Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.09.2013, Az. XI R 52/10

11. Senat | REWIS RS 2013, 3019

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Gegenstand

Kein Ausschluss von Kindergeld bei unterbliebener Antragstellung im Mitgliedstaat der Beschäftigung


Leitsatz

NV: Der im Wohnmitgliedstaat des betreffenden Kindes (Deutschland) bestehende Kindergeldanspruch darf nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO (EWG) Nr. 574/72 nicht deshalb teilweise ausgesetzt werden, weil der im Mitgliedstaat der Beschäftigung (Niederlande) bestehende Anspruch auf Familienleistungen mangels entsprechender Antragstellung nicht bezogen wird .

Tatbestand

1

I. Die im streitigen [X.]raum von Juli 2005 bis Dezember 2008 in den [X.] [X.] beschäftigte Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Mutter ihrer 1994 geborenen Tochter … (Kind), für die sie fortlaufend Kindergeld bezog. Sie wohnte zusammen mit ihrem Kind und dessen bis September 2007 im Inland beschäftigten Vater, ihrem damaligen Ehemann, in [X.] ([X.]). Seit September 2007 lebte die Klägerin getrennt, ist seit Mai 2009 geschieden und seit Januar 2009 nicht mehr in den [X.] beschäftigt.

2

Für das Kind erhielt die Klägerin ab dem ersten Quartal 2008 zudem [X.] Familienleistungen in Höhe von vierteljährlich 271,70 €.

3

[X.]m 19. Juni 2009 hob die frühere Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung für die [X.] ab Juli 2005 bis Dezember 2008 auf und forderte das überzahlte Kindergeld in Höhe von 4.774 € zurück.

4

Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin wurde von der Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009 mit der Begründung zurückgewiesen, sie, die Klägerin, unterliege den Kindergeldregelungen des Beschäftigungslandes.

5

Die anschließende Klage, mit der die Klägerin Kindergeld für die [X.] von Juli 2005 bis Dezember 2007 in voller Höhe und für die [X.] von Januar bis Dezember 2008 unter [X.]nrechnung der [X.]n Familienleistungen begehrte, hatte ebenso keinen Erfolg.

6

Das Finanzgericht ([X.]) war der [X.]nsicht, dass im Streitfall die [X.]nwendung des [X.] Kindergeldrechts durch [X.]rt. 13 [X.]bs. 2 Buchst. a, [X.]rt. 73 der Verordnung ([X.]) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur [X.]nwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf [X.]rbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der [X.] zu- und abwandern ([X.] 1408/71) verdrängt werde.

7

[X.]uch habe die Klägerin als Grenzgängerin nach [X.]rt. 10 [X.]bs. 1 Buchst. a der Verordnung ([X.]) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 ([X.] 574/72) keinen [X.]nspruch auf Zahlung der Differenz zwischen der niedrigeren [X.]n Familienleistung und dem höheren [X.] Kindergeld.

8

Da der Klägerin ab dem [X.]punkt ihrer Beschäftigung in den [X.] kein inländisches Kindergeld mehr zugestanden habe, komme es nicht darauf an, ob sie, die Klägerin, [X.] Familienleistungen tatsächlich beantragt habe und ob ihr damaliger Ehemann selbst kindergeldberechtigt gewesen sei.

9

Die Klägerin stützt ihre vom [X.] zugelassene Revision auf die Verletzung materiellen Rechts.

Sie bringt vor, es treffe zwar zu, dass im streitigen [X.]raum von Juli 2005 bis Dezember 2008 auch [X.]s Kindergeldrecht anwendbar sei, weil sie, die Klägerin, zu dieser [X.] als Grenzgängerin in den [X.] gearbeitet habe.

Der [X.]ufhebung der Kindergeldfestsetzung für die [X.] bis Dezember 2007 stehe jedoch § 65 des Einkommensteuergesetzes ([X.]) entgegen, der nur so zu verstehen sei, dass inländisches Kindergeld für ein Kind, für das ausländisches Kindergeld gezahlt werde oder bei entsprechender [X.]ntragstellung zu zahlen gewesen wäre, nur dann ausgeschlossen sei, wenn auf die andere Leistung ein Rechtsanspruch bestehe, der in zumutbarer Weise realisiert werden könne. Sie, die Klägerin, könne dagegen das ausländische Kindergeld für den [X.]raum bis Ende 2007 nicht mehr erhalten, weil sie aus Unkenntnis und mangels eines Hinweises der Familienkasse sowie im Vertrauen auf die Bestandskraft der Kindergeldfestsetzung in den [X.] zunächst keinen [X.]ntrag gestellt habe.

