Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.09.2022, Az. EnVZ 42/21

Kartellsenat | REWIS RS 2022, 5612

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Gegenstand

Energiewirtschaftsrechtliche Verwaltungssache: Besonderes Missbrauchsverfahren wegen Kündigung eines Lieferantenrahmenvertrages aus wichtigem Grund


Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des 3. Kartellsenats des [X.] vom 23. Juni 2021 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen, die auch die notwendigen Auslagen der [X.] zu tragen hat.

Der Gegenstandswert für das [X.] wird auf 32.299,85 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die weitere Beteiligte (im Folgenden: Netzbetreiberin) betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz auf dem Gebiet der Stadt [X.]      . Die Antragstellerin belieferte dort Kunden mit Strom und Gas. Die Netznutzung erfolgte auf der Grundlage eines [X.]s, der der Festlegung der Bundesnetzagentur vom 20. Dezember 2017 ([X.]-17-168) entsprach. Danach konnte nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufgerechnet werden; der Netzbetreiber konnte Vorauszahlungen verlangen, wenn der Netznutzer zweimal in zwölf Monaten mit einer fälligen Zahlung in Verzug war, und es bestand ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung, wenn der Netznutzer seiner Verpflichtung zur Vorauszahlung nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht nachkam. Die Netzbetreiberin rechnete die von der Antragstellerin zu zahlenden Netzentgelte in der von der Festlegung der Bundesnetzagentur [X.] ([X.]-06-009) vorgesehenen elektronischen Form im sogenannten Format [X.]/[X.] ab.

2

2017 machte die Antragstellerin geltend, die von der Netzbetreiberin übermittelten elektronischen Rechnungen erfüllten nicht die für eine Signatur bestehenden Vorgaben. Das verwendete Zertifikat sei fehlerhaft, da es nicht von einer natürlichen, sondern einer juristischen Person ausgestellt sei. Die Antragstellerin stellte die elektronische Beantwortung der von der Netzbetreiberin übermittelten Rechnungen zumindest teilweise ein. 2018 rechnete die Antragstellerin gegenüber der Netzbetreiberin mit Forderungen aus einem von ihr behaupteten Guthaben gegen [X.] auf. Das wies die Netzbetreiberin zurück. Ab Dezember 2018 leistete die Antragstellerin keine Zahlungen mehr an die Netzbetreiberin.

3

Nach Bezifferung ihrer [X.] mit Schreiben vom 12. März 2019 und 17. April 2019, Setzung von Zahlungsfristen, Ankündigung der Anforderung von Vorauszahlungen und Androhung des Entzugs des [X.] durch die Netzbetreiberin kündigte diese am 10. Mai 2019 den [X.] fristlos. Die Antragstellerin beantragte bei der Bundesnetz-agentur die Durchführung eines besonderen Missbrauchsverfahrens gemäß § 31 [X.] mit dem Ziel, die Netzbetreiberin zur Auszahlung behaupteter Guthaben zu verpflichten und die Kündigung des [X.]s als missbräuchlich festzustellen.

4

Mit Beschluss vom 20. April 2020 hat die Bundesnetzagentur den Antrag der Antragstellerin als teilweise unzulässig und im Übrigen als unbegründet abgelehnt. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde hat es nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

5

II. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

6

1. Das Beschwerdegericht hat - soweit hier erheblich - ausgeführt, ein missbräuchliches Verhalten der Netzbetreiberin könne nicht festgestellt werden. Eine missbräuchliche Zugangsverweigerung würde voraussetzen, dass die Netzbetreiberin die Antragstellerin systematisch zu Überzahlungen oder Doppelzahlungen veranlasst oder ihr zustehende Auszahlungen in [X.] verweigert habe. Das könne aber nur auf der Grundlage einer prüfbaren Zahlungs- und Forderungsaufstellung festgestellt werden. Dem genüge das Vorbringen der Antragstellerin nicht. Auch die Kündigung des [X.]es begründe nicht den Vorwurf missbräuchlichen Verhaltens. Auf die Frage, ob die maßgeblichen Regelungen des [X.] wirksam seien, könne es im besonderen Missbrauchsverfahren nach § 31 [X.] nicht ankommen. Die Netzbetreiberin sei durch die Festlegung der Bundesnetzagentur vom 20. Dezember 2017 verpflichtet, aber auch berechtigt gewesen, die maßgeblichen Klauseln zu verwenden. Die Netzbetreiberin habe auch nicht erkennbar anlasslos oder gestützt auf offensichtlich unzutreffende Annahmen gekündigt. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung sei die Antragstellerin ihrer Verpflichtung zur monatlichen Vorauszahlung nicht nachgekommen. Die Anforderung der Vorauszahlung habe erfolgen dürfen, weil sie die Abschlagszahlungen für die Monate Januar bis März 2019 nicht geleistet habe. Diese seien entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch fällig gewesen. Ohne Erfolg rüge sie eine mangelnde Fälligkeit aufgrund einer fehlerhaften Zustellung der Rechnungen, weil ein nicht zulässiges Zertifikat bei der Versendung verwendet worden sei. Da es sich bei der Netzbetreiberin um eine juristische Person handele, entspreche die Verwendung eines fortgeschrittenen elektronischen Siegels den Vorgaben der Verordnung ([X.]) Nr. 910/2014 des [X.] und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/[X.] (im Folgenden: elDAS). Die von der Bundesnetzagentur am 20. Dezember 2018 erlassene Festlegung zur Marktkommunikation 2020 ([X.]-18-032) stelle in [X.] 5d ausdrücklich klar, dass das Zertifikat auch dann ordnungsgemäß erstellt sei, wenn es die Anforderungen an ein fortgeschrittenes elektronisches Siegel im Sinne der elDAS erfülle. Aus der Begründung ergebe sich, dass auch vor Geltung dieser Festlegung die Verwendung einer Signatur nicht vorgeschrieben gewesen sei. Schließlich stehe entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch das Fehlen einer elektronischen Nachricht, einer sogenannten "positiven [X.]", der Fälligkeit der Abschlagszahlungen nicht entgegen. Dass den entsprechenden Vorgaben keine solche rechtsgestaltende Wirkung zukomme, folge bereits daraus, dass andernfalls die Fälligkeit der Forderung allein vom Verhalten des Schuldners abhinge.

