Bundesfinanzhof, Beschluss vom 07.10.2010, Az. IX B 83/10

9. Senat | REWIS RS 2010, 2594

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Gegenstand

Sachaufklärung - Rechtliches Gehör - Rügeverlust - Tatsachen- und Beweiswürdigung


Leitsatz

1. NV: Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nicht vor, wenn der rechtskundig vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit hatte, hinsichtlich der schriftsätzlich angeregten, vom FG aber nicht durchgeführten Beweiserhebung entsprechende Beweisanträge zu stellen, sich zum "neuen" FA-Vorbringen zu äußern oder eine Erklärungs- oder Nachreichungsfrist oder sonst eine Vertagung mit Schriftsatznachlass zu beantragen .

2. NV: Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln wie der Verletzung der Sachaufklärungspflicht oder des rechtlichen Gehörs geht das Rügerecht schon durch rügelose Verhandlung zur Sache und damit durch bloßes Unterlassen verloren .

3. NV: Rügt der Kläger mit einer unzutreffenden Tatsachen- und Beweiswürdigung letztlich die Unrichtigkeit des FG-Urteils, also materiell-rechtliche Fehler, kann damit die Zulassung der Revision nicht erreicht werden .

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es bleibt dahingestellt, ob ihre Begründung den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) entspricht; jedenfalls liegen die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Verfahrensmängel nicht vor.

2

1. Soweit der Kläger eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 [X.]O) als (verzichtbaren) Verfahrensmangel in Gestalt des Unterlassens einer möglichen Amtsermittlung rügt, ist dieser Verstoß nicht gegeben. Ausweislich des [X.] (zu dessen Beweiskraft: § 94 [X.]O i.V.m. § 165 der Zivilprozessordnung --ZPO--) wurde "die Sach- und Rechtslage ... erörtert", ohne dass ein Beweisantrag gestellt oder der Kläger auf ihn oder anderweitige Aufklärungsmaßnahmen hingewirkt hätte. Auch die im Schriftsatz an das Finanzgericht ([X.]) vom 18. März 2010 aufgeführten Beweisanträge wurden in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt oder wiederholt. So hat der --in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] rechtskundig vertretene-- Kläger [X.] zur Sache verhandelt und damit durch bloßes Unterlassen sein [X.] verloren (§ 155 [X.]O i.V.m. § 295 ZPO; vgl. Beschluss des [X.] --BFH-- vom 27. August 2008 IX [X.]/07, [X.], 2022, m.w.N.). Hinsichtlich der in den Vorjahren vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) bislang akzeptierten Verwalterverträge lässt der Kläger den Grundsatz der [X.] außer [X.]; danach führt allein eine bestimmte Beurteilung in einem Veranlagungszeitraum nicht zu einer Bindung der Finanzbehörde für künftige oder zurückliegende Steuerabschnitte (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1994 [X.], [X.] 1995, 869; [X.] vom 10. Juni 2010 IX B 233/09, [X.] 2010, 1824, m.w.N.).

3

2. Die vom Kläger gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 [X.]O), die ebenso zu den verzichtbaren [X.] gehört (vgl. [X.] vom 16. Juni 2009 [X.]/08, [X.] 2009, 1597, unter [X.]; vom 27. September 2007 [X.], [X.], 27, unter 3.), liegt nicht vor. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs obliegt es dem Gericht u.a., den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben und ihre Ausführungen und Anträge wie auch den Akteninhalt zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Allerdings muss ein --zumindest fachkundig vertretener-- Beteiligter gerade bei umstrittener Sach- und/oder Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (s. [X.] vom 29. Dezember 2006 [X.], [X.] 2007, 1084; vom 14. Oktober 2009 [X.]/09, [X.] 2010, 222, m.w.N.).

4

Im Streitfall hatte der rechtskundig vertretene Kläger hinsichtlich der (Ausschluss-)Fristsetzung des [X.] vom 25. Februar 2010 genügend Zeit, auf die nur "wenigen, bei ihm verbliebenen Unterlagen" hinzuweisen und ggf. eine Fristverlängerung (zur weiteren Nachforschung bei sich oder dem [X.]) zu beantragen. Auch hinsichtlich des kurzfristig übermittelten [X.]-Schriftsatzes vom 9. April 2010 und hinsichtlich der schriftsätzlich angeregten, vom [X.] aber nicht durchgeführten Beweiserhebungen hatte der Kläger in der mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit, entsprechende Beweisanträge zu stellen, sich zum "neuen" [X.]-Vorbringen zu äußern oder eine Erklärungs- oder Nachreichungsfrist oder sonst eine Vertagung mit [X.] zu beantragen; dies alles ist ausweislich des [X.] nicht geschehen. Dazu war schon aufgrund der Ladung erkennbar, dass das [X.] eine mögliche Beweiserhebung oder weitere Aufklärungsmaßnahmen nicht durchzuführen beabsichtigte. Zudem fehlt der Vortrag, weshalb entsprechende [X.] in der mündlichen Verhandlung nicht möglich waren (vgl. [X.] vom 15. März 2007 [X.], [X.] 2007, 1179). Auch insoweit hat der rechtkundig vertretene Kläger [X.] zur Sache verhandelt und damit sein [X.] verloren (§ 155 [X.]O i.V.m. § 295 ZPO; vgl. [X.] in [X.], 2022, m.w.N.).

5

3. Letztlich rügt der Kläger mit einer (vermeintlich) unzutreffenden Tatsachen- und Beweiswürdigung (vgl. [X.] vom 19. November 2007 [X.]/07, [X.], 380; vom 16. Mai 2006 [X.], [X.] 2006, 1477, m.w.N.) die Unrichtigkeit des [X.]-Urteils, also materiell-rechtliche Fehler; damit kann die Zulassung der Revision jedoch nicht erreicht werden (vgl. [X.] vom 24. September 2008 [X.]/08, [X.] 2009, 39; vom 19. Mai 2010 IX B 198/09, [X.] 2010, 1647).

Meta

IX B 83/10

07.10.2010

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 14. April 2010, Az: 8 K 183/09, Urteil

Art 103 Abs 1 GG, § 76 Abs 1 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 165 ZPO, § 295 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 07.10.2010, Az. IX B 83/10 (REWIS RS 2010, 2594)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2594

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