Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.03.2011, Az. XI ZB 20/08

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 8963

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[X.][X.]/08 vom 1. März 2011 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], [X.], die Richterin [X.] sowie [X.] Ellenberger und [X.] am 1. März 2011 beschlossen: Den Klägern wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt Prof. Dr. Vorwerk für die Durchführung des [X.] bewilligt. Die Klägerin zu 1) hat keine Raten, der Kläger zu 2) hat monatliche Raten in Höhe von 596,64 • ab 1. Mai 2011 an die zuständige Landeskasse zu [X.]. Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des [X.] vom 6. Juni 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 109.014,79 •. - 3 - Gründe: [X.] 1 Die Kläger nehmen die Beklagten auf Schadensersatz wegen vorvertrag-licher Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung in Anspruch. 2 Die klagenden Eheleute erwarben im Jahre 1994 eine Eigentumswoh-nung in dem Objekt [X.]

in [X.]

. Der Kaufpreis be-trug 142.500 DM. Zur Finanzierung des Kaufpreises schlossen die Kläger mit der Beklagten zu 2), die hierbei durch die Beklagte zu 1) vertreten wurde, einen Darlehensvertrag über 168.000 DM sowie zwei Bausparverträge mit der [X.] zu 1). Die Vermittlung der Eigentumswohnung und der Finanzierung erfolgte durch ein Unternehmen der H.

