Bundespatentgericht, Beschluss vom 04.05.2021, Az. 29 W (pat) 36/19

29. Senat | REWIS RS 2021, 6220

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "EPICURE ESSENTIAL PLEASURES" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2019 001 581.5

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] am 4. Mai 2021 durch die Vorsitzende [X.]in [X.], die [X.]in [X.] und den [X.] kraft Auftrags Posselt

beschlossen:

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 vom 27. Juni 2019 und vom 5. September 2019 werden aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.] [X.] [X.]

3

ist am 25. Januar 2019 zur Eintragung in das beim [X.] geführte Register für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 09: Magnetdatenträger; Digitale Aufzeichnungsträger; [X.] Datenträger für die Buchung von [X.]; Geschenk-, Gutschein-, Bonus-, Rabatt- und andere Karten [kodiert]; Anwendungssoftware für Mobiltelefone und Computersoftware im Bereich [X.] und Bonusprogramme; Datenbanksoftware und [X.] im Bereich [X.] und Bonusprogramme; Software aller Art [soweit in Klasse 9 enthalten], insbesondere für den Bereich des digitalen Couponings und für die Einrichtung und Organisation von bargeldlosen Geldgeschäften für den Handel mit Gutscheinen und [X.] via [X.], auch für mobile Endgeräte [Apps]; Software für den digitalen Versand und die digitale Authentifizierung von Gutscheinen und [X.], auch für mobile Endgeräte [Apps]; Software für die Verwaltung von [X.] und Gutscheinen, auch für mobile Endgeräte [Apps]; Elektronisch gespeicherte Daten [herunterladbar]; [herunterladbare] elektronische Veröffentlichungen;

5

Klasse 35: Werbung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Marketing; Beratung auf dem Gebiet des Marketing; Merchandising [Verkaufsförderung]; Unternehmensberatung; Zusammenstellung und Systematisierung von Informationen in elektronischen Datenbanken; Entwicklung von Bonus-, Rabatt-, Gutschein- und Prämienprogrammen und -Systemen für Marketingzwecke, insbesondere Couponing-Systeme und Rabatt- und/oder Bonusprogramme; Durchführung von Marketingkampagnen; Erstellen auditiver und visueller Warenpräsentationen für Unternehmen [Marketing]; Erstellung von Marketingberichten; Organisation, Durchführung und Überwachung von Bonusprogrammen; Vermietung, Verbreitung und Verteilung von Werbematerial, Marketingmaterial und Material für Öffentlichkeitsarbeit; Organisation der Verteilung von Geschenkgutscheinen, Geschenkschecks, [X.] und [X.] über Mobiltelefone, sonstige mobile Geräte und über das [X.]; Bereitstellung einer Website mit [X.], Rabatten, Preisvergleichsinformationen, Links zu den Websites Dritter sowie [X.]; Organisation und Durchführung von Geschenk-, Gutschein-, Bonus-, Geschenkkarten- und Rabattprogrammen; Preisvergleichsdienste; Verbraucherberatung; Vermietung von Werbeflächen im [X.] [Bannerexchange]; [X.] und [X.] für kaufmännische, verkaufsfördernde und Werbe-Zwecke; Unternehmensberatung bezüglich Kundenbindungsprogramme; [X.]; Zurverfügungstellung von [X.] über Marketing, Marktforschung, Bonus-, [X.], Öffentlichkeitsarbeit- und Prämien-Programmen;

6

Klasse 36: Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte, insbesondere in Bezug auf digitales Couponing sowie auf die Einrichtung und Organisation von bargeldlosen Geldgeschäften für den Handel mit Gutscheinen und [X.] via [X.]; Finanz- und Geldgeschäfte in Bezug auf die Verwaltung von [X.] und Gutscheinen und der Zurverfügungstellung des gesammelten [X.] für andere [X.]portale, auf denen gegebenenfalls Gutscheine verkauft werden können; Ausgabe von Geschenkkarten, [X.] und [X.];

7

Klasse 42: Software as a Service [SaaS] im Bereich [X.] und Bonusprogramme; Platform as a Service [[X.]] im Bereich [X.] und Bonusprogramme; Platform as a Service [[X.]] über Mobiltelefone, andere mobile Geräte und das [X.] im Bereich [X.], Geschenkgutscheine, Geschenk-[X.], Gutscheine und [X.]; Platform as a Service [[X.]] für die Ausstellung von Geschenkschecks, Gutscheinen und [X.]; Entwurf und Entwicklung von Computerprogrammen, insbesondere zur Datenverarbeitung, insbesondere für das Couponing, für die Einrichtung und Organisation von bargeldlosen Geldgeschäften durch Handel mit Gutscheinen und [X.]; Softwareentwicklung für den digitalen Versand und die digitale Authentifizierung von Gutscheinen und [X.]; Softwareentwicklung für die Verwaltung von [X.] und Gutscheinen; technische Beratung für Kundenfindungs- und -bindungssysteme, insbesondere auf dem Gebiet von [X.], [X.], [X.], Rabatt-, Gutschein- und Prämien-Programmen; Aktualisieren von Computersoftware; Aktualisierung von [X.]seiten; Soft- und Hardwareberatung; Vermietung von Software; Design von Computer-Software; Wartung von Computersoftware; Qualitätsprüfung; Entwicklung und Einrichtung von Geschenk-, [X.], Bonus-, Geschenkkarten- und Rabatt-Systemen;

