Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.12.2010, Az. 8 AZR 614/08

8. Senat | REWIS RS 2010, 532

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Gegenstand

Betriebsübergang - Widerspruch - Verwirkung


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 30. April 2008 - 7 [X.] - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 31. Oktober 2004 hinaus ein [X.]rbeitsverhältnis besteht.

2

Im Oktober 2004 war der Kläger bei der [X.] beschäftigt. Sein [X.]rbeitsverhältnis war dem Geschäftsbereich [X.] ([X.]) zugeordnet, er verdiente zuletzt monatlich 3.433,00 Euro brutto.

3

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 informierte die [X.] den Kläger über die beabsichtigte Übertragung des Geschäftsbereichs [X.] auf die [X.] Darin wurde dem Kläger ua. mitgeteilt:

        

„…    

        

die [X.] plant, den Geschäftsbereich [X.] ([X.]) mit Wirkung zum 1. November 2004 auf die [X.] zu übertragen.

        

Für die [X.]rbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, die dem Geschäftsbereich [X.] zugeordnet sind, führt diese Übertragung zu einem automatischen Übergang ihrer [X.]rbeitsverhältnisse. Dies ist in § 613 a BGB geregelt, dessen Bestimmungen auf den Übergang zwingend anwendbar sind. § 613 a [X.]bsatz 5 BGB sieht eine schriftliche Information des von einem solchen Übergang betroffenen [X.]rbeitnehmers vor, der nach § 613 a [X.]bsatz 6 BGB dem Übergang auch widersprechen kann.

        

Diese Bestimmungen lauten:

        

…       

        
        

Ihr [X.]rbeitsverhältnis ist dem Geschäftsbereich [X.] zugeordnet und würde deshalb mit dem 1. November 2004 auf [X.] übergehen.

        

...     

        

1.    

Zum geplanten Zeitpunkt des Übergangs:            

                 

Das Datum des geplanten Übergangs ist der 1. November 2004.

        

2.    

Zum Grund für den Übergang:            

                 

Grund des Übergangs ist die rechtliche Verselbständigung des Geschäftsbereichs [X.] in der [X.] und deren anschließende Veräußerung an N GmbH.

                 

[X.] mit Sitz in [X.] umfasst das gesamte bisherige [X.]-Geschäft der [X.], also die Geschäftsfelder Film, Finishing und [X.]aborgeräte. [X.] übernimmt das Vermögen von [X.]. Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.

                 

...     

                 

Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über hohe [X.]iquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.

        

3.    

Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und [X.] Folgen des Übergangs für die [X.]rbeitnehmer:            

                 

Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs [X.] tritt [X.] in die bestehenden, unveränderten [X.]rbeitsverhältnisse ein. Zur Klärung und Regelung der Einzelheiten …

        

       

                 
        

5.    

Zu Ihrer persönlichen Situation:            

                 

Ihr [X.]rbeitsverhältnis wird von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4 nicht betroffen sein.

        

6.    

Zum Widerspruchsrecht:            

                 

Sie haben das Recht, dem Übergang Ihres [X.]rbeitsverhältnisses auf die [X.] binnen einer Frist von einem Monat ab Zugang dieses Schreibens schriftlich zu widersprechen.

                 

Die Erklärung kann nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden. Sie kann auch nicht an eventuelle Bedingungen geknüpft werden.

                 

Sollten Sie dem Übergang Ihres [X.]rbeitsverhältnisses widersprechen wollen, müsste das schriftlich mit einer von Ihnen unterschriebenen Erklärung innerhalb dieser Frist erfolgen. Eventuelle [X.] richten Sie bitte ausschließlich an:

                 

...     

        

7.    

Zu den Folgen eines Widerspruchs:            

                 

Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bleibt Ihr [X.]rbeitsverhältnis bei der [X.] und geht nicht auf die [X.] über.

                 

Da nach dem Übergang des vollständigen Geschäftsbereichs [X.] auf [X.] Ihr bisheriger [X.]rbeitsplatz bei [X.] nicht mehr vorhanden sein wird und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht, müssen Sie daher im Falle der [X.]usübung Ihres Widerspruchsrechts mit der Kündigung Ihres [X.]rbeitsverhältnisses durch [X.] rechnen.

                 

Wir weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass nach der eindeutigen Regelung in der mit dem Gesamtbetriebsrat der [X.] und den örtlichen Betriebsräten vereinbarten Überleitungsvereinbarung in diesem Fall kein [X.]nspruch auf eine [X.]bfindung besteht, weder gegenüber der [X.], noch gegenüber [X.]

