Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.01.2011, Az. XI ZR 327/08

11. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 10668

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Gegenstand

Bankenhaftung beim finanzierten Immobilienerwerb: Aufklärungspflicht über überhöhten Kaufpreis und Wissensvorsprung bei Täuschung über die Höhe der Vertriebsprovision im Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag


Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 20. Juni 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche im Zusammenhang mit dem von der [X.]seite finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung durch die Klägerseite.

2

Die Klägerseite erwarb im Jahre 1996 zu [X.] eine Eigentumswohnung in dem Objekt [X.]. Der Kaufpreis betrug 116.973 DM. Zur Finanzierung des Kaufs schloss die Klägerseite mit der [X.] zu 2., die hierbei von der [X.] zu 1. vertreten wurde, einen Darlehensvertrag über ein tilgungsfreies Vorausdarlehen in Höhe von 147.000 DM sowie zwei Bausparverträge. Die Vermittlung der Eigentumswohnung und der Finanzierung erfolgte durch die [X.] (im Folgenden: [X.]) und die [X.] (im Folgenden: B.), zwei Unternehmen der [X.] (im Folgenden: [X.]), die ihrerseits seit 1990 in großem Umfang Anlageobjekte vertrieb, die die [X.]seite in Zusammenarbeit mit verschiedenen Banken finanzierte. Insoweit unterzeichnete die Klägerseite unter anderem einen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, in welchem es heißt: "Ich erteile hiermit den Auftrag, [X.] das o. g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung benannten Firmen zu den dort genannten [X.] ausgeführt werden." Ausweislich Punkt 4 der Aufstellung sollte die [X.] eine Finanzierungsvermittlungsgebühr in Höhe von 2.940 DM (entspricht 2% des [X.]) und ausweislich Punkt 5 die B. eine Courtage in Höhe von 6.726 DM (entspricht 5,75% des Kaufpreises) erhalten. Die Darlehensvaluta wurde in der Folge ausgezahlt.

3

Mit der Klage verlangt die Klägerseite - gestützt auf einen Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher [X.] - die Rückabwicklung des kreditfinanzierten Kaufs der Eigentumswohnung. Sie begehrt insbesondere die Rückzahlung geleisteter Zinsen und die Feststellung, dass aus dem Darlehensvertrag ihr gegenüber keine Zahlungsansprüche bestehen, Zug um Zug gegen Auflassung des Miteigentumsanteils, sowie die Feststellung, dass die [X.]seite ihr sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, der im Zusammenhang mit dem finanzierten Erwerb der Eigentumswohnung steht. Ihre Ansprüche stützt die Klägerseite unter anderem darauf, dass sie durch den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag arglistig über die Höhe der Vermittlungsprovisionen getäuscht worden sei. Die [X.]seite ist dem entgegen getreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben.

4

Das [X.] hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der [X.]seite hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerseite die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt, ein vorvertragliches Aufklärungsverschulden der Beklagtenseite liege nicht vor, und zwar insbesondere auch kein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung über die Höhe der Vertriebsprovisionen. Die Beklagtenseite sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerseite auf die Höhe der Vertriebsprovisionen hinzuweisen, solange diese - wie hier - nicht zu einer sittenwidrigen Überhöhung des Kaufpreises führten. Auch im Hinblick auf den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag fehle es an einer arglistigen Täuschung über im Kaufpreis enthaltene Vertriebsprovisionen, denn der Auftrag enthalte keine Aufschlüsselung des Kaufpreises.

II.

7

Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

8

1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.], dass das einen Immobilienerwerb finanzierende Kreditinstitut den Darlehensnehmer grundsätzlich nicht von sich aus auf eine im Kaufpreis enthaltene und an den Vertrieb gezahlte Provision hinweisen muss, sofern diese nicht zu einer so wesentlichen Verschiebung des Verhältnisses zwischen Kaufpreis und Verkehrswert der Immobilie beiträgt, dass das Kreditinstitut von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen musste (st. Rspr., zuletzt Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - [X.], [X.], 1451 Rn. 17 mwN, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass das Berufungsgericht eine solche sittenwidrige Übervorteilung hier nicht festgestellt hat.

