Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.10.2021, Az. 28 W (pat) 528/21

28. Senat | REWIS RS 2021, 1983

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Datalis/datalegis (Unionsmarke)" – Dienstleistungsidentität, Dienstleistungsähnlichkeit - schriftbildliche Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 11. Oktober 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Kortbein, des [X.] [X.] sowie des [X.] Hermann

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des [X.] vom 18. März 2021 aufgehoben.

2. Die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke 30 2019 019 045 aufgrund des Widerspruchs aus der Unionsmarke 017 958 883 wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

Datalis

3

ist am 14. August 2019 angemeldet und am 5. November 2019 unter der Nummer 30 2019 019 045 in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für nachfolgende Dienstleistungen eingetragen worden:

4

Klasse 35: Betriebswirtschaftliche Beratung; Beratung bei der Entwicklung eines Unternehmensimages; Beratung bei der Führung von Betrieben; Beratung bei der [X.]eschäftsführung; Beratung bei der [X.]eschäftsführung von Handelsunternehmen; Beratung bei der [X.]eschäftsführung von Industriebetrieben; Beratung bei der [X.]eschäftsorganisation und [X.]eschäftsführung; Beratung bei der [X.]eschäftsplanung; Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; Beratung bei der Unternehmensplanung; Beratung betreffend Unternehmensorganisation und -führung; Beratung bezüglich [X.]eschäftsführung; Beratung im Bereich Unternehmensstrategie; Beratung in Bezug auf die [X.]eschäftsführung; Beratung in Bezug auf die Verwaltung von [X.]; Beratung in Bezug auf [X.]; Beratung in Bezug auf [X.]eschäftsführung; Beratung in Bezug auf [X.]eschäftsführung und [X.]eschäftstätigkeit; Beratung in Bezug auf Unternehmensbewertungen; Beratung in Bezug auf Unternehmensführung; Beratung in Bezug auf Unternehmensplanung; Beratung in Fragen der [X.]eschäftsführung; Beratung in Fragen der Unternehmensführung; Beratung in Fragen der Unternehmensorganisation und der Betriebswirtschaft; Beratung in Fragen des Außenhandels; Beratung in Fragen des [X.]eschäftsmanagements; Beratung kommerzieller Unternehmen auf dem [X.]ebiet der [X.]eschäftsführung; Beratung und Hilfe bei der [X.]eschäftsführung; Beratung zur [X.]eschäftsführung; Beratungsdienste in Bezug auf die Organisation und Führung von Unternehmen; Beratungsdienste in Bezug auf [X.]eschäftsführung; Beratungsdienste in Fragen der [X.]eschäftsführung; Beratungsdienste in Fragen der Organisation und Führung von Unternehmen; Beratungsdienste in Fragen der Unternehmensverwaltung; Beratungsdienste in [X.]eschäftsangelegenheiten; Betriebswirtschaftliche Beratung in Bezug auf die Bereitstellung von Qualitätsmanagementsystemen; Betriebswirtschaftliche Beratung in Bezug auf die Verwaltung von Informationstechnologie; Betriebswirtschaftliche Beratung in Bezug auf die Verwendung von Computern; Fachliche Beratung von Unternehmen in Bezug auf den [X.]eschäftsbetrieb; Hilfe bei der und Beratung in Bezug auf [X.]eschäftsorganisation und -führung; Hilfe und Beratung bei der [X.]eschäftsführung; Hilfe und Beratung bei der Unternehmensplanung; Organisatorische Beratung in Bezug auf die Betriebsstrukturen von Unternehmen; Strategische Beratung in [X.]eschäftsangelegenheiten; Unterstützung und Beratung bei der Unternehmensorganisation; Zusammenstellung und Analyse von Informationen und Daten in Bezug auf [X.]eschäftsführung; Unterstützung und Beratung bei der Unternehmensanalyse;

5

Klasse 41: Durchführung von Datenschutzschulungen;

6

[X.]: Analyse großer Datenmengen hinsichtlich der Beziehungen der Daten untereinander; Beratung auf dem [X.]ebiet der Datensicherheit; Beratung auf dem [X.]ebiet der Produktentwicklung und der Qualitätsverbesserung; Computer-Projektmanagement im Bereich der Elektronischen Datenverarbeitung; Durchführung von [X.]; Entwicklung von Systemen für die Datenspeicherung; Entwicklung von Systemen für die Datenübertragung; Entwicklung von Systemen für die Datenverarbeitung; Forschung bezüglich Datenverarbeitung; Konzeption und Entwicklung von elektronischen Datensicherheitssystemen; Prüfung von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen; Qualitätsbewertung; Qualitätskontrolle; Software-Beratung; Überwachung von Computersystemen zur Erkennung von unberechtigten Zugriffen; technische Beratung als Datenschutzbeauftragter; technische Beratung bei der Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben;

7

[X.]: juristische Beratung bei der Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben; juristische Beratung als Datenschutzbeauftragter; Überprüfung von Standards und Praktiken zur [X.]ewährleistung der Einhaltung von [X.]esetzen und Vorschriften in Bezug auf Datenschutz; juristische Bewertung von datenschutzrelevanten Vorgängen.

