Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.12.2010, Az. 8 AZR 592/08

8. Senat | REWIS RS 2010, 553

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Gegenstand

Betriebsübergang - Widerspruch - Verwirkung - Schadensersatz


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. April 2008 - 7 [X.] - aufgehoben.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 9. Januar 2007 - 5 Ca 1249/06 [X.] - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht, weil der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses infolge eines Betriebsübergangs widersprochen hat.

2

Der Kläger war ursprünglich bei der [X.] im Geschäftsbereich [X.] ([X.]) beschäftigt und verdiente zuletzt monatlich 3.478,00 Euro brutto.

3

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 informierte die [X.] den Kläger über die beabsichtigte Übertragung des Geschäftsbereichs [X.] auf die [X.] Sie teilte ua. mit:

        

„...   

        

die [X.] plant, den Geschäftsbereich [X.] ([X.]) mit Wirkung zum 1. November 2004 auf die [X.] zu übertragen.

        

Für die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, die dem Geschäftsbereich [X.] zugeordnet sind, führt diese Übertragung zu einem automatischen Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse. Dies ist in § 613 a BGB geregelt, dessen Bestimmungen auf den Übergang zwingend anwendbar sind. § 613 a Absatz 5 BGB sieht eine schriftliche Information des von einem solchen Übergang betroffenen Arbeitnehmers vor, der nach § 613 a Absatz 6 BGB dem Übergang auch widersprechen kann.

        

Diese Bestimmungen lauten:

                 

‚Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

                 

1.    

den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,

                 

2.    

den Grund für den Übergang,

                 

3.    

die rechtlichen, wirtschaftlichen und [X.] Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und

                 

4.    

die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

        

Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.’

        

Ihr Arbeitsverhältnis ist dem Geschäftsbereich [X.] zugeordnet und würde deshalb mit dem 1. November 2004 auf [X.] übergehen.

        

...     

        

1.    

Zum geplanten Zeitpunkt des Übergangs:            

                 

Das Datum des geplanten Übergangs ist der 1. November 2004.

                          
        

2.    

Zum Grund für den Übergang:            

                 

Grund des Übergangs ist die rechtliche Verselbständigung des Geschäftsbereichs [X.] in der [X.] und deren anschließende Veräußerung an N GmbH.

                 

[X.] mit Sitz in [X.] umfasst das gesamte bisherige [X.]-Geschäft der [X.], also die Geschäftsfelder Film, Finishing und [X.]aborgeräte. [X.] übernimmt das Vermögen von [X.]. Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.

                 

...     

                 

Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über hohe [X.]iquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.

        

3.    

Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und [X.] Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer:            

                 

Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs [X.] tritt [X.] in die bestehenden, unveränderten Arbeitsverhältnisse ein. Zur Klärung und Regelung der Einzelheiten haben [X.], [X.], Gesamtbetriebsrat der [X.] sowie die örtlichen Betriebsräte am 24. September 2004 eine Überleitungsvereinbarung ‚zur Klärung der rechtlichen Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse betroffener Arbeitnehmer, auf die kollektiv-rechtlichen Regelungen sowie auf die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen’ abgeschlossen, die davon geprägt ist, so weit wie möglich Kontinuität zu wahren:

                 

-       

Die bei der [X.] verbrachten und/ oder von ihr anerkannten Dienstjahre werden als Dienstzeit bei [X.] anerkannt.

                 

-       

Die Zugehörigkeit zu den Arbeitgeberverbänden der Chemischen Industrie wird auch bei [X.] bestehen, d.h. es bleibt bei den [X.].

                 

...     

        

…       

        
        

5.    

Zu Ihrer persönlichen Situation:            

                 

Ihr Arbeitsverhältnis wird von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4 betroffen sein. Sie werden daher nach Abschluss des Verfahrens mit dem Betriebsrat eine entsprechende Kündigung des Arbeitsverhältnisses erhalten. Zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile stehen Ihnen die in unserem Sozialplan vorgesehenen [X.]eistungen zu.

                 

Die Kündigungsabsicht wirkt sich auf den Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses nicht aus. Ihr Arbeitsverhältnis geht trotzdem über und Sie sind verpflichtet, Ihre Tätigkeit bei [X.] fortzuführen. Die nachfolgend dargestellten Konsequenzen eines eventuellen Widerspruchs treffen auch in Ihrem Falle zu.

        

6.    

