl., § 31 Rn. 39 ff.; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], BtMG, 10. Aufl., § 31 Rn. 38) nicht belegen. Sollte das neue Tatgericht einen solchen Zusammenhang nicht feststellen können, wird es zu beachten haben, dass jedenfalls die Möglichkeit verbleibt, die festgestellte wesentliche und erfolgreiche Aufklärungshilfe auch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 31 BtMG, § 46b Abs. 1 StGB als bestimmenden Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 15. März 2011 – 1 [X.], [X.]St 56, 191, 194; vom 5. April 2016 – 3 [X.], juris Rn. 4; [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1058). Daneben wird das neue Tatgericht Gelegenheit haben, den offenen Vollstreckungsstand der Verurteilung aus dem Strafbefehl des [X.]     vom 14. September 2021 aufzuklären (vgl. [X.], Beschluss vom 4. März 2021 – 2 [X.], juris Rn. 35).

[X.]     

      

Appl     

      

Zeng

      

Grube     

      

Schmidt     

      

Meta

2 StR 485/23

13.02.2024

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Limburg, 10. August 2023, Az: 5 KLs - 4 Js 4153/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.02.2024, Az. 2 StR 485/23 (REWIS RS 2024, 1224)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1224

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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