Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2011, Az. 8 AZR 935/08

8. Senat | REWIS RS 2011, 9090

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Betriebsübergang - fehlerhafte Unterrichtung - Widerspruch - Verwirkung


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des [X.] vom 27. August 2008 - 7 Sa 1198/07 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. Mai 2007 - 1 Ca 243/07 lev - teilweise abgeändert:

Die Klage auf Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Anstellungsverhältnis besteht, wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz darüber, ob zwischen ihnen über den 1. November 2004 hinaus ein Arbeitsverhältnis fortbesteht.

2

Der Kläger war seit 1974 bei der Beklagten als „[X.]eiter Prozessleittechnik“ im Geschäftsbereich [X.] ([X.]) beschäftigt.

3

Dieser Geschäftsbereich verzeichnete seit mehreren Jahren Umsatzrückgänge, welche die Beklagte zu Personalabbaumaßnahmen veranlassten.

4

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 informierte die Beklagte den Kläger über die beabsichtigte Übertragung des Geschäftsbereichs [X.] auf die [X.]. In diesem Schreiben heißt es ua.:

        

„...   

        

die [X.] plant, den Geschäftsbereich [X.] ([X.]) mit Wirkung zum 1. November 2004 auf die [X.] zu übertragen.

        

Für die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, die dem Geschäftsbereich [X.] zugeordnet sind, führt diese Übertragung zu einem automatischen Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse. Dies ist in § 613 a BGB geregelt, dessen Bestimmungen auf den Übergang zwingend anwendbar sind. § 613 a Absatz 5 BGB sieht eine schriftliche Information des von einem solchen Übergang betroffenen Arbeitnehmers vor, der nach § 613 a Absatz 6 BGB dem Übergang auch widersprechen kann.

        

Diese Bestimmungen lauten:

                 

‚Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

                 

1.    

den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,

                 

2.    

den Grund für den Übergang,

                 

3.    

die rechtlichen, wirtschaftlichen und [X.] Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und

                 

4.    

die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

        

Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.’

        

Ihr Arbeitsverhältnis ist dem Geschäftsbereich [X.] zugeordnet und würde deshalb mit dem 1. November 2004 auf [X.] übergehen.

        

...     

        

1.    

Zum geplanten Zeitpunkt des Übergangs:            

                 

Das Datum des geplanten Übergangs ist der 1. November 2004.

        

2.    

Zum Grund für den Übergang:            

                 

Grund des Übergangs ist die rechtliche Verselbständigung des Geschäftsbereichs [X.] in der [X.] und deren anschließende Veräußerung an N GmbH.

                 

[X.] mit Sitz in [X.] umfasst das gesamte bisherige [X.]-Geschäft der [X.], also die Geschäftsfelder Film, Finishing und [X.]aborgeräte. [X.] übernimmt das Vermögen von [X.]. Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.

                 

...     

                 

Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über hohe [X.]iquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.

        

3.    

Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und [X.] Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer:            

                 

Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs [X.] tritt [X.] in die bestehenden, unveränderten Arbeitsverhältnisse ein. Zur Klärung und Regelung der Einzelheiten haben [X.], [X.], Gesamtbetriebsrat der [X.] sowie die örtlichen Betriebsräte am 24. September 2004 eine Überleitungsvereinbarung ‚zur Klärung der rechtlichen Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse betroffener Arbeitnehmer, auf die kollektiv-rechtlichen Regelungen sowie auf die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen’ abgeschlossen, die davon geprägt ist, so weit wie möglich Kontinuität zu wahren:

                 

-       

Die bei der [X.] verbrachten und/oder von ihr anerkannten Dienstjahre werden als Dienstzeit bei [X.] anerkannt.

                 

-       

Die Zugehörigkeit zu den Arbeitgeberverbänden der Chemischen Industrie wird auch bei [X.] bestehen, d.h. es bleibt bei den [X.].

                 

...     

        

...     

        
        

5.    

Zu Ihrer persönlichen Situation:            

                 

Ihr Arbeitsverhältnis wird nach unserer Planung von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4 betroffen sein. Die Zustimmung des Betriebsrats zu einem Interessenausgleich und zu Ihrer Aufnahme in die Namensliste liegt derzeit noch nicht vor. Insofern sind Verhandlungen mit dem Betriebsrat noch nicht abgeschlossen. Sie müssen jedoch damit rechnen, nach Abschluss dieser Verhandlungen mit oder ohne Ihre Aufnahme in die Namensliste der zur Kündigung vorgesehenen Mitarbeiter eine Kündigung zu erhalten. Zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile stehen Ihnen dann die in unserem Sozialplan vorgesehenen [X.]eistungen zu.