Der Sachverhalt des Streitfalls sei mit dem der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) vom 14. Oktober 2010 [X.]/09 --Schwemmer-- (Slg. 2010, [X.], [X.]schrift für europäisches Sozial- und [X.]rbeitsrecht --ZES[X.]R-- 2011, 86) vergleichbar. Inländisches Kindergeld sei dort bezogen worden, obwohl --wie hier in den [X.]-- kein [X.]ntrag auf die äquivalente [X.] Leistung gestellt worden sei. Entscheidend sei, dass es vorliegend zu keiner [X.]nspruchskumulierung kommen könne, soweit sie, die Klägerin, in den [X.] keinen [X.]ntrag auf Familienleistungen gestellt habe.

Die Familienkasse änderte im Verlauf des Revisionsverfahrens den angefochtenen [X.]ufhebungs- und Rückforderungsbescheid mit Bescheid vom 30. Januar 2013, setzte --wie von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren für die [X.] von Januar bis Dezember 2008 beantragt-- Kindergeld für die [X.] von Oktober 2007 bis Dezember 2008 unter [X.]nrechnung der in den [X.] zustehenden Familienleistungen fest und erklärte (insoweit) den Rechtsstreit für erledigt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter [X.]ufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009, den angefochtenen [X.]ufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 19. Juni 2009 wegen Kindergeld für Juli 2005 bis September 2007 aufzuheben sowie den [X.]ufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 30. Januar 2013 dahingehend zu ändern, dass für Oktober bis Dezember 2007 Kindergeld in voller Höhe und für Januar bis Dezember 2008 unter [X.]nrechnung [X.]r Familienleistungen gewährt wird.

Die Familienkasse beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie tritt der Revision mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen und bringt ergänzend vor, nach [X.]rt. 13 [X.]bs. 2 Buchst. a der [X.] 1408/71 seien vorliegend die [X.] der für die Familienleistungen zuständige Mitgliedstaat. Ein [X.]nspruch auf Festsetzung und Zahlung von inländischem Kindergeld in grenzüberschreitenden Sachverhalten bestehe nur, wenn --anders als im [X.] das Recht des Beschäftigungsstaats weder Kindergeld noch vergleichbare Zahlungen vorsehe und die Voraussetzungen der §§ 32, 62 ff. [X.] erfüllt seien.

Hätte die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht folgend sie, die Familienkasse, über ihre [X.]rbeitsaufnahme in den [X.] in Kenntnis gesetzt, hätte sie von ihr die notwendigen Informationen über eine [X.]ntragstellung im Beschäftigungsstaat erhalten.

Entscheidungsgründe

II. Im Streitfall hat zum 1. Mai 2013 ein gesetzlicher [X.] stattgefunden; Beklagte und Revisionsbeklagte ist nunmehr die [X.] (vgl. z.B. Urteile des [X.] --[X.]-- vom 22. August 2007 [X.], [X.], 533, [X.], 109; vom 16. Mai 2013 [X.], [X.], 511, [X.], 1698, Rz 11; vom 28. Mai 2013 XI R 38/11, juris, Rz 14). Das Rubrum des Verfahrens ist deshalb zu ändern.

