Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.05.2013, Az. 6 AZR 847/11

6. Senat | REWIS RS 2013, 5737

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Gegenstand

Rufbereitschaftspauschale bei mehrtägiger Rufbereitschaft


Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 26. September 2011 - 7 [X.] - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 6. Juli 2011 - 19 [X.] - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 100,16 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 25,04 Euro seit dem 1. Juli 2009 sowie aus jeweils weiteren 25,04 Euro seit dem 1. August 2009, dem 1. Oktober 2009 und dem 1. Februar 2010 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die tägliche Pauschale gemäß § 11 Abs. 3 des Tarifvertrags über die kommunalen [X.] ([X.]) vom 13. November 2001 auch für solche Kalendertage innerhalb einer einheitlich angeordneten Rufbereitschaft zu zahlen, an denen keine Rufbereitschaft für volle Tage geleistet worden ist (sog. angebrochene Tage).

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die tarifliche Pauschale für Rufbereitschaft.

2

Der Kläger ist seit dem 1. Januar 1986 bei der [X.] beschäftigt. [X.] ist der Bezirkstarifvertrag für die kommunalen [X.] ([X.]) vom 13. November 2001 in Bezug genommen. Der Kläger hat zu wechselnden Einsatzzeiten Rufbereitschaft zu leisten. Die Rufbereitschaft beginnt werktags um 15:00 Uhr und endet am nächsten Werktag um 6:25 Uhr. [X.] beginnt am Freitag um 15:00 Uhr und endet am Montag um 6:25 Uhr. Die Parteien streiten darüber, ob bei mehrtägigen Rufbereitschaften für den letzten „angebrochenen“ Tag, an dem nicht mehr Rufbereitschaft bis 24:00 Uhr angeordnet ist, noch eine Tagespauschale zu zahlen ist.

3

§ 11 Abs. 3 [X.] bestimmt:

        

„Für die Rufbereitschaft wird eine tägliche Pauschale je [X.] bezahlt. Sie beträgt für die Tage Montag bis Freitag das Zweifache, für Samstag, Sonntag sowie für Feiertage das Dreifache des tariflichen [X.] gem. Abs. 1 Satz 2. Maßgebend für die Bemessung der Pauschale nach Satz 2 ist der Tag, an dem die Rufbereitschaft beginnt. …“

4

Den Tarifvertragsparteien des [X.] war bei Tarifabschluss der am 25. Mai 2001 geschlossene Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe ([X.]) bekannt. Dieser regelt die [X.] in § 11 Abs. 3 Satz 1 bis Satz 3 in derselben Weise wie der [X.].

5

Weiter heißt es im [X.] in einer Niederschriftserklärung vom 25. Juni 2001:

        

Zu § 11 Abs. 3:

        

Zur Ermittlung der Tage einer Rufbereitschaft, für die eine Pauschale gezahlt wird, ist auf den Tag des Beginns der Rufbereitschaft abzustellen.

        

Beispiel:

        

Beginnt eine [X.] am Freitag um 15:00 Uhr und endet sie am Montag um 7:00 Uhr, so erhält der [X.] folgende Pauschalen: 2 Stundenentgelte für Freitag, je 3 Stundenentgelte für Samstag und Sonntag, keine Pauschale für Montag (weil die Rufbereitschaft an diesem Tag vor 15:00 Uhr endet). Der [X.] erhält somit 8 Stundenentgelte.“

6

Auch der am 5. Oktober 2000 geschlossene Tarifvertrag Versorgungsbetriebe ([X.]) regelt in § 10 Abs. 3 Satz 1 bis Satz 3 die Voraussetzungen der [X.] in bis auf die Höhe des Stundensatzes identischer Weise.

7

Weiter heißt es dort in einer Protokollerklärung zu § 10 Abs. 3:

        

„Zur Ermittlung der Tage einer Rufbereitschaft, für die eine Pauschale gezahlt wird, ist auf den Tag des Beginns der Rufbereitschaft abzustellen.“

8

Der Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei den [X.] im [X.] - Spartentarifvertrag Nahverkehr [X.] - ([X.]) vom 27. Juni 2001 enthält in § 11 Abs. 3 Satz 1 bis Satz 3 eine mit § 10 Abs. 3 [X.] identische Regelung. Weiter heißt es in einem mit * nach § 11 Abs. 3 Satz 3 TV-N BRB eingefügten Beispiel:

        

„Beginnt eine [X.] am Freitag um 15.00 Uhr und endet am Montag um 7.00 Uhr, so erhält der Arbeitnehmer folgende Pauschalen: 2 Stundenentgelte für Freitag, je 4 Stundenentgelte für Samstag und Sonntag, keine Pauschale für Montag. Er erhält somit 10 Stundenentgelte.“

