Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2015, Az. X ZR 64/13

X. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 8625

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X [X.]
Verkündet am:
7. Juli 2015
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Bitratenreduktion
[X.] § 119 Abs.
3, Abs. 5
Im Patentnichtigkeitsverfahren ist die Sache im Falle der Aufhebung des pa-tentgerichtlichen Urteils durch den [X.] regelmäßig zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückzuverweisen, wenn dieses eine Erstbewertung des Standes der Technik unter dem Gesichtspunkt der Patentfähigkeit noch nicht vorgenommen hat.
[X.], Urteil vom 7. Juli 2015 -
X [X.] -
[X.]

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.]s hat auf die mündliche Verhand-lung vom 7.
Juli 2015 durch [X.], die Richter Dr.
Grabinski, [X.] und Dr.
Deichfuß sowie die Richterin Dr.
Kober-Dehm
für
Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12.
März 2013 verkündete Urteil des 5.
Senats ([X.]) des Bundes-patentgerichts aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Patentgericht zurück-verwiesen.
Von Rechts wegen
-
3
-
Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des am 10.
September 1987 angemeldeten, mit Wirkung für die [X.] erteilten und vor Klageerhe-bung durch Zeitablauf erloschenen [X.] Patents 260
748 (Streitpa-tents). Es nimmt Prioritäten vom 13.
September 1986, 8.
November 1986 und 23.
Mai 1987 in Anspruch und umfasst 17
Patentansprüche, von denen Pa-tentanspruch
1 folgenden Wortlaut hat:
"Verfahren zur Bitratenreduktion bei der Codierung eines Signals mit einer Folge von [X.]en, das einen am häufigsten, in un-unterbrochenen [X.] vorkommenden, bestimmten Signal-wert (A) enthält und aus denen eine Folge von [X.] gebildet wird, dadurch gekennzeichnet,
dass wenigstens ein [X.]
-
entweder aus einem anderen [X.] und aus einer [X.], ununterbrochenen
[X.] des bestimmten [X.]s (A), wenn diese vorhanden ist,
-
oder aus einem anderen [X.] und aus einer vorangehen-den, ununterbrochenen [X.] des bestimmten [X.]es (A), wenn diese vorhanden ist,
gebildet wird und
dass bei der Bildung der Folge der [X.] nur die vorange-henden oder nur die nachfolgenden [X.] des bestimmten [X.]es (A) mit dem anderen [X.] verwendet werden."
Die Klägerinnen, die sich Ansprüchen aus dem Streitpatent ausgesetzt sehen, machen geltend, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und sei [X.] hinaus nicht patentfähig.
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen rich-tet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Ziel einer Klageabweisung 1
2
3
-
4
-
weiterverfolgt. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in der Fassung von neun Hilfsanträgen. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht zur Prüfung der [X.].
I.
Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Bitratenreduktion für die Codierung von Bild-
oder Videodaten.
1.
Nach dem im Streitpatent referierten Stand der Technik werden [X.] so codiert, dass Videobilder mit möglichst geringer Bitrate in ausrei-chender Qualität übertragen werden können. Die Codierung erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst werden gleichgroße
