Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.11.2022, Az. VIII ZR 26/22

8. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 8441

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde: Bemessung des Beschwerdewerts bei Klage gegen den Wohnungsmieter auf Duldung von Modernisierungs- und Instantsetzungsmaßnahmen


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten als unzulässig zu verwerfen.

Gründe

I.

1

Der Beklagte ist Mieter eines [X.] in einer unter Denkmalschutz stehenden Wohnanlage in [X.], die zwischenzeitlich von der Klägerin, einer Projektentwicklungsgesellschaft, erworben wurde. Die monatliche Nettokaltmiete beträgt derzeit 402,68 €.

2

Mit Schreiben vom 26. November 2018 kündigte die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Durchführung zahlreicher und umfangreicher Arbeiten zur Modernisierung und Instandsetzung an und forderte ihn unter Fristsetzung zur Abgabe einer Duldungserklärung auf. Die voraussichtliche Erhöhung der Nettokaltmiete gab die Klägerin mit 1.511,60 € pro Monat an und wies den Beklagten auf die Unbewohnbarkeit der Wohnung während der Baumaßnahmen hin. Sie bot ihm für diesen Zeitraum eine Ersatzwohnung an. Die Dauer der Arbeiten sollte circa dreieinhalb Monate betragen.

3

Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Androhung von [X.] zu verurteilen, die von ihr im Einzelnen näher bezeichneten baulichen Maßnahmen - und zwar jede auch als Einzelmaßnahme gesondert beziehungsweise in jeder denkbaren Maßnahmenkombination - zu dulden und den von der Klägerin beauftragten Handwerkern zur Ausführung der Arbeiten Zutritt zu gewähren.

4

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten unter Androhung von [X.] verurteilt, verschiedene Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten zu dulden und den Handwerkern Zutritt zur Ausführung dieser Arbeiten zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 18.139,20 € festgesetzt. Mit der von ihm eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

II.

5

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer den Betrag von 20.000 € (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht übersteigt.

6

a) Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts. Dieses Interesse ist nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO zu ermitteln (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2022 - [X.], [X.], 293 Rn. 9; vom 12. Oktober 2021 - [X.], NJW 2022, 194 Rn. 15; vom 26. Januar 2021 - [X.], juris Rn. 8; jeweils mwN). Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht - gegebenenfalls auch im Wege der Schätzung (vgl. [X.], Beschluss vom 24. März 2022 - [X.], NJW 2022, 2195 Rn. 7) - selbst zu befinden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. Oktober 2021 - [X.], aaO; vom 13. Oktober 2020 - [X.], NJW-RR 2020, 1517 Rn. 14). Als Grundlage hierfür dienen nur solche Tatsachen, die der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist dargelegt und glaubhaft gemacht hat (vgl. Senatsbeschluss vom 30. März 2021 - [X.], juris Rn. 4 mwN) oder die jedenfalls in Verbindung mit dem Berufungsurteil offenkundig sind (vgl. [X.], Beschluss vom 24. März 2022 - [X.], aaO).

7

b) Mit der Revision, deren Zulassung der Beklagte erstrebt, begehrt er in Abänderung der Berufungsentscheidung die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils und damit die vollständige Klageabweisung. Der sich daraus ergebende Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer beträgt lediglich 16.682,78 € und nicht, wie die Nichtzulassungsbeschwerde unter Verweis auf die Verurteilung des Beklagten zur Duldung sowohl von Modernisierungs- als auch von Instandsetzungsmaßnahmen meint, 24.830,32 € (14.682,78 € für die Duldung von Modernisierungsmaßnahmen + 10.147,54 € für die Duldung von Instandsetzungsarbeiten).

8

aa) Die Klage auf Duldung einer Modernisierungsmaßnahme ist einer Mieterhöhung nach § 559 BGB vorgeschaltet. Die Beschwer des Beklagten durch die Verurteilung zur Duldung solcher Maßnahmen bemisst sich deshalb gemäß § 3 ZPO in Verbindung mit den Grundsätzen des § 9 ZPO nach dem [X.] des infolge der Modernisierung zu erwartenden [X.] (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. April 2020 - [X.], [X.], 299 Rn. 9; vom 7. Januar 2019 - [X.], NJW-RR 2019, 333 Rn. 2 [Verwerfungsbeschluss]; vom 20. November 2018 - [X.], [X.], 44 Rn. 2 [Hinweisbeschluss]). Diese Beschwer erhöht sich - anders als die Nichtzulassungsbeschwerde meint - nicht dadurch, dass mit der zu duldenden Modernisierungsmaßnahme fällige Instandsetzungsmaßnahmen erspart werden. Denn der auf die Instandsetzung entfallende Kostenanteil kann gerade nicht auf den Mieter umgelegt werden (§ 559 Abs. 2 BGB) und wird bei der Berechnung des [X.] deshalb nicht berücksichtigt (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 2014 - [X.], juris Rn. 29).