III. Die Revision der Klägerin ist hinsichtlich des Kindergelds für den Zeitraum Januar bis Dezember 2008 unzulässig. Sie hat, soweit sie Kindergeld für den Zeitraum Juli 2005 bis Dezember 2007 betrifft, hingegen Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Die Revision der Klägerin ist mangels [X.] als unzulässig zu verwerfen, soweit sie Kindergeld für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 betrifft.

a) Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Revision entfällt nachträglich mit der Folge, dass das Rechtsmittel unzulässig wird, soweit sich die Hauptsache während des Rechtsmittelverfahrens materiell erledigt und der Rechtsmittelführer gleichwohl seinen ursprünglichen Sachantrag aufrechterhält (vgl. z.B. [X.] vom 5. August 2009 X B 198/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, [X.], unter II.2.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., Vor § 115 Rz 21a, jeweils m.w.N.).

b) So liegt es im Streitfall.

aa) Die Klägerin hat im Revisionsverfahren zwar ausdrücklich beantragt, den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 19. Juni 2009 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009 aufzuheben, was auf die Bewilligung des vollen Kindergelds auch für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 gerichtet ist, während sie im Klageverfahren insoweit --was die Familienkasse mit Änderungsbescheid vom 30. Januar 2013 inzwischen auch gewährte-- Kindergeld nur unter Anrechnung der [X.] Familienleistungen begehrt hatte.

Der erkennende Senat ist jedoch an die Fassung der Anträge nicht gebunden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 [X.]O), sondern an das Klagebegehren. Dieses ist nur auf die Gewährung von Differenzkindergeld gerichtet. Denn aus der Revisionsbegründung ergibt sich eindeutig, dass die Klägerin mit ihrer Revision für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 keine über die Gewährung des [X.] hinausgehende Änderung des angefochtenen Urteils erstrebt. Zudem würde es anderenfalls insoweit an der notwendigen formellen Beschwer fehlen, weil die Klägerin ihren Klageantrag erst im Revisionsverfahren hinsichtlich eines Teils erweitert hätte, über den noch keine erstinstanzliche Entscheidung vorliegt, die vom Revisionsgericht überprüft werden könnte (vgl. dazu z.B. [X.]-Urteil vom 21. Juli 1993 [X.], [X.] 1994, 305; [X.] vom 13. Mai 2013 I R 39/11, [X.], 1, [X.], 1284).

bb) Den so verstandenen Sachantrag hat die Klägerin im Revisionsverfahren aufrechterhalten, obwohl die Familienkasse mit Bescheid vom 30. Januar 2013 ihm entsprochen und sich der Rechtsstreit insoweit materiell erledigt hatte. Die Klägerin hätte den das Kindergeld für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 betreffenden Rechtsstreit --wie die Familienkasse-- für erledigt erklären müssen. Das ist nicht geschehen.

2. Im Übrigen ist die Revision der Klägerin --den Streitzeitraum Juli 2005 bis Dezember 2007 betreffend-- zulässig und in der Sache auch begründet.

a) Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich des Kindergelds für die Zeit von Oktober bis Dezember 2007 bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben.

Das [X.] hat über den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Familienkasse vom 19. Juni 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009 entschieden. An die Stelle dieses Bescheids ist während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 30. Januar 2013 getreten, der nach § 68 Satz 1 [X.]O Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist. Damit liegt der Vorentscheidung --soweit das Kindergeld für die Zeit von Oktober bis Dezember 2007 betroffen [X.] ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das Urteil des [X.] insoweit keinen Bestand haben kann (vgl. dazu z.B. [X.]-Urteile vom 28. August 2003 IV R 20/02, [X.], 143, [X.], 10; vom 26. Januar 2011 IX R 7/09, [X.], 463, [X.], 540; vom 10. Oktober 2012 VIII R 44/10, [X.], 359; vom 22. Januar 2013 IX R 25/11, [X.], 1387, jeweils m.w.N.).

b) Entgegen der Ansicht des [X.] entfällt die sich aus den §§ 62 ff. EStG ergebende Anspruchsberechtigung nicht dadurch, dass eine Person gemäß Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 nicht den [X.] Rechtsvorschriften, sondern nur den Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats der [X.] unterliegt. Obgleich [X.] in diesem Fall im Hinblick auf die Gewährung der Familienleistungen an sich der unzuständige Staat ist, wird der sich aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG ergebende Kindergeldanspruch nicht ausgeschlossen. Denn die Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 entfalten keine Sperrwirkung für die Anwendung des Rechts des nicht zuständigen Mitgliedstaats, sodass sich die Anspruchsberechtigung auch bei Personen und bei Leistungen, die dem persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der [X.] 1408/71 unterliegen, allein nach den Bestimmungen des [X.] Rechts richtet (vgl. dazu [X.]-Urteile in [X.], 1698; vom 18. Juli 2013 III R 51/09, [X.], 222, [X.]).

