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Befreiung kommunaler Wählervereinigungen und ihrer Dachverbände von der Körperschaft- und Vermögensteuer
L e i t s a t z
zum Beschluß des [X.] vom 29. September 1998
- 2 BvL 64/93 -
Das Recht auf Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) ist verletzt, wenn kommunale Wählervereinigungen und ihre Dachverbände zur Körperschaft- und Vermögensteuer herangezogen werden, [X.]en und deren Untergliederungen dagegen nicht.
[X.]
- 2 BvL 64/93 -
ob § 1 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2, § 5
Abs. 1 Nr. 7 und 9 [X.] i.V.m. § 52 Abs. 2 Nr. 3,
§ 55 Nr. 1 [X.] und § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d,
§ 3 Abs. 1 Nr. 10 und 12 VStG, jeweils i.d.F. des
Gesetzes zur Änderung des [X.]engesetzes und anderer
Gesetze vom 22. Dezember 1983 ([X.]) insoweit mit
Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2
und Art. 28 Abs. 1 und Abs. 2 GG vereinbar sind, als
kommunale Wählervereinigungen von den Befreiungen des
Körperschaftsteuergesetzes und Vermögensteuergesetzes
ausgeschlossen sind
- [X.] und Vorlagebeschluß des Finanzgerichts
Baden-Württemberg vom 18. November 1993 (6 K 69/91) -
hat das [X.] - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterin und Richter
Präsidentin [X.],
Kirchhof,
Winter,
[X.],
Jentsch,
Hassemer,
Broß
am 29. September 1998 beschlossen:
Die Vorlage betrifft die Frage, ob das Recht auf Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) dadurch verletzt ist, daß kommunalen Wählervereinigungen und ihren Dachverbänden im Gegensatz zu politischen [X.]en und deren Gebietsverbänden keine gesetzliche Befreiung von der Körperschaft- und Vermögensteuer gewährt wird.
Für die Erhebung der Körperschaft- und Vermögensteuer und von kommunalen Wählervereinigungen und ihren Dachverbänden sind folgende Vorschriften maßgeblich:
Körperschaftsteuergesetz ([X.])
§ 1
Unbeschränkte Steuerpflicht
(1) Unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig
sind die folgenden Körperschaften, Personenvereinigungen und
Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im
Inland haben: (...)
4. sonstige juristische Personen des privaten Rechts;
(...)
(2) Die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht erstreckt sich auf sämtliche Einkünfte.
§ 5
Befreiungen
(1) Von der Körperschaftsteuer sind befreit
(...)
7. politische [X.]en im Sinne des § 2 des
[X.]engesetzes und ihre Gebietsverbände. Wird ein
wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten, so ist die
Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen; (...)
Vermögensteuergesetz (VStG)
§ 1
Unbeschränkte Steuerpflicht
(1) Unbeschränkt vermögensteuerpflichtig sind
(...)
2. die folgenden Körperschaften, Personenvereinigungen und
Vermögensmassen, die im Inland ihre Geschäftsleitung oder
ihren Sitz haben (...)
d) sonstige juristische Personen des privaten Rechts; (...)
§ 3
Befreiungen
(1) Von der Vermögensteuer sind befreit
(...)
10. politische [X.]en im Sinne des § 2 des
[X.]engesetzes und ihre Gebietsverbände. Wird ein
wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten, so ist die
Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen; (...)
1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist der Dachverband der kommunalen Wählervereinigungen in Baden-Württemberg, ein eingetragener Verein. Nach ihrer Satzung hat er den Zweck, bei der politischen Willensbildung des Volkes auf allen Ebenen, insbesondere im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung, mitzuwirken. Der Kläger beteiligt sich nicht selbst an Wahlen; er fördert aber die kommunalen Wählervereinigungen, die sich ihrerseits nur an Kommunalwahlen, nicht hingegen an Bundestags- und Landtagswahlen beteiligen. Sämtliche Einkünfte sind zur Erfüllung des Satzungszwecks zu verwenden. Die Ansammlung von Vermögen für andere Zwecke ist nicht gestattet. Mitglieder können natürliche Personen, Jugendgruppen sowie Orts- und Stadtkreisverbände werden. Der Kläger des Ausgangsverfahrens gliedert sich entsprechend der politischen Gliederung in Orts- oder Stadtkreisverbände, Kreisverbände, Regionalverbände und Einzelmitglieder.
