Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2018, Az. IX ZB 72/17

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 9756

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:030518BIXZB72.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 72/17
vom

3. Mai 2018

in dem Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe

-

2

-

Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch den Vorsitzenden [X.]
Prof. Dr. Kayser, die [X.]in [X.], den [X.] Prof. Dr. Pape, die Richte-rin [X.] und den [X.] Meyberg

am
3. Mai 2018
beschlossen:

Der Antrag
des [X.]n
auf Prozesskostenhilfe für eine Rechts-beschwerde gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des [X.] vom 11. Oktober 2017 wird abgelehnt.

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerde-verfahren bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt

V.

bei-geordnet. Ratenzahlungen oder Zahlungen aus dem Vermögen werden nicht festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Urteil vom 11. Januar 2017 ist der anwaltlich vertretene [X.] ver-urteilt worden, an den der Berufungsfrist haben seine Anwälte
einen
vom 14. Februar 2017 datieren-den, mit "Prozesskostenhilfeantrag und Berufung"
überschriebenen
Schriftsatz eingereicht, in welchem
"zunächst"
Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz beantragt
wurde. Wörtlich heißt es weiter:
"Im Falle der Bewilligung der [X.]
-

3

-

tragten Prozesskostenhilfe wird zugleich gegen das am 11.01.2017 verkündete

und zugleich beantragt, unter Abänderung des am 11.01.2017 verkündeten und ge abzuweisen". Es folgt eine als solche bezeichnete Begründung, die von der anwaltlichen Un-terschrift gedeckt ist.
Auf
einen gerichtlichen Hinweis hin hat der [X.] [X.], er habe die Erhebung der Berufung von der Bedingung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abhängig gemacht, um so die Finanzierung der Beru-fung sicherzustellen. Der Schriftsatz vom 14. Februar 2017 sei als Berufungs-schrift auszulegen, sofern Prozesskostenhilfe bewilligt werde.

Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Der Beschluss ist dem [X.]n
am 18. August 2017 zugestellt worden. Am 1.
September 2017 hat der [X.] Wiedereinset-zung in den vorigen Stand beantragt, Berufung eingelegt, die Berufung begrün-det und erneut Prozesskostenhilfe für die Berufung beantragt. Mit einem weite-ren Schriftsatz hat der [X.] sofortige Beschwerde gegen den die [X.] ablehnenden Beschluss des Berufungsgerichts eingelegt; er vertrat nunmehr die Ansicht, bereits mit Schriftsatz vom 14. Februar 2017 unbedingt Berufung eingelegt zu haben. Das Berufungsgericht hat die hierin liegende Ge-genvorstellung gegen die Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe zu-rückgewiesen. Mit gesondertem Beschluss hat es den Antrag auf Wiedereinset-zung in den vorigen Stand abgelehnt und die beiden Berufungen als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss hat der [X.] Rechtsbeschwerde einge-legt und diese
begründet. Er beantragt Prozesskostenhilfe für das [X.].
Der Kläger beantragt ebenfalls Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren.

2
-

4

-

II.

Die
vom [X.]n
beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114
Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbil-dung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfor-dert
eine Entscheidung des [X.] (§ 522 Abs. 1 Satz 4, §
574 Abs. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat dem [X.]n nicht den Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in [X.], aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert und
hat
dessen Grundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes
(Art. 2 Abs.
1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip)
und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt.

1. Gemäß § 519 Abs. 2 ZPO muss die Berufungsschrift neben der Be-zeichnung des angefochtenen Urteils die Erklärung enthalten, dass gegen die-ses Urteil Berufung eingelegt werde. Die Einlegung der Berufung unter einer
Bedingung
sieht das Gesetz nicht vor.
Die [X.] einer Partei, die von einer unzulässigen Bedingung abhängig gemacht wird, ist daher unwirksam ([X.], Beschluss vom 1. Juni 2017 -
V [X.], [X.], 1019 Rn. 11 mwN; vgl. auch [X.], [X.]/NV 2018, 225 Rn. 16). Das gilt nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] auch für Rechtsmittel, die unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingelegt werden ([X.], Be-schluss vom
5. Februar 2013 -
[X.] ZB 38/12, [X.], 481 Rn. 11; vom
30.
Mai 2017 -
[X.] ZB 15/17, juris Rn 12
mwN;
Urteil
vom 25. Oktober 2017
-
[X.] ZR 135/16, juris Rn. 14 mwN).