9

2. Mit diesen Ausführungen lässt sich eine Haftung der Beklagtenseite für ein Aufklärungsverschulden im Zusammenhang mit den Vertriebsprovisionen aber nicht abschließend verneinen. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] liegt ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung der [X.] auch dann vor, wenn die Bank Kenntnis davon hat, dass der Kreditnehmer von seinem Geschäftspartner oder durch den Fondsprospekt über das finanzierte Geschäft arglistig getäuscht wurde (Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - [X.], [X.], 1451 Rn. 20 mwN). Wie der erkennende Senat bereits mehrfach zu ebenfalls die Beklagtenseite betreffenden vergleichbaren Fällen institutionalisierten Zusammenwirkens entschieden hat  (vgl. Senatsurteile vom 20. März 2007 - [X.], [X.], 876 Rn. 56 und vom 27. Mai 2008 - [X.], [X.], 1260 Rn. 26 mwN), wird die Kenntnis der Beklagtenseite von einer solchen arglistigen Täuschung der Anleger durch den Vertrieb widerleglich vermutet, wenn die Unrichtigkeit der Angaben zum Anlageobjekt objektiv evident ist.

Ein solcher Fall ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt im Hinblick auf die Vertriebsprovisionen gegeben. Die Klägerseite hat sich zur Begründung eines Aufklärungsverschuldens der Beklagtenseite nämlich unter Beweisantritt auch darauf berufen, durch den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag sei bei ihr gezielt der unrichtige Eindruck erweckt worden, dass für die Vermittlung von Erwerb und Finanzierung der Eigentumswohnung lediglich die dort ausdrücklich ausgewiesenen und keine weiteren Vertriebsprovisionen zu zahlen seien, obwohl tatsächlich im Einvernehmen zwischen Vertrieb und Beklagtenseite wesentlich höhere Vertriebsprovisionen an die Vermittler geflossen seien.

Danach ist eine arglistige Täuschung der Klägerseite über die Höhe der Vertriebsprovisionen dargetan, über die die Beklagtenseite sie hätte aufklären müssen. Wie der erkennende Senat in seinem nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 29. Juni 2010 ([X.], [X.], 1451 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist der formularmäßige Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, der auch im Streitfall unstreitig zum Einsatz gekommen ist, angesichts des darin enthaltenen formularmäßigen Hinweises, der Auftrag solle durch die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung benannten [X.] zu den dort im Einzelnen genannten [X.] ausgeführt werden, unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel des § 5 [X.] (jetzt § 305c Abs. 2 BGB) dahin auszulegen, dass es sich bei den als Finanzierungsvermittlungsgebühr und Courtage bezeichneten Provisionen um die [X.] handelt, zu denen die jeweilige Vermittlungsgesellschaft den Auftrag insgesamt ausführen sollte (Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - [X.], [X.], 1451 Rn. 28 ff.). Dies war aber nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Klägerseite eine bewusste Fehlinformation, da tatsächlich wesentlich höhere Provisionen an die Vermittler gezahlt werden sollten und wurden.

Das Berufungsgericht, das die nach dem Senatsurteil vom 29. Juni 2010 gebotene Auslegung des formularmäßigen Objekt- und [X.] und das sich daraus möglicherweise ergebende Aufklärungsverschulden der Beklagtenseite bei Abfassung seines Urteils noch nicht berücksichtigen konnte, hat den Sachverhalt unter diesem Gesichtspunkt noch nicht geprüft und die für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch erforderlichen weiteren Feststellungen noch nicht getroffen.

III.

Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dieses wird, nachdem die Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag erhalten haben, nach Maßgabe des [X.] vom 29. Juni 2010 ([X.], [X.], 1451 ff.) die erforderlichen Feststellungen zum Bestehen eines etwaigen Schadensersatzanspruchs wegen Aufklärungsverschuldens im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung der Klägerseite durch den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag zu treffen haben.

[X.]                                         [X.]

                         [X.]

Meta

XI ZR 327/08

11.01.2011

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 20. Juni 2008, Az: 3 U 35/06, Urteil

§ 280 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.01.2011, Az. XI ZR 327/08 (REWIS RS 2011, 10668)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10668

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XI ZR 327/08 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

XI ZR 327/08

Zitiert

XI ZR 104/08

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