8

[X.]: Verpflegung von Gästen; Vorübergehende Beherbergung von Gästen; Betrieb einer Bar; Verpflegung von Gästen in Cafés; Catering-Dienste; Hotel- und Restaurantreservierungen

9

Klasse 45: [X.]; Lizenzvergabe von gewerblichen Schutzrechten.

Mit Beschlüssen vom 27. Juni 2019 und 5. September 2019, letzterer ergangen im Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für Klasse 35 des [X.] die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 und 5 [X.] teilweise, nämlich mit Ausnahme der oben fett gedruckten Dienstleistungen, zurückgewiesen.

Bei dem Zeichen „[X.] [X.] [X.]“ handele es sich um eine üblich gebildete englischsprachige Wortfolge. Diese werde von den angesprochenen [X.]en dahingehend verstanden, dass es sich bei den zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen um solche handele, die zu unentbehrlichen Freuden für Feinschmecker gehörten. Das angemeldete Zeichen werde daher lediglich als unmissverständliche Zielgruppenangabe - Feinschmecker, Genießer, Gourmets - verbunden mit einem anpreisenden Werteversprechen wahrgenommen. „[X.]“ sei in gängigen Lexika in der Bedeutung „Feinschmecker“, „Genießer“, bzw. „Gourmet“ verzeichnet. Der Hinweis auf den [X.] Philosophen [X.] sei daher irrrelevant. Der Begriff „[X.]“ sei dem [X.] Wort „essentiell“ sehr ähnlich und werde bereits deshalb problemlos verstanden.

Das Wort „[X.]“ werde in der Werbesprache gern benutzt, um Freude bzw. Vergnügen auszudrücken. Eine rein werbeanpreisende Verwendung von „[X.] [X.]“ als Hinweis auf „wesentliche bzw. unentbehrliche oder essentielle Freuden“ sei zudem belegt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit der sie sinngemäß beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 des [X.] vom 27.06.2019 und vom 05.09.2019 aufzuheben und die Eintragung der Marke zu verfügen.

Entgegen dem Vortrag der Markenstelle handele es sich bei der Gesamtkombination „[X.] [X.] [X.]“ nicht um eine sprachübliche Wortkombination, die vom angesprochenen Verkehr verstanden werde. Unabhängig von der Sprachüblichkeit der Begriffe „[X.]“ und „[X.]“ könne dies zumindest für den Begriff „[X.]“ nicht angenommen werden. Dieser sei nicht der Alltags- und Umgangssprache zuzuordnen, für die im angesprochenen [X.] ein gewisses Grundverständnis angenommen werden könne.

Maßgeblich sei allein das Verständnis des [X.] Durchschnittsverbrauchers, der regelmäßig über keine besonderen Kenntnisse in diesem Bereich verfüge. Damit sei auch belegt, dass der Begriff nicht zum [X.] Grundwortschatz zähle und somit in [X.] weitestgehend unbekannt sei. Darüber hinaus zeigten aktuelle Entscheidungen der Beschwerdekammern des Amts der [X.], dass der Begriff „[X.]“ bereits im [X.] Sprachraum nicht als allgemeinbekannt anzusehen sei, selbst wenn die maßgeblichen Dienstleistungen ausdrücklich Bezug auf die Bereiche Restaurants sowie Essen und Trinken nehmen würden. Insbesondere die Tatsache, dass der Begriff "[X.]" im [X.] aufgeführt sei, habe das [X.] für nicht ausreichend erachtet. Da bereits im englischsprachigen Raum nicht von der entsprechenden Bekanntheit des Begriffs "[X.]" ausgegangen werden könne, gelte dies erst recht für den in [X.] angesprochenen Verkehr.

