Bundespatentgericht, Urteil vom 09.11.2021, Az. 3 Ni 32/19 (EP)

3. Senat | REWIS RS 2021, 10598

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Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2021 durch den [X.] Schwarz als Vorsitzenden, die [X.]in [X.], die [X.] [X.]. Univ. Dr. Wismeth und [X.]. Univ. Dr. Freudenreich sowie die [X.]in [X.]. Philipps

für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent 2 336 223 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt.

I[X.] Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 8. Dezember 2009 angemeldeten und auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] in [X.] Verfahrenssprache erteilten [X.] Patents 2 336 223 (Streitpatent, [X.]) mit der Bezeichnung „[X.] (in [X.] laut Streitpatentschrift: „Verfahren zur Herstellung von flexiblem, elastischem Polyurethanschaum und damit erhaltener Schaum“).

2

Das beim [X.]en Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen [X.] 2009 005 183.0 geführte Streitpatent umfasst in der erteilten Fassung den unabhängigen Verfahrensanspruch 1, die auf diesen unmittelbar oder mittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9, den nebengeordneten Sachanspruch 10 sowie die auf diesen unmittelbar oder mittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 11 bis 15.

3

Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 10 lauten in der Verfahrenssprache:

4

1. A process for the preparation of a flexible polyurethane foam wherein a reaction mixture, which comprises a blowing agent, is allowed to foam to produce the polyurethane foam, characterised in [X.], at least one organogel material is dispersed therein.

5

10. A flexible polyurethane foam prepared by a process according to any one of the claims 1 to 9.

6

In der Fassung der Streitpatentschrift lauten sie in [X.] Sprache:

7

1. Ein Verfahren zur Herstellung eines flexiblen [X.], in dem man eine Reaktionsmischung, die ein Treibmittel enthält, aufschäumen lässt, um den Polyurethanschaum herzustellen, dadurch gekennzeichnet, dass, bevor die erwähnte Reaktionsmischung aufschäumen kann, zumindest ein [X.]material darin verteilt wird.

8

10. Ein flexibler Polyurethanschaum hergestellt durch ein Verfahren nach irgendeinem der Ansprüche 1 bis 9.

9

Mit ihrer Nichtigkeitsklage begehrt die Klägerin, die von der Beklagten wegen angeblicher Patentverletzung gerichtlich in Anspruch genommen wird, die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents, weil dieses nicht patentfähig sei. Die Beklagte verteidigt ihr Patent demgegenüber in der erteilten Fassung sowie als geschlossener Anspruchssatz in der Fassung des [X.], deren Patentanspruch 1 wie folgt lautet (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung unter- bzw. durchgestrichen)

1. Ein Verfahren zur Herstellung eines flexiblen [X.] mit darin integriertem [X.]material, das zumindest einen Teil der Zellenrippen und/oder Zellwände des [X.] bildet, wobei man in dem Verfahren man eine Reaktionsmischung, die ein Treibmittel enthält, aufschäumen lässt, um den Polyurethanschaum herzustellen, dadurch gekennzeichnet, dass, bevor die erwähnte Reaktionsmischung aufschäumen kann, das zumindest ein [X.]material darin verteilt wird.

Der Patentanspruch 10 nach Hilfsantrag 1 bleibt gegenüber der erteilten Fassung unverändert.

Nach Auffassung der Klägerin, die sie jeweils im Einzelnen näher begründet, sind die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 10 gegenüber einer Reihe von Druckschriften, u.a. gegenüber der

[X.] DE 40 30 639 C1

nicht neu oder beruhen diesen gegenüber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Daneben bestreitet sie die Neuheit dieser Gegenstände des Streitpatents auch gegenüber offenkundigen Vorbenutzungen infolge des Vertriebs von [X.]schäumen, für deren Nachweis sie sich auf Zeugenbeweis mit zugehörigen Belegen beruft.