9

Schließlich bestimmt § 8 Abs. 3 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst ([X.]) - Allgemeiner Teil - vom 13. September 2005:

        

„Für die Rufbereitschaft wird eine tägliche Pauschale je [X.] bezahlt. Sie beträgt für die Tage Montag bis Freitag das Zweifache, für Samstag, Sonntag sowie für Feiertage das Vierfache des tariflichen [X.] nach Maßgabe der [X.]. Maßgebend für die Bemessung der Pauschale nach Satz 2 ist der Tag, an dem die Rufbereitschaft beginnt. ...“

Die Protokollerklärung zu Abs. 3 bestimmt:

        

„Zur Ermittlung der Tage einer Rufbereitschaft, für die eine Pauschale gezahlt wird, ist auf den Tag des Beginns der Rufbereitschaft abzustellen.“

In der Niederschriftserklärung zu § 8 Abs. 3 TVöD heißt es:

        

„Zur Erläuterung von § 8 Abs. 3 und der dazugehörigen Protokollerklärung sind sich die Tarifvertragsparteien über folgendes Beispiel einig: ‚Beginnt eine [X.] am Freitag um 15 Uhr und endet am Montag um 7 Uhr, so erhalten Beschäftigte folgende Pauschalen: zwei Stunden für Freitag, je vier Stunden für Samstag und Sonntag, keine Pauschale für Montag. Sie erhalten somit zehn Stundenentgelte.’“

Der Kläger leistete im Jahr 2009 und 2010 wiederholt Rufbereitschaft, die an einem Montag um 15:00 Uhr begann und am darauf folgenden Montag um 6:25 Uhr endete. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger für die vier Montage 1. Juni 2009, 27. Juli 2009 und 14. September 2009 sowie 11. Januar 2010 die tarifliche Pauschale beanspruchen kann. Unstreitig betrug das tarifliche Stundenentgelt des [X.] iSv. § 11 Abs. 3 Satz 2 iVm. § 11 Abs. 1 Satz 2 [X.] im streitbefangenen Zeitraum 12,52 Euro brutto. Mit Schreiben vom 21. September 2009 machte der Kläger eine Nachzahlung von je 25,04 Euro für die von ihm zwischen dem 25. Mai bis 1. Juni 2009, dem 20. bis 27. Juli 2009 sowie am 14. September 2009 geleisteten Rufbereitschaften geltend, mit Schreiben vom 12. Februar 2010 eine weitere Differenz von 25,04 Euro für die Rufbereitschaft zwischen dem 4. und 11. Januar 2010.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, eine „tägliche Pauschale“ sei für jeden begonnenen Tag einer Rufbereitschaft zu zahlen. Im Unterschied zu § 8 [X.] enthalte der [X.] auch keine abweichende Regelung von diesem Grundsatz.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 100,16 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 25,04 Euro seit dem 1. Juli 2009 und aus jeweils weiteren 25,04 Euro seit dem 1. August 2009, seit dem 1. Oktober 2009 und seit dem 1. Februar 2010 zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die tägliche Pauschale gemäß § 11 Abs. 3 des Tarifvertrags über die kommunalen Nahverkehrsbetriebe Baden-Württemberg (BzTV-N BW) vom 13. November 2001 auch für solche Kalendertage innerhalb einer einheitlich angeordneten Rufbereitschaft zu zahlen, an denen keine Rufbereitschaft für volle Tage geleistet worden ist (sog. angebrochene Tage).

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags angeführt, die Tarifvertragsparteien des [X.] hätten die Regelung des § 11 Abs. 3 [X.] übernommen. Da die Vorschrift des [X.] mit der Regelung in [X.] identisch sei, habe sie die gleiche Bedeutung, ohne dass es einer nochmaligen Erläuterung der Tarifvertragsparteien über den [X.] bedurft habe. Hätten die Tarifvertragsparteien des [X.] bei identischem Wortlaut eine inhaltlich andere Regelung treffen wollen, hätten sie dies deutlich machen müssen. [X.] man § 11 Abs. 3 [X.] so aus wie der Kläger, laufe Satz 3 dieser Bestimmung leer. Ergänzend hat sie sich auf die Entscheidung des Senats vom 5. Februar 2009 (- 6 [X.] - Rn. 20, [X.] 129, 284) bezogen.