Zum Widerspruchsrecht:            

                 

Sie haben das Recht, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die [X.] binnen einer Frist von einem Monat ab Zugang dieses Schreibens schriftlich zu widersprechen. Die Erklärung kann nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden. Sie kann auch nicht an eventuelle Bedingungen geknüpft werden.

                 

Sollten Sie dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen wollen, müsste das schriftlich mit einer von Ihnen unterschriebenen Erklärung innerhalb dieser Frist erfolgen. Eventuelle [X.] richten Sie bitte ausschließlich an:

                 

...     

        

7.    

Zu den Folgen eines Widerspruchs:            

                 

Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bleibt Ihr Arbeitsverhältnis bei der [X.] und geht nicht auf die [X.] über.

                 

Da nach dem Übergang des vollständigen Geschäftsbereichs [X.] auf [X.] Ihr bisheriger Arbeitsplatz bei [X.] nicht mehr vorhanden sein wird und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht, müssen Sie daher im Falle der Ausübung Ihres Widerspruchsrechts mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses durch [X.] rechnen.

                 

Wir weisen Sie jedoch ausdrücklich darauf hin, dass nach der eindeutigen Regelung in der mit dem Gesamtbetriebsrat der [X.] und den örtlichen Betriebsräten vereinbarten Überleitungsvereinbarung in diesem Fall kein Anspruch auf eine Abfindung besteht, weder gegenüber der [X.], noch gegenüber [X.] Im Falle eines Widerspruchs müssen Sie deshalb damit rechnen, Ihren Arbeitsplatz ohne jede finanzielle [X.]eistung zu verlieren.

                 

Außerdem sind bei einer eventuellen Arbeitslosigkeit nach einem Widerspruch Ihre Ansprüche auf [X.]eistungen der Agentur für Arbeit in Frage gestellt.

                 

Wir empfehlen Ihnen daher dringend, von einem Widerspruch abzusehen.

                 

...“   

4

Sodann wurde mit Wirkung zum 1. November 2004 der Geschäftsbereich [X.] bei der [X.] ausgegliedert und auf die neu gegründete [X.] übertragen. Zunächst widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] nicht. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2004, dem Kläger am 13. Dezember 2004 zugegangen, kündigte die [X.] das Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zum 30. Juni 2005. Mit einem weiteren Schreiben, ebenfalls vom 7. Dezember 2004, stellte sie darüber hinaus eine Abfindung iHv. 19.458,00 Euro in Aussicht, die im Austrittsmonat gezahlt werden sollte. Der Kläger erhob gegen die Kündigung keine Kündigungsschutzklage.

5

Die [X.] stellte am 20. Mai 2005 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die am 1. August 2005 erfolgte. Der Kläger schied zum 30. Juni 2005 bei der [X.] aus, die in Aussicht gestellte Abfindung erhielt er nicht. Der Kläger, der zwischenzeitlich ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist, ließ mit Anwaltsschreiben vom 20. Juni 2006 gegenüber der [X.] dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] widersprechen. Er hat dies für wirksam gehalten, weil infolge der nicht ausreichenden Unterrichtung durch die [X.] im Schreiben vom 22. Oktober 2004 die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht in Gang gesetzt worden sei.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht;

hilfsweise hat er beantragt,

        

die [X.] zu verurteilen, an ihn 20.224,94 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2005 zu zahlen.

Für den Fall des Obsiegens im Hauptantrag hat er weiter beantragt,

        

die [X.] zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Arbeitszwischenzeugnis zu erteilen.

7

Die [X.] hat die Abweisung der Klage beantragt und dazu die Auffassung vertreten, die Unterrichtung des [X.] genüge den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB. Deshalb sei der Widerspruch verspätet, jedenfalls aber habe der Kläger sein Widerspruchsrecht verwirkt.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hatte vor dem [X.]andesarbeitsgericht Erfolg. Mit der zugelassenen Revision will die [X.] die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der [X.] ist begründet. Weil das Arbeitsverhältnis des [X.] am 1. November 2004 auf die [X.] nach § 613a Abs. 1 [X.] übergegangen und sein Widerspruch dagegen vom Juni 2006 unwirksam ist, ist die Klage sowohl im Hauptantrag als auch im hilfsweise geltend gemachten [X.] unbegründet.