9

Ausgehend hiervon beträgt der Wert der Beschwer des Beklagten, soweit er zur Duldung von Modernisierungsmaßnahmen verurteilt worden ist, 14.682,78 € (42 x 349,59 €). Die Nichtzulassungsbeschwerde hat ausgehend von den von der Klägerin für die angedachten einzelnen Maßnahmen angegebenen Mieterhöhungsbeträgen die dem Beklagten drohende monatliche Mieterhöhung bereinigt um den [X.] mit 349,59 € beziffert.

bb) Soweit der Beklagte darüber hinaus zur Duldung von Instandsetzungsmaßnahmen verurteilt worden ist, kann sein Interesse an der Abänderung dieser Entscheidung - anders als das der Klägerin als Vermieterin (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. April 2020 - [X.], [X.], 299 Rn. 11; vom 27. November 2002 - [X.], NJW-RR 2003, 229 unter [X.]; vom 17. Mai 2000 - [X.], [X.], 3142 f. [jeweils zur Beschwer eines zur Mängelbeseitigung verurteilten Vermieters]; [X.]/Voit/[X.], ZPO, 19. Aufl., § 3 Rn. 31a; BeckOK-ZPO/Wendtland, Stand: 1. September 2022, § 3 ZPO Rn. 26) - nicht mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag einer fiktiven monatlichen Mietminderung für zu beseitigende Mängel gleichgesetzt werden. Denn sein Interesse ist nicht auf Beseitigung dieser Mängel, sondern auf die Vermeidung der mit der Durchführung der Instandsetzungsmaßnahmen für ihn verbundenen Einschränkungen seines Nutzungsrechts und etwaiger Aufwendungen gerichtet (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Oktober 2020 - [X.] 6/20, [X.], 800 Rn. 14 [zum [X.] bei Verurteilung zur Duldung der Installation eines Rauchmelders]; vom 31. März 2010 - [X.] 130/09, NJW-RR 2010, 1081 Rn. 8 [zur Duldung des Zutritts zu einem Grundstück]; vom 4. November 1998 - [X.] 111/98, [X.], 647 unter II [zur Duldung der Begutachtung eines Gebäudes durch einen Sachverständigen]; vgl. auch [X.], Urteil vom 20. Mai 2021 - I-18 U 17/20, juris Rn. 48).

Der Wert der danach zu [X.] umfasst auch den Antrag auf Zutrittsgewährung, der einen untrennbaren Teil des auf Duldung der Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen gerichteten Gesamtbegehrens darstellt (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Januar 2019 - [X.], aaO Rn. 5).

Aus den vorgenannten Gründen kann die Beschwer hinsichtlich der Verurteilung zur Duldung der Instandsetzungsmaßnahmen, die unter anderem die Neueindeckung des Dachs, Dachstuhlarbeiten und die Erneuerung der Treppe umfassen, nicht - wie von der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht - mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag einer fiktiven Mietminderung für die zu [X.] Mängel in Höhe von 10.147,54 € gleichgesetzt werden. Die Beschwer ist vielmehr im Wege der Schätzung angesichts der mit diesen Arbeiten voraussichtlich einhergehenden Unbewohnbarkeit des Hauses für circa dreieinhalb Monate und einer monatlichen Nettokaltmiete von 402,68 € (nebst Nebenkosten) mit einem Betrag von nicht mehr als 2.000 € zu bemessen. Ungeachtet der Tatsache, dass die Klägerin dem Beklagten die Beschaffung von Ersatzwohnraum für diesen Zeitraum angeboten hat, richtet sich das Interesse des Beklagten darauf, weiterhin die von ihm angemietete Wohnung nutzen zu können und nicht in ein Ausweichquartier umziehen zu müssen. Vortrag zu etwaigen, von dem Beklagten zu tragenden Aufwendungen infolge der Durchführung der Instandsetzungsmaßnahmen fehlt.

Die Beschwer ist deshalb mit einem Betrag von insgesamt 16.682,78 € zu bemessen.

2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

[X.]     

  

Dr. Liebert     

  

Dr. Schmidt

  

Wiegand     

  

Dr. Matussek     

  

Hinweis: Das [X.] ist durch Rücknahme erledigt worden.

Meta

VIII ZR 26/22

15.11.2022

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 21. Dezember 2021, Az: 63 S 399/19

§ 3 ZPO, §§ 3ff ZPO, § 9 ZPO, § 544 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 559 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.11.2022, Az. VIII ZR 26/22 (REWIS RS 2022, 8441)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8441

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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