In den Jahren 1984 bis 1989 hatte der Kläger des Ausgangsverfahrens einen Geldbetrag zwischen rund 130.000 DM und rund 200.000 DM angelegt. Für sein vornehmlich aus diesen Geldern bestehendes Vermögen entrichtete er Vermögensteuer. Zudem erzielte er Zinseinkünfte, die der Körperschaftsteuer unterlagen. Für die Jahre 1984 bis 1989 entwickelten sich das steuerpflichtige Kapitalvermögen, die Einkünfte aus Kapitalvermögen und die gezahlten Körperschaft- und Vermögensteuern wie folgt:
1984 DM |
1985 DM |
1986 DM |
1987 DM |
1988 DM |
1989 DM |
|
gemäß § 9 VStG steuerpflichtiges Kapitalvermögen | 166.000 | 166.000 | 147.000 | 147.000 | 147.000 | 170.000 |
Einkünfte aus Kapitalvermögen | 6.416 | 1.681 | 1.934 | 162 | 47.911 | 3.750 |
VSt | 996 | 996 | 882 | 882 | 882 | 1.020 |
KSt | 705 | 0 | 0 | 0 | 23.955 | 0 |
Der Anstieg der Einkünfte aus Kapitalvermögen im Jahre 1988 beruht darauf, daß Zinseinnahmen aus den vorangegangenen Jahren erst 1988 zugeflossen sind. Im [X.] kaufte die Dachorganisation [X.](Kugelschreiber, Luftballons, Aufkleber u.a.) zum Preis von rund 137.000 DM und nahm aus der Weiterveräußerung an die Ortsvereine rund 112.000 DM ein. Im Kommunalwahljahr 1989 betrugen die entsprechenden Zahlen für den Ein- und Verkauf von Wahlhilfsmitteln rund 126.000 DM und rund 96.000 DM. In der [X.] zwischen dem 31. Dezember 1988 und dem 31. Dezember 1989 nahm das saldierte Kapital des Klägers des Ausgangsverfahrens von rund 181.000 DM auf rund 111.000 [X.]ab.
2. [X.] wurde der Kläger des Ausgangsverfahrens zur Zahlung von Vermögensteuer für den Stichtag 1. Januar 1989 in Höhe von 1.020 DM sowie zur Zahlung von Körperschaftsteuer für das [X.] in Höhe von 23.955 DM herangezogen.
Gegen beide Bescheide legte er Einspruch ein. Er machte geltend, bei den angelegten Beträgen handele es sich nicht um Kapitalvermögen, sondern ganz überwiegend um Mitgliedsbeiträge, die bei der Körperschaftsteuer außer Betracht zu bleiben hätten. Die Anlage der Mitgliedsbeiträge sei erforderlich, um neben den laufenden Kosten den nur alle vier Jahre anfallenden erheblichen finanziellen Aufwand für die Kommunalwahlen abdecken zu können. Die Besteuerung entzöge dem [X.] und benachteilige ihn im Wettbewerb gegenüber den finanziell ohnehin besser ausgestatteten [X.]en.
Die Steuerbefreiung allein für politische [X.]en, nicht aber für kommunale Wählervereinigungen zu gewähren, sei verfassungswidrig. Die im Anschluß an die Entscheidung des [X.]s vom 21. Juni 1988 ([X.] 78, 350) ergangenen Gesetzesänderungen reichten zur Gleichstellung der unabhängigen Wählergemeinschaften mit den [X.]en nicht aus. Die Besteuerung treffe die kommunalpolitisch stärkste Kraft in Baden-Württemberg, für die nicht pauschal ein geringerer Finanzbedarf unterstellt werden dürfe. Aus den Gemeinderatswahlen 1989 seien die parteiunabhängigen Wählervereinigungen wieder als stärkste Kraft hervorgegangen und hätten ihren Sitzanteil um 2,9 Punkte auf 40,7 % verbessern können. Der Anteil der [X.] betrage hingegen 30,5 %, der der [X.] 18,7 %.