In Bezug auf die Druckschrift [X.] führt die Klägerin näher aus, dass es sich bei dem in dieser Druckschrift beschriebenen Gel um ein [X.] im streitpatentgemäßen Sinn handle. Dabei sei vorab darauf hinzuweisen, dass die geänderten Merkmale nach Hilfsantrag 1, welche dem erteilten Produktanspruch entnommen seien, keine Beschränkung gegenüber der erteilten Fassung darstellten, weil sie nur die Folge der Durchführung des bereits mit der erteilten Fassung beanspruchten Verfahrens beschrieben. Zudem sei diese Fassung hinsichtlich der Patentkategorie unklar, weil sie sowohl Verfahrens- als auch [X.] der erteilten Patentansprüche verbinde, wobei die [X.] nur als Zweck- oder Funktionsangabe vorgesehen seien, aber keine Verfahrensschritte enthielten, aus denen sich entnehmen lasse, wie dieser Zweck zu erreichen sei. Ungeachtet dessen sei die Lehre der [X.] auch für die Fassung nach dem Hilfsantrag patenthindernd. Von den in ihr genannten beiden Alternativen, nämlich der Beigabe von niedrigsiedenden Kohlenwasserstoffen oder von u.a. [X.] als Quellmittel, würde im letzten Fall das Quellmittel nicht vollständig als Treibmittel verbraucht, wenn das Reaktionsgemisch aufschäume. Denn wie sich den Ausführungen in Spalte 3 Zeilen 24 bis 30 der [X.] entnehmen lasse, lehre diese Druckschrift als eine Möglichkeit und ebenso wie das im Hilfsantrag beanspruchte Verfahren, den noch nicht völlig ausgehärteten Abfallschaum bei sofortiger Behandlung leicht zu quellen und in Gelform der [X.]-lsocyanat-Mischung zuzusetzen, wobei für das Gel „kein Härterzusatz“, also kein [X.] notwendig sei, wenn es im wesentlichen unzersetzt vorliege. Daraus ergebe sich, dass das [X.], solange es intakt sei, nicht vollständig abreagiere. Damit werde es als Zusatz im Reaktionsgemisch in den hergestellten Schaum integriert und bilde, für den Fachmann auch gar nicht anders vorstellbar, einen Teil der Zellrippen und/ oder Zellwände.

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent 2 336 223 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des [X.] gemäß Schriftsatz vom 1. September 2020 erhält.

Nach der im Einzelnen näher dargelegten Auffassung der Beklagten seien die Gegenstände des Streitpatents gegenüber dem klägerseits genannten Stand der Technik neu und beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Insbesondere stehe die [X.] der Patentfähigkeit des Streitpatents nicht entgegen. Denn bei der in der [X.] beschriebenen Zumischung jeweils mit einem „fließfähigen Gel“ handle es sich um kein [X.] im chemischen und im streitpatentgemäßen Sinne, sondern um ein fließfähiges sogenanntes „Sol“, das sich vom [X.] in der fehlenden dimensionalen Stabilität unterscheide.

Auf jeden Fall stehe die Lehre der [X.] dem geänderten Patentanspruch 1 des [X.] nicht entgegen. Mit der Änderung sei nunmehr konkretisiert, dass das [X.]material auch noch im fertigen PU-Schaum als [X.]material vorhanden sei und zumindest einen Teil der Zellenrippen und/oder Zellwände des [X.] bilde. Die hinzugekommenen Merkmale seien auch keine unbeachtlichen reinen Zweckangaben, denn der Zweck des gemäß Hilfsantrag beanspruchten Herstellungsverfahrens sei die Herstellung eines [X.] mit diesen zusätzlichen Merkmalen, also eines [X.], in dem [X.]materialien in die Schaumstruktur eingebaut seien. Damit müsse aber die Verfahrensführung und die Wahl der Ausgangsmaterialien, unter anderem der in die Reaktionsmischung zugegebenen [X.]materialien, so ausgestaltet sein, dass ein solches Schaummaterial erhalten und damit der angegebene Zweck erfüllt werde. Wie den Ausführungen in der Spalte 4 Zeilen 57 bis 62 sowie dem Patentanspruch 16 der [X.] entnommen werden könne, würde entgegen der Auffassung der [X.] das in der [X.] als neben Kohlenwasserstoffen mögliches Quellmittel genannte [X.] infolge der äquivalenten Zugabe von [X.] im Rahmen der schaumbildenden Reaktion vollständig verbraucht. Daher läge im [X.] dann kein [X.]material mehr vor, das sich in den Zellwänden oder -rippen ablagern könne. Die vollständige Abreaktion des [X.]s sei, wie sich aus der Gesamtlehre der [X.] ergebe, sogar beabsichtigt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. [X.] ist für nichtig zu erklären, weil gegenüber der erteilten Fassung der [X.] der mangelnden Patentfähigkeit gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i.V.m. Art. 52, 54 EPÜ besteht und die Beklagte aus demselben Grund ihr Patent auch nicht in der Fassung des [X.] erfolgreich verteidigen kann.