8

Die Eintragung ist am 6. Dezember 2019 veröffentlicht worden.

9

[X.]egen die Eintragung dieser Marke hat die Widersprechende Widerspruch erhoben aus ihrer Unionswortmarke

datalegis

die am 19. September 2018 angemeldet und am 15. Februar 2019 unter der Nummer 017 958 883 in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für nachfolgende Dienstleistungen eingetragen worden ist:

Klasse 35: Beratung bei der [X.]eschäftsführung; Beratung in Bezug auf Unternehmensorganisation; Entwicklung von Strategien und Konzepten im Bereich Betriebsorganisation, - verwaltung und -wirtschaft für den Schutz der Privatsphäre, den Schutz personenbezogener Daten und die Datenschutzpolitik; Dienstleistungen in Bezug auf die Betriebsorganisation und Betriebsverwaltung, nämlich [X.]estaltung, Überwachung, Durchführung und Handhabung von Datenschutzregelungen in einer Organisation;

Klasse 41: Ausbildung; Veranstaltung von juristischen Fortbildungskursen; Durchführung von juristischen Schulungen; Durchführung von Fortbildungsseminaren; Durchführung von Online-Seminaren zur Aus- und Weiterbildung; Bereitstellen elektronischer Publikationen [nicht herunterladbar]; Organisation und Veranstaltung von Kursen, Lehrveranstaltungen, Schulungen, Workshops und Seminaren;

[X.]: [X.], -Auskunfts- und - Informationsdienstleistungen; Bereitstellung von Informationen zu Datensicherheit und Computersicherheit; Prüfung, Authentifizierung und Qualitätskontrolle; Zertifizierungen und Qualitätskontrollen im Bereich Schutz der Privatsphäre, Schutz personenbezogener Daten und Informationssicherung;

[X.]: Stellung von (externen) Datenschutzbeauftragten; Juristische Beratungsdienstleistungen; Beratungsdienste in Bezug auf Rechtsfragen; Beratungsdienste in Bezug auf Sicherheit; Informations- und Beratungsdienstleistungen bezüglich Rechtsangelegenheiten; Beratung und juristische Dienstleistungen in Bezug auf Datenschutz- und Sicherheitsgesetze, -richtlinien und -bestimmungen; Überprüfung von Standards und Praktiken zur [X.]ewährleistung der Einhaltung von [X.]esetzen und Vorschriften; Sicherheitsbewertungen; Prüfung, Bewertung und Überprüfung von Standards und Richtlinien zur [X.]ewährleistung der Einhaltung von [X.]esetzen und Vorschriften; Meldung und Beratung in Bezug auf die Einhaltung von [X.]esetzen und Vorschriften; Sicherheitsbewertung von Risiken und Datenschutz; Beratung in Fragen der Verwaltung und Handhabung von sensiblen und vertraulichen Daten; Dienstleistungen eines (externen) Datenschutzbeauftragten.