Eine gedankliche Verknüpfung, dass „[X.]“ unmittelbar mit „eine[m] [X.]eer, also Feinschmecker, Genießer“ in Verbindung gebracht würde, werde bei einem Großteil der angesprochenen [X.] gar nicht bzw. nicht ohne mehrere gedankliche Schritte erfolgen. Hierfür müsse zunächst der [X.] Philosoph [X.] den angesprochenen [X.]en bekannt sein, woran bereits erhebliche Zweifel bestünden. So ergebe beispielsweise eine Google-Recherche bezogen auf „berühmte [X.] Philosophen“ eine Vielzahl von Treffern. [X.] sei jedoch nicht bei den „TOP Treffern“ vertreten, sondern werde erst an achter Stelle angezeigt. In einem weiteren Gedankenschritt müssten die angesprochenen [X.]e von [X.] auf seine philosophischen Lehren schließen, nach denen das Vergnügen und die Freiheit von Schmerz der wichtigste Inhalt des Lebens seien. In einem zusätzlichen Schritt müsste dann eine Verbindung zu dem Bereich „Genuss“ hergestellt bzw. müssten diese Lehren auch noch mit Lebensmitteln bzw. der gehobenen Küche und/oder der Feinschmeckerei in Verbindung gebracht werden.

Entgegen der Annahme der Markenstelle sei zudem nicht davon auszugehen, dass mit dem Begriff "[X.]" automatisch "Gaumenfreuden" gemeint seien.

Im Zusammenhang mit Lebensmitteln würden eher andere [X.] Begriffe wie "delicious", "tasty" oder "exquisite" genutzt. Ferner weise der Begriff "Gaumenfreuden" auch keinen Zusammenhang mit einem Großteil der betroffenen Waren und Dienstleistungen in den Klassen 09, 35, 36, 42 und 45 auf.

Insbesondere ginge kein Bezug zu „[X.]“, Restaurants bzw. Essen und Trinken oder ähnlichem aus den aufgeführten Waren- und Dienstleistungsangaben hervor. Dies gelte auch hinsichtlich der in den Klassen 09, 35, 36, sowie 42 genannten Waren und Dienstleistungen, welche Rabatte oder [X.] zum Gegenstand hätten.

Bestenfalls in Bezug auf einzelne Dienstleistungen der [X.] („Verpflegung von Gästen; Betrieb einer Bar; Verpflegung von Gästen in Cafés, Catering-Dienste; Restaurantreservierungen“) könne eine sog. sprechende Marke angenommen werden. Die Bedeutung des Begriffes „[X.]“ eröffne allenfalls vage und abstrakte Vorstellungen von Exklusivität, Extravaganz oder Luxus. Dies allein könne jedoch nicht ausreichen, um von einer unmittelbaren Beschreibung der jeweiligen Waren und Dienstleistungen auszugehen.

Für die Eintragungsfähigkeit des Zeichens „[X.] [X.] [X.]“ sprächen auch etliche, teils in [X.] gehaltene Voreintragungen mit Bezug zu deutlich bekannteren Philosophen. Die vom [X.] angeführten Zurückweisungen seien hingegen nicht mit der angemeldeten Marke vergleichbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen

[X.].

Die nach § 66 [X.] zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht ([X.], 411 Rn. 8 - #darferdas? [X.]). Die [X.] der fehlenden Unterscheidungskraft aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und des [X.] aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. [X.] 2008/95/[X.] ([X.]) finden sich nun in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und [X.] ([X.]) 2015/2436 ([X.]) und werden unverändert umgesetzt durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.].

2. Dem angemeldeten Zeichen fehlt es nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] [X.] 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/[X.] [[X.] DAS [X.]]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 608 Rn. 66 f. – [X.]ROHYPO; [X.], 932 Rn. 7 – #darferdas?, [X.], 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]).

Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] a. a. [X.] – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] – #darferdas?; a. a. [X.] – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] – [X.]; a. a. [X.] – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.], 428 Rn. 53 – [X.]; [X.] Rn. 15 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 10 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 – for you; [X.], 872 Rn. 13 – [X.]).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – [X.] werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen [X.]e, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943 Rn. 24 – [X.] 2; [X.] WRP 2014, 449 Rn. 11 – grill meister).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen [X.]e lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.], 674, Rn. 86 – Postkantoor; [X.] [X.], 1143 Rn. 9 – [X.]; [X.], 270 Rn. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] [X.], 934 Rn. 12 – [X.]; [X.], 872 Rn. 21 – [X.]; [X.], 569 Rn. 26 – [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht ([X.] Rn. 15 – [X.]; [X.], 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 9 – [X.]).

a) Von den verfahrensgegenständlichen Waren bzw. Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 36, 42, 43 werden in Klasse 9 und 43 sowohl der inländische Fachverkehr als auch der allgemeine inländische Verbraucher angesprochen, in den Klassen 35, 36 und 42 vorwiegend Fachkreise.

b) Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen verfügt das Anmeldezeichen [X.] [X.] [X.] in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen über die erforderliche Unterscheidungskraft. Der angesprochene Verkehr mag der angemeldeten Bezeichnung hinsichtlich der Dienstleistungen in [X.] beschreibende Anklänge beimessen, er wird sie aber auch dort nicht für einen bloßen Sachhinweis halten.