I.

1. Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines flexiblen [X.], insbesondere mit einer in der Beschreibung näher definierten Dichte, Elastizität und ILD-Härte, und den durch dieses Verfahren hergestellten Polyurethanschaum ([X.] [0001]).

[X.] weist darauf hin, dass flexible [X.] häufig für Körperstützanwendungen verwendet würden, z.B. in Matratzen, Matratzenauflagen, Kopfkissen, Kissen jeglicher Art, Sitzen oder Fußmatten. Neben der funktionellen Unterstützung des menschlichen Körpers solle das Körperstützmaterial auch eine gute Druckverteilung, einen ausreichenden physiologischen Komfort sowie eine angemessene Atmungsaktivität bieten ([X.] [0002]). Nach den Darlegungen in den Absätzen [0003] bis [0005] kämen hierzu bislang [X.] mit hoher Resilienz/Widerstandsfähigkeit (HR-Schäume), [X.] (VE)-Schäume und Gele zur Anwendung. Gele seien aufgrund ihrer dreidimensionalen Verformungseigenschaften, die zu abflachenden Druckpunkten führten, und für ihre ausgezeichnete ausgeglichene Druckverteilung bekannt. Sie böten außerdem einen guten physischen Komfort wie eine geringe Härte und eine gute Elastizität und gäben dem Benutzer ein gutes „Gefühl". Nachteilig sei allerdings, dass Gele wie [X.] eine relativ hohe Wärmeleitfähigkeit sowie eine sehr hohe Wärmekapazität aufwiesen, was zu einem Kälteempfinden führe, da dem Körper bei Kontakt mit dem Gel Wärme entzogen werde, und dass sie ein sehr hohes Eigengewicht hätten. Um diese Nachteile auszugleichen, seien im Stand der Technik verschiedene Verfahren entwickelt worden, welche das [X.] in den Absätzen [0006] bis [0007] und [0010] näher beschreibt. So lehre die [X.] [X.] bereits den Einbau von [X.] in [X.], wobei es sich bei dem [X.] um ein festes Gel wie ein Xerogel oder [X.] handele und das Polyurethan-Beschichtungsmaterial als ein starrer Schaum oder ein mikrozelluläres Elastomer vorliege ([X.] [0010]).

Ausgehend hiervon stellt sich das [X.] die Aufgabe, ein neues Verfahren zur Herstellung eines flexiblen [X.] bereitzustellen, der belastbar und atmungsaktiv sei, aber dennoch die Schaumeigenschaften verbessere, ohne die Nachteile einer Gelschicht zu zeigen ([X.] [0008]).