Die Markenstelle für Klasse 35 hat den Widerspruch mit Beschluss vom 18. März 2021 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die beiderseitigen Dienstleistungen seien weitgehend identisch. Sie richteten sich überwiegend an [X.], die Kennzeichen mit besonderer Aufmerksamkeit entgegenträten. Die Widerspruchsmarke verfüge über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft, auch wenn das Element „data“ auf „Daten“ und damit den Schwerpunkt des Dienstleistungsangebots hinweise sowie das Wortende „legis“ als [X.]enitivform des [X.] Substantivs „lex“ für „[X.]esetz“ einen entsprechenden Bedeutungsanklang erkennen lasse. Zwar stimmten beide Markenwörter im Wortanfang „Data“ überein und wiesen am Wortende bzw. in der Wortmitte die gemeinsamen Laute „lis“ bzw. „l-is“ auf. Sie unterschieden sich jedoch noch hinreichend durch die Anzahl der Silben und den Sprechrhythmus. Die jüngere Marke bestehe aus drei, die Widerspruchsmarke hingegen aus vier Silben. Bei [X.] werde die erste oder zweite Silbe, bei Zweitgenannter hingegen das „e“ der vorletzten Silbe betont. Dadurch würden die unterschiedlichen Vokalfolgen „[X.]“ bzw. „a-a-e-i“ besonders hervorgehoben. Hinzu kämen die zusätzlichen Laute „eg“ in der Wortmitte der älteren Marke. Wegen der Betonung des markanten Vokals „e“ falle diese Abweichung von der jüngeren Marke besonders auf. Die beiden Kennzeichen seien auch in den Endsilben „lis“ bzw. „gis“ unterschiedlich, auf die sich die Aufmerksamkeit des Verkehrs richte, da der gemeinsame Wortanfang „Data“ einen beschreibenden Anklang habe. In ihrem Schriftbild wichen die Marken in der [X.] und der Wortlänge ausreichend voneinander ab, zumal die Widerspruchsmarke in dem Buchstaben „g“ eine markante Unterlänge und im Buchstaben „e“ eine zusätzliche Rundung aufweise.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, die beiderseitigen Dienstleistungen seien identisch und im Übrigen hochgradig ähnlich. Viele Dienstleistungen, insbesondere juristische, Beratungs- und Schulungsdienstleistungen, richteten sich auch an Verbraucher. Diese, aber auch die sonst angesprochenen allgemeinen unternehmerischen Verkehrskreise begegneten Marken nicht mit einer erhöhten Aufmerksamkeit. Die lexikalisch nicht nachweisbare Widerspruchsmarke besitze eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft, da die angesprochenen Verkehrskreise die Wortneuschöpfung nicht in ihre Einzelbestandteile „data“ und „legis“ zergliederten. Die beiden Marken seien einander hochgradig ähnlich, da sie weitgehend dieselben Buchstaben und Silben aufwiesen und nahezu gleich lang seien. Beide würden auf den ersten beiden Silben „Data“ betont. In schriftbildlicher Hinsicht, bei der die [X.]roß- bzw. Kleinschreibung ohne Belang sei, begännen beide mit der Buchstabenfolge „datal“ und endeten mit den Buchstaben „is“.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des [X.]es vom 18. März 2021 aufzuheben und die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke 30 2019 019 045 wegen des Widerspruchs aus der Marke [X.] 017 958 883 anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Aufmerksamkeit bezüglich der beiderseits identischen Dienstleistungen sei überdurchschnittlich, da sie sich in erster Linie an Unternehmer richteten. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei unterdurchschnittlich, da sie sich aus den die eingetragenen Dienstleistungen beschreibenden Bestandteilen „data“ für „Daten“ und „legis“ für „[X.]esetz“ zusammensetze. Das Markenelement „legis“ sei im [X.] aufgrund von Wörtern wie „Legislative“ oder „Legislaturperiode“ bzw. der entsprechenden Begriffe „législature“ im [X.], „legislature“ im [X.] und „[X.]“ im [X.] allgemein bekannt. Zudem richteten sich die beiderseitigen Dienstleistungen an speziell ausgebildete, im Regelfall sogar studierte Personen. Die beiden Markenbestandteile kämen im [X.] nur in zusammengesetzten Wörtern vor, so dass für beide in gleicher Weise eine Kenntnis bzw. Unkenntnis der angesprochenen Verkehrskreise angenommen werden müsse. Beim Markenvergleich müsse der Bestandteil „Data“ wegen seines sachbeschreibenden Inhalts außer Betracht bleiben, so dass sich die Komponenten „legis“ und „lis“ gegenüberstünden. Die Marken unterschieden sich in der Silbenanzahl und den zusätzlichen Buchstaben „eg“ in der Widerspruchsmarke erheblich. Insbesondere führe dies zu einer völlig unterschiedlichen Betonung. Die Widerspruchsmarke werde auf der letzten oder vorletzten Silbe betont, die jüngere Marke dagegen auf der ersten oder zweiten Silbe.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 28. Juli 2021 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde voraussichtlich Aussicht auf Erfolg habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 [X.] statthafte Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und begründet.

1. Zwischen der angegriffenen Marke „Datalis“ und der Widerspruchsmarke „datalegis“ besteht die [X.]efahr von Verwechslungen gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2, 125b Nr. 1 [X.].