Das Finanzamt wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Hiergegen erhob der Kläger des Ausgangsverfahrens Klage zum Finanzgericht und beantragte die Aufhebung der gegen sie ergangenen Körperschaft- und Vermögensteuerbescheide sowie der Einspruchsentscheidung, hilfsweise regte er die Vorlage an das [X.] an.
3. Mit Beschluß vom 18. November 1993 setzte das Finanzgericht das Verfahren aus und legte dem [X.] die Frage vor, ob § 1 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 9 [X.] i.V.m. § 52 Abs. 2 Nr. 3, § 55 Nr. 1 [X.] und § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d, § 3 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 12 VStG, jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des [X.]engesetzes und anderer Gesetze vom 22. Dezember 1983 ([X.]), insoweit mit Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und [ref=94401997-5cee-4f3a-aef4-d42eb3dc5b1a]Art. 28 Abs. 1 und Abs. 2 [X.]] vereinbar sind, als kommunale Wählervereinigungen von den Befreiungen des Körperschaftsteuergesetzes und Vermögensteuergesetzes ausgeschlossen sind.
Das Finanzgericht hält die vorgelegten Normen für entscheidungserheblich und verfassungswidrig.
1. Ursprünglich seien neben den politischen [X.]en auch politische Vereine von der Körperschaft- und Vermögensteuer befreit gewesen. Durch das Gesetz zur Änderung des [X.]engesetzes und anderer Gesetze vom 22. Dezember 1983 ([X.]) sei jedoch bestimmt worden, daß kommunale Wählervereinigungen die Steuerbefreiung der § 5 Abs. 1 Nr. 7 [X.], § 3 Abs. 1 Nr. 10 VStG nicht mehr in Anspruch nehmen und auch nicht als gemeinnützige Körperschaften qualifiziert werden können. Eine verfassungskonforme Auslegung, nach der kommunale Wählervereinigungen an den Steuerbegünstigungen teilhaben, scheide nach dem klaren entgegenstehenden Wortlaut aus. Bei Nichtigkeit der Körperschaft- und Vermögensteuerpflicht wäre der Klage stattzugeben, bei bloßer Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Vorschriften der Rechtsstreit auszusetzen und bei ihrer Verfassungsgemäßheit die Klage abzuweisen.
2. Für eine Differenzierung zwischen kommunalen Wählervereinigungen und [X.]en seien keine zwingenden Gründe im Sinne des strengen Gleichheitssatzes ersichtlich. Das Gesetzgebungswerk folge der Vorstellung, kommunale Wählervereinigungen seien nicht in den Schutzbereich des Art. 21 GG und des formalen Gleichheitssatzes einzubeziehen. Dies widerspreche der Rechtsprechung des [X.]s. Die bestehende Ungleichheit werde auch durch das Gesetz zur steuerlichen Begünstigung von Zuwendungen an unabhängige Wählervereinigungen vom 25. Juli 1988 nicht hinreichend gemildert, das im Hinblick auf die Entscheidung des [X.]s vom 21. Juni 1988 ([X.] 78, 350) die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden zum Teil auf kommunale Wählervereinigungen erweitert habe.
Nach § 24 [X.] sei bis zum 31. Dezember 1989 vom Einkommen der unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen ein Freibetrag von 5.000 DM abzuziehen gewesen. § 24 Abs. 1 Satz 2 [X.] habe in seiner bis zum 31. Dezember 1989 geltenden Fassung bei einem Einkommen von mehr als 10.000 [X.]vorgesehen, daß der Freibetrag um die Hälfte des übersteigenden Betrages gekürzt werde. Demzufolge sei die Freibetragsregelung bei einem Einkommen von mehr als 20.000 DM ausgelaufen. Nach § 9 VStG setze die Vermögensteuerpflicht bei einem Gesamtvermögen von mehr als 24.000 DM ein. Sowohl aus der Höhe der genannten Freibeträge als auch aus dem Auslaufen des körperschaftsteuerrechtlichen Freibetrags bei einem Einkommen von mehr als 20.000 DM ergebe sich, daß nur kleine, unbedeutende Wählervereinigungen von diesen Vergünstigungen profitieren könnten. Je mehr Bürger eine Wählervereinigung anspreche, je mehr Beiträge sie erhalte und je größer ihre politische Bedeutung werde, desto eher wachse sie in die Besteuerung hinein. Je mehr die Organisation einer kommunalen Wählervereinigung sich der Organisation einer [X.] im Sinne des § 2 [X.]engesetzes (PartG) annähere, ohne [X.] zu sein, um so mehr werde sie benachteiligt. Je ernsthafter sie in ein Konkurrenzverhältnis mit den etablierten [X.]en eintrete, desto höher werde sie besteuert.
