Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2002, Az. I ZR 225/99

I. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 3713

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/99Verkündet am:11. April 2002WalzJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R: jaGewinnspiel im [X.] § 1Gehört ein Gewinnspiel zum Inhalt des Hörfunkprogramms und ist es als Pro-grammbestandteil Teil der Leistung des [X.], so ist das Gewinn-spiel grundsätzlich nicht geeignet, von einer sachlichen Prüfung des [X.] abzulenken und einen Verstoß gegen die guten Sittenim Wettbewerb i.S. von § 1 UWG wegen übertriebenen Anlockens der Hörer zubegründen.[X.], [X.]eil vom 11. April 2002 - [X.]/99 - [X.] LG Berlin- 2 -Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die [X.] vom 11. April 2002 durch [X.] Dr. Erdmannund [X.], Prof. [X.], [X.] und Dr. [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der [X.]n wird das [X.]eil des 5. Zivilsenatsdes [X.]s vom 6. Juli 1999 aufgehoben.Auf die Berufung der [X.]n wird das [X.]eil der Kammer frHandelssachen 102 des [X.] vom 6. Januar 1998dert.Die Klage wird abgewiesen.Die Kosten des Rechtsstreits trt die Klgerin.Von Rechts [X.]:Die [X.] betreibt in [X.] den privaten Radiosender 9..Ende Januar/Anfang Februar 1997 warb die [X.] durch eine [X.] und durch eine Werbeanzeige fr ein Gewinnspiel, das sie in ihrem- 3 -Rundfunkprogramm veranstaltete. Sie versprach demjenigen [X.] ihrer Ra-diosendung einen Gewinn von 1.000 [X.], der sich als zehnter Anrufer bei ihrmeldete, nachdem ein zuvor [X.] im [X.] gesendet worden war. [X.] zwei vorher bestimmte [X.] ge-spielt, lobte die [X.] an den zehnten Anrufer einen Gewinn [X.] [X.] aus. Dieser Betrag erhte sich auf 200.000 [X.], wenn der [X.] im "9.-Gewinnclub" der [X.]n war. Um diese [X.] erwerben, mußten die [X.] ihre Adresse der [X.]n bekanntgeben.Die [X.], die Zentrale zur Bekmpfung unlauteren [X.], hatgeltend gemacht, die [X.] wrden von der [X.]n in rtriebener Weiseangelockt. Sie verspreche als spektakulr empfundene Gewinne und verbindedies mit dem Zwang, ihre Rundfunksendur lngere Zeit zu empfangen.Die [X.] hat beantragt,die [X.] unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zuverurteilen, es zu unterlassen, im gescftlichen Verkehr zu [X.] des [X.] die Teilnahme an einem Gewinnspiel davongig zu machen, daß das Publikum nach dem [X.] und/oder zwei [X.]n, die in zeitlich fr das Publikumnicht vorauszusehenden Abstnden gespielt werden, bei der [X.] anrufen muß, um einen ausgelobten Gewinn in [X.] zu 200.000 [X.] zu erlangen.Außerdem hat die Klgerin die Kosten eines Abmahn- und eines [X.] -Die [X.] ist dem entgegengetreten. Sie hat ausgefhrt, die [X.] mit der Notwendigkeit, ihr Radioprogramm zren, seilich und wettbewerbsrechtlich zulssig.Das [X.] hat die [X.] antragsgemû verurteilt. Die Berufungder [X.]n ist erfolglos geblieben ([X.], 23 = [X.], 281).Mit ihrer Revision verfolgt die [X.] ihren Klageabweisungsantragweiter. Die Klrin beantragt, die Revision zurckzuweisen.