Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2007, Az. I ZR 31/05

I. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 4089

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 26. April 2007 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.] : nein [X.]R : ja

CMR Art. 17 Abs. 1, Art. 29; ZPO § 286 A Besteht zwischen den Parteien eines Frachtvertrages Streit darüber, ob der beim Empfänger nicht angekommene Teil der Sendung überhaupt in die Obhut des Frachtführers gelangt ist, kann nicht auf die Grundsätze des [X.] zurückgegriffen werden. Da die Parteien über den Grund der Haftung streiten, scheidet auch eine Anwendung des § 287 ZPO aus. Der Anspruchstel-ler hat daher in einem solchen Fall den vollen Beweis dafür zu erbringen, dass der nicht beim Empfänger angekommene Teil der Sendung in die Obhut des Frachtführers gelangt ist. [X.], [X.]. v. 26. April 2007 - [X.] - [X.] [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 26. April 2007 durch [X.] und [X.] v. Ungern-Sternberg, [X.], Dr. Schaffert und Dr. Bergmann für Recht erkannt:
Die Revision gegen das [X.]eil des 18. Zivilsenats des [X.] vom 26. Januar 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin, ein [X.] Assekuradeur, nimmt die Beklagte wegen des Verlusts von 100 [X.] aus übergegangenem und abgetre-tenem Recht der Transportversicherer der T.