                 

Die geplante Kündigung wirkt sich auf den Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses nicht aus.

                 

Ihr Arbeitsverhältnis geht trotzdem über und Sie sind verpflichtet, Ihre Tätigkeit bei [X.] fortzuführen. Die nachfolgend dargestellten Konsequenzen eines eventuellen Widerspruchs treffen auch in Ihrem Falle zu.

        

6.    

Zum Widerspruchsrecht:            

                 

Sie haben das Recht, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die [X.] binnen einer Frist von einem Monat ab Zugang dieses Schreibens schriftlich zu widersprechen. Die Erklärung kann nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden. Sie kann auch nicht an eventuelle Bedingungen geknüpft werden.

                 

Sollten Sie dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen wollen, müsste das schriftlich mit einer von Ihnen unterschriebenen Erklärung innerhalb dieser Frist erfolgen. Eventuelle [X.] richten Sie bitte ausschließlich an:

                 

...     

        

7.    

Zu den Folgen eines Widerspruchs:            

                 

Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bleibt Ihr Arbeitsverhältnis bei der [X.] und geht nicht auf die [X.] über.

                 

Da nach dem Übergang des vollständigen Geschäftsbereichs [X.] auf [X.] Ihr bisheriger Arbeitsplatz bei [X.] nicht mehr vorhanden sein wird und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht, müssen Sie daher im Falle der Ausübung Ihres Widerspruchsrechts mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses durch [X.] rechnen.

                 

Wir weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass nach der eindeutigen Regelung in der mit dem Gesamtbetriebsrat der [X.] und den örtlichen Betriebsräten vereinbarten Überleitungsvereinbarung in diesem Fall kein Anspruch auf eine Abfindung besteht, weder gegenüber der [X.], noch gegenüber [X.]. Im Falle eines Widerspruchs müssen Sie deshalb damit rechnen, Ihren Arbeitsplatz ohne jede finanzielle [X.]eistung zu verlieren. Außerdem sind bei einer eventuellen Arbeitslosigkeit nach einem Widerspruch Ihre Ansprüche auf [X.]eistungen der Agentur für Arbeit in Frage gestellt.

                 

Wir empfehlen Ihnen daher dringend, von einem Widerspruch abzusehen.

                 

...“   

5

Mit Wirkung zum 1. November 2004 wurde der Geschäftsbereich [X.] ausgegliedert und auf die neu gegründete [X.] übertragen. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf diese GmbH zunächst nicht.

6

Die [X.] kündigte dem Kläger mit Schreiben vom 15. November 2004 aus betriebsbedingten Gründen zum 30. Juni 2005. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger keine Kündigungsschutzklage.

7

Unter dem Datum des 15. Februar 2005 teilte die [X.] dem Kläger schriftlich mit, dass dieser zum Ausgleich für die ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung von 137.186,72 [X.] erhalten werde.

8

Im Mai 2005 stellte die [X.] Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches am 1. August 2005 eröffnet wurde.

9

Der Kläger widersprach mit anwaltlichem Schreiben vom 28. Juli 2005 gegenüber der Beklagten dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] wegen fehlerhafter und unvollständiger Unterrichtung über den Betriebsübergang.

Der Kläger meint, er habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] noch im Juli 2005 wirksam widersprechen können, weil er bis dahin nicht ordnungsgemäß iSd. § 613a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang unterrichtet worden sei. So rügt er insbesondere eine falsche Information über die wirtschaftliche Situation der [X.] und über die Haftungsverteilung zwischen der Beklagten und der [X.].

Der Kläger hat - soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist - beantragt

        

festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie beruft sich darauf, ihr Informationsschreiben vom 22. Oktober 2004 habe den Erfordernissen des § 613a Abs. 5 BGB genügt. Der Widerspruch des [X.] sei verspätet, da er nicht innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist nach Zugang des [X.] erhoben worden sei. Zumindest sei das Widerspruchsrecht des [X.] jedoch verwirkt.

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage in vollem Umfange und der auf Zahlung von Arbeitsvergütung gerichteten Klage überwiegend stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das [X.]andesarbeitsgericht durch Teilurteil zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts gerichtet hat, zwischen den Parteien bestehe ein Arbeitsverhältnis. Mit der vom [X.]andesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte insoweit ihren Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.] ist begründet. Zwischen den Parteien besteht seit dem 1. November 2004 kein Arbeitsverhältnis mehr.

