Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2005, Az. V ZB 48/05

V. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3055

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[X.]BESCHLUSS V ZB 48/05
vom 16. Juni 2005 in dem Rechtsstreit

- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 16. Juni 2005 durch den Vizepräsidenten des [X.] Dr. [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der [X.]uß des 14. Zivilsenats des [X.] vom 13. Januar 2005 aufgehoben.

Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt.

Der Gegenstandswert für das [X.] 1.632.546,67 •.

Gründe:
[X.]

Gegen das ihr am 8. Oktober 2004 zugestellte Urteil des [X.] hat die Klägerin mit einem am 11. November 2004 bei dem [X.] eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Nach einem gerichtlichen Hin-weis auf den verspäteten Eingang der Berufungsschrift hat die Klägerin mit ei-nem am 22. November 2004 eingegangenen Schriftsatz gegen die Versäu-mung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und - 3 - dazu ausgeführt: Ihr zweitinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter habe zur Siche-rung der Einhaltung der Berufungsfrist eine Mitarbeiterin, die bis dahin stets zuverlässig und [X.] gearbeitet habe, angewiesen, sogenannte [X.] für den 1. November, den 4. November und den 8. November 2004 einzutragen. Hinsichtlich der [X.] bestehe die allgemeine An-weisung, daß die entsprechenden Akten am [X.] dem zuständigen Rechtsanwalt vorgelegt werden müßten. Die in roter Handschrift im Fristenka-lender eingetragenen [X.] dürften vom zuständigen Rechtsanwalt erst abgezeichnet werden, nachdem der Vorgang erledigt sei. Es bestehe die strikte Anweisung, daß der betreffende Rechtsanwalt vor Verlassen des Büros an noch offene [X.] zu erinnern sei und diese selbst abzeichnen müsse. Es bestehe die generelle Anweisung, fristwahrende Schriftsätze am letzten [X.] und an den zwei Tagen vor Fristablauf per Telefax vorab an den [X.] zu übersenden, wobei auf korrekte Anwahl und auf die Kon-trolle des [X.] auf ein "OK" zu achten sei. An dem [X.] habe der zweitinstanzliche Prozeßbevoll-mächtigte der Klägerin seine Mitarbeiterin gebeten, die Berufungsschrift zu [X.] und ihm so rechtzeitig vorzulegen, daß er sie noch vor Verlassen des [X.] zu einem auswärtigen Termin unterzeichnen und die Übersendung per Te-lefax erfolgen könne. Er habe dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Versendung der Berufungsschrift vorab per Telefax noch an demselben Tag erfolgen müsse, weil die Berufungsfrist ablaufe. Die Mitarbeiterin habe [X.] die Berufungsschrift gefertigt und dem zweitinstanzlichen Prozeßbevoll-mächtigten der Klägerin zusammen mit dem Anschreiben an die Mandanten zur Unterzeichnung vorgelegt. Dieser habe die Schreiben unterzeichnet und seine Mitarbeiterin angewiesen, sofort die Versendung an das [X.] zunächst per Telefax und dann per Post vorzunehmen. Die [X.] - terin habe erklärt, daß sie dieses sofort veranlassen werde; sie habe sich auch unmittelbar zu dem [X.] begeben, um die Absendung vorzunehmen. Da das Gerät aber besetzt gewesen sei, habe sie die Berufungsschrift [X.] auf den Tisch hinter dem Empfangstresen neben das [X.] ge-legt. Sie habe das Anschreiben an die Klägerin versandfertig gemacht und sich in [X.] begeben, um andere Angelegenheiten zu erledigen. Vor dem Verlassen der Kanzlei habe der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Klägerin seine Mitarbeiterin gefragt, ob die Berufungsschrift per Telefax an das [X.] abgegangen und der Sendebericht in Ordnung sei, so daß er die Promptfrist abzeichnen könne. Die Mitarbeiterin habe erklärt, das Fax sei abgegangen und der Sendebericht sei in Ordnung. Daraufhin habe der [X.] der Klägerin im [X.] die [X.] und das Büro verlassen. Erst durch den gerichtlichen Hinweis habe sich herausgestellt, daß die Mitarbeiterin die Berufungsschrift entgegen ihrer aus-drücklichen Bestätigung nicht an das [X.] gefaxt habe.

Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich ihre Rechtsbeschwerde, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen [X.]usses und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist erreichen will.

I[X.]
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des - 5 - [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO). Der angefochtene [X.]uß beruht auf einer Würdigung, welche der Klägerin den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise er-schwert. Dies verletzt den Anspruch der Klägerin auf Gewährung wirkungsvol-len Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und [X.] die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO (Se-nat, [X.]. v. 23. Oktober 2003, [X.], [X.], 367, 368 m.w.N.).