3. Die steuerliche Belastung sei auch geeignet, den Wettbewerb zwischen den [X.]en einerseits und den kommunalen Wählervereinigungen andererseits zu beschränken. Insgesamt hätten von 1984 bis 1988 11,7 % der Beiträge und 9,3 % der Summe aus Beiträgen und Zinsen an Steuern gezahlt werden müssen. Für das [X.] ergebe sich, bezogen auf die Gesamteinnahmen von [X.], eine Körperschaft- und Vermögensteuerbelastung von 25,9 %. Daß die kommunalen Wählervereinigungen bewußt nicht an [X.]teilnehmen, sich also nicht als [X.] etablieren wollten, sei eine gerichtlich nicht zu bewertende, der Verbandsautonomie unterliegende Entscheidung ohne Einfluß auf die Pflicht zur Herstellung von Chancengleichheit.
Das [X.] hat dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, allen Länderregierungen, dem [X.] sowie den Beteiligten des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Das im Ausgangsverfahren beklagte Finanzamt, das Bundesministerium der Finanzen für die Bundesregierung und der [X.] haben Stellungnahmen abgegeben.
Nach Auffassung der Bundesregierung und des Finanzamts kann der Vorlage nicht gefolgt werden. Der [X.] des [X.]s ist der Ansicht, der Ausschluß kommunaler Wählervereinigungen von den Steuerbefreiungen sei nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil zwingende Gründe für die Ungleichbehandlung nicht erkennbar seien. Die Steuerbelastung der kommunalen Wählervereinigungen sei nach den tatsächlichen und vom [X.] Senat des [X.]s als richtig unterstellten Feststellungen des vorlegenden Gerichts nicht so gering, daß eine Beeinträchtigung des Rechts der kommunalen Wählervereinigungen auf Chancengleichheit durch die Ungleichbehandlung ausgeschlossen werden könne.
Die Vorlage ist zulässig.
1. Das Finanzgericht hat in einer den Anforderungen des Art. 100 Abs. 1 GG und des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügenden Weise dargelegt, daß es für seine Entscheidung auf die Gültigkeit der vorgelegten Vorschriften ankommt.
a) Die Klage im Ausgangsverfahren richtet sich gegen den Körperschaftsteuer- und den Vermögensteuerbescheid für das [X.] sowie gegen die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d, § 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 1 VStG muß der Kläger des Ausgangsverfahrens als juristische Person des Privatrechts, die mangels Ausrichtung auf Bundes- oder Landtagswahlen keine politische [X.] im Sinne des § 2 PartG (vgl. [X.] 91, 262 <266>) und die wegen ihrer politischen Zwecke nicht gemeinnützig ist, Vermögensteuer zahlen. Aus denselben Gründen ist der Kläger des Ausgangsverfahrens nach § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 5 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 [X.] verpflichtet, Körperschaftsteuer zu zahlen. Bei Verfassungsmäßigkeit der genannten Vorschriften wäre die Klage abzuweisen.
b) Bei Verfassungswidrigkeit der Vorschriften
hingegen müßte das vorlegende Gericht anders entscheiden.
Eine andere Entscheidung läge bereits in der bei bloßer
Unvereinbarkeitserklärung notwendig werdenden weiteren
Aussetzung des Verfahrens durch das Finanzgericht bis zu
einer Neuregelung durch den Gesetzgeber (vgl. zuletzt [X.]
93, 121 <130 f.>). Würde der Ausschluß kommunaler
Wählervereinigungen von der Steuerbefreiung für nichtig
erklärt, entfiele damit die Rechtsgrundlage der Besteuerung
und der Klage wäre stattzugeben.
