Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.04.2012, Az. B 5 R 36/11 BH

5. Senat | REWIS RS 2012, 12676

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Grundsatzrüge - klärungsbedürftige Rechtsfrage - Zulässigkeit der Verrechnung von Beitragsforderungen mit nach § 54 Abs 4 SGB 1, §§ 850, 850c ff ZPO pfändungsfreiem Einkommen während eines Insolvenzverfahrens)


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 20. September 2011 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin S. beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

1

Mit Urteil vom [X.] hat es das [X.] abgelehnt, die Verrechnung von Beitragsforderungen der Beigeladenen mit der Altersrente des [X.] aufzuheben und damit seinen Anspruch auf ungekürzte Auszahlung der Altersrente verneint.

2

Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. , beantragt.

3

Der Antrag auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen.

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a [X.] SGG iVm § 114 [X.], § 121 Abs 1 ZPO). Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] erfolgreich zu begründen.

5

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

        

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 [X.] SGG),

        

-       

das Urteil von einer Entscheidung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] ([X.]) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO [X.]) oder

        

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ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO [X.]).

6

Solche Zulassungsgründe sind nach Prüfung des Streitstoffs nicht ersichtlich.

7

Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das vom Kläger angegriffene Urteil auf § 160 Abs 2 [X.] SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist (zum Ganzen vgl [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 70). Dass die vom Kläger angesprochene Problematik der "Zulässigkeit der Verrechnung von Beitragsforderungen mit gemäß §§ 54 Abs 4 SGB I, §§ 850, 850c ff ZPO pfändungsfreiem Einkommen während eines Insolvenzverfahrens" in die Form einer Rechtsfrage gebracht werden und dieser Frage grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte, ist nicht ersichtlich.

8

Das [X.] stützt seine Entscheidung tragend darauf, dass es dem Sozialleistungsträger aufgrund des § 51 Abs 2 SGB I möglich sei, mit dem unpfändbaren Teil der laufenden Sozialleistung während des Insolvenzverfahrens bis zur Grenze der [X.] zu verrechnen. Obgleich das [X.] hierzu noch keine Entscheidung getroffen hat, ist nicht erkennbar, dass sich insofern klärungsbedürftige Rechtsfragen ergeben könnten, weil die Antwort von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl dazu [X.]E 40, 40, 42 = [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.]E 40, 158, 159 = [X.] 1500 § 160a [X.]1; [X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 8). § 51 Abs 2, § 52 SGB I enthält eine sachlich begrenzte Privilegierung von Sozialversicherungsträgern (s bereits [X.]E 45, 271 = [X.] 1200 § 51 [X.]) und ermächtigt sie, auch mit dem unpfändbaren Teil der Sozialleistung bis zur Hälfte der Ansprüche auf laufende Geldleistungen sowie bis zur Grenze der nachgewiesenen Hilfsbedürftigkeit iS des [X.] und des [X.] aufzurechnen bzw zu verrechnen. Wie sich aus § 54 Abs 4 SGB I, §§ 850, 850c ff ZPO ergibt, hat der Gesetzgeber dieses Privileg, auch dann noch aufrechnen bzw verrechnen zu können, wenn die [X.] und damit die Pfändung ausgeschlossen ist, im Interesse der Versichertengemeinschaft bewusst vorgesehen. Dem stehen vorliegend Regelungen des Insolvenzrechts nicht entgegen. Nach der ausdrücklichen Anordnung des § 36 [X.] Insolvenzordnung ([X.]) gehören nämlich Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse iS von § 35 [X.]. Der streitige Betrag unterliegt damit von vorneherein nicht dem [X.], sodass die Verrechnung zu keiner Gefährdung der Rechtsposition sonstiger Insolvenzgläubiger führen kann. Zu Gunsten des [X.] kann ein Verbot der Aufrechnung/Verrechnung vorliegend auch nicht dem Vollstreckungsverbot des § 89 Abs 1 [X.] entnommen werden. Der [X.] hat bereits zu dem im wesentlichen gleich lautenden § 14 Konkursordnung entschieden, dass es sich bei der Aufrechnung nicht um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung handelt und eine analoge Anwendung der Norm über deren Wortlaut hinaus ausscheidet ([X.] vom [X.] - NJW 1971, 1563 mit Hinweis auf [X.], 66). An Hinweisen auf eine seither eingetretene Änderung der Rechtslage fehlt es (vgl zur entsprechenden Problematik bei § 77 Abs 2 [X.] aF zuletzt [X.] vom 20.7.2011 - IV ZR 177/09 - ZIP 2011, 1826 ff und zu freiwilligen Zahlungen aus dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners [X.] vom 14.1.2010 - [X.]/09 - ZIP 2010, 380 ff).

9

Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das [X.] tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zu Grunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das [X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des [X.], des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat ([X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 72 mwN). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Ein tragender abstrakter Rechtssatz des [X.], mit dem dieses der Rechtsprechung des [X.], insbesondere dem Urteil vom 10.12.2003 - [X.] RJ 18/03 R - widersprochen haben könnte, ist weder vom Kläger benannt worden noch sonst ersichtlich. Allein daraus, dass das Berufungsgericht einen höchstrichterlichen Rechtssatz, auf den es sich ausdrücklich stützt, ggf missverstanden hat, kann nicht darauf geschlossen werden, es habe seinerseits einen divergierenden Rechtssatz aufgestellt ([X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 73 mwN).

Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 [X.] SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Nach [X.] 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 [X.] SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein derartiger Beweisantrag, den das Berufungsgericht unter Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) übergangen haben könnte, ist hier nicht ersichtlich. Auch im Übrigen sind Verfahrensmängel nicht erkennbar.

Da dem Kläger somit keine PKH zu bewilligen ist, hat er nach § 73a [X.] SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts.

Meta

B 5 R 36/11 BH

19.04.2012

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Chemnitz, 8. Februar 2010, Az: S 7 R 1125/09

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 51 Abs 2 SGB 1, § 52 SGB 1, § 54 Abs 4 SGB 1, § 850 ZPO, § 850c ZPO, §§ 850cff ZPO, § 35 InsO, § 36 Abs 1 S 1 InsO, § 89 Abs 1 InsO, § 14 KO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.04.2012, Az. B 5 R 36/11 BH (REWIS RS 2012, 12676)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 12676

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IX ZR 93/09

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