Die Annahme des Berufungsgerichts, die Mitarbeiterin des zweitinstanz-lichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin habe die Absendung der Beru-fungsschrift per Telefax erkennbar nicht auf der Grundlage einer ihr [X.] bestätigt, entbehrt der Grundlage. Aus dem Vortrag in dem [X.] ergibt sich das nicht. Auch sonst ist nicht ersichtlich, wie der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hätte erkennen [X.], daß die [X.] seiner Mitarbeiterin nicht auf einer schriftlichen Unterla-ge beruhte. Im übrigen überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn es meint, die sorgfältige Überprüfung der korrekten Absendung fristgebundener Schriftsätze per Telefax sei nur dann sinnvoll in die Fristenkontrolle eingebunden, wenn sie entweder durch den Rechtsanwalt selbst oder durch einen kompetenten Mitarbeiter vorgenommen werde, der unmittelbar nach der Überprüfung die Erledigung der Frist [X.]. Nach der Rechtsprechung des [X.] kann der Rechtsanwalt die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxübermittlung seinem Personal überlassen, er braucht sie nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren (siehe nur Senat, [X.]. v. 23. Oktober 2003, [X.], aaO). Um so mehr genügt der Rechtsanwalt seiner Sorgfaltspflicht, wenn er sich - wie hier - [X.] 6 - drücklich bei seiner Mitarbeiterin, der er zuvor die konkrete Weisung zur Ü-bermittlung der Berufungsschrift erteilt hat, nach der ordnungsgemäßen Erledi-gung seiner Anweisung erkundigt und sodann aufgrund der positiven Antwort die Berufungsfrist in dem [X.] streicht, zumal die Mitarbeiterin nach der allgemeinen Anweisung des Rechtsanwalts den Sendebericht auf die Ord-nungsmäßigkeit der Faxübermittlung zu überprüfen hat.

2. Dieser Verstoß gegen das Gebot der Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes führt zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde, so daß offen bleiben kann, ob die weiteren in der Beschwerdebegründung dargelegten Zu-lässigkeitsvoraussetzungen vorliegen.

3. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Unrecht versagt. Die Klägerin hat hinreichend dargelegt, daß sie ohne Verschulden an der Einhal-tung der Berufungsfrist gehindert war. Ihrem Prozeßbevollmächtigten ist kein Organisationsverschulden vorzuwerfen.

a) Der Rechtsanwalt hat organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, daß Fristen im [X.] erst dann gestrichen werden, wenn die fristwah-rende Handlung tatsächlich erfolgt oder jedenfalls so weit gediehen ist, daß von einer fristgerechten Vornahme ausgegangen werden kann; bei der Über-mittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax muß der Rechtsanwalt die [X.] dahin präzisieren, daß er die damit befaßten Mitarbeiter [X.], einen Einzelnachweis über den [X.] ausdrucken zu lassen, der die ordnungsgemäße Übermittlung anzeigt, bevor die entsprechende Frist als erledigt vermerkt wird (Senat, [X.]. v. 23. Oktober 2003, [X.], - 7 - aaO). Solche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen bestanden nach dem Vortrag der Klägerin in dem Wiedereinsetzungsgesuch in dem Büro ihres zwei-tinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten. Sie wurden hier dadurch konkretisiert, daß er ausdrücklich seine Mitarbeiterin mit der sofortigen Faxübermittlung der von ihm unterzeichneten Berufungsschrift beauftragte und sich nach der [X.] Erledigung des Auftrags erkundigte, bevor er die Berufungsfrist in dem [X.] strich. Das gewährleistete die Fristwahrung, so daß dem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft (vgl. [X.], [X.]. v. 4. Oktober 2000, [X.], [X.]R ZPO § 233 [X.]). Er durfte auf die Richtigkeit der [X.] seiner - bis dahin stets zuverlässig und [X.] arbei-tenden - Mitarbeiterin vertrauen; besondere Umstände, die Anlaß zu weiteren Nachforschungen gegeben hätten (vgl. [X.], [X.]. v. 12. April 1995, [X.], [X.], 1135, 1136; [X.]. v. 18. Dezember 1997, [X.], [X.] 1998, 86), sind nicht ersichtlich. Nach der allgemeinen Anweisung für die Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax war sichergestellt, daß die Mitarbeiterin die [X.] nicht lediglich aus ihrer Erinnerung an den Vorgang der Faxübermittlung heraus gab, sondern auch aufgrund des von ihr kontrollierten [X.]. Somit war ein von dem Berufungsgericht vermiß-tes Schriftstück die - mittelbare - Grundlage für die Streichung der Frist. [X.] bewirkte die konkrete Nachfrage des Prozeßbevollmächtigten - zu der er grundsätzlich nicht verpflichtet ist ([X.], [X.]. v. 21. Oktober 1998, [X.], NJW-RR 1999, 715, 716 m.w.N.) -, daß seine Mitarbeiterin ihr Erinne-rungsvermögen auf einen ganz speziellen Fall richten mußte; das verringerte die von dem Berufungsgericht hervorgehobene Gefahr falscher Auskünfte auf-grund des mit Schwächen behafteten menschlichen Gedächtnisses. - 8 - b) Es kann dahingestellt bleiben, ob es - wie das Berufungsgericht meint - ein organisatorischer Mangel ist, daß in dem Büro des [X.] der Klägerin grundsätzlich eine Mitarbeiterin die Übermittlung von fristwahrenden Schriftsätzen per Telefax ausführt und danach der Rechtsanwalt selbst die Frist in dem [X.] streicht. Hier waren jedenfalls die [X.] des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten an seine Mitarbeiterin und die Kontrolle durch die Nachfrage ausreichend, um ei-nen etwaigen allgemeinen Organisationsmangel auszugleichen. Denn auf all-gemeine organisatorische Regelungen kommt es nicht entscheidend an, wenn im Einzelfall konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwah-rung sichergestellt hätte (Senat, [X.]. v. 23. Oktober 2003, [X.], [X.], 367, 369). Hiervon geht das Berufungsgericht zwar aus; aber es ver-kennt, daß der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin nicht nur eine Einzelwei-sung erteilt, sondern auch ihre Befolgung kontrolliert hat. Mehr brauchte er nicht zu veranlassen.

[X.]
Krüger Lemke

Schmidt-Räntsch

Czub

Meta

V ZB 48/05

16.06.2005

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2005, Az. V ZB 48/05 (REWIS RS 2005, 3055)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3055

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