Zu diesem Zweck umfasse das Verfahren zur Herstellung eines flexiblen [X.] gemäß der vorliegenden Erfindung den Schritt, eine Reaktionsmischung, die ein Treibmittel enthalte, schäumen zu lassen, um den Polyurethanschaum herzustellen, wobei vor dem Schäumen des Reaktionsgemisches mindestens ein [X.] darin dispergiert sei. Das [X.] werde somit beim Aufschäumen in den Polyurethanschaum eingearbeitet, um zumindest einen Teil der Zellrippen und oder Zellwände des [X.] zu bilden ([X.] [0009]). Mit der bekannten [X.] oder Zellwänden mit einem [X.] könnten die erfindungsgemäßen Vorteile nicht erreicht werden ([X.] [0011] [X.] 48 - [X.]. 4 [X.] 3). Daher sieht das [X.] die Dispersion mindestens eines [X.]s vor dem Schäumen des Reaktionsgemisches auch als wesentliches Merkmal des erfindungsgemäßen Verfahrens an ([X.] [0021]).

2. Die Merkmale des Verfahrens nach dem erteilten Patentanspruch 1 lassen sich wie folgt gliedern (mit der von der Klägerin vorgeschlagenen und auch im Verletzungsverfahren verwendeten [X.] Übersetzung):

Merkmal

Englisch

Deutsch

a)    

A process for the preparation of a flexible polyurethane foam

Ein Verfahren zur Herstellung eines flexiblen [X.]

b)    

wherein a reaction mixture, which comprises a blowing agent, is allowed to foam to produce the polyurethane foam, characterised in that

in dem man eine Reaktionsmischung, die ein Treibmittel enthält, aufschäumen lässt, um den Polyurethanschaum herzustellen, dadurch gekennzeichnet, dass

c)    

before allowing said reaction mixture to foam,

bevor man die erwähnte Reaktionsmischung aufschäumen lässt // bevor die erwähnte Reaktionsmischung aufschäumen kann,

d)    

at least one organogel material is dispersed therein.

zumindest ein [X.] darin verteilt wird.

Der auf das [X.] gerichtete Patentanspruch 10 bleibt ungegliedert.

3. Einige Merkmale der erteilten Patentansprüche bedürfen der Auslegung. Der zuständige Fachmann, ein [X.] (Master) der Fachrichtung Makromolekulare Chemie bzw. Polymerchemie oder ein Diplom-Ingenieur (Master) der Verfahrenstechnik mit Kenntnissen und mehrjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Kunststofftechnik, insbesondere der Herstellung geschäumter Polyurethane und solcher Formteile (s. zur vergleichbaren Fallkonstellation [X.], 1124 Rn. 17 und 39 – [X.]), wird die erörterungsbedürftigen Merkmale des Patentanspruchs 1 wie folgt verstehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass einerseits eine Auslegung unterhalb des [X.] nicht zulässig ist, andererseits die Auslegung aber gewährleisten muss, dass die erfindungsgemäßen Ausgestaltungen unter den Anspruchswortlaut fallen.

3.1. Was den verfahrensgemäßen Schaum anbelangt, ist dessen Flexibilitätsgrad offen (Merkmal a)). Die zum Einsatz kommenden, nicht weiter spezifizierten Komponenten der Reaktionsmischung können beliebig ein-, zwei- oder mehrkomponentig im Gemisch mit einem ebenfalls beliebigen Treibmittel vorliegen (Merkmal b)). Soweit es sich dabei um solche Ausgangsstoffe handelt, die während des Aufschäumens teilweise oder vollständig mit dem [X.] unter Einbüßung der [X.] reagieren können, ist auch diese Möglichkeit von dem Anspruchswortlaut mit umfasst.

Merkmal b) zufolge enthält die Reaktionsmischung ein Treibmittel, nach oder während dessen Zugabe die Reaktion in mehr oder weniger ausgeprägtem Maß beginnt. „Aufschäumen“ nach Merkmal c) bezeichnet folglich einen nachgeschalteten Vorgang, nämlich die durch rasche und starke Volumenzunahme makroskopisch erkennbare Schaumbildung. Übereinstimmend damit führt das [X.] aus, dass die Reaktionsmischung ein Treibmittel enthält ([X.] [0020] [X.] 14-18) und dass das [X.] in die flüssige Reaktionsmischung gegeben werden kann ([X.] [0021]). Die Zugabe des [X.]s kann mithin vor oder gleichzeitig mit der Zugabe des Treibmittels erfolgen.