2. Da der Unterschied im Ergebnis sich allein aus § 1
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d, § 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 1 VStG,
§ 1 Abs. 1 Nr. 4, § 5 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 [X.]
ergibt, ist die verfassungsgerichtliche Prüfung auf diese
Vorschriften zu beschränken. Die übrigen vorgelegten
Vorschriften hingegen sind nicht entscheidungserheblich. Es
geht nicht um die Verschiedenheit von politischen Zwecken
dienenden und gemeinnützigen Körperschaften (vgl. dazu
[X.] 73, 1 <31 ff.>), sondern um die
Ähnlichkeit zwischen kommunalen Wählervereinigungen und
politischen [X.]en.
Die Regelungen in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d, § 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 1 VStG, § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 5 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 [X.] verstoßen insoweit gegen das Grundrecht auf Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 9 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG), als kommunale Wählervereinigungen und ihre Dachverbände, nicht aber [X.]en zur Zahlung von Körperschaft- und Vermögensteuer herangezogen werden.
Die Verfassung gewährleistet für den Sachbereich der Wahlen, daß jedermann seine staatsbürgerlichen Rechte in formal möglichst gleicher Weise ausüben kann (Art. 28 Abs. 1 Satz 2, [[X.]-[X.]. 38 Abs. 1 Satz 1 [X.]]). Die Gleichheit im Bereich der politischen Willensbildung bei Wahlen ist für die Verwirklichung des Demokratieprinzips elementar. Sie muß daher ebenso strikt und formal sein, wie die durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgte Gleichbehandlung der Wähler selbst (vgl. [X.] 85, 264 <297>).
Dem Gesetzgeber sind für die Regelung der
politischen Willensbildung bei Wahlen besonders enge Grenzen
gezogen. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung
durch einen zwingenden Grund. In diesem Gebot wurzeln der
Grundsatz der Chancengleichheit der Bewerber und das Recht
des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen
Willensbildung (vgl. [X.] 85, 264 <315>). Diese
Grundsätze gelten nicht nur für die politischen [X.]en,
sondern auch für andere Gruppen oder Bewerber, die mit ihnen
in den Wettbewerb um Wählerstimmen treten, mithin auf
[X.] auch für die örtlich gebundenen
Wählervereinigungen (vgl. [X.] 78, 350 <358>). Sie
betreffen nicht nur den Wahlvorgang selbst, sondern auch
dessen Vorfeld, insbesondere staatliche Finanzierungshilfen
zugunsten der politischen [X.]en und der mit ihnen auf [X.] konkurrierenden Gruppen (vgl. [X.] 78,
350 <358>).
Allerdings ist dem Gesetzgeber nicht jede
Differenzierung zwischen konkurrierenden politischen
Organisationen verboten. Insbesondere braucht er vorgegebene
Unterschiede zwischen den konkurrierenden Bewerbern und
Bewerbergruppen nicht auszugleichen. Vielmehr darf er das im
Vergleich zu den kommunalen Wählervereinigungen sehr viel
weiter gesteckte Tätigkeitsfeld der politischen [X.]en, die
ihnen vom Grundgesetz und vom [X.]engesetz zugedachte
Aufgabe und die daraus folgende Notwendigkeit einer auf Dauer
angelegten und festgefügten überregionalen [X.]berücksichtigen. Wenn der Gesetzgeber diese Unterschiede zu
den auf den örtlichen Bereich ausgerichteten und sich nur an
Kommunalwahlen beteiligenden Wählergemeinschaften zum Anlaß
nimmt, [X.]en und kommunale Wählergruppen in verschiedener
Weise steuerlich zu begünstigen, so ist dies in gewissen
Grenzen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl.
[X.] 78, 350 <358 f.>).
Die verfassungsrechtliche Grenze einer zulässigen steuerlichen Begünstigung allein von politischen [X.]en verläuft dort, wo die Begünstigung geeignet ist, die vorgegebene Wettbewerbslage in einer ernsthaft ins Gewicht fallenden Weise zu verändern (vgl. [X.] 69, 92 <109>; 85, 264 <313>).
