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Patentnichtigkeitsverfahren betreffend ein Europäisches Patent: Zurückverweisung an das Patentgericht zur Erstbewertung des Standes der Technik - Bitratenreduktion
Bitratenreduktion
Im Patentnichtigkeitsverfahren ist die Sache im Falle der Aufhebung des patentgerichtlichen Urteils durch den Bundesgerichtshof regelmäßig zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückzuverweisen, wenn dieses eine Erstbewertung des Standes der Technik unter dem Gesichtspunkt der Patentfähigkeit noch nicht vorgenommen hat.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. März 2013 verkündete Urteil des 5. Senats ([X.]) des [X.] aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Patentgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Beklagte ist Inhaberin des am 10. September 1987 angemeldeten, mit Wirkung für die [X.] erteilten und vor Klageerhebung durch Zeitablauf erloschenen [X.] Patents 260 748 (Streitpatents). Es nimmt Prioritäten vom 13. September 1986, 8. November 1986 und 23. Mai 1987 in Anspruch und umfasst 17 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut hat:
"Verfahren zur Bitratenreduktion bei der Codierung eines Signals mit einer Folge von Signalwerten, das einen am häufigsten, in ununterbrochenen [X.] vorkommenden, bestimmten Signalwert (A) enthält und aus denen eine Folge von [X.] gebildet wird, dadurch gekennzeichnet,
dass wenigstens ein Huffman-Codewort
- entweder aus einem anderen Signalwert und aus einer nachfolgenden, ununterbrochenen [X.] des bestimmten Signalwertes (A), wenn diese vorhanden ist,
- oder aus einem anderen Signalwert und aus einer vorangehenden, ununterbrochenen [X.] des bestimmten Signalwertes (A), wenn diese vorhanden ist,
gebildet wird und
dass bei der Bildung der Folge der [X.] nur die vorangehenden oder nur die nachfolgenden [X.] des bestimmten Signalwertes (A) mit dem anderen Signalwert verwendet werden."
Die Klägerinnen, die sich Ansprüchen aus dem Streitpatent ausgesetzt sehen, machen geltend, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und sei darüber hinaus nicht patentfähig.
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Ziel einer Klageabweisung weiterverfolgt. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in der Fassung von neun Hilfsanträgen. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.
Die zulässige Berufung führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht zur Prüfung der Patentfähigkeit.
I. [X.] betrifft ein Verfahren zur Bitratenreduktion für die Codierung von Bild- oder Videodaten.
1. Nach dem im Streitpatent referierten Stand der Technik werden Videosignale so codiert, dass Videobilder mit möglichst geringer Bitrate in ausreichender Qualität übertragen werden können. Die Codierung erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst werden gleichgroße Blöcke von [X.] der Bildpunkte einer diskreten Cosinus-Transformation unterworfen, so dass ein neuer Block von Zahlenwerten (Koeffizienten) entsteht. In diesem Block hat in der Regel der überwiegende Teil der Koeffizienten den Wert 0 oder nahezu 0. Wegen dieser Häufigkeit des Werts 0 werden die Koeffizienten Huffman-codiert und dabei ununterbrochene [X.] des Werts 0 als ein einziges "Ereignis" für die Bildung von [X.] verwendet. Bei der [X.] werden häufig auftretende Ereignisse mit kurzen und weniger häufig auftretende Ereignisse mit längeren [X.]n codiert. Unter den [X.]n ist keines der Beginn eines anderen, so dass es trotz unterschiedlicher Länge keines [X.] bedarf, das den Beginn eines neuen [X.] signalisierte. Insgesamt ergibt sich daraus eine Bitratenreduktion.
2. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Codierverfahren anzugeben, das zu einer weiteren Bitratenreduktion für Bilddaten führt.
3. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 ein Verfahren zur Bitratenreduktion mit folgenden Merkmalen vor [in eckigen Klammern die Gliederung des Patentgerichts]:
1. Es wird ein Signal mit einer Folge von [X.]en codiert [1.1, 1.2 a].
2. In dieser Folge von [X.]en gibt es einen bestimmten [X.] A, der am häufigsten und in ununterbrochenen [X.] vorkommt [1.2 b].
3. Aus den [X.]en wird eine Folge von [X.] wie folgt gebildet [1.3]:
3.1 Es wird wenigstens ein [X.] gebildet [1.4]
3.1.1 entweder aus einem anderen [X.] und aus einer nachfolgenden ununterbrochenen [X.] des bestimmten [X.]es (A), wenn diese vorhanden ist, [1.4 a]
3.1.2 oder aus einem anderen [X.] und aus einer vorangehenden ununterbrochenen [X.] des bestimmten [X.]es (A), wenn diese vorhanden ist. [1.4 b]
3.2 Bei der Bildung der Folge der [X.] werden [1.5]
3.2.1 nur die vorangehenden [X.] [1.5 a] oder
3.2.2 nur die nachfolgenden [X.] [1.5 b]
des bestimmten [X.]es (A) mit dem anderen [X.] verwendet.
4. Einige Merkmale bedürfen der näheren Erläuterung:
a) Die [X.].1 hat nicht die ihr vom Patentgericht zugemessene Bedeutung.
aa) Im Zusammenhang mit der Prüfung einer unzulässigen Erweiterung hat das Patentgericht angenommen, da der am häufigsten vorkommende [X.] A in ununterbrochenen [X.] vorkomme ("vgl. Merkmal 2"), sei deren Länge zwangsläufig größer Null. Nach den Merkmalen 3.1.1 und 3.1.2 sollten jedoch nur andere [X.]e zusammen mit vorhandenen, ununterbrochenen [X.] des bestimmten [X.] codiert werden. Die [X.].1 lasse mithin offen, wie Ereignisse codiert würden, bei denen einem solchen anderen [X.] kein [X.] A vorausgehe beziehungsweise nachfolge. Auch den weiteren Merkmalen des Patentanspruchs 1 sei hierzu keine Definition zu entnehmen. Die Codierung von Ereignissen, bei denen die [X.] des [X.] die Länge 0 aufweise, sei vielmehr in das Belieben des Fachmanns gestellt. Der Beschreibung sei zwar zu entnehmen, dass auch solche Ereignisse als zu codierende Ereignisse behandelt werden. Indessen habe diese Vorschrift keinen Eingang in den Patentanspruch gefunden. Aus fachmännischer Sicht erscheine es nicht abwegig, nicht alle [X.]e gemäß der Bildungsregel der [X.].1 zu bilden, sondern eine Teilmenge der [X.] nach einer hiervon abweichenden Bildungsregel zu generieren.
bb) Dies rügt die Berufung zu Recht als rechtsfehlerhaft.