Blöcke von Abtastwerten der Bildpunk-te einer diskreten Cosinus-Transformation unterworfen, so dass ein neuer Block von Zahlenwerten (Koeffizienten) entsteht. In diesem Block hat in der Regel der überwiegende Teil der Koeffizienten den Wert
0 oder nahezu
0. Wegen dieser Häufigkeit des Werts
0 werden die Koeffizienten Huffman-codiert und dabei un-unterbrochene [X.] des Werts
0 als ein einziges "Ereignis" für die Bildung von Huffman-[X.]n verwendet.
Bei der [X.] werden häu-fig auftretende
Ereignisse
mit kurzen
und weniger häufig auftretende
Ereignisse mit
längeren
[X.]n
codiert. Unter den [X.]n ist keines der Beginn eines anderen, so dass es trotz unterschiedlicher Länge keines Präfixes
bedarf, das den Beginn eines neuen [X.] signalisierte.
Insgesamt ergibt sich [X.] eine Bitratenreduktion.
4
5
6
-
5
-
2.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Codierverfahren anzu-geben, das zu einer weiteren Bitratenreduktion für Bilddaten führt.
3.
Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch
1 ein Verfah-ren zur Bitratenreduktion mit folgenden Merkmalen vor [in eckigen Klammern die Gliederung des Patentgerichts]:
1.
Es wird ein Signal mit einer Folge von [X.]en codiert [1.1, 1.2 a].
2.
In dieser Folge von [X.]en gibt es einen bestimmten [X.]
A, der am häufigsten und in ununterbrochenen [X.] vorkommt [1.2 b].
3.
Aus den [X.]en wird eine Folge von Huffman-[X.]n wie folgt gebildet [1.3]:
3.1
Es wird wenigstens ein [X.] gebildet [1.4]
3.1.1
entweder aus einem anderen [X.] und aus einer nachfolgenden ununterbrochenen [X.] des bestimmten [X.]es
(A), wenn diese vorhanden ist, [1.4 a]
3.1.2
oder aus einem anderen [X.] und aus einer vorangehenden ununterbrochenen [X.] des bestimmten [X.]es (A), wenn diese vorhan-den ist. [1.4 b]
3.2
Bei der Bildung der Folge der [X.] werden [1.5]
3.2.1
nur die vorangehenden [X.] [1.5 a] oder
3.2.2
nur die nachfolgenden [X.] [1.5
b]
7
8
-
6
-
des bestimmten [X.]es (A) mit dem anderen [X.] verwendet.
4.
Einige Merkmale bedürfen der näheren Erläuterung:
a)
Die Merkmalsgruppe
3.1 hat nicht die ihr vom Patentgericht zuge-messene Bedeutung.
aa)
Im Zusammenhang mit der Prüfung einer unzulässigen Erweiterung hat das Patentgericht angenommen, da der am häufigsten vorkommende [X.]
A in ununterbrochenen
[X.]
vorkomme ("vgl. Merkmal
2"), sei de-ren Länge zwangsläufig größer Null. Nach den Merkmalen
3.1.1 und 3.1.2 soll-ten jedoch nur andere [X.]e zusammen mit vorhandenen, ununterbro-chenen [X.] des bestimmten [X.]
A codiert werden. Die Merk-malsgruppe
3.1 lasse mithin offen, wie Ereignisse codiert würden, bei denen einem solchen anderen [X.] kein [X.]
A vorausgehe beziehungs-weise nachfolge. Auch den weiteren Merkmalen des Patentanspruchs
1 sei hierzu keine Definition zu entnehmen. Die Codierung von Ereignissen, bei de-nen die [X.] des [X.]
A die Länge
0 aufweise, sei vielmehr in das Belieben des Fachmanns gestellt. Der
Beschreibung sei zwar zu entnehmen, dass auch solche Ereignisse als zu codierende Ereignisse behandelt werden. Indessen habe diese Vorschrift keinen Eingang in den Patentanspruch gefun-den. Aus fachmännischer Sicht erscheine es nicht abwegig, nicht alle Huffman-[X.] gemäß der Bildungsregel der Merkmalsgruppe
3.1 zu bilden, son-dern eine Teilmenge der [X.] nach einer hiervon abweichenden Bil-dungsregel zu generieren.
bb)
Dies rügt die Berufung zu Recht als rechtsfehlerhaft.