Die gegenteilige Auffassung, die der vorinstanzlichen Entscheidung zugrunde liegt und die auch der [X.] in ständiger Rechtsprechung früher vertreten hat (vgl. z.B. Urteile vom 13. August 2002 VIII R 61/00, [X.]E 200, 205, [X.] 2002, 869, und [X.], [X.]E 200, 211, [X.] 2002, 869; vom 24. März 2006 III R 41/05, [X.]E 212, 551, [X.], 369), wurde im Hinblick auf die Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 12. Juni 2012 [X.]/10 und [X.]/10 --Hudzinski und [X.], [X.], 475) inzwischen aufgegeben (vgl. dazu [X.]-Urteile in [X.], 1698; vom 18. Juli 2013 III R 51/09, [X.], 222, [X.]). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung aus den dort genannten Gründen an.

Das [X.] ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung konnte daher keinen Bestand haben und war demnach aufzuheben.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des [X.] lassen keine Beurteilung darüber zu, ob die Klägerin für den Zeitraum von Juli 2005 bis Dezember 2007, in dem sie mangels Antragstellung keine [X.] Familienleistungen bezogen hat, das volle [X.] Kindergeld beanspruchen kann.

a) Die im betreffenden Zeitraum in [X.] wohnhafte Klägerin erfüllte (unstreitig) nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Kindergeld für ihr gleichfalls in [X.] lebendes Kind.

b) Der erkennende Senat vermag aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen des [X.] nicht abschließend zu beurteilen, ob im Streitfall die Bestimmungen der [X.] 1408/71 anwendbar sind.

aa) Als Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 unterfällt das Kindergeld nach §§ 62 ff. EStG gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. h dieser Verordnung auch ihrem sachlichen Anwendungsbereich (vgl. dazu z.B. [X.]-Urteil vom 19. April 2012 III R 87/09, [X.]E 237, 150, [X.] 2012, 1371, Rz 17; zur Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 vgl. ferner [X.]-Urteil vom 26. Juli 2012 III R 97/08, [X.]E 238, 120, [X.] 2013, 24, Rz 18 ff., m.w.N.).

bb) Vom persönlichen Geltungsbereich der [X.] 1408/71 wird erfasst, wer --was erforderlich, aber auch ausreichend [X.] nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 in irgendeinem der von ihrem sachlichen Geltungsbereich erfassten Zweige der sozialen Sicherheit in irgendeinem Mitgliedstaat der [X.] versichert ist (vgl. dazu [X.]-Urteile vom 4. August 2011 III R 55/08, [X.]E 234, 316, [X.] 2013, 619; in [X.]E 237, 150, [X.] 2012, 1371; vom 5. Juli 2012 III R 76/10, [X.]E 238, 87, [X.] 2012, 1710; vom 18. Juli 2013 III R 51/09, [X.], 222, [X.]).

Das [X.] hat dazu lediglich festgestellt, dass die Klägerin im betreffenden Zeitraum in [X.] erwerbstätig war. Dies genügt nicht für die Prüfung, ob der persönliche Geltungsbereich der [X.] 1408/71 eröffnet ist, weil es hierfür maßgeblich auf den genauen Versichertenstatus ankommt (vgl. dazu [X.]-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, [X.]E, 242, 222,  [X.]).

c) Sollte sich im zweiten Rechtsgang herausstellen, dass die Klägerin vom persönlichen Geltungsbereich der [X.] 1408/71 erfasst wird und sie außerdem wegen einer abhängigen Beschäftigung in [X.] gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung --wonach eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staats unterliegt, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt-- den [X.] Rechtsvorschriften unterliegt, wird das [X.] folgendes zu beachten haben:

aa) Die Anwendung des Rechts des nicht zuständigen Mitgliedstaats ([X.]) wäre im Hinblick auf die Gewährung der Familienleistungen nicht ausgeschlossen (vgl. dazu vorstehend unter III.2.b).

bb) Die Konkurrenz zwischen dem [X.] und dem [X.] Anspruch würde dann nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 aufgelöst.

