Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.10.2020, Az. VIII ZA 6/20

8. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1501

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Gegenstand

Beiordnung eines Notanwalts: Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung bei Berufung ohne Erreichen des Beschwerdewerts


Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Beiordnung eines Notanwalts für die Durchführung einer Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 2. März 2020 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Durch Versäumnisurteil des [X.] wurde der Beklagte - ein Rechtsanwalt - verurteilt, Technikern der Firma [X.] nach Vorankündigung und innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens den Zutritt zu seiner von der Klägerin gemieteten Wohnung zwecks Anbringung von Rauchmeldern zu dulden.

2

Der hiergegen gerichtete Einspruch wurde durch zweites Versäumnisurteil verworfen. Einen nochmaligen "Einspruch" hiergegen hat das [X.] durch Urteil als unzulässig, da nicht statthaft (§§ 345, 514 Abs. 2 ZPO) und nicht fristgerecht erhoben, verworfen.

3

Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Diese hat das [X.] durch Beschluss vom 2. März 2020 als unzulässig verworfen. Der Wert der Beschwer liege - ebenso wie der Streitwert - bei lediglich 500 €. Durch die Duldung werde der Beklagte "allenfalls unwesentlich und über einen überschaubaren Zeitraum belastet". Auf eine Beschwer des Beklagten durch ein von der Klägerin weiter betriebenes Räumungsverfahren komme es nicht an.

4

Zur Einlegung und Begründung einer hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde - wozu er vorsorglich um Wiedereinsetzung nachsucht - beantragt der Beklagte die Beiordnung eines Notanwalts.

II.

5

Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b ZPO ist erfolglos.

6

Hiernach kann einer [X.] ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.

7

1. Die zuerst genannte Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die [X.] trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht gefunden hat. Ihre diesbezüglichen Bemühungen hat die [X.] dem Gericht - innerhalb der Rechtsmittelfrist - substantiiert darzulegen und nachzuweisen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 24. August 2011 - [X.], [X.], 699 Rn. 3; vom 18. Dezember 2012 - [X.], NJW 2013, 1011 Rn. 3; vom 24. November 2016 - [X.], juris Rn. 3; jeweils mwN). [X.] ist in diesem Zusammenhang, welche Rechtsanwälte aus welchen Gründen zur Übernahme des Mandats nicht bereit waren (Senatsbeschluss vom 12. Juni 2012 - [X.]/11, juris Rn. 9).

8

Daran fehlt es hier. Der Beklagte hat zwar innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt, aber nicht dargelegt, aus welchen Gründen die von ihm genannten Rechtsanwälte zur Übernahme des Mandats nicht bereit waren. Seine bloße Erklärung, die Rechtsanwälte hätten eine Vertretung abgelehnt, genügt den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung und einen Nachweis nicht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 27. April 1995 - [X.], NJW-RR 1995, 1016 unter 2; vom 24. August 2011 - [X.], aaO). Darauf ist der Beklagte auch mit Schreiben des [X.] vom 25. März 2020 hingewiesen worden.

9

2. Im Übrigen ist die Rechtsverfolgung aussichtslos.

a) Aussichtslosigkeit ist immer dann gegeben, wenn ein günstiges Ergebnis der beabsichtigten Rechtsverfolgung auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Dezember 2012 - [X.], juris Rn. 1; vom 8. Februar 2018 - [X.], juris Rn. 4; vom 26. September 2019 - [X.]/19, juris Rn. 5).

b) Dies ist hier der Fall. Die Berufung des Beklagten war mangels Erreichens des [X.] unzulässig.

aa) Gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Berufung gegen ein Urteil, in dem das Gericht erster Instanz - wie im Streitfall - die Berufung nicht zugelassen hat, nur zulässig, wenn der Wert des [X.] 600 € übersteigt. Nach §§ 2, 3 ZPO wird der Wert des [X.] vom Berufungsgericht nach freiem Ermessen festgesetzt. Die Bewertung des [X.] kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht bei der seinem freien Ermessen unterliegenden Wertfestsetzung die Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise, mithin fehlerhaft, Gebrauch gemacht hat. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn das Berufungsgericht bei der Ausübung seines Ermessens die in Betracht zu ziehenden Umstände nicht umfassend berücksichtigt hat (vgl. [X.], Urteile vom 24. Januar 2013 - I ZR 174/11, [X.], 1364 Rn. 10; vom 19. November 2014 - [X.], NJW 2015, 873 Rn. 14; Beschlüsse vom 18. September 2014 - [X.], [X.], 136 Rn. 8; vom 21. Mai 2019 - [X.]/18, NJW 2019, 2468 Rn. 9).

bb) Solche Ermessensfehler sind dem Berufungsgericht vorliegend nicht unterlaufen.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] richtet sich der [X.] nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers. Das gilt auch, wenn dieser - wie hier - zur Duldung der Zutrittsgewährung verurteilt worden ist und sich dagegen wendet (vgl. [X.], Beschluss vom 31. März 2010 - [X.] 130/09, NJW-RR 2010, 1081 Rn. 8). Maßgebend ist somit das Interesse des Beklagten den Zutritt zu seiner Wohnung zwecks Anbringung der Rauchmelder nicht dulden zu müssen. Die Erfüllung dieses Anspruchs der Klägerin verlangt vom Beklagten keine besonderen Aufwendungen. Das Zutrittsrecht besteht nur nach einer Vorankündigung mit einer Frist von fünf Tagen und dient ausschließlich zur einmaligen Anbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Rauchmelder. Anders als der Beklagte meint, ändert der Umstand, dass "auch noch zwei weitere nicht benannte Personen" anwesend seien, um die Rauchmelder anzubringen, hieran nichts. Vor diesem Hintergrund sind - anders als bei einer dauerhaft bestehenden Verpflichtung zur Zutrittsgewährung (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 12. Juli 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1384 Rn. 8) - Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwer den von dem Berufungsgericht geschätzten Betrag von 500 € übersteigen könnte, nicht erkennbar.

Ein Fall von § 514 Abs. 2 ZPO, bei welchem die Zulässigkeit der Berufung nicht vom Wert des [X.] abhängt, lag nicht vor, da der Beklagte gegen das - mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene - zweite Versäumnisurteil keine Berufung, sondern erneut ausdrücklich "Einspruch" und erst gegen das diesen als unzulässig verwerfende Urteil - die unzulässige - Berufung eingelegt hat.

Dr. Milger     

      

[X.]     

      

[X.]

      

Kosziol     

      

Dr. Schmidt     

      

Meta

VIII ZA 6/20

20.10.2020

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZA

vorgehend LG Köln, 2. März 2020, Az: 1 S 238/19

§ 2 ZPO, § 3 ZPO, § 78b ZPO, § 511 Abs 2 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.10.2020, Az. VIII ZA 6/20 (REWIS RS 2020, 1501)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1501

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