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem [X.]rad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer [X.]rad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren [X.]rad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. [X.], 356 [X.]. 45 f. – [X.]/[X.] [[X.]/[X.]]; [X.], 79 [X.]. 9 – [X.]/[X.] Club m. w. N.).

a) Ausgehend von der maßgeblichen [X.] sind die zu vergleichenden Dienstleistungen identisch, zumindest jedoch überdurchschnittlich ähnlich.

Eine Ähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. [X.], 356 [X.]. 65 – [X.]/[X.] [[X.]/[X.]]; [X.] 2014, 488 [X.]. 12 – [X.]/[X.]; [X.], 176, 177 [X.]. 16 – [X.]). Von einer absoluten Warenunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. [X.] – [X.]/[X.]; a. a. [X.]. 17 – [X.]).

Die Widerspruchsmarke ist für weite Oberbegriffe registriert, unter die sich die Dienstleistungen der jüngeren Marke einordnen lassen, auch wenn sie teilweise eine besondere Ausrichtung aufweisen. So umfassen die Dienstleistungen „Beratung bei der [X.]eschäftsführung; Beratung in Bezug auf Unternehmensorganisation“ der älteren Marke (Klasse 35) sämtliche Tätigkeiten der Klasse 35 der angegriffenen Marke. Dies gilt insbesondere auch für die „Beratung in Fragen des Außenhandels“ auf Seiten der jüngeren Marke, die gerade bei exportierenden Unternehmen eine besondere Rolle spielt und Teil der Beratung zur [X.]eschäftsführung solcher Firmen sein kann. Die in Klasse 41 der angegriffenen Marke eingetragene Tätigkeit „Durchführung von Datenschutzschulungen“ ist wiederum in der Dienstleistung „Durchführung von juristischen Schulungen“ der Widerspruchsmarke (Klasse 41) enthalten. Die datenbezogenen Dienstleistungen der [X.] der jüngeren Marke f[X.] unter die „[X.]“ der älteren Marke ([X.]). Da es im Bereich des Datenschutzes stets auch um rechtliche Fragen geht, beinhalten die „juristischen Beratungsdienstleistungen“ der Widerspruchsmarke ([X.]) sämtliche Dienstleistungen der [X.] der angegriffenen Marke, die sich alle auf Datenschutz beziehen.

b) Von den beiderseitigen Dienstleistungen in den Bereichen Unternehmensberatung, Datenverarbeitung und Datenschutz werden in erster Linie Unternehmer und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene angesprochen. Da diese Dienstleistungen meist nicht nur in einem geringen Umfang vergütet werden und regelmäßig über einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen werden, ist davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise bei deren Auswahl eine wenigstens leicht überdurchschnittliche Aufmerksamkeit aufwenden (vgl. BPat[X.] 26 W (pat) 515/17 – [X.]/BOSS).

c) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist noch als durchschnittlich anzusehen.

(1) Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.] [X.]RUR 2010, 1096 [X.]. 31 – BORCO/[X.] [Buchst. a]; [X.] 2017, 75 [X.]. 19 – [X.]). Dabei ist auf die Eigenart der Marke in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen. Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (vgl. [X.], 1358 [X.]. 10 – [X.]/[X.]solar; [X.], 1040 [X.]. 30 f. – pjur/pure). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen ([X.] – [X.]).