Der Kläger des Ausgangsverfahrens kann sich
als Dachverband der freien Wählervereinigungen auf das Recht
auf Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1
und Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG berufen. Die Regelungen in
§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d, § 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz
1 VStG, § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 5 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1
[X.] verletzen dieses Grundrecht des Beschwerdeführers
insoweit, als sich aus ihnen ergibt, daß der Beschwerdeführer
vermögen- und körperschaftsteuerpflichtig ist, [X.]en und
deren Untergliederungen dagegen nicht.
1. Der Anspruch auf Chancengleichheit ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger des Ausgangsverfahrens nur Dachverband der verschiedenen kommunalen Wählervereinigungen in Baden-Württemberg ist. Zwar nimmt der Kläger des Ausgangsverfahrens nicht selbst an Wahlen teil; er ist selbst also keine kommunale Wählervereinigung. Sein Auftrag und seine tatsächlichen Handlungsweisen erstrecken sich aber auf den Bereich der politischen Willensbildung im Vorfeld der Wahlen.
a) Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist nach seinem Selbstverständnis die Interessenvertretung der freien Wähler gegenüber Regierung und [X.]en. Er dient dem Zweck, die auf der Ortsebene tätigen kommunalen Wählervereinigungen organisatorisch zu stärken, ihre Finanzkraft zu bündeln und gemeinsame Anliegen der einzelnen Wählervereinigungen wirksam durchzusetzen. Diesem Auftrag entsprechend hat der Kläger des Ausgangsverfahrens einen erheblichen Teil seiner finanziellen Mittel für den zentralisierten Einkauf von Wahlkampfhilfsmitteln eingesetzt, dadurch das Erscheinungsbild der Wahlkampfwerbung vereinheitlicht.
b) Wenn die kommunalen Wählervereinigungen somit einzelne Aufgaben der politischen Willensbildung, der Wahlvorbereitung und des Wahlkampfes in einem Dachverband konzentrieren, betreffen mittelbare - steuerliche - Finanzhilfen des Staates an diesen Dachverband den Aufgaben- und Tätigkeitsbereich auch der kommunalen Wählervereinigungen. Eine finanzielle Stärkung des Dachverbandes stärkt die beteiligten kommunalen Wählervereinigungen, dessen finanzielle Schwächung schwächt auch sie. Maßnahmen der öffentlichen Gewalt, die den Kläger des Ausgangsverfahrens betreffen, können also die Chancengleichheit der kommunalen Wählervereinigungen und der ihm zugehörigen Wahlbewerber gegenüber den politischen [X.]en und ihren Kandidaten einschränken. Im Schutzbereich des Rechtes auf Chancengleichheit bedürfen daher auch Differenzierungen gegenüber einer derart gebündelten Wahlvorbereitung stets eines besonderen, verfassungsrechtlich tragfähigen Rechtfertigungsgrundes.
2. Das Recht auf Chancengleichheit wird durch die vorgelegten steuerrechtlichen Bestimmungen verletzt. Die Unterschiede bei der Steuerlast für politische [X.]en einerseits, kommunale Wählervereinigungen und ihre Dachverbände andererseits sind durch keinen verfassungsrechtlich tragfähigen Grund gerechtfertigt.
a) Im Gegensatz zur steuerlichen Entlastung von Spenden und Beiträgen, die den Spenden- und Beitragsempfänger nur mittelbar - durch den Steuerverzicht gegenüber dem Zuwendenden - begünstigen, begünstigt der Verzicht auf Körperschaft- und Vermögensteuer die [X.]en unmittelbar, während die Wählervereinigungen und ihre Dachverbände durch Besteuerung unmittelbar belastet werden. Bei einer solchen unmittelbaren Schlechterstellung einer der Bewerbergruppen bildet das Recht der [X.]en und Wählervereinigungen auf Chancengleichheit den verfassungsrechtlichen Maßstab. Der Anspruch der Bürger auf gleiche Teilhabe an der Willensbildung tritt demgegenüber zurück.
b) Die Belastung mit Körperschaft- und
Vermögensteuer fällt ins Gewicht. Geht man von einem
durchschnittlichen Kapitalertrag eines aus verschiedenen
Vermögensarten zusammengesetzten Vermögens von 4 bis 5 % aus
(vgl. das Gutachten der [X.],
Schriftenreihe des [X.], Heft 17,
1971, Abschnitt 7 Rn. 106; vgl. auch die zu den
durchschnittlichen Renditen in den Jahren 1984 bis 1989:
Statistisches Jahrbuch für die [X.]