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12
-
7
-
Der Sinngehalt eines Merkmals ist mit Blick darauf zu ermitteln, was mit dem Merkmal aus der Sicht des Fachmanns im Hinblick auf die Erfindung [X.] werden soll. Dabei können der allgemeine wie auch der übliche fachliche [X.]rachgebrauch Anhaltspunkte für das Verständnis des Fachmanns geben. Mit Rücksicht darauf, dass Begriffe in einer Patentbeschreibung abweichend vom allgemeinen [X.]rachgebrauch benutzt werden können, ist letztlich aber der sich aus dem Gesamtzusammenhang der Patentschrift ergebende Begriffsinhalt maßgeblich. Für einen Rückgriff auf den allgemeinen [X.]rachgebrauch ist umso weniger Raum, je mehr der Inhalt der Patentschrift auf ein abweichendes Ver-ständnis hindeutet. Die Beschreibung des Patents kann Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein "patenteigenes Lexikon" darstellen. Auch der Grund-satz, dass bei Widersprüchen zwischen Anspruch und Beschreibung der [X.] genießt, weil dieser und nicht die Beschreibung den geschütz-ten Gegenstand definiert und damit auch begrenzt, schließt nicht aus, dass sich aus der Beschreibung und den Zeichnungen ein Verständnis des [X.]s ergibt, das von demjenigen abweicht, das der bloße Wortlaut des [X.] vermittelt. Funktion der Beschreibung ist es, die geschützte Erfindung zu erläutern. Im Zweifel ist daher ein Verständnis der Beschreibung und des Anspruchs geboten, das beide Teile der Patentschrift nicht in Widerspruch zu-einander bringt, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem [X.] mit dem Patent zur Verfügung gestellten technischen Lehre als eines sinnvollen Ganzen versteht. Nur wenn und soweit dies nicht möglich ist, ist der Schluss gerechtfertigt, dass aus Teilen der Beschreibung keine Schlussfolge-rungen in Bezug auf den geschützten Gegenstand gezogen werden dürfen ([X.],
Urteile vom 12.
Mai 2015

X
ZR
43/13, juris Rn.
16

Rotorelemente; vom 9.
Juni 2015

X
ZR
101/13, juris Rn.
26
Polymerschaum
II, jeweils mwN).
Das Streitpatent erzielt die angestrebte weitere Bitratenreduktion [X.], dass als zu codierendes Ereignis nicht
die ununterbrochene Folge von 13
14
-
8
-
[X.]en
A (im Folgenden auch: [X.]en
0, denn dies ist der häufigste Fall, [X.].
3 Z.
33
bis 36), sondern diese Folge und zusätzlich der nachfolgende (alternativ der vorangehende, wobei diese Alternative im Folgenden zur [X.] außer Betracht bleibt) andere [X.] behandelt werden. Denn [X.] ergeben sich andere, der Bitratenreduktion günstige Wahrscheinlichkeiten ([X.].
4 Z.
30
bis 43).
Die Beschreibung fasst dies, bevor sie auf Einzelheiten des [X.] eingeht, dahin zusammen, dass das Auftreten einer ununterbro-chenen [X.] von Nullen und des sich dieser [X.] anschließenden Koef-fizienten als ein zu codierendes Ereignis angesehen werde, wie der erfindungs-gemäßen Lehre zu entnehmen sei. Unmittelbar im [X.] hieran fügt sie hinzu, wichtig sei, dass auch das Auftreten keiner Null vor einem von
Null
ver-schiedenen Koeffizienten -
also das Auftreten einer [X.] der Länge
0
-
als zu codierendes Ereignis behandelt werde ([X.]. 3 Z. 37 bis 45). So verfährt auch das Ausführungsbeispiel; das häufigste Ereignis in der Tabelle der Figur
3, das demgemäß das kürzeste Codewort erhält, wird
durch eine [X.] der Länge
0 und den Koeffizienten
1 gebildet.
Eine Lesart des Merkmals
3.1, wonach -
entsprechend den Ausführun-gen des Patentgerichts
-
eine Behandlung von Koeffizienten mit einer vorange-henden [X.] der Länge
0 im Patentanspruch keinen Niederschlag gefunden habe, vernachlässigt, dass es bei der Merkmalsgruppe
3 nicht nur darum geht,
wie (mindestens) ein
Codewort gebildet wird, sondern wie die "Folge von Huff-man-[X.]n" gebildet wird (Merkmal
3 ["Oberbegriff"]). Dies wird durch Merkmal
3.2 weiter verdeutlicht, nach dem bei der Bildung der Folge der Code-worte nur die vorangehenden [X.] des [X.]
0 mit dem anderen [X.] verwendet werden. Demnach
ist es nicht nur "wichtig", wie die [X.] hervorhebt, sondern unumgänglich, dass auch der Fall berücksich-15
16
-
9
-
tigt wird, in dem die [X.] die Länge
0 hat. Die Formulierung "wenn diese vorhanden ist" in Merkmal
3.1.2 besagt somit nur, dass in das Codewort der Wert des "anderen" [X.] und die Länge
>
0 der ununterbrochenen Teil-folge mit Nullwerten eingeht und lediglich der Wert des "anderen" [X.], wenn keine solche Folge vorausgeht. Dies bedeutet zugleich, dass das Code-wort in diesem Fall für den "anderen" [X.] steht, dem keine [X.] mit Nullwerten (oder eine solche mit der Länge
0) vorangeht.
Dabei handelt es sich nicht um eine [X.]ezialität des Ausführungsbei-spiels, sondern um ein generelles Problem,
für das an dieser Stelle der [X.] die erfindungsgemäße Lösung gezeigt wird. Diese Lösung betrifft deshalb den Patentanspruch insgesamt und ist für seine Auslegung mit zu be-rücksichtigen.
Die Vorgabe, mindestens ein
[X.] nach dieser Vorschrift zu bilden, erklärt sich daraus, dass nach Patentanspruch
2 dem [X.] ein Zusatzcodewort angehängt werden kann, wenn die [X.] eine vorgegebene Länge oder der zugeordnete andere [X.] einen vorgegebe-nen Betrag überschreitet, und es nach Patentanspruch
3 möglich ist, eine Wer-tefolge in Abschnitte zu zerlegen und jedem Abschnitt ein [X.] zuzuordnen.
b)
In der Merkmalsgruppe
3.2 stehen die Merkmale
3.2.1 und
3.2.2
in einer Entweder-oder-Beziehung zueinander. Das Wort "nur" jeweils zu Beginn der Merkmale bringt zum Ausdruck, dass in einem Verfahren nur das eine Merkmal oder nur das andere Merkmal zur Anwendung kommt, mithin nicht beide Varianten gemeinsam zur Anwendung kommen können.
17
18
19
-
10
-