3.2. [X.] definiert ein [X.] als in einem dreidimensional verknüpften Netzwerk gefangene organische Flüssigkeit ([X.] [0011] [X.] 45-48, entrapped; [0022] [X.]. 5 [X.] 49-54 und [X.]. 6 [X.] 5-11); Merkmal d)). Aus fachmännischer Sicht handelt es sich damit um ein Gel aus einem anorganischen oder organischen Feststoff und einer organischen Flüssigkeit mit kohärentem Verhalten, nach [X.] ausgedrückt durch „gefangen“. Dies bedeutet, dass sowohl die dispergierte Substanz als auch das Dispersionsmittel zusammenhängen und sich gegenseitig durchdringen. Nach dem allgemeinen Verständnis des Fachmanns hinsichtlich [X.]en liegt das Fließverhalten solcher Substanzen zwischen dem einer idealen Flüssigkeit und dem eines idealen Feststoffs, wonach eine „Fließfähigkeit“ des [X.]s nicht auszuschließen ist.

Dass auch das [X.] für den erfindungsgemäßen Einsatz von [X.]en keine weiteren Einschränkungen bezüglich ihres Eigenschaftsprofils vorsieht, ergibt sich aus den weiteren Erläuterungen der Beschreibung. So werden die einzusetzenden [X.]e zwar an einer Stelle im [X.] als hochelastisch und dimensionsstabil charakterisiert ([X.] [0011] [X.] 35-37 und 47-48 dimensionally stable, highly elastic), allerdings finden sich zu diesen Attributen keine erläuternden oder gar quantifizierenden Angaben. Im Gegenteil können die Ausgangsgele sogar in eine partikuläre Form überführt werden, mit anderen Worten zerkleinert werden ([X.] [0029] [X.]. 7 [X.] 56 - [X.]. 8 [X.] 3), wobei zu den Eigenschaften der partikulären [X.]e jede Angabe fehlt. Weiter erklärt das [X.] in Übereinstimmung mit dem Wortlaut zu Merkmal d) im Patentanspruch 1 eine Vielzahl von [X.]en als für den erfindungsgemäßen Zweck geeignet ([X.] [0014], [0024-0026]), darunter fachbekannt flüssige bis halbflüssige und daher nicht einmal als reine Gele gewertete PVC [X.] ([X.] [0014] [X.] 21 und [0024] [X.] 35). Soweit das [X.] schließlich physikalisch quantifizierbare Eigenschaften der erfindungsgemäß einsetzbaren Gele benennt, sind diese ausdrücklich als lediglich bevorzugte Ausgestaltungen dargelegt ([X.] [0023] [X.] 12-13 und 18-21 gel strength or gel rigidity).

II.

Die Gegenstände der erteilten nebengeordneten Patentansprüche 1 und 10 sind gegenüber der Druckschrift [X.] nicht neu.

Denn die Druckschrift [X.] beschreibt ein Verfahren zur Wiederverwertung von Polyurethankunststoffen, wie Weich- und Halbhartschäumen, zu neuen geschäumten Polyurethanprodukten mit unterschiedlichen Schaumqualitäten, also auch unterschiedlicher Flexibilität ([X.] [X.]. 2 [X.] 20-36 und [X.]. 5 [X.] 4-7 und 24-29). Dabei entspricht der zum Anmeldezeitpunkt der [X.] verwendete Begriff „Weichschaum“ der zum Zeitrang des [X.]s geläufigen Ausdrucksweise eines flexiblen Schaums. Der Lehre der [X.] nach werden mit [X.]en und/oder anderen reaktiven oder nichtreaktiven [X.] zu einem fließfähigen Gel (Merkmal d)) aufbereitete Polyurethankunststoffe mit den zur Polyurethanbildung notwendigen Komponenten [X.] und [X.], ggf. unter Zusatz von Hilfsstoffen, u.a. durch Zumischen (Verteilung) in einer bestehenden Polyurethanschaumrezeptur und Verschäumen zu neuen Polyurethanprodukten verarbeitet ([X.] Ansprüche 1 und 17; Merkmale a), c)). Ebenso ist die Anwesenheit eines Treibmittels (Blähmittels) wie niedrig siedender Kohlenwasserstoffe beschrieben ([X.] [X.]. 3 [X.] 13-17, Anspruch 18; Merkmal b)).