A. Das [X.] hat sein klagestattgebendes Urteil im Wesentlichen wie folgt begründet:

Da die Belehrung des [X.] über den Betriebsübergang gem. § 613a Abs. 5 [X.] fehlerhaft gewesen sei, habe die einmonatige Frist zum Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses für den Kläger nicht mit Erhalt des [X.] vom 22. Oktober 2004 zu laufen begonnen. Das Recht des [X.] zum Widerspruch sei bei seiner Ausübung am 20. Juni 2006 auch nicht verwirkt gewesen. Bereits das Zeitmoment sei nicht erfüllt, sondern beginne frühestens ab dem Zeitpunkt zu wirken, von dem der Arbeitnehmer Kenntnis davon erlangt habe, dass die Unterrichtung fehlerhaft gewesen sei. Das könne vorliegend frühestens nach der Stellung des [X.] durch die Erwerberin anzunehmen sein. Selbst wenn man dem nicht folge, fehle es jedenfalls am Umstandsmoment. Ein solches habe der Kläger durch die Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage nicht verwirklicht, ebenso nicht durch den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit einer dritten Gesellschaft. Der Kläger habe auch nicht auf die Ausübung seines Widerspruchsrechts verzichtet, § 144 [X.] analog.

B. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

I. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung. Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ([X.] 17. Januar 2007 - 7 [X.] - [X.]E 121, 18 = [X.] § 14 Nr. 30 = EzA TzBfG § 14 Nr. 37; 27. Juli 2010 - 1 [X.] - [X.] 2010, 1446). Vorliegend hat der Kläger zweimal Berufung eingelegt, nämlich am 20. März 2007 und - „vorsorglich“ - am 31. Oktober 2007. Jedoch können Rechtsmittel wiederholt eingelegt werden. Ein Rechtsmittelführer kann deshalb bestimmen, ob er eine oder mehrere Berufungen gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil einlegen will. Fehlt es an einer ausdrücklichen Erklärung, kommt es auf das prozessuale Verhalten des Rechtsmittelführers an ([X.] 17. Oktober 1995 - 3 [X.] - [X.] ZPO § 518 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 21). Der Kläger hat klargestellt, dass er die zweite Berufung nur einlegt, weil er vorher das erstinstanzliche Urteil nochmals in korrekter Fassung zugestellt bekommen hatte. Er hat sich auf sein bisheriges Berufungsvorbringen bezogen und dadurch deutlich gemacht, dass er in Kenntnis der richtigen Fassung des Arbeitsgerichtsurteils keine neuen Berufungsgründe darlegen muss. Das prozessuale Verhalten des [X.] wirft daher keinerlei Unklarheiten auf, die Zweifel an der von ihm geführten Berufung begründet hätten.

II. Der Kläger konnte dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich noch widersprechen.

Wie der Senat bereits in einer Vielzahl von gleich gelagerten Fällen entschieden hat, entspricht die Unterrichtung durch die Beklagte vom 22. Oktober 2004 über den beabsichtigten [X.] nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 [X.]. Sie setzt damit die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 [X.] für die betroffenen Arbeitnehmer nicht in Lauf (vgl. zB 20. März 2008 - 8 [X.] - [X.] 2008, 1354 oder 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - [X.] [X.] § 613a Nr. 347).

III. Das Widerspruchsrecht des [X.] ist aber verwirkt.

Das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 6 [X.] kann grundsätzlich verwirken (st. Rspr. des Senats, vgl. zB 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - [X.] [X.] § 613a Nr. 347).

1. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 [X.]). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

Schon nach der Rechtsprechung des [X.] vor dem Inkrafttreten des § 613a Abs. 5 und 6 [X.] konnte das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. An dieser Rechtsprechung hat der Senat im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum auch nach der neuen Rechtslage festgehalten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann (Senat 15. Februar 2007 - 8 [X.] - mwN, [X.]E 121, 289 = [X.] [X.] § 613a Nr. 320 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 64).

2. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 von der [X.] über den bevorstehenden [X.] unterrichtet. Er hat knapp 20 Monate später am 20. Juni 2006 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] widersprochen. Eine solche Zeitspanne erfüllt das für das Vorliegen der Verwirkung erforderliche Zeitmoment (Senat 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - [X.] [X.] § 613a Nr. 347; 2. April 2009 - 8 AZR 473/07 -).