GmbH (im Weiteren: [X.]) auf Schadensersatz in Anspruch. 1 Die [X.] erteilte der [X.] am 22. Mai 2002 den Auftrag, 1000 Festplatten, die für sie bei der [X.] in [X.] eingelagert waren, zu festen Kosten zu der [X.] in [X.] zu befördern. Der Fahrer der von der [X.] beauftragten Unter[X.] quittierte am selben Tag, 2 - 3 - die Sendung ordnungsgemäß übernommen zu haben. Die Sendung traf, nach-dem sie am 22. Mai 2002 im Lager der [X.] in [X.] und am 23. Mai 2002 bei dem Unternehmen [X.] [X.] in [X.] umge- schlagen worden war, am 24. Mai 2002 bei der [X.] ein. Ein Mit- arbeiter dieses Unternehmens brachte auf der Empfangsquittung unter ande-rem den Stempel "[X.] RESERVE DE CONTROLE" ("Unter Vorbehalt der Kontrolle") auf. Des Weiteren befindet sich auf der Empfangsquittung ein eben-falls französischsprachiger handschriftlicher Vermerk eines Mitarbeiters der Empfängerin, dass eine umschrumpfte Palette abgegeben worden sei, bei de-ren Kontrolle aber zwei Kartons leer vorgefunden und 100 Festplatten als [X.] festgestellt worden seien. Die Klägerin hat behauptet, in jedem der 20 Kartons hätten sich 50 Fest-platten befunden. Zwei der Kartons mit zusammen 100 Festplatten im [X.] von insgesamt umgerechnet 13.494,55 • seien im [X.] der [X.] bzw. ihrer Gehilfen in Verlust geraten. Die Beklagte sei ihrer [X.] und Einlassungsverpflichtung nicht nachgekommen, den [X.] einzugrenzen. Es bestehe daher die Vermutung, dass der Verlust der Festplatten auf einem qualifizierten Verschulden der [X.] beruhe. Die von der Klägerin geleistete Entschädigung habe einschließlich Umsatzsteuer 14.844 • betragen. 3 Die Klägerin hat die Beklagte daher vor dem [X.] gemäß Art. 17, 29 CMR auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen in Anspruch genommen. 4 Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und außer-dem in Abrede gestellt, dass die Ware in ihrem [X.] verlorenge-gangen ist. 5 - 4 - Das [X.] hat die Klage abgewiesen. 6 7 Die Berufung der Klägerin, mit der diese den [X.] in Höhe von 13.494,55 • nebst Zinsen weiterverfolgt hat, ist ohne Erfolg geblieben. 8 Mit ihrer (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision begehrt die Klä-gerin weiterhin die Verurteilung der [X.] zur Zahlung von 13.494,55 • nebst Zinsen. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen. Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin für unbegründet erachtet und hierzu ausgeführt: 9 Die Klägerin habe nicht bewiesen, dass zwei der bei der [X.] an die Unter[X.] übergebenen Kartons nicht bereits leer gewesen seien. Der Inhalt der Kartons sei nicht in Augenschein genommen worden, bevor die Palette, auf der die Kartons gestapelt gewesen seien, mit Folie umwickelt [X.] sei. Da die zum Versand anstehende Ware entgegen den bei der [X.] bestehenden internen Richtlinien auch nicht erneut gewogen worden sei, habe es nicht zwingend auffallen müssen, wenn zwei Kartons keinen Inhalt mehr gehabt hätten. Es bestehe nicht nur eine theoretische Möglichkeit, dass noch bei der [X.], also noch vor der Übergabe der Palette an die Unter- [X.], aus zwei Kartons insgesamt 100 Festplatten entnommen worden seien. In zeitlicher Hinsicht sei ein entsprechender Diebstahl ohne weiteres möglich gewesen. Ebenso lasse die [X.] einen solchen 10 - 5 - Diebstahl weder als gänzlich ausgeschlossen noch als fernliegende, lediglich theoretische Möglichkeit erscheinen. 11 Allerdings sei bei [X.], die von kaufmännischen Absendern in [X.] Behältnissen versandt würden, prima facie anzunehmen, dass die im Lieferschein und in der dazu korrespondierenden Rechnung aufgeführten Waren in den Behältnissen enthalten gewesen seien. Der Anscheinsbeweis, den die Klägerin insoweit durch die von ihr vorgelegte Handelsrechnung und den entsprechenden Lieferschein begründet habe, sei vorliegend aber erschüt-tert. Es bestehe hier die Besonderheit, dass nicht etwa ein Karton vollständig im [X.] des Frachtführers in Verlust geraten sei, sondern dieser die übernommene Sendung äußerlich vollständig beim bestimmungsgemäßen Empfänger abgeliefert habe. Die Manipulation an den Kartons, die zum Verlust der in ihnen enthalten gewesenen Waren geführt habe, könne sowohl noch beim Absender als auch in der Obhut der Frachtführer erfolgt sein. In einem solchen Fall sei der Anscheinsbeweis zumindest dann durch das Ausliefern ge-öffneter Kartons auf einer mit Folie umwickelten Palette erschüttert, wenn eine Manipulation beim Versender nach den Umständen keine nur theoretische Möglichkeit darstelle. Vom Frachtführer könne nicht verlangt werden, konkrete [X.]altspunkte dafür vorzutragen, dass beim Versender manipuliert worden sei. Der Versender habe es zudem in der Hand, durch einfache Maßnahmen wie insbesondere durch das Wiegen der zu versendenden Ware zu überprüfen und zu dokumentieren, dass diese dem Frachtführer vollständig übergeben worden sei, sowie Diebstählen im [X.] vorzubeugen. I[X.] Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat ohne Rechts-fehler angenommen, dass der geltend gemachte Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht zusteht, weil diese nicht zu beweisen vermocht hat, dass die 12 - 6 - 100 Festplatten, die bei der [X.] nicht angekommen sind, in die Obhut der [X.] gelangt sind. 13 1. Die Klägerin macht gegen die Beklagte wegen des Verlusts der Fest-platten einen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 17 Abs. 1, Art. 29 CMR gel-tend. Sie hat daher vorzutragen und, da die Beklagte die Sachdarstellung der Klägerin insoweit bestritten hat, zu beweisen, dass [X.] in der Obhut der [X.] Schaden genommen hat und wie hoch dieser Schaden ist (vgl. [X.], [X.]. v. 12.12.1985 - I ZR 88/83, [X.] 1986, 278, 280 f. = VersR 1986, 381; [X.]. v. 8.6.1988 - I ZR 149/86, [X.] 1988, 370 = [X.], 952; [X.]. v. 16.11.1995 - I ZR 245/93, [X.] 1996, 72, 74 = [X.], 913, zu § 407 HGB a.F.; [X.], Transportrecht, 5. Aufl., Art. 17 CMR [X.]. 12 m.w.N.). Dies umfasst neben dem Beweis der Übernahme von [X.] als solchen auch den Beweis ihrer Identität, ihrer Art, ihrer Menge und ihres Zustands (vgl. [X.], [X.]. v. 10.4.1974 - I ZR 4/73, [X.], 796, 798 = NJW 1974, 1614; [X.] aaO Art. 17 CMR [X.]. 12; Großkomm.HGB/[X.], 4. Aufl., [X.]. VI nach § 452: CMR Art. 17 [X.]. 46 m.w.N.). Die Beweisführung ist grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozessrechts und insbesondere nach § 286 ZPO zu beurteilen (Großkomm.HGB/[X.] aaO CMR Art. 17 [X.]. 46). Danach setzte die Bildung der richterlichen Überzeugung, dass die 100 bei der [X.] nicht angekommenen Festplatten sich im Zeitpunkt der Übernahme der Sendung durch die Unter[X.] bei der [X.] noch auf der Palette befunden hatten, einen Grad von Gewissheit voraus, der den Zweifeln [X.] gebot (vgl. [X.], [X.]. v. 4.11.2003 - [X.], [X.], 777, 778 = [X.], 118). 2. Der Annahme eines Anscheinsbeweises, wie ihn das Berufungsgericht unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 24. Oktober 2002 ([X.]/00, [X.] 2003, 156, 159 = NJW-RR 2003, 754; vgl. auch [X.], [X.]. v. 14 - 7 - 20.7.2006 - I ZR 9/05, [X.] 2006, 394 = [X.], 564 [X.]. 19 f.) geprüft hat, steht - ungeachtet der von einem Teil des Schrifttums an der Anwendung des Anscheinsbeweises in einem derartigen Fall geübten Kritik ([X.]/[X.], ZPO, 26. Aufl., Vor § 284 [X.]. 29 u. 31 a.E.; [X.], ZPO, 21. Aufl., § 286 [X.]. 95, insbes. [X.]. 265; vgl. aber auch [X.].ZPO/ Prütting, 2. Aufl., § 286 [X.]. 48 f., 58 f., 67 ff.; Musielak/Foerste, ZPO, 5. Aufl., § 286 [X.]. 23 u. 26 ff.; [X.]/[X.], ZPO, 65. Aufl., [X.]. zu § 286 [X.]. 22 f.) - im Streitfall entgegen, dass es hier nicht um das unstreitige Ab-handenkommen einer Sendung in der Obhut des Frachtführers geht. Die Fall-konstellation, in der der Senat den Anscheinsbeweis angewandt hat, betraf stets Fälle, in denen [X.] dem Frachtführer unstreitig in ei-nem verschlossenen Behältnis übergeben worden und in der Obhut des Fracht-führers verlorengegangen ist. Steht in einem solchen Fall in Streit, welche Wa-ren sich in dem dem Frachtführer zum Transport übergebenen Behältnis befun-den haben, ist in den angeführten Entscheidungen für den kaufmännischen Verkehr prima facie davon ausgegangen worden, dass die im Lieferschein und der damit korrespondierenden Rechnung aufgeführten Waren in dem Behältnis enthalten waren. Dahinter stand die Erwägung, dass jedenfalls im kaufmänni-schen Bereich eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die - lange vor Kenntnis von dem späteren Verlust - in Lieferschein und Rechnung aufgeführ-ten Waren tatsächlich auch versandt worden sind ([X.] [X.] 2003, 156, 159). Um eine solche Konstellation geht es im vorliegenden Fall nicht. Vielmehr besteht hier zwischen den Parteien Streit darüber, ob der betreffende Teil der Sendung überhaupt in die Obhut der [X.] gelangt ist. Für diese Frage kann nicht auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises zurückgegriffen werden. Da die Parteien über den Grund der Haftung streiten, scheidet auch eine An-wendung des § 287 ZPO aus. - 8 - 3. Dem angefochtenen [X.]eil ist zu entnehmen, dass sich das [X.] keine Überzeugung davon bilden konnte, dass sich die abhanden-gekommenen Festplatten in den beiden der [X.] übergebenen Paketen befunden haben (§ 286 ZPO). Es hat insbesondere den Diebstahl der Festplat-ten noch in der Obhut der [X.] und damit noch in der Obhut der Versen- derin für nicht ausgeschlossen gehalten. Diese tatrichterliche Würdigung [X.] keinen rechtlichen Bedenken. Die Verfahrensrügen, die die Revision insofern erhebt, hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO). 15 II[X.] [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. 16 Bornkamm v. Ungern-Sternberg [X.]

Schaffert Bergmann Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom [X.]/02 - [X.], Entscheidung vom 26.01.2005 - [X.]/04 -

Meta

I ZR 31/05

26.04.2007

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2007, Az. I ZR 31/05 (REWIS RS 2007, 4089)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4089

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I-18 U 196/04 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


I ZR 14/11 (Bundesgerichtshof)

Frachtführerhaftung im internationalen Straßengüterverkehr: Nachweis des Inhalts eines entwendeten, vom Versender selbst beladenen und verschlossenen …


I ZR 14/11 (Bundesgerichtshof)


I ZR 50/05 (Bundesgerichtshof)


I ZR 228/01 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.