Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.01.2010, Az. 8 AZR 63/08

8. Senat | REWIS RS 2010, 10142

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Gegenstand

Betriebsübergang - Verwirkung des Widerspruchsrechts


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 6. Dezember 2007 - 3 [X.] 733/07 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ab dem 1. November 2004 weiterhin ein [X.]rbeitsverhältnis besteht.

2

Im Oktober 2004 war der Kläger bei der [X.] beschäftigt. Sein [X.]rbeitsverhältnis war dem Geschäftsbereich [X.]([X.]) zugeordnet, er verdiente monatlich brutto 3.000,00 Euro.

3

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 informierte die [X.] den Kläger über die beabsichtigte Übertragung des Geschäftsbereichs [X.] auf die [X.] Darin wurde dem Kläger ua. mitgeteilt:

        

„die [X.] plant, den Geschäftsbereich [X.] ([X.]) mit Wirkung zum 1. November 2004 auf die [X.] zu übertragen.

        

Für die [X.]rbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, die dem Geschäftsbereich [X.] zugeordnet sind, führt diese Übertragung zu einem automatischen Übergang ihrer [X.]rbeitsverhältnisse. Dies ist in § 613 a BGB geregelt, dessen Bestimmungen auf den Übergang zwingend anwendbar sind. § 613 a [X.]bsatz 5 BGB sieht eine schriftliche Information des von einem solchen Übergang betroffenen [X.]rbeitnehmers vor, der nach § 613 a [X.]bsatz 6 BGB dem Übergang auch widersprechen kann.

        

Diese Bestimmungen lauten:

                 

‚Der bisherige [X.]rbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen [X.]rbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

                 

1.   

den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,

                 

2.   

den Grund für den Übergang,

                 

3.   

die rechtlichen, wirtschaftlichen und [X.] Folgen des Übergangs für die [X.]rbeitnehmer und

                 

4.   

die hinsichtlich der [X.]rbeitnehmer in [X.]ussicht genommenen Maßnahmen.

                 

Der [X.]rbeitnehmer kann dem Übergang des [X.]rbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach [X.]bsatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen [X.]rbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.’

        

Ihr [X.]rbeitsverhältnis ist dem Geschäftsbereich [X.] zugeordnet und würde deshalb mit dem 1. November 2004 auf [X.] übergehen.

        

...

        

1.       

Zum geplanten Zeitpunkt des Übergangs:

                 

Das Datum des geplanten Übergangs ist der 1. November 2004.

        

2.       

Zum Grund für den Übergang:

                 

Grund des Übergangs ist die rechtliche Verselbständigung des Geschäftsbereichs [X.] in der [X.] und deren anschließende Veräußerung an die N GmbH.

                 

[X.] mit Sitz in [X.] umfasst das gesamte bisherige [X.]-Geschäft der [X.], also die Geschäftsfelder Film, Finishing und [X.]aborgeräte. [X.] übernimmt das Vermögen von [X.]. Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.

                 

...

                 

Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über hohe [X.]iquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.

        

3.       

Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und [X.] Folgen des Übergangs für die [X.]rbeitnehmer:

                 

Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs [X.] tritt [X.] in die bestehenden, unveränderten [X.]rbeitsverhältnisse ein. Zur Klärung und Regelung der Einzelheiten haben [X.], [X.], Gesamtbetriebsrat der [X.] sowie die örtlichen Betriebsräte am 24. September 2004 eine Überleitungsvereinbarung ‚zur Klärung der rechtlichen [X.]uswirkungen auf die [X.]rbeitsverhältnisse betroffener [X.]rbeitnehmer, auf die kollektiv-rechtlichen Regelungen sowie auf die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen’ abgeschlossen, die davon geprägt ist, so weit wie möglich Kontinuität zu wahren:

                 

-       

Die bei der [X.] verbrachten und/oder von ihr anerkannten Dienstjahre werden als Dienstzeit bei [X.] anerkannt.

                 

-       

Die Zugehörigkeit zu den [X.]rbeitgeberverbänden der [X.]hemischen Industrie wird auch bei [X.] bestehen, d.h. es bleibt bei den [X.].

                 

...

        
        

5.       

Zu Ihrer persönlichen Situation:

                 

Ihr [X.]rbeitsverhältnis wird von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4 nicht betroffen sein.

        

6.       

Zum Widerspruchsrecht:

                 

Sie haben das Recht, dem Übergang Ihres [X.]rbeitsverhältnisses auf die [X.] binnen einer Frist von einem Monat ab Zugang dieses Schreibens schriftlich zu widersprechen.

                 

Die Erklärung kann nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden. Sie kann auch nicht an eventuelle Bedingungen geknüpft werden.