1988, [X.] und 324 und 1990, [X.] und 329), so
beansprucht eine Vermögensteuer mit einem Satz von 0,6 % des
Vermögensbestandes etwa 12 bis 15 % des zu erwartenden
Ertrags (vgl. dazu [X.] 93, 121 <139 f.>).
Hinzu tritt eine Körperschaftsteuerbelastung mit dem
damaligen Steuersatz von 50 % auf das aus dem Geldvermögen
erzielte Zinseinkommen. [X.]en und deren Gebietsverbände -
also auch deren kommunale Untergliederungen - bleiben
hingegen insoweit steuerlich unbelastet.
Diese unterschiedliche Besteuerung verändert die
Wettbewerbslage zwischen [X.]en und kommunalen
Wählervereinigungen in ernsthaft ins Gewicht fallender Weise.
Sie findet ihre Rechtfertigung nicht in unterschiedlichen
Aufgaben, Tätigkeitsfeldern und Finanzbedürfnissen der beiden
im Wettbewerb stehenden Gruppen. Vielmehr erfaßt die
Körperschaft- und die Vermögensteuer die kommunalen
Wählervereinigungen und ihre Dachverbände ausschließlich beim
Erzielen von Einkommen und beim Innehaben von Vermögen. Bei
dieser Tätigkeit schaffen sich die kommunalen
Wählervereinigungen vorbereitend wirtschaftliche Grundlagen
für den Wettbewerb mit den politischen [X.]en, ohne daß die
Geldmittel schon für bestimmte Aufgaben oder
Tätigkeitsbereiche gebunden wären. Der steuerliche Zugriff
auf dieses Einkommen und Vermögen ist seinerseits ebenfalls
von deren Zweckbestimmung oder Verwendung unabhängig. Die
kommunalen Wählervereinigungen und ihre Dachverbände werden
also allein deshalb steuerlich belastet, weil sie Einkommen
erzielen und Vermögen haben.
In diesem [X.] aber unterscheiden sie sich
schlechthin nicht von den politischen [X.]en. Deren
Einkommen und Vermögen wird jedoch von der Besteuerung
befreit, ohne daß es auf deren Summe, Zweckbindung oder
Verwendung ankäme. Die Vorteile des staatlichen
Steuerverzichts kommen [X.]en unabhängig von ihrem
Tätigkeitsfeld, ihrer Größe und ihrem Wahlerfolg zugute,
während Wählervereinigungen in keinem Fall steuerlich
entlastet werden. Die Chancengleichheit beider Wettbewerber
ist deshalb erheblich beeinträchtigt. Die kommunalen
Wählervereinigungen und deren Dachverbände werden damit bei
der finanzwirtschaftlichen Vorbereitung auf den Wettbewerb
mit den politischen [X.]en durch steuerlichen Eingriff
benachteiligt, ohne daß dafür ein verfassungsrechtlich
tragfähiger Grund ersichtlich wäre.
c) Besteuerungsgrenzen wie in § 8 Abs. 1 VStG und Freibeträge wie im früheren § 110 Abs. 2, Abs. 3 Bewertungsgesetz oder in § 24 [X.] nehmen dieser Veränderung der Wettbewerbslage nicht ihr Gewicht. Die Freibeträge verlieren mit wachsender Besteuerungsgrundlage ihre Bedeutung. Von ihnen profitieren kommunale Wählervereinigungen also um so weniger, je größer ihre Vermögen und Einkommen werden und je höher damit ihre politische Bedeutung gewichtet werden darf. Gerade wenn und soweit kommunale Wählervereinigungen zu einer echten Konkurrenz für politische [X.]en werden, haben die Besteuerungsgrenzen und Freibeträge für sie nur noch geringfügige Bedeutung.
d) Der Ausschluß kommunaler
Wählervereinigungen und ihrer Dachverbände von den
Steuerbefreiungen wird auch nicht dadurch
verfassungsrechtlich gerechtfertigt, daß diese bei der
Entgegennahme von Beiträgen und Spenden die verfassungs- und
steuerrechtlichen Grenzen der Steuerfreiheit von Spenden und
Beiträgen (vgl. [X.] 85, 264 <313>) umgehen
könnten.