Hinsichtlich Merkmal d) lehrt [X.], ähnlich wie es das [X.] als Möglichkeit vorsieht, im Einzelnen, Polyurethankunststoffe mit z.B. [X.]en, aber auch anderen organischen [X.] anzuquellen ([X.] Ansprüche 1, 8-11), was zu einem hochviskosen Gel führt ([X.] [X.]. 2 [X.] 28-29), welches im Anschluß zu einem fließfähigen Gel zerkleinert wird ([X.] Ansprüche 1-3 und [X.]. 2 [X.] 20-27). So können [X.] zufolge je nach Art der eingesetzten Polyurethanabfälle nach dem Quellen weiche glatte Gele, schleimige Produkte oder glasige Quellprodukte mit relativ hoher Festigkeit gebildet werden, die nach der Zerkleinerung zu homogen fließfähigen Gelen führen, von denen auch ein Teil des [X.] abgetrennt werden kann ([X.] [X.]. 4 [X.] 28-41). Dies führt zu einer Viskositätserhöhung der Gele.

Soweit die Beklagte das „fließfähige Gel“ der [X.] nicht als [X.] im chemischen Sinne oder im Sinne des Klagepatents erachtet, sondern als ein fließfähiges sogenanntes „Sol“, das inhärent fließfähig sei und keine dimensionale Stabilität besitze, vernachlässigt sie, dass auch das [X.] nach den obigen Ausführungen insoweit weder eine scharfe Abgrenzung trifft noch eine solche beansprucht. Auch ihrer mit Verweis auf eine Passage der [X.] vorgetragenen Sichtweise (s. [X.] [X.]. 2 [X.] 5-14), dass sogar von einer Zugabe eines höherviskosen Quellprodukts abgeraten werde, steht entgegen, dass die diese Passage weiterführenden Erklärungen lediglich die Zerkleinerung der Ausgangsgele unter Bildung fließfähiger Gele lehren, aber gerade nicht von Sol-Systemen sprechen ([X.] [X.]. 2 [X.] 15-27), und auch das [X.], wie ausgeführt, ein Zerkleinern der Gele vorsieht.

Die Gele der [X.] erfüllen somit das Eigenschaftsprofil streitpatentgemäß beanspruchter [X.]e, wonach das Verfahren und das [X.] nach den erteilten Patentansprüchen 1 und 10 nicht neu sind.

III.

Gleichermaßen sind Verfahren und [X.] nach den Patentansprüchen 1 und 10 gemäß Hilfsantrag 1 gegenüber der [X.] [X.] nicht neu. Die Zulässigkeit des [X.] kann somit dahinstehen.

Der Hilfsantrag fügt dem erteilten Patentanspruch 1 das Merkmal hinzu, wonach das [X.] in dem flexiblen Polyurethanschaum integriert ist und zumindest einen Teil seiner Zellrippen und/oder Zellwände bildet.

Wie das [X.] hierzu im Einzelnen darlegt, ist die Integration des [X.]s in den Polyurethanschaum darauf zurückzuführen, dass das [X.] sich in der Reaktionsmischung nicht vollständig löst und während der Schaumbildung in diesen eingebaut wird. Dabei kann es beim Auftreten von reaktiven Gruppen im [X.] auch zur Ausbildung chemischer Bindungen mit den Komponenten des Schaumbildners kommen ([X.] [0030]). Dass diese Integration unabhängig von der Art eines (nicht vollständig gelösten) Füllstoffs erfolgt, wenn dieser in ein aufzuschäumendes Gemisch vor dessen Aufschäumen eingetragen wird, hat die Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten, sondern selbst vorgetragen. Ersichtlich will sich die Lehre des [X.]s von der im Stand der Technik dargelegten Möglichkeit abgrenzen, Schäume mit Gelen zu imprägnieren, wobei deren Zellrippen und/oder Zellwände mit dem Gel lediglich beschichtet werden.

