Bundessozialgericht, Beschluss vom 29.06.2015, Az. B 13 R 117/15 B

13. Senat | REWIS RS 2015, 8976

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Gesamtwürdigung der Ergebnisse mehrerer Gutachten verschiedener medizinischer Fachrichtungen durch einen medizinischen Sachverständigen


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 11. Februar 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Das [X.] hat im Urteil vom 11.2.2015 einen Anspruch des [X.] auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

2

Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten [X.] ausschließlich Verfahrensmängel geltend.

3

Die Beschwerde des [X.] ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom [X.] genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat einen Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160 Abs 2 [X.] 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

1. Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten [X.] begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargetan und darüber hinaus muss dargestellt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 4, [X.] Rd[X.] 4 - jeweils mwN; [X.] in [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, [X.] Rd[X.] 202 ff). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 [X.] Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 [X.] Teils 3 SGG).

5

2. Die Beschwerdebegründung des [X.] wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Dieser rügt eine Verletzung der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG), weil das [X.] seine ausweislich des [X.] in der mündlichen Verhandlung vom 11.2.2015 aufrechterhaltenen Beweisanträge auf Einholung eines arbeitsmedizinisch/sozialmedizinischen Gutachtens unter Gesamtwürdigung aller eingeholten Fachgutachten zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, regelmäßig einer Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkts von mindestens 6 Stunden werktäglich nachzugehen, und auf Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger nicht in der Lage sei, aus psychischer Sicht eine Arbeitstätigkeit unter Berücksichtigung einer Einarbeitungsphase von 6 Monaten aufzunehmen, ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei.

6

Der Kläger hat jedoch eine unzureichende Sachaufklärung durch das [X.] nicht in der gebotenen Weise aufgezeigt. Eine solche Rüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das [X.] nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des [X.], aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des [X.] auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das [X.] mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl zB Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 5; [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 5; Senatsbeschluss vom 3.12.2012 - [X.] R 351/12 B - Juris Rd[X.] 6 mwN).

7

Der Senat kann offenlassen, in welchem Umfang die Beschwerdebegründung des [X.] die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt. Für einen schlüssigen Vortrag zum Vorliegen einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht fehlt es jedenfalls bereits an der erforderlichen Darlegung der Voraussetzungen von § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO. Hiernach erfordert eine neue Begutachtung, dass das (bzw die) bereits vorhandene(n) Gutachten "ungenügend" ist (sind); weshalb dies der Fall sein soll, ist in der Beschwerdebegründung im Einzelnen darzustellen (Senatsbeschluss vom 20.12.2012 - [X.] R 333/12 B - Juris Rd[X.] 7 mwN).

8

a) Hinsichtlich der beantragten Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens "über seine Eingliederungsfähigkeit … in eine Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes" legt der Kläger schon nicht schlüssig dar, dass sich das [X.] - von seinem Rechtsstandpunkt ausgehend - zu einer Beweiserhebung durch Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens hätte gedrängt fühlen müssen. Zwar trägt er vor, dass der als Sachverständige gehörte Arzt für Neurologie und Psychiatrie und Diplom-Psychologe [X.] in seinem Gutachten vom 31.12.2010 festgestellt habe, dass die [X.] möglicherweise auch psychogen bedingt sein könnten und deshalb eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich sei. Er räumt aber zugleich ein, dass der Sachverständige eine Angststörung oder eine andere psychische Erkrankung nicht diagnostiziert habe. Auch behauptet der Kläger nicht, aus dem Gutachten des [X.] oder anderen aktenkundigen medizinischen Unterlagen ergäben sich substanzielle Hinweise auf eine eingeschränkte Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des [X.]. Schließlich trägt er in der Beschwerdebegründung auch nicht vor, dass er sich zB im Zeitraum zwischen Gutachtenerstattung im Dezember 2010 und der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] im Februar 2015 in die von [X.] empfohlene psychotherapeutische Behandlung (und mit welchem Ergebnis) begeben habe.