c)
Als ein Verfahren zur Bitratenreduktion ist der Gegenstand des Streitpatents auf digitale Werte beschränkt. Bitfolgen oder -ströme, die reduziert werden könnten, setzten digitale Daten voraus.
d)
Merkmal
1 ist dahin zu verstehen, dass jeder Wert in einem Signal ein [X.] ist. Welche inhaltliche Bedeutung diesem Wert zukommt, ist irre-levant.
II.
Das Patentgericht hat angenommen, das Streitpatent gehe in der [X.] und allen weiteren verteidigten Fassungen über den Inhalt der Anmel-dung hinaus.
1.
Den ursprünglichen Unterlagen sei die Merkmalsgruppe
3.1 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. Der Fall einer [X.] der Länge
0 sei dort

anders als in Patentanspruch
1

nicht offen gelassen, vielmehr defi-niert geregelt, und es sei als wichtig hervorgehoben worden, dass auch eine ununterbrochene [X.] mit der Länge
0 zusammen mit einem davor oder dahinter liegenden, vom [X.]
(A) verschiedenen Koeffizienten als ein zu codierendes Ereignis behandelt werde.
2.
Weiterhin sei die Merkmalsgruppe
3.2 den ursprünglichen Unterla-gen nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. Sie bestimme, dass für die Bildung der Huffman-[X.] nur eine der beiden Varianten nach Merk-mal
3.1 verwendet werden könne und daran für das komplette zu [X.] festgehalten werden müsse. Die ursprünglichen Unterlagen ließen hin-gegen beide Varianten nebeneinander zu. In dem für die Anmeldung formulier-ten Patentanspruch
1 sei am Ende lediglich formuliert worden:

der ununterbrochenen [X.] von [X.]en
A mit der Länge
0, 1, 2 usw. zusammen mit dem sich der [X.] an-20
21
22
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-
11
-
schließenden [X.] oder zusammen mit dem der [X.] vorangehenden [X.] ein [X.] zugeordnet wird."
Die mit der Merkmalsgruppe
3.2 festgeschriebene Exklusivität der [X.] von stets nur einer der beiden Varianten finde in diesen ursprüngli-chen Unterlagen weder eine wortgetreue noch eine sinngemäße Stütze. Für die ursprünglich offenbarten Ausführungsbeispiele sei zwar nur eine solche [X.] Verwendung einer der beiden Varianten gezeigt worden. Gleichwohl sei dem Fachmann bewusst, dass er die Mannigfaltigkeit der zu codierenden [X.] auf die Menge der vorangehenden und der nachfolgenden [X.] zusammen mit jeweils einem
anderen [X.] erweitern und die statistischen Signifikanzen dieser größeren Mannigfaltigkeit für die Bildung der Huffman-[X.] heranziehen könne. Die ursprünglich offenbarten Beispiele würden das Verständnis des Fachmanns in keiner
Weise beschränken.
III.
Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.
1.
Patentanspruch
1 geht mit der Fassung der Merkmalsgruppe
3.1 nicht über den Inhalt der ursprünglichen Unterlagen hinaus. Die Auslegung ergibt, wie ausgeführt, dass auch von einem anderen [X.], dem keine [X.] des [X.]
(A) vorangeht beziehungsweise nachfolgt, stets [X.] ein [X.] zu bilden ist. Dies entspricht der erfindungsgemä-ßen Lehre, wie sie schon in der Patentanmeldung beschrieben wurde.
2.
Patentanspruch
1 geht auch nicht mit der Merkmalsgruppe
3.2 über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.
Das Ausführungsbeispiel in der Anmeldung des Streitpatents ([X.].
[X.]) zeigt