3. Die widerspruchslose Weiterarbeit des [X.] bei der [X.] ab 1. November 2004 begründete keine Verwirkung des Widerspruchsrechts des nicht ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 [X.] unterrichteten [X.] (Senat 20. März 2008 - 8 [X.] - [X.] 2008, 1354). Auch eine akzeptierte Freistellung von der tatsächlichen Arbeitsleistung ist regelmäßig noch keine Disposition über den [X.] und verwirklicht daher für sich genommen das Umstandsmoment nicht. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Freistellung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter in Ausübung des insolvenzrechtlichen Rechts auf Freistellung erfolgte ([X.]/[X.] 11. Aufl. [X.] Einführung Rn. 38 mwN).

4. Das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Umstandsmoment wird dagegen dadurch erfüllt, dass der Arbeitnehmer durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem [X.] über sein Arbeitsverhältnis disponiert (Senat 27. November 2008 - 8 [X.] - [X.]E 128, 328 = [X.] [X.] § 613a Nr. 363 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 106) oder dass er eine vom [X.] ausgesprochene Kündigung nicht angreift (Senat 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - [X.] [X.] § 613a Nr. 347).

Vorliegend hat der Kläger die unter dem 7. Dezember 2004 von der [X.] ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung nicht mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen. Er ist auf ein von der [X.] vorgeschlagenes Auflösungsmodell eingegangen, demzufolge er zum 30. Juni 2005 ausscheiden, aber ebenfalls im Juni 2005 eine Abfindung iHv. 19.458,00 Euro erhalten sollte. Der Kläger hat jedenfalls am 30. Juni 2005 und somit etwa ein Jahr vor Erklärung des Widerspruchs das Umstandsmoment derart verwirklicht, dass die Beklagte nicht mehr damit rechnen musste, er werde sein Widerspruchsrecht noch ausüben.

5. Auf die Verwirkung darf sich die Beklagte berufen, unabhängig davon, ob ihr alle vom Kläger verwirklichten [X.] bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen [X.] und [X.] sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der [X.] als neuer Arbeitgeber auf [X.] berufen könnte, diese auch der [X.] als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen kann.

Die [X.] nach § 613a Abs. 5 [X.] trifft als Gesamtschuldner sowohl den bisherigen Arbeitgeber als auch den neuen Inhaber. Der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer erlangt die Fortdauer seines Widerspruchsrechts sowohl durch Informationsfehler des einen wie des anderen. Wenn das Gesetz in der Frage der Informationspflicht zum Betriebsübergang den alten und neuen Arbeitgeber als Einheit sieht, liegt es nahe, [X.] und [X.] auch hinsichtlich des [X.] zum Arbeitnehmerverhalten einheitlich aufzufassen. Auch Art. 3 Abs. 2 der [X.] 2001/23/[X.] fingiert einen gleichen Informationsstand von Veräußerer und Erwerber über die Rechte und Pflichten der übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Entscheidend kommt hinzu, dass nach § 613a Abs. 6 Satz 2 [X.] der Arbeitnehmer den Widerspruch sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber ([X.]) als auch gegenüber dem neuen Inhaber ([X.]) erklären kann. Der Widerspruch kann aber nicht gegenüber dem neuen Arbeitgeber verwirkt sein, weil dieser die eingetretenen „Umstände“ subjektiv kennt, gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber wegen dessen Unkenntnis jedoch nicht. Für das Schuldverhältnis von [X.] und [X.] als Gesamtschuldner gegenüber dem Arbeitnehmer als Berechtigtem ist in § 613a [X.], insbesondere in dessen Abs. 6 „ein anderes“ normiert (§ 425 Abs. 1 [X.]). Neuer und alter Arbeitgeber können sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen. Eine nachgewiesene subjektive Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (Senat 27. November 2008 - 8 [X.] - [X.]E 128, 328 = [X.] [X.] § 613a Nr. 363 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 106; so auch [X.]/Niklas DB 2009, 452).

IV. Der Kläger hat auch keinen hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Abfindung iHv. 20.224,94 Euro brutto gemäß dem bei der [X.] geltenden [X.] in Verbindung mit der Gesamtbetriebsvereinbarung.

1. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass sich ein Anspruch der Arbeitnehmer gegen die Beklagte als Betriebsveräußerin auf Zahlung einer Abfindung im Zusammenhang mit einer von der [X.] ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung nicht aus den Bestimmungen der geschlossenen Kollektivvereinbarungen ergibt. Dies kann weder dem [X.] noch der Gesamtbetriebsvereinbarung Sozialplan von 1995, die bei der [X.] abgeschlossen wurden, entnommen werden (Senat 27. November 2008 - 8 [X.] - Rn. 22 bis 36).