[X.]:[X.] Das Berufungsgericht hat die Zulssigkeit der Klage bejaht und [X.] der [X.]n als wettbewerbswidrig i.S. des § 1 UWG angese-hen. Zur [X.] hat es ausgefrt:Der Unterlassungsantrag sei bestimmt i.S. des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.Gegenstand des Unterlassungsbegehrens der Klgerin sei die konkrete Verlet-zungsform verbunden mit einer gewissen Verallgemeinerung.Der Unterlassungsanspruch ergebe sich aus § 1 UWG. [X.] auch im Fall einer Gratisverlosung grundstzlich zulssig. Erst das Hin-zutreten besonderer Umstrde die Unlauterkeit der Veranstaltung.Die Unlauterkeit folge bei dem Gewinnspiel der [X.]n aus einem rtrie-benen Anlocken der Rundfunkrer durch die Verbindung der als spektakulrempfundenen Gewinne bis zu 200.000 [X.] mit der Notwendigkeit, eine be-- 5 -stimmte Musiksendung der [X.] zu verfolgen, um andem Gewinnspiel teilzunehmen. Dadurch veranlasse die [X.] die [X.],r lngere Zeit ihr Produkt, die Radiosendung, zu beziehen, ohne [X.] sie die[X.] durch ein den Merkmalen des [X.] entsprechendesProgramm rzeugt haben [X.]. Ohne Bedeutung sei, [X.] den [X.] wirtschaftliche Entschlieûung abverlangt werde. Aus der Sicht der Wettbe-werber handele es sich bei dem Empfang der Radiosendung der [X.] dem Kauf einer Ware vergleichbares Verhalten, das zu einer Steigerung [X.] und damit zheren Werbeeinnahmen zugunsten eines Konkur-renten und zu Lasten der anderen fhre.Der Zahlungsanspruch folge aus §§ 683, 677, 670, 284, 288 BG[X.]I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision [X.]. Sie fren zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung derKlage.1. Das Berufungsgericht hat allerdings mit Recht angenommen, [X.] [X.] hinreichend bestimmt ist. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPOdarf ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine daraufberuhende Verurteilung - nicht derart undeutlich gefaût sein, [X.] der Streitge-genstand und der Umfang der [X.] und Entscheidungsbefugnis des [X.] nicht mehr klar umrissen sind, sich der [X.] deshalb nicht erscp-fend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entschei-dung darer erlassen bleibt, was dem [X.]n verboten ist (st. Rspr.; vgl.[X.], [X.]. [X.], [X.], 529, 531 = [X.], 531- [X.]; [X.]. v. 12.7.2001 - I ZR 40/99, [X.], 86, 88 =- 6 -[X.], 1294 - Laubhefter; [X.]. v. 12.7.2001 - I ZR 261/98, [X.], 77,78 = [X.], 85 - Rechenzentrum).Durchgreifende Bedenken gegen die Bestimmtheit des Klageantrags be-stehen danach nicht. Die charakteristischen Merkmale des Gewinnspiels, ge-gen das sich die Klrin wendet, sind in dem Unterlassungsantrag konkretbeschrieben. Dies gilt auch fr die Hhe der von dem Antrag erfaûten Gewinne,die mit "bis zu 200.000,-- [X.]" eindeutig bestimmt sind. Dagegen stellt sich [X.] der Beurteilung der Bestimmtheit des Klageantrags nicht die von [X.] aufgeworfene Frage nach der Konkretisierung der [X.], [X.] dem von der [X.]n ausgestrahlten Gewinnspiel wettbewerbsrechtlichunbedenklich ist. Denn es ist keine Frage der Bestimmtheit des [X.] damit der Zulssigkeit der Klage, sondern ihrer Begrdetheit, wenn derKlageantrag durch eine zu weitgehende Verallgemeinerung wettbewerbsrecht-lich unbedenkliche Verhaltensweisen einbezieht (vgl. [X.], [X.]. v. 15.9.1999- I ZR 131/97, [X.], 436, 437 = [X.], 383 - Ehemalige Hersteller-preisempfehlung; [X.]. v. 16.11.2000 - [X.], [X.], 446, 447 =[X.], 392 - 1-Pfennig-Farbbild, jeweils m.w.N.; Teplitzky, [X.]-rechtliche Ansprche und Verfahren, 8. Aufl., § 51 [X.]. 13; Pastor/[X.]/[X.], Der [X.]prozeû, 4. Aufl., [X.]