Die Widerspruchsmarke setzt sich aus den beiden Bestandteilen „data“ und „legis“ zusammen. Das Substantiv „data“ stammt ursprünglich aus dem [X.] und bedeutet im [X.] „Daten“. Es ist den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Weiteres verständlich, zumal Wörter wie „[X.]“ oder „Data-Highway“ Eingang in den [X.] gefunden haben (vgl. „www.duden.de“). Der Bestandteil „legis“ existiert als solcher weder im [X.] noch in einer gängigen Fremdsprache. Er stellt die Deklinationsform des [X.]enitivs Singular des [X.] Substantivs „lex“ für „[X.]esetz“ dar. Wörter toter Sprachen wie [X.] werden im Allgemeinen vom Verkehr nicht verstanden, es sei denn, diese oder ihre Wortstämme sind in den allgemeinen [X.] Sprachschatz übergegangen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 13. Auflage, § 8 [X.]. 600). Zwar existieren im [X.] Wörter wie „Legislatur(periode)“ oder „Legislative“. Ähnliche Begriffe gibt es im [X.], [X.] und [X.]. Bei [X.] steht der Bestandteil „Legis“ jedoch am Wortanfang und nicht am Wortende wie bei der Widerspruchsmarke. Zudem ist davon auszugehen, dass breiten Teilen des angesprochenen Verkehrs die Herkunft und die genaue Bedeutung des Bestandteils „Legis“ nicht bekannt sind. Hierbei ist zum einen in Betracht zu ziehen, dass Marken so aufgenommen werden, wie sie dem Verkehrsteilnehmer entgegentreten, und keiner gedanklichen Analyse unterzogen werden (vgl. u. a. [X.] [X.]RUR 2004, 428 [X.]. 53 – [X.]; [X.] 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Zum anderen kann nicht festgestellt werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise in den Bereichen Unternehmensberatung, Datenverarbeitung und Datenschutz über weitergehende [X.]kenntnisse als die Allgemeinbevölkerung verfügen. Selbst wenn dies der Fall wäre, so könnte der Widerspruchsmarke in ihrer [X.]esamtheit lediglich die Bedeutung „Daten des [X.]esetzes“ entnommen werden. Selbst wenn sie darauf aufbauend im Sinne von „[X.]esetzestext“ verstanden werden sollte, so bleibt dennoch offen, was damit gerade in Verbindung mit den für die ältere Marke eingetragenen Dienstleistungen konkret gemeint ist. Entsprechendes gilt, sofern die Wortfolge „datalegis“ mit der Begriffskombination „datorum lex“ und folglich mit dem [X.] Begriff „Datengesetz“ gleichgesetzt werden sollte. Denn ein solches [X.]esetz gibt es nicht, nur Regelungen zur Erhebung von Daten oder zum Schutz von Daten. Somit lässt sich der Widerspruchsmarke keine beschreibende Aussage entnehmen.

(2) Eine Steigerung der Kennzeichnungskraft infolge intensiver Benutzung ist nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich.

d) Ausgehend von überdurchschnittlich ähnlichen bis identischen Dienstleistungen und noch durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke auch bei leicht überdurchschnittlicher Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise den erforderlichen Abstand zu dieser nicht mehr ein.

(1) Maßgeblich für die Beurteilung der Ähnlichkeit ist der [X.]esamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (vgl. [X.] [X.]RUR 2013, 922 [X.]. 35 – [X.]/Asda; [X.] 2013, 833 [X.]. 30 – Culinaria/[X.]), wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. [X.] a. a. [X.] – [X.]; [X.] – marktfrisch). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke den durch die Marke im [X.]edächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen [X.]esamteindruck prägen können (vgl. [X.] [X.]RUR 2005, 1042 [X.]. 28 f. – [X.] LIFE; [X.] [X.]. 37 – [X.]/[X.] Club m. w. N.; [X.], 64 [X.]. 14 – Maalox/[X.]). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den [X.]esamteindruck der Marke nicht mitbestimmen.

Dabei ist es nach der neueren Rechtsprechung nicht zulässig, dass im Ergebnis ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke oder eines einheitlichen Zeichens wegen seines beschreibenden Charakters oder wegen seiner fehlenden Unterscheidungskraft von der Prüfung der Markenähnlichkeit ausgeschlossen wird (vgl. [X.] [X.]RUR 2020, 52 [X.]. 46 – [X.] [Roslagspunsch/[X.]]). Ein solcher Ausschluss könnte dazu führen, dass sowohl die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen als auch die Unterscheidungskraft der älteren Kennzeichnung unzutreffend beurteilt werden und dies zu einer veränderten [X.]esamtbeurteilung der Verwechslungsgefahr führt. Die bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigenden Faktoren stehen in einer Wechselbeziehung zueinander, die dazu führen soll, dass die gesamte Beurteilung der Verwechslungsgefahr so weit wie möglich mit der tatsächlichen Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise in Einklang gebracht wird (vgl. [X.] [X.]RUR 2020, 52 [X.]. 47 – [X.] [Roslagspunsch/[X.]]). Würden bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit beschreibende Bestandteile von vornherein dem Vergleich entzogen, würde der Faktor der Ähnlichkeit der Marken zugunsten des Faktors der Unterscheidungskraft neutralisiert (vgl. [X.] MarkenR 2016, 592 [X.]. 61, 64 – [X.]/[X.] [compressor technology/[X.]]). Dadurch würde die originäre Kennzeichnungskraft einer Marke bei den Kriterien der Verwechslungsgefahr mehrfach berücksichtigt. Es kann nicht von vornherein und generell davon ausgegangen werden, dass die beschreibenden Bestandteile einander gegenüberstehender Zeichen bei der Beurteilung ihrer Ähnlichkeit nicht zu berücksichtigen sind (vgl. [X.] [X.]RUR 2020, 52 [X.]. 49 – [X.] [Roslagspunsch/[X.]]; vgl. auch [X.] Beschluss vom 7. Mai 2015 – [X.] Rn. 38 – [X.]/[X.] [MARINE [X.]/BL[X.]ARINE]). Die beschreibenden, nicht unterscheidungskräftigen oder schwach unterscheidungskräftigen Bestandteile einer zusammengesetzten Marke haben zwar im Allgemeinen ein geringeres [X.]ewicht bei der Prüfung der Ähnlichkeit zwischen Zeichen als die Bestandteile mit einer größeren Unterscheidungskraft, die auch den von dieser Marke hervorgerufenen [X.]esamteindruck eher dominieren können (vgl. [X.] [X.]RUR 2020, 52 [X.]. 53 – [X.] [Roslagspunsch/[X.]]). Die Bestimmung des [X.]esamteindrucks jedes Zeichens ist jedoch nach Maßgabe der besonderen Umstände des konkreten Falls vorzunehmen. Dafür gelten keine allgemeinen Vermutungen (vgl. [X.] [X.]RUR 2020, 52 [X.]. 54 – [X.] [Roslagspunsch/[X.]]). Stimmen die ältere und jüngere Marke lediglich in einem schwach unterscheidungskräftigen oder für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Bestandteil überein, wird dies zwar häufig dazu führen, dass eine Verwechslungsgefahr nicht festgestellt werden kann. Jedoch kann das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr wegen der Wechselwirkung der hierbei relevanten Faktoren nicht im Voraus und in jedem Fall ausgeschlossen werden (vgl. [X.] [X.]RUR 2020, 52 [X.]. 55 – [X.] [Roslagspunsch/[X.]]; [X.] 2020, 870 [X.]. 69 – [X.]/INJEX).

Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im ([X.], im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die von ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten [X.] (vgl. [X.] [X.]RUR 2007, 700 [X.]. 35 – Limoncello/LIMON-CHELO; [X.] 2016, 382 [X.]. 37 – [X.]). Nach der [X.] Rechtsprechung erfolgt keine gegenseitige „Neutralisierung“ der einzelnen [X.] (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 9 [X.]. 272).

(2) Jedenfalls in schriftbildlicher Hinsicht ist eine noch durchschnittliche Ähnlichkeit und damit eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu bejahen. Es stehen sich die beiden Marken „Datalis“ und „datalegis“ gegenüber. Da es sich um Wortmarken handelt, kommt es auf die konkret eingetragene Schreibweise nicht an, so dass auch eine Schreibweise der angegriffenen Marke in Kleinbuchstaben („datalis“) sowie der Widerspruchsmarke mit Anfangsmajuskel („[X.]“) zu berücksichtigen ist (vgl. [X.], 777 – [X.]/nutella; [X.], 74, 77 – [X.]/[X.]; 24 W (pat) 52/04 – mobile Life/MOBILO LIFE; 30 W (pat) 9/09 – jogging/Jogging). Auch unter Berücksichtigung des beschreibenden [X.]ehalts des ersten [X.] „Data“ bestehen erhebliche Übereinstimmungen im Schriftbild der beiden Marken. Es handelt sich nicht um Kurzwörter, so dass die unterschiedliche Wortlänge mit sieben bzw. neun Buchstaben nicht wesentlich ins [X.]ewicht fällt. Identisch sind die jeweiligen – beschreibenden, aber stärker beachteten – Wortanfänge „Data“ mit den zwei Vokalen „a“, die von nur einem Konsonanten getrennt werden. Diese Kombination ist eher selten und im Schriftbild auffällig. Ebenso identisch ist die jeweilige Wortendung „is“. Die beiden Markenwörter unterscheiden sich im Schriftbild nur durch die zusätzlichen Buchstaben „eg“ der Widerspruchsmarke in der stets weniger beachteten Wortmitte. Wird die Widerspruchsmarke in [X.]roßbuchstaben geschrieben, weist zudem der in ihr enthaltene Buchstabe „[X.]“ keine auffällige Unterlänge auf. Insgesamt reichen damit die [X.]emeinsamkeiten für die Annahme einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr aus.

2. [X.]ründe für die Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen auf eine Verfahrensbeteiligte nach § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] liegen nicht vor.

Meta

28 W (pat) 528/21

11.10.2021

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 125b Nr 1 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.10.2021, Az. 28 W (pat) 528/21 (REWIS RS 2021, 1983)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1983

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26 W (pat) 515/17

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