Dass es nach den Ausführungen im [X.] beim Vorhandensein reaktiver Gruppen im [X.] zu einer starken Immobilisierung des [X.]s im Schaummaterial mittels chemischer Bindungen kommt ([X.] [X.]. 8 [X.] 17-22), basiert auf geläufigem, bereits in [X.] zur Anwendung gebrachten Fachwissen. Danach vermag von den gängigen Polyurethanschaumbildner-Komponenten [X.] und [X.], auch als [X.] bezeichnet, das [X.] nicht nur mit den [X.]en im Reaktionsgemisch, sondern auch mit den ggf. zur Bildung eines [X.]s verwendeten [X.]-[X.] zu reagieren.

Vor diesem Hintergrund sieht es die [X.] als ein Ziel, [X.]e, die als Quellmittel für das dort eingesetzte fließfähige [X.] dienen, vollständig mit äquivalenten Mengen [X.] abreagieren zu lassen ([X.] [X.]. 4 [X.] 57-62; Anspruch 16). Durch die chemische Umwandlung des [X.] in einen Polymerbestandteil gehen die [X.] des [X.]s im geschäumten Produkt jedenfalls verloren.

Ausdrücklich und detailliert beschreibt [X.] allerdings auch die Möglichkeit, noch nicht völlig ausgehärteten Abfallschaum (Gelbildner) bei sofortiger Behandlung leicht zu quellen und in Gelform der [X.]-lsocyanat-Mischung zuzusetzen. Dabei sei für das Gel kein Härterzusatz notwendig, wenn es im wesentlichen unzersetzt vorliege ([X.] [X.]. 3 [X.] 24-30; Härter = [X.] gemäß [X.]. 1 [X.] 25-28). Da der „Härter“ nur mit „isocyanatreaktiven“ Verbindungen reagieren kann, bezieht sich diese Passage vorrangig auf die vorher genannten [X.]e als Quellmittel ([X.] [X.]. 3 [X.] 19-24). Folglich wird ein mit [X.]en angequollenes Gel der laufenden Produktion zugeführt und damit dem Reaktionsgemisch der einander äquivalent eingesetzten Schaumbildner [X.] und [X.]. Von den Schaumbildnern reagiert das [X.] somit gar nicht oder allenfalls vernachlässigbar mit dem [X.] im Gelkörper ab, vorrangig jedoch mit dem äquivalent eingesetzten flüssigen und damit reaktiveren [X.] im Reaktionsgemisch. In der Folge bleibt das [X.] im produzierten Schaum erhalten und bildet zumindest einen Teil seiner Zellrippen und/oder Zellwände.

Es kann ungeklärt bleiben, ob sich das Weglassen des Härterzusatzes in dieser Passage der [X.] nur auf die vorher zuletzt als Quellmittel aufgeführten reaktiven [X.]e bezieht, oder ob auch weitere Quellmittel reaktiver und nicht-reaktiver Natur, wie sie [X.] als ebenfalls geeignet ausweist ([X.] [X.]. 3 [X.] 10 - [X.]. 4 [X.] 1 und Ansprüche 8-11), vom Fachmann insoweit mitverstanden werden. In diesem Fall führen gegenüber [X.] inerte Quellmittel ([X.] [X.]. 3 [X.] 10-17 und [X.] 60 -[X.]. 4 [X.] 1) zwangsläufig zum Erhalt und zur Integration der [X.]e im gebildeten Polyurethanschaum.