I. Das [X.] hat seine klagestattgebende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Das Schreiben der [X.] vom 22. Oktober 2004, mit dem sie den Kläger über den [X.] unterrichtet habe, genüge nicht den Anforderungen des § 613a [X.]. Wegen der fehlerhaften Unterrichtung des [X.] habe für diesen die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 [X.] nicht zu laufen begonnen. Das Widerspruchsrecht sei auch nicht verwirkt. Es könne dahinstehen, ob das für eine Verwirkung erforderliche [X.] vorliege, da es für eine Verwirkung am Vorliegen des [X.] fehle. Allein die tatsächliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der [X.] reiche dafür nicht aus. Durch die Nichterhebung einer Klage gegen die von der [X.] am 15. November 2004 ausgesprochene ordentliche Kündigung habe der Kläger ebenfalls kein im Rahmen der Verwirkung zu berücksichtigendes Umstandsmoment gesetzt, weil der [X.] die Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage zunächst nicht bekannt gewesen sei. Selbst wenn dies aber der Fall gewesen wäre, hätte sie sich wegen der objektiv festgestellten falschen Unterrichtung nicht darauf verlassen dürfen, der Kläger werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben. Ein solches Vertrauen der [X.] sei wegen ihres pflichtwidrigen Verhaltens im Zusammenhang mit der Unterrichtung des [X.] über den Betriebsübergang nicht schutzwürdig.

II. Die Ausführungen des [X.]s halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die Feststellungsklage ist nicht begründet.

Zwischen den Parteien hat über den 1. November 2004 hinaus, den Zeitpunkt des Übergangs des Geschäftsbereichs CI auf die [X.] im Wege eines [X.]s (§ 613a [X.]), ein Arbeitsverhältnis nicht mehr bestanden, weil der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] nicht wirksam widersprochen hat.

1. Die Unterrichtung des [X.] durch die Beklagte mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 über den am 1. November 2004 erfolgenden [X.] entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 [X.] (vgl. Senat 22. April 2010 - 8 [X.] -; 27. November 2008 - 8 [X.] - [X.] 128, 328 = AP [X.] § 613a Nr. 363 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 106 und 12. November 2009 - 8 [X.] - NJW 2010, 1302 zu im Wesentlichen gleich gelagerten Unterrichtungen). Daher war dessen Widerspruch im Juli 2005 nicht verspätet, weil die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 [X.] nicht mit Zugang der Unterrichtung zu laufen begonnen hatte (st. Rspr., vgl. Senat 22. April 2010 - 8 [X.] -; 27. November 2008 - 8 [X.] - aaO und 12. November 2009 - 8 [X.] - aaO).

2. Der Kläger hatte sein Widerspruchsrecht allerdings verwirkt.

Der Begründung des [X.]s, mit welcher dieses eine Verwirkung des Widerspruchsrechts verneint hat, ist nicht zu folgen.

a) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 [X.]). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat ([X.]). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

b) Nach der Rechtsprechung des Senats kann das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Verwirkungsgrundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann (22. April 2010 - 8 [X.] -; 15. Februar 2007 - 8 [X.] - mwN, [X.] 121, 289 = AP [X.] § 613a Nr. 320 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 64).

c) Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des [X.]s nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei ([X.]. 831/1/01 S. 2) bzw. sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist, wie der Senat bereits zur Verwirkung der Geltendmachung eines Betriebsübergangs (27. Januar 2000 - 8 [X.] -) ausgeführt hat, davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können. Erforderlich ist es weiterhin auch, die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (Senat 22. April 2010 - 8 [X.] -; 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - AP [X.] § 613a Nr. 347).

d) Diese Voraussetzungen für die Annahme der Verwirkung liegen im [X.] vor, weil sich der Kläger gegen die ihm von der [X.] ausgesprochene Kündigung nicht zur Wehr gesetzt hat.