(1) Diese sog. Antikumulierungsbestimmung lautet wie folgt:
"Der Anspruch auf Familienleistungen oder -beihilfen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geschuldet werden, nach denen [--wie nach §§ 62 ff. [X.]] der Erwerb des Anspruchs auf diese Leistungen oder Beihilfen nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhängig ist, ruht, wenn während desselben Zeitraums für dasselbe Familienmitglied Leistungen allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Artikel 73, 74, 77 oder 78 der Verordnung geschuldet werden, bis zur Höhe dieser geschuldeten Leistungen."

(2) Mit dem von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der [X.] 574/72 angeordneten anteiligen Ruhen des [X.] Kindergeldanspruchs wäre die [X.] beseitigt. Diese Bestimmung erlaubt es hingegen nicht, einen weitergehenden [X.] Kindergeldanspruch auszuschließen, sodass der Klägerin dem Grunde nach auch für den Zeitraum Juli 2005 bis Dezember 2007 jedenfalls [X.]s Differenzkindergeld zustünde (vgl. dazu [X.]-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, [X.], 222, [X.], m.w.N.).

cc) Das [X.] wird im zweiten Rechtsgang ferner zu beachten haben, dass --worauf die Klägerin zu Recht hinwe[X.] der [X.] zu Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 entschieden hat, dass der im [X.] bestehende Anspruch nicht teilweise ausgesetzt werden darf, wenn zwar ein Anspruch auf Familienleistungen im Beschäftigungsmitgliedstaat besteht, die Familienleistungen dort faktisch aber nicht bezogen werden, weil kein entsprechender Antrag gestellt wurde (vgl. [X.]-Urteil --Schwemmer-- in [X.]. 2010, [X.], [X.] 2011, 86, Rz 55; ebenso [X.]-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, [X.], 222, [X.]). Dabei wäre es nicht entscheidungserheblich, dass in dem vom [X.] entschiedenen Fall der andere Elternteil im Beschäftigungsmitgliedstaat den Antrag nicht gestellt hatte, im Streitfall hingegen die Klägerin aber selbst die Antragstellung versäumt hat. Das [X.] muss deshalb feststellen, ob die Klägerin vor dem [X.] in [X.] Familienleistungen bezogen hat oder nicht (z.B. durch Vorlage eines Ablehnungsbescheids des [X.] Trägers).

d) Sollte der persönliche Geltungsbereich der [X.] 1408/71 nach den im zweiten Rechtsgang noch zu treffenden Feststellungen nicht eröffnet sein, wäre die [X.] nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aufzulösen. Schon das bloße Bestehen eines Anspruchs auf [X.] Familienleistungen würde dann zum Ausschluss des [X.] Kindergelds führen (vgl. ebenso [X.]-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, [X.], 222, [X.]). Die Folgen einer unterbliebenen Antragstellung hätte in diesem Fall die Klägerin zu tragen.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Die Kostenentscheidung wird dem [X.] für das gesamte Verfahren, auch soweit die Revision keinen Erfolg hatte, gemäß § 143 Abs. 2 [X.]O übertragen (vgl. dazu [X.]-Urteile vom 2. April 1998 III R 67/97, [X.]E 186, 79, [X.] 1998, 613; vom 6. November 2008 IV R 6/06, [X.] 2009, 763).

Meta

XI R 52/10

05.09.2013

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 30. August 2010, Az: 7 K 4726/09 Kg, Urteil

§ 32 Abs 1 Nr 1 EStG 2002, § 62 Abs 1 Nr 1 EStG 2002, § 63 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 65 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, Art 10 Abs 1 Buchst a EWGV 574/72, Art 1 Buchst a EWGV 1408/71, Art 1 Buchst u Ziff i EWGV 1408/71, Art 2 Abs 1 EWGV 1408/71, Art 4 Abs 1 Buchst h EWGV 1408/71, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006, EStG VZ 2007, EStG VZ 2008, Art 13 EWGV 1408/71, Art 13ff EWGV 1408/71, § 62ff EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.09.2013, Az. XI R 52/10 (REWIS RS 2013, 3019)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3019

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