                 

Im Falle eines Widerspruchs müssen Sie deshalb damit rechnen, Ihren [X.]rbeitsplatz ohne jede finanzielle [X.]eistung zu verlieren. [X.]ußerdem sind bei einer eventuellen [X.]rbeitslosigkeit nach einem Widerspruch Ihre [X.]nsprüche auf [X.]eistungen der [X.]gentur für [X.]rbeit in Frage gestellt.

                 

Wir empfehlen Ihnen daher dringend, von einem Widerspruch abzusehen.

                 

...“   

4

Mit Wirkung zum 1. November 2004 wurde der Geschäftsbereich [X.] ausgegliedert und auf die neu gegründete [X.] übertragen. Der Kläger widersprach dem Übergang seines [X.]rbeitsverhältnisses auf diese GmbH zunächst nicht.

5

[X.]m 20. Mai 2005 stellte die [X.] [X.]ntrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die am 1. [X.]ugust 2005 erfolgte.

6

Im Januar 2006 schlossen der Kläger, die [X.] und eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft namens „[X.] GmbH“ einen dreiseitigen Vertrag, in dem es ua. heißt:

        

II.   

Beendigung des [X.]rbeitsverhältnisses mit [X.]

        

1.    

In Kenntnis der in der Präambel genannten Fakten vereinbaren der [X.]rbeitnehmer und [X.] die Beendigung des [X.]rbeitsverhältnisses aus den im Interessenausgleich und Sozialplan vom 18.10.2005 genannten betriebsbedingten Gründen einvernehmlich zum 31.01.2006.

        

2.    

Der [X.]rbeitnehmer erklärt, dass er über die Folgen einer solchen einvernehmlichen Beendigung - insbesondere auf den darin liegenden Verzicht auf das Führen von Bestandsstreitigkeiten gegen seinen [X.]rbeitgeber - belehrt worden ist. Der [X.]rbeitnehmer hatte auch Gelegenheit, sich über diese Folgen ausführlich beraten zu lassen.

        

3.    

Ist ein Übertritt in die [X.] zum 01.02.2006 vorgesehen, wird das [X.]rbeitsverhältnis mit [X.] bis zum vereinbarten [X.] nach Maßgabe der insolvenzrechtlichen Vorschriften ordnungsgemäß fortgeführt und abgerechnet.

        

4.    

Der [X.]rbeitnehmer wird durch ein gesondertes Schreiben von [X.] informiert, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe er eine unverfallbare [X.]nwartschaft auf [X.]eistungen aus der betrieblichen [X.]ltersversorgung erworben hat.

        

5.    

Mit diesem Vertrag sind sämtliche aus dem bestehenden [X.]rbeitsverhältnis und seiner Beendigung abzuleitenden wechselseitigen [X.]nsprüche der Vertragsparteien, seien sie bekannt oder nicht bekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, geregelt und abgegolten, sofern es sich nicht um Insolvenzforderungen des [X.]rbeitnehmers handelt und sich aus dem Sozialplan nichts anderes ergibt. Die Behandlung von betrieblichen [X.]ltersversorgungsansprüchen richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften.

        

…       

        
        

III.   

Befristeter [X.]nstellungsvertrag mit der [X.]

        

1.    

Gegenstand und Dauer des befristeten [X.]rbeitsverhältnisses mit der [X.]

        

a.    

Der [X.]rbeitnehmer und die [X.] schließen hiermit einen befristeten [X.]rbeitsvertrag für die Dauer vom 01.02.2006 bis zum 31.01.2007. Das [X.]rbeitsverhältnis endet mit dem Beendigungsdatum automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

        

b.    

Grundlage für diesen [X.]rbeitsvertrag ist die Durchführung von Maßnahmen zur Beschäftigung, Qualifizierung und beruflichen Neuorientierung des [X.]rbeitnehmers. Neben der [X.]ufnahme in die [X.] umfassen diese Maßnahmen:

                 

…“    

7

Der Kläger arbeitete ab dem 1. Februar 2006 bei der [X.] GmbH.

8

Mit Schreiben vom 19. Mai 2006 bot die [X.] dem Kläger eine Vereinbarung an, wonach sie sich verpflichtete, an den Kläger eine sogenannte [X.] iHv. 250,00 Euro für das [X.] zu zahlen. Unter Ziff. 3 dieser Vereinbarung wird geregelt, dass sich die Parteien einig sind, dass das [X.]rbeitsverhältnis am 1. November 2004 auf die [X.] übergegangen ist. Zusätzlich enthält die Vereinbarung die Verpflichtung des [X.], auch künftig keinen Widerspruch zu erklären. Der Kläger äußerte sich zu diesem [X.]ngebot nicht, er unterschrieb es auch nicht.