Eine solche Umgehungsgefahr besteht, wenn eine [X.] Spenden und Beiträge über eine für diese Zwecke gegründete Organisation einnimmt, die ihrerseits als gemeinnützig anerkannt ist und so Steuerfreiheit ohne die für politische [X.]en bestehenden Beschränkungen [X.]kann (vgl. [X.] 73, 1 <33>, § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.]). Hier geht es jedoch nicht um Steuervergünstigungen für Zuwendungen an [X.]en oder kommunale Wählervereinigungen, also um die Steuerentlastung Dritter, sondern um die Besteuerung von [X.]en und kommunalen Wählervereinigungen selbst. In diesem Bereich ist die Steuerfreiheit für [X.]en der Höhe nach nicht beschränkt, so daß eine Gleichbehandlung von [X.]en und kommunalen Wählervereinigungen bei der Gewährung von Steuerbefreiungen keine Umgehungsmöglichkeit eröffnet.
1. Der Verstoß der durch § 1 Abs. 1 Nr.
4, § 5 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 [X.] getroffenen Regelung
gegen das aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1, [ref=a7eb3443-2073-43f0-93cc-dadf62b10502]Art. 28
Abs. 1 Satz 2 [X.]] folgende Grundrecht des Klägers des
Ausgangsverfahrens auf Chancengleichheit gegenüber den in
Wettbewerb zu ihm stehenden politischen [X.]en führt zur
Nichtigerklärung dieser Vorschriften, soweit sie kommunale
Wählervereinigungen und ihre Dachverbände zur
Körperschaftsteuer heranziehen. Zwar kommt bei einem Verstoß
gegen den Gleichheitssatz eine Nichtigerklärung der
betreffenden Normen nicht in Betracht, wenn dem Gesetzgeber
verschiedene Möglichkeiten zur Beseitigung des
Gleichheitsverstoßes zur Verfügung stehen (vgl. [X.] 78,
350 <363> m.w.N.). Grundsätzlich bleibt es dem
Gesetzgeber überlassen, die gleichheitswidrig ausgeschlossene
Gruppe in die Begünstigung einzubeziehen, die Begünstigung
insgesamt abzuschaffen oder den Kreis der Begünstigten neu zu
bestimmen. Im vorliegenden Fall ist jedoch eine rückwirkende
Erweiterung des [X.] der Steuerpflichtigen für
abgeschlossene Veranlagungszeiträume wegen des
verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots ausgeschlossen
(vgl. [X.] 72, 200 <253 ff.>; Beschluß des
[X.] vom 3. Dezember 1997, 2 BvR 882/97 -
Schiffbausubvention -, [X.], S. 17 ff.). Für
den [X.]raum bis zur Neuregelung des Gesetzgebers kann die
Ungleichbehandlung deshalb nur dadurch ausgeräumt werden, daß
die kommunalen Wählervereinigungen und ihre Dachverbände in
den noch nicht bestandskräftig entschiedenen Fällen in die
Steuerbefreiung einbezogen werden. Für die Zukunft bleibt es
dem Gesetzgeber unbenommen, eine andere, gleichheitskonforme
Regelung zu schaffen.
2. Gleiches gilt für § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d, § 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 1 VStG, soweit diese Vorschriften kommunale Wählervereinigungen und ihre Dachverbände bis zum 31. Dezember 1996 (Art. 1 Jahressteuergesetz 1997 vom 20. Dezember 1996, [X.]2049) zur Vermögensteuer heranziehen, [X.]en und deren Untergliederungen hingegen nicht.
[X.] | Kirchhof | Winter |
[X.] | Jentsch | Hassemer |
Broß |
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29.09.1998
Sachgebiet: BvL
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 29.09.1998, Az. 2 BvL 64/93 (REWIS RS 1998, 6)
Papierfundstellen: REWIS RS 1998, 6 BVerfGE 99, 69-83 REWIS RS 1998, 6
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