3
4
-

5

-

2. Die mit Schriftsatz vom 14. Februar 2017 eingelegte Berufung stand unter der unzulässigen Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

a) Der Senat hat die prozessualen Erklärungen des [X.]n im [X.] vom 14. Februar 2017 selbst zu würdigen und unter Heranziehung aller für das Beschwerdegericht erkennbaren Umstände und unter Beachtung der durch die gewählten Formulierungen bestehenden Auslegungsgrenzen zu ermitteln, welcher Sinn ihnen aus objektiver Sicht beizumessen ist ([X.], Beschluss vom
9.
Februar 2012 -
IX ZB 86/10, [X.], 519 Rn. 11; Urteil vom 26.
Septem-ber 2007 -
XII ZB 80/07, [X.], 43 Rn. 11). Bei der Auslegung ist nicht allein auf den Wortlaut der Erklärung abzustellen. Vielmehr ist im Zweifel [X.] gewollt, was nach Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht
([X.], Urteil
vom 22.
September 2011 -
IX [X.], [X.], 2237 Rn. 7 mwN;
vom 7. April 2016 -
IX [X.], [X.], 982
Rn. 11 mwN). Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Einreichung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe [X.] mit einem Schriftsatz, der die gesetzlichen Anforderungen an eine Be-rufungsschrift oder an eine Berufungsbegründung erfüllt, regelmäßig als unbe-dingt eingelegtes und begründetes Rechtsmittel zu behandeln. Die Annahme, ein entsprechender Schriftsatz sei nicht als unbedingte Berufung oder [X.] bestimmt, ist in solchen Fällen nur dann gerechtfertigt, wenn sich dies
entweder aus dem Schriftsatz selbst oder sonst aus den [X.] mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt; denn im Allgemeinen will keine Partei die mit einer Fristversäumung [X.]en Nachteile in Kauf nehmen
([X.], Beschluss vom 30. Mai 2017, aaO Rn. 14 f mwN;
Urteil
vom 25. Oktober 2017, aaO
Rn. 16 f
mwN).
Es kommt [X.] auf den vom Berufungskläger erklärten, nach Außen hervorgetretenen Wil-len im Zeitpunkt der Einreichung des Schriftsatzes an. Klarstellende Parteierklä-5
6
-

6

-

rungen nach Ablauf der Begründungsfrist bleiben grundsätzlich unberücksichtigt ([X.], Beschluss vom 30. Mai 2017, aaO Rn. 14; Urteil vom 25. Oktober 2017, aaO Rn. 16). Spätere Prozessvorgänge
können jedoch als Auslegungsmittel
herangezogen werden ([X.], Urteil vom 22. September 2011 -
IX [X.], [X.], 2237 Rn. 7 mwN).

b)
Im Schriftsatz vom 14. Februar 2017
hat der [X.] erklärt, "[X.]"
Prozesskostenhilfe beantragen zu wollen.
Diese Formulierung spricht für eine
Staffelung des [X.] einerseits, der Berufung andererseits.
In der Begründung des Antrags auf Prozesskostenhilfe hat der [X.]
jedoch auf "die nachfolgenden Ausführungen der Berufungsschrift"
Bezug genommen. Den
mit "Berufung"
überschriebenen
Teil des Schriftsatzes hat er
mit den [X.] eingeleitet, die Berufung werde "im Falle der Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe"
eingelegt. Dieser Formulierung lässt sich auch bei wohlwol-lender
Auslegung nicht der unbedingte Wille zur Einlegung eines Rechtsmittels
entnehmen.
Der [X.] hat nicht zum Ausdruck gebracht, die Berufung un-abhängig vom Ausgang des Verfahrens über die Bewilligung von [X.], also zunächst auf eigene Kosten einlegen und durchführen zu wollen.
Vielmehr
wollte er die Berufung
ausdrücklich
erst und nur dann einlegen, wenn
ihm Prozesskostenhilfe bewilligt werden würde.
Die Berufung stand unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und war damit unzulässig.