                 

Sollten Sie dem Übergang Ihres [X.]rbeitsverhältnisses widersprechen wollen, müsste das schriftlich mit einer von Ihnen unterschriebenen Erklärung innerhalb dieser Frist erfolgen. Eventuelle [X.] richten Sie bitte ausschließlich an:

                 

...

        

7.       

Zu den Folgen eines Widerspruchs:

                 

Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bleibt Ihr [X.]rbeitsverhältnis bei der [X.] und geht nicht auf die [X.] über.

                 

Da nach dem Übergang des vollständigen Geschäftsbereichs [X.] auf [X.] Ihr bisheriger [X.]rbeitsplatz bei [X.] nicht mehr vorhanden sein wird und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht, müssen Sie daher im Falle der [X.]usübung Ihres Widerspruchsrechts mit der Kündigung Ihres [X.]rbeitsverhältnisses durch [X.] rechnen.

                 

Wir weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass nach der eindeutigen Regelung in der mit dem Gesamtbetriebsrat der [X.] und den örtlichen Betriebsräten vereinbarten Überleitungsvereinbarung in diesem Fall kein [X.]nspruch auf eine [X.]bfindung besteht, weder gegenüber der [X.], noch gegenüber [X.]

        

        

Im Falle eines Widerspruchs müssen Sie deshalb damit rechnen, Ihren [X.]rbeitsplatz ohne jede finanzielle [X.]eistung zu verlieren. [X.]ußerdem sind bei einer eventuellen [X.]rbeitslosigkeit nach einem Widerspruch Ihre [X.]nsprüche auf [X.]eistungen der [X.]gentur für [X.]rbeit in Frage gestellt.

                 

Wir empfehlen Ihnen daher dringend, von einem Widerspruch abzusehen.

                 

...“

4

Mit Wirkung zum 1. November 2004 wurde der Geschäftsbereich [X.] ausgegliedert und auf die neu gegründete [X.] übertragen. Der Kläger widersprach dem Übergang seines [X.]rbeitsverhältnisses auf diese GmbH zunächst nicht.

5

[X.]m 20. Mai 2005 stellte die [X.] [X.]ntrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die am 1. [X.]ugust 2005 erfolgte.

6

Unter dem 31. Oktober 2005 schlossen der Kläger, die [X.] und eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft namens „[X.] GmbH“ einen dreiseitigen Vertrag, in dem es ua. heißt:

        

II.   

Beendigung des [X.]rbeitsverhältnisses des mit [X.]

        

1.   

In Kenntnis der in der Präambel genannten Fakten vereinbaren der [X.]rbeitnehmer und [X.] die Beendigung des [X.]rbeitsverhältnisses aus den im Interessenausgleich und Sozialplan vom 18.10.2005 genannten betriebsbedingten Gründen einvernehmlich zum 31.10.2005.

        

2.   

Der [X.]rbeitnehmer erklärt, dass er über die Folgen einer solchen einvernehmlichen Beendigung - insbesondere auf den darin liegenden Verzicht auf das Führen von Bestandsstreitigkeiten gegen seinen [X.]rbeitgeber - belehrt worden ist. Der [X.]rbeitnehmer hatte auch Gelegenheit, sich über diese Folgen ausführlich beraten zu lassen.

        

3.   

Ist ein Übertritt in die [X.] zum [X.] vorgesehen, wird das [X.]rbeitsverhältnis mit [X.] bis zum vereinbarten [X.] nach Maßgabe der insolvenzrechtlichen Vorschriften ordnungsgemäß fortgeführt und abgerechnet.

        

4.   

Der [X.]rbeitnehmer wird durch ein gesondertes Schreiben von [X.] informiert, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe er eine unverfallbare [X.]nwartschaft auf [X.]eistungen aus der betrieblichen [X.]ltersversorgung erworben hat.

        

5.   

Mit diesem Vertrag sind sämtliche aus dem bestehenden [X.]rbeitsverhältnis und seiner Beendigung abzuleitenden wechselseitigen [X.]nsprüche der Vertragsparteien, seien sie bekannt oder nicht bekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, geregelt und abgegolten, sofern es sich nicht um Insolvenzforderungen des [X.]rbeitnehmers handelt und sich aus dem Sozialplan nichts anderes ergibt. Die Behandlung von betrieblichen [X.]ltersversorgungsansprüchen richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften.

        

…       

        
        

III.   

Befristeter [X.]nstellungsvertrag mit der [X.]

        

1.       

Gegenstand und Dauer des befristeten [X.]rbeitsverhältnisses mit der [X.]

        

a.   

Der [X.]rbeitnehmer und die [X.] schließen hiermit einen befristeten [X.]rbeitsvertrag für die Dauer vom [X.] bis zum [X.] Das [X.]rbeitsverhältnis endet mit dem Beendigungsdatum automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

        

b.   