aa) Zwischen der Unterrichtung des [X.] mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 über den bevorstehenden [X.] und seinem Widerspruch mit Schreiben vom 28. Juli 2005 liegt ein Zeitraum von über neun Monaten. In der Zusammenschau mit dem besonders schwerwiegenden Umstand der erfolgten Disposition über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses (vgl. unter [X.]) ist das so genannte [X.] als erfüllt anzusehen (vgl. Senat 22. April 2010 - 8 [X.] - [X.] 2010, 364 und 21. Januar 2010 - 8 [X.]). Entgegen der Ansicht des [X.]s beginnt die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche [X.] nicht erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zu laufen, insbesondere nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung oder Kenntnis des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und dessen Folgen. Bei dem [X.] handelt es sich nicht um eine gesetzliche, gerichtliche oder vertraglich vorgegebene Frist, für welche bestimmte Anfangs- und Endzeitpunkte gelten, die in den §§ 186 ff. [X.] geregelt sind. Vielmehr hat bei der Prüfung, ob ein Recht verwirkt ist, immer eine Gesamtbetrachtung stattzufinden, bei welcher das Zeit- und das Umstandsmoment zu berücksichtigen und in Relation zu setzen sind. Wie der Senat am 15. Februar 2007 (- 8 [X.] - [X.] 121, 289 = AP [X.] § 613a Nr. 320 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 64) entschieden hat, ist die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen, was zur Folge hat, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers möglicherweise erst nach einer längeren Untätigkeit verwirken können. Erfolgt die Prüfung der Verwirkung nach diesen Grundsätzen, so ist es nicht geboten, ähnlich wie bei gesetzlichen, gerichtlichen oder vertraglichen Fristen für das so genannte [X.] einen bestimmten Fristbeginn, wie etwa die Kenntnis des Berechtigten von bestimmten Tatsachen festzulegen. Vielmehr ist immer darauf abzustellen, ob der Verpflichtete aufgrund des Zeitablaufes, in dem der Berechtigte sein Recht nicht ausgeübt hat, und den Umständen des Einzelfalles, zu denen auch die [X.] des Berechtigten von den für die Geltendmachung seines Rechts bedeutsamen Tatsachen gehört, darauf vertrauen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (Senat 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - AP [X.] § 613a Nr. 347).

bb) Dem [X.] ist auch nicht darin zu folgen, dass die Voraussetzungen für das Umstandsmoment nicht vorliegen.

Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, unterliegt nach der Rechtsprechung des [X.] grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des [X.] vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben. Allerdings unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung, ob das Gericht der Tatsacheninstanz alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (17. Januar 2007 - 7 [X.] 1100 Nr. 38; abweichend zur Prozessverwirkung: [X.] 20. Mai 1988 - 2 [X.] - AP [X.] § 242 Prozessverwirkung Nr. 5 = EzA [X.] § 242 Prozessverwirkung Nr. 1).

Dem [X.] ist ein Rechtsfehler unterlaufen, der vom Revisionsgericht zu beachten ist. Es hat das Vorliegen des [X.] mit der Begründung verneint, die Nichterhebung der Kündigungsschutzklage durch den Kläger sei der [X.] „zunächst“ nicht bekannt gewesen und außerdem sei ihr Vertrauen wegen der nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung des [X.] iSd. § 613a Abs. 5 [X.] nicht schutzwürdig.

cc) Zutreffend nimmt das [X.] zunächst an, dass allein die widerspruchslose Weiterarbeit des [X.] bei der [X.] noch keine Verwirkung des Widerspruchsrechts des nicht ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 [X.] unterrichteten Arbeitnehmers begründet (vgl. Senat 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - AP [X.] § 613a Nr. 347).

dd) Entgegen der Ansicht des [X.]s liegt aber ein ausschlaggebender Umstand für die Annahme der Verwirkung des Widerspruchsrechts deshalb vor, weil der Kläger die von der [X.] am 15. November 2004 ausgesprochene Kündigung widerspruchslos hingenommen hatte. Als ein Umstand, der das Vertrauen des bisherigen Arbeitgebers in die Nichtausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 [X.] rechtfertigen kann, ist es nämlich anzusehen, wenn der Arbeitnehmer über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses dadurch disponiert hat, dass er einen Aufhebungsvertrag mit dem [X.] geschlossen oder eine von diesem nach dem Betriebsübergang erklärte Kündigung hingenommen hat (vgl. Senat 22. April 2010 - 8 [X.] - [X.] 2010, 368, - 8 [X.] - und - 8 [X.] -; 21. Januar 2010 - 8 [X.]; 20. März 2008 - 8 [X.], 1354 und 27. November 2008 - 8 [X.]/07 -).