9

Durch [X.]nwaltsschreiben vom 31. Januar 2007 ließ der Kläger gegenüber der [X.] wegen unvollständiger bzw. fehlerhafter Informationen im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang den Widerspruch gegen den Übergang seines [X.]rbeitsverhältnisses auf die [X.] erklären.

Der Kläger ist der [X.]nsicht, er habe im Januar 2007 dem Übergang seines [X.]rbeitsverhältnisses von der [X.] auf die [X.] noch wirksam widersprechen können, weil infolge der nicht ausreichenden Unterrichtung durch die [X.] im Schreiben vom 22. Oktober 2004 über den beabsichtigten Betriebsübergang die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a [X.]bs. 6 Satz 1 BGB nicht in Gang gesetzt worden sei.

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 31. Oktober 2004 hinaus ein [X.]rbeitsverhältnis besteht.

Zur Begründung ihres [X.] hat die [X.] die [X.]uffassung vertreten, die Unterrichtung des [X.] genüge den gesetzlichen [X.]nforderungen des § 613a [X.]bs. 5 BGB. Der Widerspruch des [X.] sei deshalb verspätet. Jedenfalls habe der Kläger sein Widerspruchsrecht verwirkt.

Das [X.]rbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] blieb vor dem [X.]andesarbeitsgericht erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis mehr, weil dieses mangels eines wirksamen Widerspruchs des [X.] ab dem 1. November 2004 auf die [X.] nach § 613a Abs. 1 BGB übergegangen ist.

A. Das [X.] hat sein klageabweisendes Urteil im Wesentlichen wie folgt begründet:

Es könne dahinstehen, ob die Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB infolge fehlerhafter Unterrichtung noch nicht zu laufen begonnen habe. Der Widerspruch des [X.] sei in analoger Anwendung des Rechtsgedankens des § 144 BGB nicht mehr zulässig. Der Kläger habe durch Abschluss des dreiseitigen Vertrages den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] bestätigt. Außerdem sei das Verhalten des [X.] rechtsmissbräuchlich.

B. Dem [X.] ist im Ergebnis zu folgen, weil das Widerspruchsrecht des [X.] zum Zeitpunkt seiner Ausübung mit Schreiben vom 31. Januar 2007 verwirkt war.

I. Wie der Senat bereits in einer Vielzahl von gleich gelagerten Fällen entschieden hat, entspricht die Unterrichtung durch die Beklagte vom 22. Oktober 2004 über den beabsichtigten [X.] nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB. Sie setzt damit die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB für die betroffenen Arbeitnehmer nicht in Lauf (vgl. zB 20. März 2008 - 8 [X.] - [X.], 1354 oder 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

II. Das Widerspruchsrecht des [X.] ist verwirkt.

Der Senat hat mehrmals entschieden, dass das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers grundsätzlich verwirken kann (vgl. zB 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

1. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

Schon nach der Rechtsprechung des [X.] vor dem Inkrafttreten des § 613a Abs. 5 und 6 BGB konnte das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. An dieser Rechtsprechung hat der Senat im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum auch nach der neuen Rechtslage festgehalten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann (Senat 15. Februar 2007 - 8 [X.] - mwN, [X.] 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64).

Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei ([X.]. 831/1/01 S. 2) bzw. sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles (Senat 15. Februar 2007 - 8 [X.] - [X.] 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64). Dabei ist, wie der Senat bereits zur Verwirkung der Geltendmachung eines Betriebsübergangs (27. Januar 2000 - 8 [X.] -) ausgeführt hat, davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können. Zutreffend ist es weiterhin auch, die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen letztlich besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (Senat 15. Februar 2007 - 8 [X.] - mwN, aaO).

2. Zwischen der Unterrichtung des [X.] mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 über den bevorstehenden [X.] und seinem Widerspruch mit Schreiben vom 31. Januar 2007 liegt ein Zeitraum von über zwei Jahren. Eine solche Zeitspanne erfüllt das für das Vorliegen einer Verwirkung erforderliche Zeitmoment (Senat 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - AP BGB § 613a Nr. 347; 2. April 2009 - 8 AZR 473/07 -).

3. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass dann, wenn ein Arbeitnehmer eine vom [X.] ausgesprochene Kündigung nicht angreift (24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - AP BGB § 613a Nr. 347) oder durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem [X.] über sein Arbeitsverhältnis disponiert (27. November 2008 - 8 [X.] - [X.] 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106), das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Umstandsmoment erfüllt sein kann.

a) Allein die widerspruchslose Weiterarbeit des [X.] bei der [X.] ab dem 1. November 2004 begründete noch keine Verwirkung des Widerspruchsrechts des nicht ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 BGB unterrichteten [X.] (Senat 20. März 2008 - 8 [X.] - NZA 2008, 1354).

b) Aufgrund des Gesamtverhaltens des [X.] durfte die Beklagte jedoch davon ausgehen, dieser werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben (Erfüllung des Umstandsmoments).

Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass ein Arbeitnehmer dadurch, dass er über sein Arbeitsverhältnis disponiert, das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Umstandsmoment erfüllt. Eine derartige Disposition kann in dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem [X.] zu sehen sein (27. November 2008 - 8 [X.] - [X.] 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106). Dies hat der Kläger vorliegend getan und er hat darüber hinaus im selben Vertrag ein neues Arbeitsverhältnis mit einem dritten Arbeitgeber abgeschlossen. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s hätte er zudem bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen können, dass er mit dem Abschluss dieses Vertrages die [X.]in als Arbeitgeberin ausdrücklich bestätigt und dass er selbst in Kenntnis von einem möglicherweise noch bestehenden Widerspruchsrecht auf das Führen von Bestandsstreitigkeiten „gegen seinen Arbeitgeber“ vorbehaltlos verzichtet hat. Damit hat der Kläger sein Interesse an der Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses mit der [X.] ebenso aufgegeben wie er mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch ausdrücklich erklärt hat, keine Bestandsstreitigkeiten in dieser Hinsicht mehr zu führen. Dies kann nur so verstanden werden, dass der Kläger bei Unterzeichnung der dreiseitigen Vereinbarung auch auf die Möglichkeit verzichtete, noch einmal zur Beklagten zurückzukehren.

c) Zu Recht hat das [X.] auch dem Schreiben der Beklagten vom Mai 2006 zur „[X.]“ keine durchgreifende rechtliche Bedeutung beigemessen. Dieses Angebot, das [X.] betreffend, erfolgte mit Schreiben vom 19. Mai 2006, also nachdem der Kläger bereits den dreiseitigen Vertrag mit der [X.] und der [X.] im Januar 2006 geschlossen und dadurch sein Widerspruchsrecht verwirkt hatte. Auf die Rechtsauffassungen der Beklagten vom Mai 2006 kommt es ebenso wenig an wie darauf, dass sich der Kläger danach noch über acht Monate Zeit ließ bis zur Erklärung des Widerspruchs gegen den Übergang seines „Arbeitsverhältnisses“.

4. Auf die Verwirkung darf sich die Beklagte berufen, unabhängig davon, ob ihr alle vom Kläger verwirklichten [X.] bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen [X.] und [X.] sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der [X.] als neuer Arbeitgeber auf [X.] berufen könnte, diese auch der [X.] als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen kann.

Die Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB trifft als Gesamtschuldner sowohl den bisherigen Arbeitgeber als auch den neuen Inhaber. Der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer erlangt die Fortdauer seines Widerspruchsrechts sowohl durch Informationsfehler des einen wie des anderen. Wenn das Gesetz in der Frage der Informationspflicht zum Betriebsübergang den alten und neuen Arbeitgeber als Einheit sieht, liegt es nahe, [X.] und [X.] auch hinsichtlich des [X.] zum Arbeitnehmerverhalten einheitlich aufzufassen. Auch Art. 3 Abs. 2 der [X.] 2001/23/[X.] fingiert einen gleichen Informationsstand von Veräußerer und Erwerber über die Rechte und Pflichten der übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Entscheidend kommt hinzu, dass nach § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB der Arbeitnehmer den Widerspruch sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber ([X.]) als auch gegenüber dem neuen Inhaber ([X.]) erklären kann. Der Widerspruch kann aber nicht gegenüber dem neuen Arbeitgeber verwirkt sein, weil dieser die eingetretenen „Umstände“ subjektiv kennt, gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber wegen dessen Unkenntnis jedoch nicht. Für das Schuldverhältnis von [X.] und [X.] als Gesamtschuldner gegenüber dem Arbeitnehmer als Berechtigtem ist in § 613a BGB, insbesondere in dessen Abs. 6 „ein anderes“ normiert (§ 425 Abs. 1 BGB). Neuer und alter Arbeitgeber können sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen. Eine nachgewiesene subjektive Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (Senat 27. November 2008 - 8 [X.] - [X.] 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106; so auch [X.]/Niklas DB 2009, 452).

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Eimer    

        

    [X.]    

                 

Meta

8 AZR 614/08

09.12.2010

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Solingen, 10. Mai 2007, Az: 1 Ca 185/07 lev, Urteil

§ 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 BGB, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.12.2010, Az. 8 AZR 614/08 (REWIS RS 2010, 532)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 532

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