Der Sinngehalt eines Merkmals ist mit Blick darauf zu ermitteln, was mit dem Merkmal aus der Sicht des Fachmanns im Hinblick auf die Erfindung erreicht werden soll. Dabei können der allgemeine wie auch der übliche fachliche [X.]rachgebrauch Anhaltspunkte für das Verständnis des Fachmanns geben. Mit Rücksicht darauf, dass Begriffe in einer Patentbeschreibung abweichend vom allgemeinen [X.]rachgebrauch benutzt werden können, ist letztlich aber der sich aus dem Gesamtzusammenhang der Patentschrift ergebende Begriffsinhalt maßgeblich. Für einen Rückgriff auf den allgemeinen [X.]rachgebrauch ist umso weniger Raum, je mehr der Inhalt der Patentschrift auf ein abweichendes Verständnis hindeutet. Die Beschreibung des Patents kann Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein "patenteigenes Lexikon" darstellen. Auch der Grundsatz, dass bei Widersprüchen zwischen Anspruch und Beschreibung der Anspruch Vorrang genießt, weil dieser und nicht die Beschreibung den geschützten Gegenstand definiert und damit auch begrenzt, schließt nicht aus, dass sich aus der Beschreibung und den Zeichnungen ein Verständnis des Patentanspruchs ergibt, das von demjenigen abweicht, das der bloße Wortlaut des Anspruchs vermittelt. Funktion der Beschreibung ist es, die geschützte Erfindung zu erläutern. Im Zweifel ist daher ein Verständnis der Beschreibung und des Anspruchs geboten, das beide Teile der Patentschrift nicht in Widerspruch zueinander bringt, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem Fachmann mit dem Patent zur Verfügung gestellten technischen Lehre als eines sinnvollen Ganzen versteht. Nur wenn und soweit dies nicht möglich ist, ist der Schluss gerechtfertigt, dass aus Teilen der Beschreibung keine Schlussfolgerungen in Bezug auf den geschützten Gegenstand gezogen werden dürfen ([X.], Urteile vom 12. Mai 2015 - [X.], juris Rn. 16 - Rotorelemente; vom 9. Juni 2015 - [X.], juris Rn. 26 - [X.], jeweils mwN).
[X.] erzielt die angestrebte weitere Bitratenreduktion dadurch, dass als zu codierendes Ereignis nicht die ununterbrochene Folge von [X.] (im Folgenden auch: [X.]en 0, denn dies ist der häufigste Fall, [X.]. 3 Z. 33 bis 36), sondern diese Folge und zusätzlich der nachfolgende (alternativ der vorangehende, wobei diese Alternative im Folgenden zur Vereinfachung außer Betracht bleibt) andere [X.] behandelt werden. Denn hierfür ergeben sich andere, der Bitratenreduktion günstige Wahrscheinlichkeiten ([X.]. 4 Z. 30 bis 43).
Die Beschreibung fasst dies, bevor sie auf Einzelheiten des Ausführungsbeispiels eingeht, dahin zusammen, dass das Auftreten einer ununterbrochenen [X.] von Nullen und des sich dieser [X.] anschließenden Koeffizienten als ein zu codierendes Ereignis angesehen werde, wie der erfindungsgemäßen Lehre zu entnehmen sei. Unmittelbar im [X.] hieran fügt sie hinzu, wichtig sei, dass auch das Auftreten keiner Null vor einem von Null verschiedenen Koeffizienten - also das Auftreten einer [X.] der Länge 0 - als zu codierendes Ereignis behandelt werde ([X.]. 3 Z. 37 bis 45). So verfährt auch das Ausführungsbeispiel; das häufigste Ereignis in der Tabelle der Figur 3, das demgemäß das kürzeste Codewort erhält, wird durch eine [X.] der Länge 0 und den Koeffizienten 1 gebildet.
Eine Lesart des Merkmals 3.1, wonach - entsprechend den Ausführungen des Patentgerichts - eine Behandlung von Koeffizienten mit einer vorangehenden [X.] der Länge 0 im Patentanspruch keinen Niederschlag gefunden habe, vernachlässigt, dass es bei der [X.] nicht nur darum geht, wie (mindestens) ein Codewort gebildet wird, sondern wie die "Folge von [X.]" gebildet wird (Merkmal 3 ["Oberbegriff"]). Dies wird durch Merkmal 3.2 weiter verdeutlicht, nach dem bei der Bildung der Folge der [X.] nur die vorangehenden [X.] des [X.] 0 mit dem anderen [X.] verwendet werden. Demnach ist es nicht nur "wichtig", wie die Beschreibung hervorhebt, sondern unumgänglich, dass auch der Fall berücksichtigt wird, in dem die [X.] die Länge 0 hat. Die Formulierung "wenn diese vorhanden ist" in Merkmal 3.1.2 besagt somit nur, dass in das Codewort der Wert des "anderen" [X.] und die Länge > 0 der ununterbrochenen [X.] mit Nullwerten eingeht und lediglich der Wert des "anderen" [X.], wenn keine solche Folge vorausgeht. Dies bedeutet zugleich, dass das Codewort in diesem Fall für den "anderen" [X.] steht, dem keine [X.] mit Nullwerten (oder eine solche mit der Länge 0) vorangeht.