Der Kläger wäre, um den Eintritt der Verwirkung seines Widerspruchsrechts zu vermeiden, nicht gezwungen gewesen, gegen die von der [X.] ausgesprochene Kündigung eine (möglicherweise erfolglose) Kündigungsschutzklage zu erheben. Er hätte sowohl gegenüber der [X.] als auch gegenüber der [X.] auch auf andere Weise zum Ausdruck bringen können, dass er die Kündigung nicht akzeptiert, etwa deshalb, weil er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses noch widersprechen wolle und die [X.] damit rückwirkend nicht mehr sein Arbeitgeber sei.

Der Senat sieht als Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses, welcher als Umstandsmoment für eine Verwirkung des Widerspruchsrechts anzusehen ist, die „Hinnahme“ einer vom [X.] ausgesprochenen Kündigung. „Hinnehmen“ ist aber nicht gleichbedeutend mit dem [X.] einer Kündigungsschutzklage.

So hat der Senat in der Entscheidung vom 24. Juli 2008 (- 8 [X.]/07 - AP [X.] § 613a Nr. 347) ausdrücklich darauf abgestellt, ob der Arbeitnehmer eine vom [X.] ausgesprochene Kündigung „widerspruchslos“ hingenommen hat und weiter ausgeführt: „… und dass der Kläger diese Kündigung weder mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen noch in sonstiger Weise die Unwirksamkeit der Kündigung gegenüber der [X.] (sc. [X.]) oder der [X.] (sc. [X.]) geltend gemacht hat, …“. In einem anderen Fall hat der Senat ein Umstandsmoment für die Verwirkung des Widerspruchsrechts verneint, weil der Arbeitnehmer, der eine vom [X.] ausgesprochene Kündigung nicht angegriffen hatte, binnen der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG den Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem [X.] erklärt hatte. Dadurch habe der Arbeitnehmer die vom [X.] ausgesprochene Kündigung zu einem Zeitpunkt ins Leere gehen lassen, als noch die Möglichkeit zu einer gegen den [X.] zu richtenden Kündigungsschutzklage bestanden habe (Senat 9. Dezember 2010 - 8 [X.]/08 -).

ee) Die Annahme der Verwirkung des Widerspruchsrechts ist nicht ausgeschlossen, wenn nur der [X.], nicht aber der [X.] alle vom Kläger verwirklichten [X.] bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen [X.] und [X.] sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der [X.] als neuer Arbeitgeber auf [X.] berufen könnte, diese auch der [X.] als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen kann.

Neuer und alter Arbeitgeber können sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen, eine nachgewiesene subjektive Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (st. Rspr.: Senat 22. April 2010 - 8 [X.] -; 27. November 2008 - 8 [X.] - [X.] 128, 328 = AP [X.] § 613a Nr. 363 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 106).

ff) [X.] ist auch die Annahme des [X.]s, die Beklagte habe sich wegen der nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung des [X.] über den [X.] nicht darauf verlassen dürfen, er werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben. Würde man dieser Überlegung des [X.]s folgen, führte das zu einem widersinnigen Ergebnis. Einerseits behielte der Arbeitnehmer sein Widerspruchsrecht deshalb länger als in § 613a Abs. 6 Satz 1 [X.] normiert (einen Monat ab Zugang der Unterrichtung), weil die Unterrichtung nicht ordnungsgemäß war. Andererseits könnte das Widerspruchsrecht nicht verwirken, weil der Arbeitnehmer nicht entsprechend den Vorgaben des § 613a Abs. 5 [X.] unterrichtet worden war. Dies hätte zur Folge, dass - entgegen der Rechtsprechung - die Verwirkung des Rechts zum Widerspruch im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung durch den alten Arbeitgeber idR nicht eintreten könnte. Dies widerspräche dem Grundsatz, dass jedes Recht verwirken kann.

III. [X.] - auch über die Kosten der Revision - muss wegen des Erfordernisses der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten bleiben.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Wankel    

        

    Lüken    

                 

Meta

8 AZR 935/08

24.02.2011

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Solingen, 21. Mai 2007, Az: 1 Ca 243/07 lev, Urteil

§ 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 BGB, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2011, Az. 8 AZR 935/08 (REWIS RS 2011, 9090)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9090

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

8 AZR 885/08 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebsübergang - fehlerhafte Unterrichtung - Widerspruch - Verwirkung


8 AZR 872/07 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebsübergang - Verwirkung des Widerspruchsrechts


8 AZR 870/07 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebsübergang - Verwirkung des Widerspruchsrechts


8 AZR 805/07 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebsübergang - Verwirkung des Widerspruchsrechts


8 AZR 871/07 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebsübergang - Verwirkung des Widerspruchsrechts


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.