Das Arbeitsgericht hat [X.] eingeholt. Es hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Dem Kläger steht gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 [X.] bei mehrtägigen Rufbereitschaften eine Pauschale nach Maßgabe des § 11 Abs. 3 Satz 2 iVm. Satz 3 [X.] auch für solche Tage zu, an denen nicht mehr Rufbereitschaft bis 24:00 Uhr angeordnet ist (sog. angebrochene Tage). Ihm ist daher für die vier streitbefangenen Montage 1. Juni 2009, 27. Juli 2009, 14. September 2009 sowie 11. Januar 2010 eine Pauschale von jeweils zwei Stundenentgelten entsprechend jeweils 25,04 Euro brutto zu zahlen.

I. Die Klage ist zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Der Kläger muss regelmäßig Rufbereitschaft leisten. Die streitbefangene Regelung des § 11 Abs. 3 [X.] besteht nach wie vor. Zwar ist dieser Tarifvertrag von [X.] im Mai 2011 mit Wirkung zum 30. September 2011 gekündigt worden. Aufgrund der Tarifeinigung vom 3. November 2011 ist dieser Tarifvertrag jedoch rückwirkend mit Wirkung zum 1. Juli 2011 wieder in [X.] gesetzt worden. Änderungen bei der streitbefangenen Regelung ergeben sich aus dieser Tarifeinigung nicht.

II. Die Klage ist begründet. Das [X.] hat den Wortlaut des § 11 Abs. 3 Satz 1 BzTV-N BW und den Zusammenhang zwischen § 11 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BzTV-N BW nicht hinreichend beachtet.

1. Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 [X.] wird für die Rufbereitschaft eine „tägliche“ Pauschale gezahlt. Ungeachtet dessen, dass die Tarifvertragsparteien nicht die ebenfalls gebräuchlichen Begriffe „kalendertäglich“ oder „wochentäglich“ verwendet haben, ist die „tägliche“ Pauschale gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 BzTV-N BW für jeden angebrochenen Kalendertag bzw. Wochentag zu zahlen.

a) Mit dem Begriff „täglich“ ist die Bedeutung „jeden Tag, an jedem Tag, für jeden Tag“ verbunden ([X.] Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort „täglich“; [X.] [X.] [X.] 3. Aufl. Stichwort „täglich“). Eine „tägliche“ Pauschale ist also für jeden Tag, an dem Rufbereitschaft geleistet wird, zu zahlen. Das gilt auch dann, wenn die Rufbereitschaft keinen vollen Tag umfasst oder wenn sie sich über mehrere Tage hinweg erstreckt, ohne dass am Ende dieser Rufbereitschaft noch bis 24:00 Uhr Rufbereitschaft angeordnet ist. Mit der Verwendung des Begriffs „täglich“ haben die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass sich die Bezahlung der Rufbereitschaft nicht nach der Anzahl der angeordneten Rufbereitschaftsstunden, sondern grundsätzlich allein nach der Anzahl der Tage richtet, an denen Rufbereitschaft zu leisten ist, ohne dass es darauf ankommt, wie viele Stunden pro Tag anfallen (vgl. zu dem wortgleichen § 8 Abs. 3 Satz 1 [X.] [X.]/[X.]/Kiefer/Lang/Langenbrinck [X.] Stand August 2006 Teil [X.] Rn. 34; [X.]/[X.]/[X.]/Wiese [X.] Stand Oktober 2011 Teil II/1 § 8 Rn. 51).

b) Die Formulierung in § 11 Abs. 3 Satz 2 BzTV-N BW bestätigt diese Auslegung. Satz 2 stellt ausdrücklich auf die „Tage“ Montag bis Freitag bzw. Samstag, Sonntag und Feiertage ab und nicht etwa auf einen Zeitraum von 24 Stunden. Auch bei einer Rufbereitschaft, die [X.] von Samstag, 12:00 Uhr bis Sonntag, 11:00 Uhr dauert und damit nicht mehr als 24 Stunden umfasst, ist deshalb eine Pauschale für zwei Tage zu zahlen.

c) Da der [X.] im Unterschied zum [X.] keine stundenweise Rufbereitschaft kennt, kommt es auch nicht darauf an, ob die angeordnete Rufbereitschaft mehr als zwölf Stunden ohne Unterbrechung umfasst.