Dabei handelt es sich nicht um eine [X.]ezialität des Ausführungsbeispiels, sondern um ein generelles Problem, für das an dieser Stelle der Beschreibung die erfindungsgemäße Lösung gezeigt wird. Diese Lösung betrifft deshalb den Patentanspruch insgesamt und ist für seine Auslegung mit zu berücksichtigen.
Die Vorgabe, mindestens ein [X.] nach dieser Vorschrift zu bilden, erklärt sich daraus, dass nach Patentanspruch 2 dem [X.] ein Zusatzcodewort angehängt werden kann, wenn die [X.] eine vorgegebene Länge oder der zugeordnete andere [X.] einen vorgegebenen Betrag überschreitet, und es nach Patentanspruch 3 möglich ist, eine Wertefolge in Abschnitte zu zerlegen und jedem Abschnitt ein [X.] zuzuordnen.
b) In der [X.].2 stehen die Merkmale 3.2.1 und 3.2.2 in einer Entweder-oder-Beziehung zueinander. Das Wort "nur" jeweils zu Beginn der Merkmale bringt zum Ausdruck, dass in einem Verfahren nur das eine Merkmal oder nur das andere Merkmal zur Anwendung kommt, mithin nicht beide Varianten gemeinsam zur Anwendung kommen können.
c) Als ein Verfahren zur Bitratenreduktion ist der Gegenstand des Streitpatents auf digitale Werte beschränkt. Bitfolgen oder -ströme, die reduziert werden könnten, setzten digitale Daten voraus.
d) Merkmal 1 ist dahin zu verstehen, dass jeder Wert in einem Signal ein [X.] ist. Welche inhaltliche Bedeutung diesem Wert zukommt, ist irrelevant.
II. Das Patentgericht hat angenommen, das Streitpatent gehe in der erteilten und allen weiteren verteidigten Fassungen über den Inhalt der Anmeldung hinaus.
1. Den ursprünglichen Unterlagen sei die [X.].1 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. Der Fall einer [X.] der Länge 0 sei dort - anders als in Patentanspruch 1 - nicht offen gelassen, vielmehr definiert geregelt, und es sei als wichtig hervorgehoben worden, dass auch eine ununterbrochene [X.] mit der Länge 0 zusammen mit einem davor oder dahinter liegenden, vom [X.] (A) verschiedenen Koeffizienten als ein zu codierendes Ereignis behandelt werde.
2. Weiterhin sei die [X.].2 den ursprünglichen Unterlagen nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. Sie bestimme, dass für die Bildung der [X.]e nur eine der beiden Varianten nach Merkmal 3.1 verwendet werden könne und daran für das komplette zu [X.] festgehalten werden müsse. Die ursprünglichen Unterlagen ließen hingegen beide Varianten nebeneinander zu. In dem für die Anmeldung formulierten Patentanspruch 1 sei am Ende lediglich formuliert worden:
"… dass jeder ununterbrochenen [X.] von [X.] mit der Länge 0, 1, 2 usw. zusammen mit dem sich der [X.] anschließenden [X.] oder zusammen mit dem der [X.] vorangehenden [X.] ein [X.] zugeordnet wird."