Grundlage für diesen [X.]rbeitsvertrag ist die Durchführung von Maßnahmen zur Beschäftigung, Qualifizierung und beruflichen Neuorientierung des [X.]rbeitnehmers. Neben der [X.]ufnahme in die [X.] umfassen diese Maßnahmen:

                 

…“   

7

Der Kläger arbeitete ab dem 1. November 2005 bei der [X.]. Durch [X.]nwaltsschreiben vom 4. Oktober 2006 ließ der Kläger gegenüber der [X.] den Widerspruch gegen den Übergang seines [X.]rbeitsverhältnisses auf die [X.] erklären. Vorsorglich hat die [X.] ein etwa zu ihr bestehendes [X.]rbeitsverhältnis unter dem 19. [X.]pril 2007 gekündigt.

8

Der Kläger ist der [X.]nsicht, er habe im Oktober 2006 dem Übergang seines [X.]rbeitsverhältnisses von der [X.] auf die [X.] noch wirksam widersprechen können, weil infolge der nicht ausreichenden Unterrichtung durch die [X.] im Schreiben vom 22. Oktober 2004 über den beabsichtigten [X.] die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a [X.]bs. 6 Satz 1 BGB nicht in Gang gesetzt worden sei.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das [X.]rbeitsverhältnis zwischen den Parteien unverändert fortbesteht.

Die [X.] hat die [X.]bweisung der Klage beantragt und die [X.]uffassung vertreten, die Unterrichtung des [X.] genüge den gesetzlichen [X.]nforderungen des § 613a [X.]bs. 5 BGB. Der Widerspruch des [X.] sei deshalb verspätet. Jedenfalls habe der Kläger sein Widerspruchsrecht verwirkt.

Das [X.]rbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] blieb vor dem [X.]andesarbeitsgericht erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis mehr, weil dieses mangels eines wirksamen Widerspruchs des [X.] ab dem 1. November 2004 auf die [X.] nach § 613a Abs. 1 BGB übergegangen war.

A. Das [X.] hat sein Urteil im Wesentlichen wie folgt begründet:

Zwar habe der Kläger auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich noch dem Übergang auf die [X.] widersprechen können. Die Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB habe infolge fehlerhafter Unterrichtung noch nicht zu laufen begonnen. Der Widerspruch des [X.] sei aber rechtsmissbräuchlich(§ 242 BGB). Nicht nur, dass der Kläger ein halbes Jahr lang ohne Widerspruch seine Arbeitsleistung bei der [X.] erbracht habe, er habe auch seit dem Betriebsübergang bis zum Widerspruch fast zwei Jahre verstreichen lassen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe er die Möglichkeit gewählt, ein neues Beschäftigungsverhältnis bei der [X.] einzugehen und dieses wiederum fast ein Jahr bis zum Widerspruch zu befolgen. Damit habe der Kläger dokumentiert, dass er die [X.] ab dem Betriebsübergang als seinen Arbeitgeber akzeptiere. Den Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] könne der Kläger nicht erklären, ohne sich in eklatanten Widerspruch zu der von ihm selbst gewählten weiteren Entwicklung seines Arbeitsverhältnisses zu setzen.

B. Dem [X.] ist im Ergebnis zu folgen, weil das Widerspruchsrecht des [X.] zum Zeitpunkt seiner Ausübung mit Schreiben vom 4. Oktober 2006 verwirkt war.

I. Wie der Senat bereits in einer Vielzahl von gleich gelagerten Fällen entschieden hat, entspricht die Unterrichtung durch die Beklagte vom 22. Oktober 2004 über den beabsichtigten [X.] nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB. Sie setzt damit die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB für die betroffenen Arbeitnehmer nicht in Lauf(vgl. zB 20. März 2008 - 8 [X.] - [X.], 1354 oder 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

II. Der Senat hat mehrmals entschieden, dass das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers grundsätzlich verwirken kann(vgl. zB 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

1. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung(§ 242 BGB). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

Schon nach der Rechtsprechung des [X.] vor dem Inkrafttreten des § 613a Abs. 5 und 6 BGB konnte das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. An dieser Rechtsprechung hat der Senat im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum auch nach der neuen Rechtslage festgehalten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann(Senat 15. Februar 2007 - 8 [X.] - mwN, [X.] 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64).

Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei([X.]. 831/1/01 S. 2) bzw. sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles (Senat 15. Februar 2007 - 8 [X.] - [X.] 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64). Dabei ist, wie der Senat bereits zur Verwirkung der Geltendmachung eines Betriebsübergangs (27. Januar 2000 - 8 [X.] -) ausgeführt hat, davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können. Zutreffend ist es weiterhin auch, die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen letztlich besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (Senat 15. Februar 2007 - 8 [X.] - mwN, aaO).