2. Aus § 11 Abs. 3 Satz 3 [X.] folgt entgegen der Auffassung der Beklagten nichts anderes.

a) Diese Bestimmung nimmt ausdrücklich nur eine Zuordnung zu der in § 11 Abs. 3 Satz 2 [X.] festgelegten Wertigkeit der einzelnen Tage einer Rufbereitschaft vor. Es handelt sich um eine Bemessungsgrundlage. Sie ordnet an, dass allein der erste Tag der Rufbereitschaft für die Anzahl der pro Tag der mehrtägigen, einheitlich angeordneten Rufbereitschaft zu zahlenden Stundenentgelte maßgeblich ist. Mit dieser Bestimmung ist demnach nur geregelt, wie viele Stundensätze pro Tag der Rufbereitschaft zu zahlen sind (vgl. für § 8 Abs. 3 [X.] [X.] 5. Februar 2009 - 6 [X.] - Rn. 20, [X.]E 129, 284; [X.] in [X.] Bd. IV Stand Juli 2009 E § 8 Rn. 39; [X.]/[X.]/Kiefer/Lang/Langenbrinck [X.] Stand August 2006 Teil [X.] Rn. 34).

b) Dagegen enthält - anders als das [X.] und die Beklagte annehmen - § 11 Abs. 3 Satz 3 [X.] keine Aussage dazu, für wie viele Tage die so festgelegte Pauschale zu zahlen ist. Im [X.] fehlt eine ausdrückliche Regelung zur Festlegung dieser Anzahl, wie sie in der Niederschriftserklärung zu § 11 Abs. 3 [X.] enthalten ist und wie sie sich auch in den [X.], [X.] und/oder Beispielen der vergleichbaren Regelungen im [X.], [X.] und [X.] findet. In diesen Tarifverträgen haben die Tarifvertragsparteien durch Zusätze geregelt bzw. klargestellt, dass entgegen dem Wortlaut des Satz 1 der jeweiligen Tarifregelung nach ihrem Willen keine Pauschale für einen „angebrochenen“ Tag, an dem im Rahmen einer einheitlich angeordneten mehrtägigen Rufbereitschaft noch Rufbereitschaft zu erbringen ist, zu zahlen ist. Vielmehr gilt ein solcher Tag als „Folgetag“ zum Tag des Beginns der Rufbereitschaft, der nicht besonders zu vergüten ist. Demgegenüber ist für die Samstage und Sonntage der erhöhte Stundensatz zu zahlen (vgl. zu § 8 [X.] [X.]/[X.]/Kiefer/Lang/Langenbrinck [X.] Stand August 2006 Teil [X.] Rn. 35; [X.] in [X.] Bd. IV Stand Juli 2009 E § 8 Rn. 40). Ohne derartige Bestimmungen, bei denen es sich um eigenständige tarifliche Regelungen handelt, bleibt es beim Grundsatz des § 11 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Aus den Ausführungen im Urteil des Senats vom 5. Februar 2009 (- 6 [X.] - Rn. 20, [X.]E 129, 284) folgt entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung nichts anderes. Der Senat hat bei diesen Ausführungen bereits im ersten Satz ausdrücklich nicht allein auf § 8 Abs. 3 [X.], sondern gerade auf dessen Ergänzung durch die Protokollerklärung zu diesem Absatz abgestellt. Unter dieser Prämisse stehen alle weiteren Aussagen zur Berechnung der Pauschale. Die anschließende Darlegung, wie bei einer Wochenendrufbereitschaft nach dem Willen der Tarifvertragsparteien insbesondere die maßgebliche Anzahl der Tage zu ermitteln ist, beruht darauf, dass die Tarifvertragsparteien bereits mit der Protokollerklärung zu § 8 Abs. 3 [X.]-V angedeutet haben und mit der Niederschriftserklärung endgültig klargestellt haben, wie sie diese Anzahl ermitteln wollen. Dies weicht aber, wie ausgeführt, von der Regelung in § 11 Abs. 3 BzTV-N BW ab.

c) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann nicht angenommen werden, dass die Tarifvertragsparteien des [X.] nicht nur den Wortlaut des Tariftextes in § 11 Abs. 3 [X.], sondern auch die eigenständige Regelung in der Niederschriftserklärung zu dieser Bestimmung, aus der sich ergibt, dass und wie die Anzahl der zu vergütenden Tage abweichend von § 11 Abs. 3 Satz 1 [X.] zu ermitteln ist, übernehmen wollten. Die vom Arbeitsgericht eingeholte [X.] hat einen derartigen übereinstimmenden, vom Wortlaut des § 11 Abs. 3 Satz 1 [X.] abweichenden Regelungswillen der Tarifvertragsparteien nicht ergeben. Ohnehin hätten die Tarifvertragsparteien - anders als die Beklagte annimmt - einen derartigen Regelungswillen in irgendeiner Form deutlich machen müssen. Der Umstand, dass sie die ihnen bekannte Niederschriftserklärung zu § 11 Abs. 3 [X.] nicht übernommen haben, lässt eher den Schluss zu, dass sie bewusst eine davon abweichende Regelung treffen wollten.