Die mit der [X.].2 festgeschriebene Exklusivität der Verwendung von stets nur einer der beiden Varianten finde in diesen ursprünglichen Unterlagen weder eine wortgetreue noch eine sinngemäße Stütze. Für die ursprünglich offenbarten Ausführungsbeispiele sei zwar nur eine solche exklusive Verwendung einer der beiden Varianten gezeigt worden. Gleichwohl sei dem Fachmann bewusst, dass er die Mannigfaltigkeit der zu codierenden Ereignisse auf die Menge der vorangehenden und der nachfolgenden [X.] zusammen mit jeweils einem anderen [X.] erweitern und die statistischen Signifikanzen dieser größeren Mannigfaltigkeit für die Bildung der [X.]e heranziehen könne. Die ursprünglich offenbarten Beispiele würden das Verständnis des Fachmanns in keiner Weise beschränken.
III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.
1. Patentanspruch 1 geht mit der Fassung der [X.].1 nicht über den Inhalt der ursprünglichen Unterlagen hinaus. Die Auslegung ergibt, wie ausgeführt, dass auch von einem anderen [X.], dem keine [X.] des [X.] (A) vorangeht beziehungsweise nachfolgt, stets einzeln ein [X.] zu bilden ist. Dies entspricht der erfindungsgemäßen Lehre, wie sie schon in der Patentanmeldung beschrieben wurde.
2. Patentanspruch 1 geht auch nicht mit der [X.].2 über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.
Das Ausführungsbeispiel in der Anmeldung des Streitpatents ([X.]. [X.]) zeigt - wie das Patentgericht zutreffend feststellt - ausschließlich eine Codierung, bei der ununterbrochene [X.] des [X.] 0 mit der Länge 0, 1, 2 … zusammen mit sich daran anschließenden, also nachfolgenden anderen [X.]en als ein Ereignis für die Bildung von [X.] zusammengefasst werden ([X.], [X.]. 3 Z. 15 bis 20). Dieses Ausführungsbeispiel offenbart damit das Merkmal 3.2.1 in Bezug auf eine Codierung gemäß Merkmal 3.1.2.
Eine Mischung der Codierung, bei der für einen Teil der anderen [X.]e eine Kombination mit vorangehenden [X.] und für den restlichen Teil eine Kombination mit nachfolgenden [X.] des [X.] (A) vorgenommen wird, wird in der Anmeldung nicht erörtert.
Der in der Anmeldung formulierte Patentanspruch 1 offenbarte mit seinem kennzeichnenden Teil dem Fachmann eindeutig und unmittelbar, dass nicht nur eine Kombination des anderen [X.] mit vorangehenden [X.], sondern auch eine Kombination mit nachfolgenden [X.] des [X.] (A) für die Bildung der [X.]e als Ereignis zugrunde gelegt werden kann. Das Verfahren für eine Kombination mit nachfolgenden [X.] des [X.] (A) ist in der Anmeldung nicht anhand eines konkreten Ausführungsbeispiels erläutert. Die Alternative am Ende des in der Anmeldung formulierten Patentanspruchs 1, eine Kombination mit nachfolgenden [X.] des [X.] (A) vorzunehmen, war für den Fachmann somit dahin zu verstehen, hierfür ebenso vorzugehen wie in dem beschriebenen Verfahren für eine Kombination mit vorangehenden [X.] mit der einzigen Abweichung, für diese Kombination die Reihenfolge der ununterbrochenen [X.] des [X.] (A) und des daran angrenzenden anderen [X.] zu vertauschen. Dieses sich aus dem in der Anmeldung formulierten Patentanspruch ergebende Verständnis bedurfte keiner weiteren Erläuterung durch ein weiteres Ausführungsbeispiel, sondern erschloss sich aus der Formulierung des Patentanspruchs in der Anmeldung unmittelbar.