c) Diese Auslegung steht nicht im Widerspruch zu den bereits zitierten Entscheidungen des [X.]. Zivilsenats des [X.] vom 30. Mai 2017 und vom 25. Oktober 2017 (jeweils aaO). In den genannten Fällen
lag
jeweils
eine vollständige Berufungsbegründung vor, welche zwar als "Entwurf"
[X.] war,
jedoch die Unterschrift des Anwalts trug und auch im Übrigen
den Anforderungen des § 520 ZPO genügte. Anders als im vorliegenden Fall fehlte 7
8
-

7

-

eine Erklärung des Rechtsmittelführers, dass gleichwohl noch keine unbedingte Berufungsbegründung erfolgen sollte. In beiden Fällen hatten die Parteien
überdies bereits Berufung eingelegt
und damit das Kostenrisiko eines Rechts-mittels auf sich genommen. Das war hier nicht der Fall. Der [X.] wollte nur dann Berufung einlegen, wenn dafür Prozesskostenhilfe bewilligt werden wür-de.

3. Die
mit Schriftsatz vom 1. September 2017 eingelegte
zweite
Berufung ist unzulässig, weil sie außerhalb der Frist des § 517 ZPO beim Berufungsge-richt eingegangen ist. Der im selben Schriftsatz gestellte Wiedereinsetzungsan-trag bleibt ohne Erfolg, weil der [X.] nicht ohne sein Verschulden verhin-dert war, die Berufungsfrist einzuhalten
(§ 233 Satz 1 ZPO).
Eine Partei, die nicht in der Lage ist, für die Kosten eines Rechtsmittels aufzukommen, muss unter Verwendung der vorgeschriebenen Vordrucke und Beifügung aller erfor-derlichen Unterlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist einen vollständigen Antrag auf Prozesskostenhilfe bei Gericht einreichen ([X.], Beschluss vom 18.
Mai 2017 -
IX [X.] 9/17, [X.], 970 Rn. 4 mwN; vom 25. Juli 2017 -
X
[X.] 2/17, juris Rn. 2 mwN). Der [X.] hat innerhalb der laufenden Berufungsfrist
schriftsätzlich Prozesskostenhilfe beantragt. Die nach § 117 Abs. 2 ZPO zwin-gend erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen [X.] nebst Anlagen ist jedoch erst nach Ablauf der Berufungsfrist, nämlich am 20. Februar 2017, bei Gericht eingegangen.

9
-

8

-

4. Von einer weiteren Begründung wird in entsprechender Anwendung von § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen. Die Entscheidung über den Antrag des [X.] ergeht nach § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Kayser
[X.]
Pape

[X.]
Meyberg

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.01.2017 -
7 [X.]/15 -

OLG [X.], Entscheidung vom 11.10.2017 -
1 U 23/17 -

10

Meta

IX ZB 72/17

03.05.2018

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2018, Az. IX ZB 72/17 (REWIS RS 2018, 9756)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9756

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZB 72/17 (Bundesgerichtshof)

Berufungseinlegung unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe


1 U 23/17 (Oberlandesgericht Rostock)


VIII ZB 38/12 (Bundesgerichtshof)

Berufungseinlegung unter der Bedingung der Prozesskostenhilfebewilligung: Verwerfung der Berufung als unzulässig vor der Entscheidung über …


VIII ZR 135/16 (Bundesgerichtshof)

Berufungsbegründung: Einreichung eines Prozesskostenhilfeantrags verbunden mit einer Berufungsbegründung mit der Bezeichnung "Entwurf"


VIII ZB 55/10 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.