Bei aus mehreren Bestandteilen kombinierten Marken ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. [X.] [X.], 943 – [X.].2; [X.], 229 – BioID; [X.], Beschluss vom 10.09.2020, [X.] – Lichtmiete).

Die Wortbestandteile „[X.]“, „[X.]“ und „[X.]“ stammen aus dem [X.]. „[X.]“ wird mit „unentbehrlich, unverzichtbar, wesentlich, essentiell, grundlegend“ und „[X.]“ mit „Freude, Vergnügen“ übersetzt (vgl. auch [X.], Onlinewörterbuch [X.], https://de.pons.com). Die relevanten [X.]e werden die Worte „[X.] [X.]“ daher ohne weiteres im Sinne von „unverzichtbare/wesentliche/essentielle Freuden“ verstehen. Auch „[X.]“ ist zwar lexikalisch im Sinne von „Genießer; Gourmet; Feinschmecker“ nachgewiesen (https://de.pons.com; https://dict.leo.org/englisch-deutsch/epicure), aber nicht den Grundkenntnissen der [X.] Sprache zuzuordnen (vgl. auch [X.], Entscheidung vom 28. August 2019, [X.]/2019-5, [X.] ELITE). Es handelt sich vielmehr um einen literarischen Begriff für eine Person, die gutes Essen und Trinken liebt (vgl. [X.] dictionary.com/ dictionary/british/epicure, der seinerseits als Synonym den auch im Inland deutlich bekannteren [X.] Begriff „Gourmet“ referenziert). Relevante Fundstellen für eine Verwendung im Zusammenhang mit den hier noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen, die sich an die inländischen [X.]e richten, hat die Markenstelle ihrer Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Hierzu hat auch eine Recherche des Senats nichts ergeben. Der Begriff wird insgesamt selten und dann in der Regel marken- oder namensmäßig benutzt. Dies lässt sich z. B. auch der Anlage zum Erinnerungsbeschluss vom 5. September 2019 hinsichtlich des Restaurants „[X.]“ in [X.] entnehmen. Ferner gibt es eine hochwertige Messer-Serie namens „[X.]“ von Wüsthof.

Wenn die relevanten [X.]e dagegen wegen der – bei [X.]r Aussprache [ˈepɪkjʊəʳ] - klanglichen Nähe zum [X.] Wort „[X.]“ an den [X.] Philosophen denken sollten, werden sie zur Übersetzung „[X.]s wesentliche/essentielle Freuden“ kommen. Um zum Ergebnis zu gelangen, dass es sich um „unverzichtbare/wesentliche/essentielle Freuden für Feinschmecker bzw. Gourmets“ handelt, bedarf es weiterer analytischer Gedankenschritte. Hierfür muss zunächst von [X.] selbst auf dessen Lehre und von dieser auf „Feinschmecker, Gourmet“ geschlossen werden. Der [X.]eismus war bis ins zweite nachchristliche Jahrhundert hinein eine einflussreiche philosophische Schule mit zahlreichen Anhängern. Seit der [X.] wurde der Begriff, insbesondere von den [X.] Gegnern [X.]s, mit einer negativen Bedeutung im Sinne von „Genussmensch“ verwendet. Sollte das Wort „[X.]“ deutsch ausgesprochen und mit den [X.]eern, also den Anhängern der Lehre [X.]s, in Verbindung gebracht werden, so gilt nichts Anderes. Auch hier ist nicht davon auszugehen, dass die relevanten [X.]e, gerade im Hinblick auf die Datenträger und Computersoftware in Klasse 9 und Dienstleistungen in den Klassen 35, 36, 42 und 45, eine Verbindung zu Genussmenschen oder gar Feinschmeckern herstellen werden. Dem ganz überwiegenden Teil wird schon [X.] und dessen Lehre nicht bekannt sein. Selbst hinsichtlich der Verpflegungsdienstleistungen der [X.] wird allenfalls eine vage gedankliche Verknüpfung mit [X.] stattfinden. Trotz beschreibender Anklänge einzelner Bestandteile kommt daher dem [X.] keine ohne weiteres ersichtliche beschreibende Bedeutung in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu ([X.] [X.], 680 Rn. 37 – [X.]; [X.] [X.], 270 Rn. 11 – Link economy).

Dem Anmeldezeichen kann nach alledem die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis nicht abgesprochen werden.

3. Ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ist wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung der verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen ebenfalls nicht gegeben. Ausreichende Anhaltspunkte für eine im Anmeldezeitpunkt vernünftigerweise zu erwartende zukünftige beschreibende Verwendung sind nicht erkennbar.

Meta

29 W (pat) 36/19

04.05.2021

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 04.05.2021, Az. 29 W (pat) 36/19 (REWIS RS 2021, 6220)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6220

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