d) Aus vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass entgegen der Annahme des [X.]s und der Beklagten die Bestimmung des § 11 Abs. 3 Satz 3 [X.] auch in der Auslegung des Klägers einen Anwendungsbereich hat. Die Beklagte berücksichtigt nicht, dass die Bestimmung des § 11 Abs. 3 Satz 1 [X.] zu der entgeltrechtlichen Wertigkeit der einzelnen Tage einer Rufbereitschaft gerade keine Aussage enthält. Diese Zuordnung erfolgt ausdrücklich erst durch Satz 3 der streitbefangenen Bestimmung. Die tarifliche Anordnung kompensiert zudem bei [X.], die typischerweise von Freitagnachmittag bis Montagfrüh angeordnet werden, die für die Arbeitnehmer im Vergleich zu den entsprechenden Bestimmungen im [X.], im [X.] und im [X.] und [X.] günstigere Regelung in § 11 Abs. 3 Satz 1 BzTV-N BW, wonach die Pauschale auch für angebrochene Tage der Rufbereitschaft zu gewähren ist. Nach § 11 Abs. 3 Satz 3 BzTV-N BW ist bei derartigen Rufbereitschaften für jeden Tag nur das zweifache Stundenentgelt zu zahlen, weil die Rufbereitschaft an einem Freitag beginnt. Wie im [X.] sollen für eine typische Wochenendrufbereitschaft damit acht Stundenentgelte, nämlich je zwei für die vier Tage Freitag bis Montag, gezahlt werden.

3. Die Systematik des [X.] bestätigt vorstehende Auslegung. Die Tarifvertragsparteien verwenden auch in anderen Regelungszusammenhängen den Begriff „täglich“ im Sinne von „jeden Tag“. Dies ist zum Beispiel der Fall in § 9 Abs. 5 [X.], wonach die innerhalb der täglichen Rahmenzeit geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden in einem festgelegten Zeitraum ausgeglichen werden. In § 10 Abs. 4 und Abs. 5 [X.] haben die Tarifvertragsparteien im Zusammenhang mit der Begriffsbestimmung der Wechselschichtarbeit bzw. Schichtarbeit jeweils auf einen regelmäßigen Wechsel des Beginns der „täglichen“ Arbeitszeit abgestellt. Mit „täglich“ ist in diesem Zusammenhang „jeden Tag“ gemeint (vgl. für die wortgleiche Regelung der Schichtarbeit in § 7 Abs. 2 [X.] [X.] 12. Dezember 2012 - 10 [X.] - Rn. 11).

4. Dem Kläger ist die begehrte Zahlung zuzusprechen.

a) Für die streitbefangenen vier Montage 1. Juni 2009, 27. Juli 2009, 14. September 2009 sowie 11. Januar 2010 sind dem Kläger jeweils zwei tarifliche Stundenentgelte seiner Lohngruppe 6, berechnet gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 iVm. § 11 Abs. 1 Satz 2 [X.] aus der Stufe 1, zu zahlen. Die mehrtägigen Rufbereitschaften, die an diesen Montagen endeten, haben jeweils an dem Montag davor begonnen. Ihm ist deshalb jeweils eine Vergütung von 25,04 Euro brutto nachzuzahlen.

b) Diese Ansprüche sind nicht verfallen. Der Kläger hat mit Schreiben vom 21. September 2009 bzw. 12. Februar 2010 die streitbefangene Zahlung unter Wahrung der einstufigen Ausschlussfrist des § 21 BzTV-N BW, die eine schriftliche Geltendmachung innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit verlangt, geltend gemacht. Die Geltendmachung war auch hinreichend bestimmt. Dafür ist es erforderlich, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (vgl. nur [X.] 16. Januar 2013 - 10 [X.] 863/11 - Rn. 24). Diesen Anforderungen genügten die Geltendmachungsschreiben. Daraus war für die Beklagte ersichtlich, dass der Kläger die von ihr nicht gewährte Pauschale für jeweils den letzten Tag der angeordneten, vom Kläger im einzelnen bezeichneten Rufbereitschaften verlangte.

III. [X.] folgt aus § 91 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    M. Jostes    

        

    Lauth    

                 

Meta

6 AZR 847/11

16.05.2013

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Stuttgart, 6. Juli 2011, Az: 19 Ca 4755/10, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.05.2013, Az. 6 AZR 847/11 (REWIS RS 2013, 5737)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5737

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