2. Zwischen der Unterrichtung des [X.] mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 über den bevorstehenden [X.] und seinem Widerspruch mit Schreiben vom 4. Oktober 2006 liegt ein Zeitraum von nahezu zwei Jahren. Eine solche Zeitspanne erfüllt das für das Vorliegen einer Verwirkung erforderliche Zeitmoment(Senat 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - AP BGB § 613a Nr. 347; 2. April 2009 - 8 [X.]).

3. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass dann, wenn ein Arbeitnehmer eine vom [X.] ausgesprochene Kündigung nicht angreift(24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - AP BGB § 613a Nr. 347) oder durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem [X.] über sein Arbeitsverhältnis disponiert (27. November 2008 - 8 [X.] - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106), das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Umstandsmoment erfüllt sein kann.

a) Allein die widerspruchslose Weiterarbeit des [X.] bei der [X.] ab dem 1. November 2004 begründete noch keine Verwirkung des Widerspruchsrechts des nicht ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 BGB unterrichteten [X.](Senat 20. März 2008 - 8 [X.] - NZA 2008, 1354).

b) Aufgrund des Gesamtverhaltens des [X.] durfte die Beklagte jedoch davon ausgehen, dieser werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben(Erfüllung des [X.]).

Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass ein Arbeitnehmer dadurch, dass er über sein Arbeitsverhältnis disponiert, das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Umstandsmoment erfüllt. Eine derartige Disposition kann in dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit dem [X.] zu sehen sein(27. November 2008 - 8 [X.] - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106). Dies hat der Kläger vorliegend getan und er hat darüber hinaus im [X.] ein neues Arbeitsverhältnis mit einem dritten Arbeitgeber abgeschlossen. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s war er sich zudem bei Abschluss dieser Vereinbarung im Klaren, dass er nur in die Beschäftigungsgesellschaft wechseln kann, wenn er auf den Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] verzichtet. Dementsprechend enthält der Vertrag auch wörtlich die Klausel, dass er auf die Führung von [X.] mit dem Arbeitgeber verzichtet. Der Kläger hat also sein Interesse an einer Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses mit der [X.] ebenso aufgegeben wie er mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch ausdrücklich erklärt hat, keine Bestandsstreitigkeit in dieser Hinsicht mehr zu führen, was im Zusammenhang mit seiner positiven Kenntnis, dass er sich damit auch der Möglichkeit eines etwa noch bestehenden Widerspruchsrechts begibt, nur so verstanden werden kann, dass der Kläger bei Unterzeichnung der dreiseitigen Vereinbarung auch auf die Möglichkeit verzichtete, noch einmal zur Beklagten zurückzukehren.

4. Auf diese Verwirkung darf sich die Beklagte berufen, unabhängig davon, ob ihr alle vom Kläger verwirklichten [X.] bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen [X.] und [X.] sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der [X.] als neuer Arbeitgeber auf [X.] berufen könnte, diese auch der [X.] als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen kann.

Die Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB trifft als Gesamtschuldner sowohl den bisherigen Arbeitgeber als auch den neuen Inhaber. Der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer erlangt die Fortdauer seines Widerspruchsrechts sowohl durch Informationsfehler des einen wie des anderen. Wenn das Gesetz in der Frage der Informationspflicht zum Betriebsübergang den alten und neuen Arbeitgeber als Einheit sieht, liegt es nahe, [X.] und [X.] auch hinsichtlich des [X.] zum Arbeitnehmerverhalten einheitlich aufzufassen. Auch Art. 3 Abs. 2 der [X.] 2001/23/[X.] fingiert einen gleichen Informationsstand von Veräußerer und Erwerber über die Rechte und Pflichten der übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Entscheidend kommt hinzu, dass nach § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB der Arbeitnehmer den Widerspruch sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber([X.]) als auch gegenüber dem neuen Inhaber ([X.]) erklären kann. Der Widerspruch kann aber nicht gegenüber dem neuen Arbeitgeber verwirkt sein, weil dieser die eingetretenen „Umstände“ subjektiv kennt, gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber wegen dessen Unkenntnis jedoch nicht. Für das Schuldverhältnis von [X.] und [X.] als Gesamtschuldner gegenüber dem Arbeitnehmer als Berechtigtem ist in § 613a BGB, insbesondere in dessen Abs. 6 „ein anderes“ normiert (§ 425 Abs. 1 BGB). Neuer und alter Arbeitgeber können sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen. Eine nachgewiesene subjektive Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (Senat 27. November 2008 - 8 [X.] - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106; so auch [X.]/Niklas DB 2009, 452).

[X.]. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

    Breinlinger    

        

        

        

        

    Burr    

        

    Schulz    

        

        

Meta

8 AZR 63/08

21.01.2010

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 10. Juli 2007, Az: 21 Ca 15300/06, Urteil

§ 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 2 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 S 1 BGB, § 242 BGB, § 425 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.01.2010, Az. 8 AZR 63/08 (REWIS RS 2010, 10142)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10142

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