2. Für [X.] des [X.] gegen die [X.] haftet die Beklagte auch nicht deshalb, weil sie sich etwa mit ihrem Unterrichtungsschreiben vom 22. Oktober 2004 im Sinne eines Schuldbeitritts oder einer Garantieübernahme gegenüber dem Kläger für solche künftigen [X.] verpflichtet hätte. Auch dies hat der Senat schon mehrfach klargestellt (Senat 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 -; 27. November 2008 - 8 [X.] - Rn. 37 bis 42).

3. Schließlich ergibt sich auch nach § 613a Abs. 5 iVm. §§ 280 ff. [X.] kein Schadensersatzanspruch des [X.] in Höhe der geltend gemachten Abfindung.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei der [X.] des § 613a Abs. 5 [X.] um eine echte Rechtspflicht, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 [X.] auslösen kann (Senat 31. Januar 2008 - 8 AZR 1116/06 - [X.] [X.] § 613a Unterrichtung Nr. 2 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 85). Bei der Verletzung der [X.] wird ein Verschulden gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 [X.] vermutet. Macht der Arbeitnehmer geltend, nicht oder nicht vollständig über den Betriebsübergang unterrichtet worden zu sein, ist er so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn er richtig und vollständig informiert worden wäre. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer vortragen und beweisen muss, dass ihm infolge der unterbliebenen Unterrichtung der geltend gemachte Schaden entstanden ist. Bei rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Unterrichtung müsste der Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 6 [X.] dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen haben und der geltend gemachte Schaden dürfte nicht eingetreten sein. Hierfür hat der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Bei Verletzungen von Aufklärungspflichten kann zwar eine Vermutung bestehen, dass sich der Geschädigte aufklärungsgerecht verhalten hätte ([X.] 5. Juli 1973 - [X.] - [X.]Z 61, 118). Dies setzt jedoch voraus, dass nur eine Handlungsmöglichkeit bestanden hat.

b) Der Kläger hat nicht schlüssig vorgetragen, dass ihm infolge einer fehlerhaften Unterrichtung der geltend gemachte Schaden entstanden ist. Er beruft sich letztlich nicht darauf, dass ihm der Abfindungsanspruch überhaupt verloren gegangen ist. Vielmehr sieht er seinen Schaden darin, dass ihm infolge einer fehlerhaften Unterrichtung und des dadurch unterbliebenen Widerspruchs gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses als Schuldnerin der Abfindung nunmehr statt der solventen [X.] die insolvente [X.] als Anspruchsgegnerin gegenübersteht. Dieser Schaden ist allerdings nicht durch die falsche Information der [X.] entstanden. Nach der Rechtsprechung des Senats (13. Juli 2006 - 8 AZR 382/05 - [X.] [X.] § 613a Widerspruch Nr. 1 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 57) bleibt dem Arbeitnehmer bei einer falschen oder fehlerhaften Unterrichtung iSd. § 613a Abs. 5 [X.] die Widerspruchsmöglichkeit dadurch erhalten, dass die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 [X.] nicht zu laufen beginnt. Der Kläger hätte durch Erklärung des Widerspruchs genau den Erfolg herbeiführen können, dessen Ausbleiben er jetzt zur Begründung seines Schadensersatzanspruchs heranzieht. Wenn der Kläger die Person seines Anspruchsschuldners als Ursache für seinen Schaden benennt, er jedoch durch Ausübung seines noch bestehenden Widerspruchsrechts gerade diesen Schaden in dem von ihm gewünschten Sinne hätte vermeiden können, fehlt es an der Kausalität zwischen der Falschinformation und der Nichtausübung des Widerspruchsrechts und deshalb auch an einer Kausalität zwischen dieser unzulänglichen Information und dem Eintritt des geltend gemachten Schadens (Senat 20. März 2008 - 8 AZR 1022/06 - EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 91; 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 -).

C. Der Kläger hat nach § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Eimer    

        

    [X.]    

                 

Meta

8 AZR 592/08

09.12.2010

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Solingen, 9. Januar 2007, Az: 5 Ca 1249/06 lev, Urteil

§ 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 BGB, § 242 BGB, § 280 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.12.2010, Az. 8 AZR 592/08 (REWIS RS 2010, 553)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 553

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Referenzen
Wird zitiert von

5 Sa 160/15

5 Sa 478/15

1 Ca 53/13

3 Sa 423/13

7 Sa 976/11

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