Ob der Fachmann darüber hinaus der Angabe im beantragten Patentanspruch auch entnahm, beide Varianten mischen zu können, also [X.]e zu bilden, denen sowohl Kombinationen anderer [X.]e mit vorangehenden [X.] als auch Kombinationen mit nachfolgenden [X.] der [X.]e (A) zugrunde liegen, und beides in einem Signalpaket zuverlässig decodierbar vereinen zu können, kann offen bleiben. Ein solches Verfahren wäre eine zusätzliche Variante, die die Beklagte im Prüfungsverfahren sodann nicht weiterverfolgte, indem sie sich mit der [X.].2 auf eine ausschließliche Verwendung eine der beiden Alternativen ohne Mischformen beschränkte. Da diese beiden Alternativen als zur Erfindung gehörend in der Anmeldung offenbart waren, begründet eine solche Beschränkung keine unzulässige Erweiterung.
IV. Das Urteil des Patentgerichts ist auch nicht deshalb im Ergebnis zutreffend, weil Patentanspruch 1 in anderer Hinsicht eine unzulässige Erweiterung enthielte.
Merkmal 1 führt nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, indem das zu [X.] lediglich eine Folge von [X.]en umfassen und nicht ausschließlich aus solchen Werten bestehen müsste.
In dem in der Anmeldung formulierten Patentanspruch 1 wird dieses Merkmal zwar dahin beschrieben, dass das Signal "aus einer Folge von digital dargestellten [X.]en besteht".
Soweit darin die [X.]e mit dem Adjektiv "digital" beschrieben werden, ist dies unschädlich. Auch wenn dieses Wort im erteilten Patentanspruch nicht vorkommt, ist das Verfahren aufgrund seiner Funktion zur Bitdatenreduktion auf digital dargestellte Werte beschränkt.
Soweit die Formulierung des Patentanspruchs 1 in der Anmeldung mit den Worten "besteht aus" eine abschließende Aufzählung beschreibt (vgl. [X.], Urteile vom 12. Juli 2011 - [X.], [X.], 1109 Rn. 37 - Reifenabdichtmittel; vom 5. Mai 2015 - [X.], juris - Verdickerpolymer), ergibt sich daraus keine Diskrepanz zu Merkmal 1 von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung. Auch in der erteilten Fassung ist dieses Merkmal dahin zu verstehen, dass jeder Wert in einem Signal einen [X.] darstellt.
V. Da das Patentgericht - nach seinem Ausgangspunkt konsequent - sich mit der Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents nicht befasst hat, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Patentgericht zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 2 und 3 [X.]).
Ein Grundgedanke des reformierten Patentnichtigkeitsverfahrens ist es, dass die Patentfähigkeit zunächst durch das auch mit technisch sachkundigen Richtern besetzte Patentgericht bewertet wird und diese Bewertung durch den [X.] überprüft wird. Eine Endentscheidung durch den [X.] (§ 119 Abs. 5 [X.]) ist daher regelmäßig nicht sachgerecht, wenn die Erstbewertung des Standes der Technik durch das Patentgericht unterblieben ist (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 2012 - [X.], [X.]Z 194, 107 Rn. 60-62 - Polymerschaum I). Dafür, dass im Streitfall etwas anderes gälte, ist nichts erkennbar und wird auch von den Parteien nichts geltend gemacht.
[X.] Hoffmann
Deichfuß Kober-Dehm
Meta
07.07.2015
Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat
Urteil
Sachgebiet: ZR
vorgehend BPatG München, 12. März 2013, Az: 5 Ni 58/11 (EP), Urteil
§ 119 Abs 3 PatG, § 119 Abs 5 PatG
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.07.2015, Az. X ZR 64/13 (REWIS RS 2015, 8603)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 8603
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
X ZR 11/17 (Bundesgerichtshof)
Patentrechtsstreit über ein Verfahren zur Bitratenreduktion bei der Codierung von Bild- oder Videodaten - Bitratenreduktion …
X ZR 64/13 (Bundesgerichtshof)
X ZR 11/22 (Bundesgerichtshof)
X ZR 102/20 (Bundesgerichtshof)
X ZR 23/21 (Bundesgerichtshof)
Patentnichtigkeitsklage bezüglich eines Patents zur Datenübertragung in Funkkommunikationssystemen - Skalierfaktor