wie das Patentgericht zutreffend feststellt

ausschließlich eine Codie-25
26
27
28
29
-
12
-
rung, bei der ununterbrochene [X.] des [X.]
0 mit der Länge
0, 1, [X.]en als ein Ereignis für die Bildung von Huffman-[X.]n zusam-mengefasst werden ([X.], [X.].
3 Z.
15 bis
20). Dieses Ausführungsbeispiel offen-bart damit das Merkmal
3.2.1 in Bezug auf eine Codierung gemäß Merk-mal
3.1.2.
Eine Mischung der Codierung, bei der für einen Teil der anderen [X.] eine Kombination mit vorangehenden [X.] und für den restlichen Teil eine Kombination mit nachfolgenden [X.] des [X.]
(A) vorge-nommen wird, wird in der Anmeldung nicht erörtert.
Der in der Anmeldung formulierte Patentanspruch
1 offenbarte mit sei-nem kennzeichnenden
Teil dem Fachmann eindeutig und unmittelbar, dass nicht nur eine Kombination des anderen [X.] mit vorangehenden Teil-folgen,
sondern auch eine Kombination mit nachfolgenden [X.] des [X.]s
(A) für die Bildung der Huffman-[X.] als Ereignis zugrunde ge-legt werden kann. Das Verfahren für eine Kombination mit nachfolgenden Teil-folgen des [X.]
(A) ist in der Anmeldung nicht anhand eines konkreten Ausführungsbeispiels erläutert. Die Alternative am Ende des in der Anmeldung formulierten Patentanspruchs
1, eine Kombination mit nachfolgenden [X.] des [X.]
(A) vorzunehmen, war für den Fachmann somit dahin zu [X.],
hierfür
ebenso vorzugehen
wie in dem beschriebenen
Verfahren für eine Kombination mit vorangehenden [X.] mit der einzigen Abweichung, für diese Kombination die Reihenfolge der ununterbrochenen [X.] des [X.]s
(A) und des
daran angrenzenden anderen [X.]
zu vertauschen. Dieses sich aus dem in der Anmeldung formulierten Patentanspruch ergebende Verständnis bedurfte keiner weiteren Erläuterung durch ein weiteres Ausfüh-30
31
-
13
-
rungsbeispiel, sondern erschloss sich aus der Formulierung des [X.]s in der Anmeldung unmittelbar.
Ob der Fachmann darüber hinaus der Angabe im beantragten [X.] auch entnahm, beide Varianten mischen zu können, also Huffman-[X.] zu bilden, denen sowohl Kombinationen anderer [X.]e mit vorangehenden [X.] als auch Kombinationen mit nachfolgenden Teilfol-gen der [X.]e
(A) zugrunde liegen, und beides in einem
Signalpaket zu-verlässig decodierbar vereinen zu können, kann offen bleiben. Ein solches Ver-fahren wäre eine zusätzliche Variante, die die Beklagte im Prüfungsverfahren sodann nicht weiterverfolgte, indem sie sich mit der Merkmalsgruppe
3.2 auf eine ausschließliche Verwendung eine der beiden Alternativen ohne Mischfor-men beschränkte. Da diese beiden Alternativen als zur Erfindung gehörend in der Anmeldung offenbart waren, begründet eine solche Beschränkung keine unzulässige Erweiterung.
IV.
Das Urteil des Patentgerichts ist auch nicht deshalb im Ergebnis zu-treffend, weil Patentanspruch
1 in anderer Hinsicht eine unzulässige Erweite-rung enthielte.
Merkmal
1 führt nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hin-aus, indem das zu [X.] lediglich eine Folge von [X.]en um-fassen
und nicht ausschließlich aus solchen Werten bestehen müsste.
In dem in der Anmeldung formulierten Patentanspruch
1 wird dieses Merkmal zwar dahin beschrieben, dass das Signal "aus einer Folge von digital dargestellten [X.]en besteht".
Soweit darin die [X.]e mit dem Adjektiv "digital" beschrieben wer-den, ist dies unschädlich. Auch wenn dieses Wort im erteilten Patentanspruch 32
33
34
35
36
-
14
-
nicht vorkommt, ist das Verfahren aufgrund seiner Funktion zur [X.] auf digital dargestellte Werte beschränkt.
Soweit die Formulierung des Patentanspruchs
1 in der Anmeldung mit den Worten "besteht aus" eine abschließende Aufzählung beschreibt (vgl. [X.],
Urteile vom 12.
Juli 2011
X
ZR
75/08, [X.], 1109 Rn.
37
[X.]; vom 5.
Mai 2015 -
X
ZR
60/13, juris -
Verdickerpolymer), ergibt sich daraus keine Diskrepanz zu Merkmal
1 von Patentanspruch
1 in der erteilten Fassung. Auch in der erteilten Fassung ist dieses Merkmal dahin zu verstehen, dass jeder Wert in einem Signal einen [X.] darstellt.
V.
Da das Patentgericht -
nach seinem Ausgangspunkt konsequent
-
sich mit der Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents nicht befasst hat, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Patentge-richt zurückzuverweisen (§
119 Abs.
2 und 3 [X.]).
Ein Grundgedanke des reformierten Patentnichtigkeitsverfahrens ist es, dass die Patentfähigkeit zunächst durch das auch mit technisch sachkundigen Richtern besetzte Patentgericht bewertet wird und diese Bewertung durch den [X.] überprüft wird. Eine Endentscheidung durch den Bundesge-richtshof (§
119 Abs.
5 [X.]) ist daher regelmäßig nicht sachgerecht, wenn die Erstbewertung des Standes der Technik durch das Patentgericht unterblieben
37
38
39
-
15
-
ist
(vgl. [X.], Urteil vom 17.
Juli 2012
X
ZR
117/11, [X.]Z 194, 107 Rn.
602

Polymerschaum
I). Dafür, dass im Streitfall etwas anderes gälte, ist nichts er-kennbar und wird auch von den Parteien nichts geltend gemacht.

Meier-Beck
Grabinski
[X.]

Deichfuß
Kober-Dehm
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 12.03.2013 -
5 Ni 58/11 (EP) -

Meta

X ZR 64/13

07.07.2015

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2015, Az. X ZR 64/13 (REWIS RS 2015, 8625)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8625

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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