. 27 [X.]. 19).2. Die [X.] verstût entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichtsmit dem angegriffenen Gewinnspiel jedoch nicht gegen § 1 UWG.Allerdings kommt, anders als die Revision meint, in dem Unterlassungs-antrag das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck.Dieses liegt bei dem von der [X.]n betriebenen Gewinnspiel in der ange-frten Gewinnsumme mit einem Hchstgewinn von 200.000,-- [X.] verbunden- 7 -mit der Notwendigkeit fr den [X.], dem Radioprogramm fr einen nicht vor-auszusehenden Zeitraum folgen zu [X.]n, um an dem Gewinnspiel [X.], was nach Ansicht der Klgerin wegen der damit verbundenen Anlock-wirkung die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit begrnden soll. Dagegenbrauchte die Klrin keine Grenze der [X.] anzugeben, bis zu der [X.] eines entsprechenden Gewinnspiels als wettbewerbsrechtlichunbedenklich anzusehen wre.Der Klgerin steht der Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG jedochnicht zu. In der Senatsrechtsprechung ist anerkannt, [X.] zu Zwecken des[X.] veranstaltete Gewinnverlosungen grundstzlich nicht gegen § 1UWG verstoûen und im allgemeinen zulssig sind ([X.], [X.]. v. 5.2.1998- I ZR 151/95, [X.], 735, 736 = [X.], 724 - [X.]; [X.]. v.17.2.2000 - I ZR 239/97, [X.], 820, 821 = [X.], 724 - [X.]; vgl. hierzu auch: [X.].UWG/Schnemann, § 1 [X.]. [X.]; [X.]/Hefermehl, [X.]recht, 22. Aufl., § 1 [X.]. 167; Khler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 1 [X.]. 232). Nur wenn besondere Umstvorliegen,die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begrn, knen sie als wettbewerbs-widrig gemû § 1 UWG untersagt werden. Besondere Umst, die die An-nahme der Sittenwidrigkeit rechtfertigen, [X.] der Kopplung des Waren-absatzes mit der Teilnahme an dem Gewinnspiel, in einem psychischen Kauf-zwang, in einer Irrefhrung des Publikums r die Gewinnchancen oder in ei-nem rtriebenen Anlocken bestehen (vgl. [X.], [X.]. v. 29.6.1989- I ZR 180/87, [X.], 757 = WRP 1989, 799 - [X.]; [X.]. v. 9.11.1995- I ZR 212/93, [X.], 290, 291 = [X.], 199 - Wegfall der [X.]; [X.] [X.], 820, 821 - [X.] -Das Berufungsgericht hat die den Vorwurf der Unlauterkeit begrnden-den Umstin einem rtriebenen Anlocken der Rundfunkhrer gesehen.Diese Anlockwirkung hat es aus der Verbindung der als [X.] Gewinne mit der Notwendigkeit abgeleitet, die Rundfunksendung der Be-klagter lgere Zeit zu verfolgen, um an dem Gewinnspiel teilzunehmen.Hierdurch wird nach Auffassung des Berufungsgerichts die Wahl des [X.] durch die [X.] sprbar beeinfluût, was aus Sicht der Wettbewerberein mit dem Kauf einer Ware vergleichbares Verhalten sei. Dem kann nicht zu-gestimmt werden.Wegen der grundstzlichen wettbewerbsrechtlichen Zulssigkeit [X.] mit einem Gewinnspiel reicht die hiermit einhergehende Anlockwir-kung [X.] nicht aus, um die Voraussetzungen des § 1 UWG zu [X.]. Erst wenn der Anlockeffekt so stark ist, [X.] das Publikum von einer sach-gerechten Prfung des Waren- oder Dienstleistungsangebots abgelenkt undseine Entschlieûung nicht mehr von sachlichen Überlegungen, sondern maû-geblich von der [X.] wird, den in Aussicht gestellten Gewinn zuerlangen, kann die Werbung mit einem Gewinnspiel unter dem [X.] rtriebenen Anlockens sittenwidrig sein ([X.] [X.], 735, 736- [X.]; [X.], 820, 821 - [X.] angegriffene Gewinnspiel ist Teil des Unterhaltungsprogramms der[X.]n. In die Beurteilung, ob das [X.]verhalten der [X.]n [X.] ist, ist daher auch einzubeziehen, [X.] Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG dieRundfunkfreiheit gewrleistet, die der freien individuellen unffentlichen Mei-nungsbildung dient. Die sich aus allgemeinen Gesetzen ergebenden [X.] der Berichterstattung durch Presse und Rundfunk[X.]n im Licht dieses Grundrechts gesehen werden. Die allgemeinen [X.] -ze sind daher aus der Erkenntnis der Bedeutung dieses Grundrechts auszule-gen und so in ihrer dieses Grundrecht beschrkenden Wirkung selbst wiedereinzuschrken (vgl. [X.] 71, 206, 214).Zu Recht macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe [X.] Beurteilung nicht hinreichend beachtet, [X.] das Gewinnspiel der [X.] nicht von der abzusetzenden Ware oder Dienstleistung verschieden,sondern Bestandteil des Unterhaltungsprogramms der [X.]n ist. [X.] Gewinnspiel aber zum Inhalt des Hrfunkprogramms und ist es als Pro-grammbestandteil Teil der Leistung der [X.]n, so geht es nicht um die Ab-lenkung vom Leistungsangebot der [X.]n durch ein daneben veranstaltetesGewinnspiel. Das Gewinnspiel bestimmt die Attraktivitt des Programms der[X.]n mit und ist daher Bestandteil des [X.] selbst. [X.] in einem solchen Fall Umstvorliegen, die die Unlauterkeitbegrnden, wie sie etwa bei einer Irrefruer die Gewinnchancen, in einerverschleierten Kopplung mit dem [X.] oder in der Behinderung kleine-rer Mitbewerber liegen (vgl. [X.] [X.], 820, 821 - [X.]). Derartige Umstt das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt,und sie sind von den Parteien auch nicht geltend gemacht worden.Ein Verstoû gegen die guten Sitten im Wettbewerb kann entgegen derAnnahme des Berufungsgerichts nicht damit begrndet werden, [X.] die [X.]unter Umstdie Musiksendung der Beklagtr lre Zeit verfolgen[X.]n, um an dem Gewinnspiel teilzunehmen. Wirtschaftliche Belange der[X.] werden dadurch nicht [X.]. Die allgemeine Entschlieûungsfreiheit derZrer, sich fr die Sendung der [X.]n oder Programme eines anderenSenders zu entscheiden, fllt nicht in den Schutzbereich des § 1 UWG, [X.] die unlautere Beeintrchtigung der Willensentscheidung. Auf eine mit [X.] 10 -(auch lngeren) Inanspruchnahme des Leistungsangebots der [X.]n mg-licherweise einhergehende Verringerung der [X.]zahl bei anderen Sendernkommt es dagegen unter dem Gesichtspunkt des ertriebenen [X.] entscheidend an. Eine mit dem Gewinnspiel der [X.]n einhergehendeVerringerung der Zrerschaft anderer Rundfunksender kann allein eine wett-bewerbsrechtliche Unlauterkeit nicht begrnden.[X.] mithin das Verhalten der [X.]n nicht gegen § 1 UWG, kanndie Klgerin auch die Kosten der Abmahnung und des Abschluûschreibensnicht ersetzt verlangen.II[X.] Danach war das angefochtene [X.]eil aufzuheben, auf die Berufungder [X.]n das landgerichtliche [X.]eil abzdern und die Klage mit der Ko-stenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.Erdmann [X.] Bornkamm Bscher Schaffert

Meta

I ZR 225/99

11.04.2002

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2002, Az. I ZR 225/99 (REWIS RS 2002, 3713)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 3713

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.