Gruppe (im Folgenden: [X.]), die seit 1990 in großem Umfang Anlageobjekte vertrieb, die die [X.] zu 1) in Zusammenarbeit mit verschiedenen Banken finanzierte. Im Rahmen des Vermittlungsgesprächs unterzeichneten die Kläger nach ihrem unstreitigen Vortrag unter anderem einen Objekt- und Finanzierungsvermitt-lungsauftrag, in welchem unter Punkt 4 eine Finanzierungsvermittlungsgebühr und unter Punkt 5 eine Courtage aufgeführt waren und in dem es hieß: "Ich er-teile hiermit den Auftrag, [X.] das o.g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung be-nannte Firma zu den dort genannten [X.] ausgeführt werden." Die Darlehensvaluta wurde in der Folge ausgezahlt. [X.] erklärten die Klä-ger den Widerruf ihrer auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen unter Berufung auf das [X.]. Mit der Klage begehren die Kläger - in erster Linie gestützt auf einen Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher [X.] - 3 - 4 - insbesondere Rückerstattung geleisteter Zinsraten in Höhe von 100.425,09 • nebst Zinsen und die Feststellung, dass aus dem Darlehensvertrag keine [X.] der Beklagten mehr bestehen, jeweils Zug-um-Zug gegen Auflassung des Miteigentumsanteils an der Wohnung sowie die Feststellung, dass die [X.] zum Ersatz sämtlicher durch die Rückabwicklung des [X.] entstehender Schäden verpflichtet sind. Das [X.] hat die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt: 4 Den Klägern stehe ein Schadensersatzanspruch unter keinem rechtli-chen Gesichtspunkt zu. Insbesondere hafteten die Beklagten nicht aus vorver-traglichem Aufklärungsverschulden, da die Kläger keinen ausreichenden Vor-trag für Umstände erbracht hätten, bei deren Vorliegen ausnahmsweise eine Aufklärungspflicht der [X.] bestehe. Eine Verpflichtung der [X.] zur Aufklärung über im Kaufpreis möglicherweise enthaltene [X.] bestehe nicht, da die Kläger einerseits lediglich pauschal deren [X.] an den Vertrieb in einer Höhe von 20% bis 23% behauptet hätten, zum anderen eine diesbezügliche Aufklärungspflicht ohnehin erst dann in Betracht komme, wenn die Innenprovision zu einer so wesentlichen Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert führe, dass die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung der Käufer durch den Verkäufer ausgehen müsse. Dies könne mangels substantiierter Darlegung des Verkehrswertes der erwor-benen Eigentumswohnung indes nicht festgestellt werden. 5 Mit ihrer Berufung gegen dieses Urteil haben die Kläger ihre erstinstanz-lichen Klageanträge weiter verfolgt. Das Berufungsgericht hat die Berufung mit Beschluss als unzulässig verworfen, weil es an einer den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügenden Begründung fehle. 6 - 5 - Gegen diesen Beschluss wendet sich die Rechtsbeschwerde. 7 I[X.] 8 Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. 9 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO, des-sen Voraussetzungen auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Beru-fung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen ([X.], [X.] vom 29. Mai 2002 - [X.], [X.]Z 151, 42, 43 f.), zulässig. Eine Entscheidung des [X.] ist zur Sicherung einer einheitli-chen Rechtsprechung erforderlich, weil die angefochtene Entscheidung die Ver-fahrensgrundrechte der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsst[X.]tsprinzip) verletzt und darauf beruht (vgl. [X.], Beschluss vom 27. März 2003 - [X.], [X.]Z 154, 288, 296 zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO; vom 11. Mai 2004 - [X.] ZB 39/03, [X.]Z 159, 135, 139 f.; vom 28. Februar 2007 - [X.], NJW 2007, 1534 Rn. 9). Das Berufungsgericht hat den Klägern den Zugang zur Berufungsinstanz aus den nachfolgend darge-legten Gründen durch überspannte Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit einer Berufungsbegründung versagt. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. 10 a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entschei-dung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche 11 - 6 - bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt (Senat, Beschlüsse vom 12. Mai 2009 - [X.] ZB 21/08, juris Rn. 13 und vom 27. Mai 2008 - [X.] ZB 41/06, [X.], 1810 Rn. 11, jeweils mwN), wobei die Darstellung auf den Streitfall zuge-schnitten sein muss (Senat, Beschluss vom 27. Mai 2008 - [X.] ZB 41/06, [X.], 1810 Rn. 11 mwN). Besondere formale Anforderungen bestehen nicht; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind ([X.], Beschlüsse vom 21. Mai 2003 - [X.] 133/02, NJW-RR 2003, 1580 mwN und vom 28. Mai 2003 - [X.]I ZB 165/02, NJW 2003, 2531, 2532). b) Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründungsschrift der Klä-ger in einem, die angefochtene Entscheidung tragenden Punkt (noch) gerecht. 12 [X.]) Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings beanstandet, die Be-rufungsbegründung beschäftige sich weitgehend nicht mit dem erstinstanzli-chen Urteil. Zu Recht rügt das Berufungsgericht auch, dass sie teilweise neues Vorbringen enthält, ohne gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO die Tatsachen, auf Grund derer die neuen [X.] zuzulassen sind, zu bezeichnen. 