9

b) Soweit der Kläger geltend macht, das [X.] hätte seinem Beweisantrag, einen Sachverständigen mit der "Gesamtwürdigung" zu beauftragen, nachkommen müssen, hat er ebenfalls einen entsprechenden Verfahrensmangel nicht hinreichend dargelegt. Eine Pflicht des Tatsachengerichts, bei der Einholung mehrerer Gutachten von Seiten verschiedener medizinischer Fachrichtungen einen (weiteren) Sachverständigen mit der Gesamtbeurteilung aller bereits vorliegenden Gutachtenergebnisse zu beauftragen, besteht dann, wenn sich die aus der Sicht der Fachgebiete jeweils festgestellten Defizite überschneiden und ggf potenzieren können (stRspr, zB Senatsbeschlüsse vom 5.2.2015 - [X.] R 372/14 B - Juris Rd[X.] 13; vom [X.] - [X.] R 203/13 B - Juris Rd[X.] 12; [X.]-1500 § 128 [X.] Rd[X.] 22; BSG Beschluss vom [X.] - B 5 R 48/08 B - Juris Rd[X.] 9). Dies hat der Kläger nicht im notwendigen Maße aufgezeigt.

Er trägt zwar vor, dass vorliegend Sachverständigengutachten unterschiedlicher Fachgebiete (internistisch, orthopädisch, [X.] und [X.]) eingeholt worden seien. Aus seinem Beschwerdevortrag erschließt sich jedoch nicht hinreichend, dass hier ein derartiger Grenzfall vorliegt, in dem eine Gesamtbeurteilung der in den vier gehörten Fachdisziplinen festgestellten Leistungseinschränkungen durch einen (weiteren) Sachverständigen geboten sei. Denn zum einem ergibt sich aus der Beschwerdebegründung, dass sämtliche - auch die auf Antrag des [X.] nach § 109 SGG - gehörten Sachverständigen festgestellt haben, dass der Kläger zumindest noch leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts für mindestens sechs Stunden täglich mit weiteren qualitativen Einschränkungen verrichten könne. Zum anderen legt der Kläger nicht in der gebotenen Weise dar, dass sich die vom [X.] unter Berücksichtigung aller vorliegenden Fachgutachten festgestellten Gesundheits- und Funktionsstörungen gegenseitig nachhaltig so beeinflussen könnten, dass ihm eine vollschichtige Erwerbstätigkeit nicht mehr zuzumuten sei. Allein die Auflistung der vom Berufungsgericht festgestellten Gesundheitsstörungen und die Darstellung des daraus abgeleiteten (quantitativen und qualitativen) Leistungsvermögens sowie die schlichte Behauptung, dass bei einer "integrativen Gesamtbetrachtung sämtlicher Leiden" ein (weiterer) Gutachter "wahrscheinlich" festgestellt hätte, dass sein Restleistungsvermögen nicht ausreiche, um werktäglich 6 Stunden leichte körperliche Arbeit zu verrichten, reicht hierfür nicht aus. Vielmehr hätte der Kläger substantiiert und im Einzelnen unter Auswertung der ([X.] der vorliegenden Gutachten vortragen müssen, dass sich die von den gehörten Sachverständigen der verschiedenen Fachgebiete unabhängig voneinander festgestellten Erkrankungen und die daraus folgenden Funktionsstörungen im Sinne einer Auswirkung auf das quantitative Leistungsvermögen überschneiden oder ggf sogar potenzieren. Der Kläger behauptet auch nicht etwa, dass einer der gehörten Sachverständigen im Rahmen der Leistungsbeurteilung der bei ihm festgestellten Gesundheits- und Funktionsstörungen eine (mögliche) wechselseitige (ggf ergänzend zu begutachtende) Verstärkungswirkung im vorgenannten Sinne beschrieben habe. Soweit der Kläger mit der vom [X.] vorgenommenen Auseinandersetzung mit den einzelnen Gutachtenergebnissen und dem daraus im Rahmen seiner Gesamtwürdigung festgestellten (quantitativen und qualitativen) Leistungsvermögen nicht einverstanden ist, wendet er sich gegen das Ergebnis der Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) des Berufungsgerichts. Hierauf kann aber - wie oben bereits erwähnt - nach der ausdrücklichen Regelung des § 160 Abs 2 [X.] Teils 2 SGG eine Verfahrensrüge nicht gestützt werden.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

4. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

5. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Meta

B 13 R 117/15 B

29.06.2015

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 30. Juni 2011, Az: S 11 R 4959/09, Urteil

§ 103 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 43 SGB 6

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 29.06.2015, Az. B 13 R 117/15 B (REWIS RS 2015, 8976)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8976

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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