Soweit die Beklagte argumentiert, dass im Rahmen des Verfahrens nach [X.] das als Quellmittel eingesetzte [X.] durch Reaktion mit dem [X.] (vollständig) verbraucht werde, wobei die Identität des Gels verloren gehe und sich dieses Vorgehen auch bei der in Patentanspruch 19 der [X.] beschriebenen Zuführung von als fließfähige Gele aufbereiteten Polyurethankunststoffen in die laufende Produktion nicht ändere, steht diesem Vorbringen offenkundig die oben diskutierte Variante mit fehlendem Härterzusatz entgegen.

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, dass sie sich das Weglassen des Härterzusatzes beim Einsatz nicht ausgehärteten [X.] nur im Zusammenhang mit darin noch vorhandenen [X.]gruppen erklären könne, die mit der zum [X.] notwendigen geringen Menge [X.] ausreichend abreagierten, kann dieser Annahme nicht gefolgt werden. Denn im unvollständig ausgehärteten Abfallschaum liegen [X.] und [X.] in geringen, aber äquivalenten Mengen vor, und ein Abreagieren mit den nach [X.] geforderten hohen Mengen an Quellmittel ([X.] [X.]. 4 [X.] 14-18) im Sinne eines vollständigen oder zumindest „ausreichenden“ Abreagierens ist nicht möglich. Damit kann bei der in [X.] gelehrten Variante ohne Härterzusatz der Gelzustand des [X.]s nicht verlorengehen, sondern es liegt stets ein [X.]überschuss und damit ein Quellmittel vor. In dieser Ausgestaltung verbleibt jedenfalls [X.] im Endprodukt und beeinflusst die physikalischen Eigenschaften des gebildeten Schaums.

Zwar ist dem weiteren Einwand der Beklagten grundsätzlich zuzustimmen, dass es ein grundsätzliches Bestreben eines [X.] sei, die Schaumeigenschaften durch die Beimischung des Altschaummaterials möglichst nicht zu verändern, was gegen das Vorliegen eines (sich in seinen physikalischen Eigenschaften von einem Schaummaterial unterscheidenden) [X.]s in den fertigen Schäumen spreche. Allerdings ist, wie auch die Beklagte nicht in Abrede gestellt hat, das Ausmaß des durch das [X.] grundsätzlich bestehenden und vermittelten Effekts unter anderem von dessen Zugabemenge abhängig. Was die Zugabemenge betrifft, gibt das [X.] in den Patentansprüchen 1 und 3 nicht einmal eine Untergrenze vor, während Patentanspruch 2 einen Mindestwert von 0,1 Gew.-% im Reaktionsgemisch nennt. Ein mit einer solchen Untergrenze „verdünnter“ [X.]anteil bewirkt keine merklichen Effekte, wonach auch entsprechend der Lehre der [X.] in ggf. kleinen Anteilen vorhandene Gelanteile keine merkliche Veränderung der Schaumeigenschaften bedingen und damit das angestrebte Ziel eines [X.] ermöglichen.

IV.

Wie der Senat bereits im Hinweis nach § 83 Abs. 1 [X.] ausgeführt hat, ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die in den auf die Patentansprüche 1 und 10 nach Hilfsantrag 1 mittelbar und unmittelbar zurückbezogenen Ausgestaltungen der [X.] 2 bis 9 und 11 bis 14 angesichts des aufgezeigten Standes der Technik zu einem patentwürdigen Verfahren oder [X.] führen könnten. Die Beklagte hat gegen diese Einschätzung nachfolgend keine Einwände vorgetragen.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 ZPO.

Meta

3 Ni 32/19 (EP)

09.11.2021

Bundespatentgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

nachgehend BGH, 30. Januar 2024, Az: X ZR 15/22, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 09.11.2021, Az. 3 Ni 32/19 (EP) (REWIS RS 2021, 10598)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 10598


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZR 15/22

Bundesgerichtshof, X ZR 15/22, 30.01.2024.


Az. 3 Ni 32/19 (EP)

Bundespatentgericht, 3 Ni 32/19 (EP), 09.11.2021.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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