13 bb) Die Rechtsbeschwerde hat dennoch Erfolg. Enthält die [X.] nämlich immerhin zu einem Punkt eine § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügende Begründung, ist sie insgesamt zulässig, wenn dies geeignet ist, der angegriffenen Entscheidung insgesamt die Grundlage zu entziehen (vgl. Senat, Urteil vom 12. November 2002 - [X.] ZR 25/00, [X.], 160, 162 mwN). So ist es hier im Hinblick auf die Frage einer möglichen Aufklärungspflichtver-letzung der Beklagten im Zusammenhang mit den im Objekt- und Finanzie-rungsvermittlungsauftrag ausgewiesenen Vertriebsprovisionen. Insoweit legt die Berufungsschrift Umstände dar, die aus dem Kontext mit (noch) hinreichender 14 - 7 - Deutlichkeit erkennen lassen (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Oktober 2008 - [X.]/08, [X.], 442 Rn. 12), dass sie die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils aus der Sicht der Kläger in Frage stellen sollen (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Mai 2009 - [X.] ZB 21/08, juris Rn. 14) und welche Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit die Kläger bei der angefochtenen Entscheidung beanstanden (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Oktober 2008 - [X.]/08, [X.], 442 Rn. 12). Auch wenn sich die Berufungsbegründung unter dem Stichwort "arglisti-ge Täuschung über versteckte Innenprovision" auf knapp 30 Seiten vor dem Hintergrund des Urteils des erkennenden Senats vom 10. Juli 2007 ([X.] ZR 243/05, [X.], 1831 ff.) weitgehend abstrakt mit der Frage der Aufklärungs-pflicht hinsichtlich an den Vertrieb geflossener Provisionen beschäftigt, wird mit (noch) hinreichender Deutlichkeit klar, dass sie rügt, das [X.] habe im Ergebnis zu Unrecht eine [X.] der Beklagten im [X.] abgelehnt. 15 Die Berufungsbegründung macht gegen die vom [X.] vertretene Rechtsauffassung, die Beklagten seien mangels ausreichenden Vortrags der Kläger zu einer sittenwidrigen Übervorteilung nicht zur Aufklärung über die Hö-he der an den Vertrieb gezahlten Innenprovisionen verpflichtet gewesen, unter Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats vom 10. Juli 2007 ([X.] ZR 243/05, [X.], 1831 ff.) geltend, die Beklagten seien nach dieser neuen Rechtsprechung des [X.] zu Vermittlungsprovisionen scha-densersatzpflichtig. Nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.] habe eine ungefragte Aufklärungspflicht nur bei einer sittenwidrigen Über-teuerung bestanden; mit der neuen Rechtsprechung habe der [X.] die Aufklärungspflicht bei arglistiger Täuschung über eine versteckte [X.] erweitert; entscheidend sei, dass eine tatsächliche Aussage über die 16 - 8 - Höhe der Provision gemacht worden sei, diese sich aber als falsch erweise und die Bank davon positive Kenntnis habe. So sei es hier. Durch die Angaben in dem unstreitig verwendeten Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, der Vermittlungskosten in Höhe von rund 5,5% ausweise, sei bei den Klägern ge-zielt der unrichtige Eindruck erweckt worden, für die Vermittlung von Erwerb und Finanzierung der Eigentumswohnung seien - auch den hiesigen Vermittler betreffend - lediglich die dort ausdrücklich ausgewiesenen und keine weiteren Vertriebsprovisionen zu zahlen, obwohl tatsächlich im vorliegenden Fall im [X.] zwischen Vertrieb und Beklagten Provisionen von weiteren 23% geflossen seien. Aus dem Kontext wird damit (noch) hinreichend klar, dass die Kläger rü-gen, das landgerichtliche Urteil erweise sich jedenfalls bei Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des [X.] zur Aufklärungspflicht bei In-nenprovisionen als unrichtig. Die Ausführungen der Kläger stellen sich daher - was ausreicht - in einem entscheidungserheblichen Punkt als den Anforderun-gen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügend dar; auf die rechtliche Ver-tretbarkeit der Auffassungen der Kläger kommt es hierfür, wie ausgeführt, nicht an. 17 II[X.] Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO); dabei gelten die vom Berufungsgericht in dem den Verwerfungsbeschluss vorberei-tenden Hinweisbeschluss enthaltenen inhaltlichen Ausführungen unter 6. als nicht geschrieben (vgl. [X.], Urteil vom 23. Oktober 1998 - [X.] 3/98, NJW 1999, 794, 795 mwN). Das Berufungsgericht wird mit Rücksicht auf die [X.] - 9 - weile zum Aufklärungsverschulden im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung der Anleger durch einen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauf-trag ergangene Rechtsprechung des Senats eine Haftung der Beklagten wegen Aufklärungsverschuldens auch nach Maßgabe der in dem Senatsurteil vom 29. Juni 2010 ([X.] ZR 104/08, [X.]Z 186, 96) aufgestellten Grundsätze zu [X.] haben. [X.] Joeres [X.] Ellenberger Matthias Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 19.07.2007 - 3 O 457/06 - [X.], Entscheidung vom 06.06.2008 - 5 U 1124/07 -

Meta

XI ZB 20/08

01.03.2011

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.03.2011, Az. XI ZB 20/08 (REWIS RS 2011, 8963)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8963

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