7

2. Diese Beurteilung erfordert unter keinem der in § 86 Abs. 2 [X.] genannten Gesichtspunkte die Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren.

8

a) Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Die Antragstellerin zeigt schon keine Rechtsfehler des [X.] auf.

9

aa) Im Streitfall steht die Zurückweisung des Antrags in Bezug auf den Vorwurf missbräuchlichen Verhaltens durch die Verweigerung von Auszahlungen und die fristlose Kündigung zur Überprüfung (vgl. [X.], Beschluss vom 23. November 2021 - [X.] 94/20, juris Rn. 11 f.). Dabei ist das Beschwerde-gericht zutreffend davon ausgegangen, dass im Missbrauchsverfahren in Bezug auf diesen Verfahrensgegenstand gemäß § 31 Abs. 1 [X.] zu prüfen ist, inwieweit das Verhalten des Netzbetreibers mit den Vorgaben in den Bestimmungen der Abschnitte 2 und 3 des Energiewirtschaftsgesetzes oder der auf dieser Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen sowie den nach § 29 Abs. 1 [X.] festgelegten oder genehmigten Bedingungen und Methoden übereinstimmt (§ 31 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Einen Verstoß der Netzbetreiberin gegen diese Vorgaben zeigt die Antragstellerin im Streitfall nicht auf.

bb) Soweit sie rügt, das Beschwerdegericht habe versäumt, die Regelungen des [X.]s auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen, greift das nicht durch. Die im [X.] enthaltenen Bestimmungen entsprechen nach den Feststellungen des [X.] der gemäß § 29 Abs. 1 [X.] erlassenen bestandskräftigen Festlegung der Bundesnetzagentur. Auf die Frage, ob sie wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam sind, kommt es daher hier nicht an.

cc) Soweit die Antragstellerin geltend macht, das Beschwerdegericht habe bei der Prüfung der Voraussetzungen der fristlosen Kündigung verkannt, dass die Netzbetreiberin gegen die gemäß [X.] 5d der Festlegung vom 20. Dezember 2016 ([X.]-16-200, S. 4; im Folgenden: Festlegung) geltenden "EDI@Energie - Regelungen zum Übertragungsweg" (Anlage 5 zur Festlegung, im Folgenden: EDI-Regeln 2017) verstoßen habe und der Antragstellerin daher keine Netznutzungsrechnung prozesskonform zugegangen sei, sie sich mithin auch nicht im Verzug befunden habe, ist dem kein Erfolg beschieden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Netzbetreiberin, wie die Antragstellerin meint, bis zum 1. April 2019 keine fortgeschrittene elektronische Signatur im Sinne von Ziffer [X.] verwendet hat. Denn jedenfalls durch das Schreiben vom 12. März 2019 wurden die darin für den Zeitraum vom 4. Januar bis 21. Februar 2019 bezifferten [X.] gemäß § 271 Abs. 1 BGB fällig. Die Antragstellerin geriet spätestens mit Ablauf von 30 Tagen nach Zugang des Schreibens mit den [X.] für die Monate Januar und Februar 2019 in Verzug (§ 286 Abs. 2 BGB). Dass die Fälligkeit von [X.] auch dann nur durch eine elektronische Netznutzungsabrechnung herbeigeführt werden kann, wenn einer der Beteiligten die Teilnahme daran - aus welchen Gründen auch immer - verweigert, ergibt sich weder aus der Festlegung (S. 4 f., 27 f.) noch aus § 8 des [X.]s und zeigt die Rechtsbeschwerde auch nicht auf.

b) Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung erforderlich. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ([X.], Beschluss vom 22. Februar 2022 - [X.] 43/21, juris Rn. 7 mwN). Das zeigt die Antragstellerin nicht auf.

aa) Soweit die Antragstellerin meint, die Zulassung der Rechtsbeschwerde sei zur Klärung der grundsätzlichen Frage erforderlich, welche Verbindlichkeit dem Wortlaut von Beschlüssen der Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde zukomme, sowie ob das Beschwerdegericht das fortgeschrittene elektronische Siegel und die fortgeschrittene elektronische Signatur zu Unrecht gleichgestellt habe, ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass sich diese Frage im vorliegenden Verfahren nicht stellt.

bb) Es besteht auch kein Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage, ob die Fälligkeit von Forderungen davon abhängt, dass der Empfänger einer Rechnung im Rahmen der elektronischen Marktkommunikation ([X.]/[X.]-Verfahren) den ordnungsgemäßen Eingang der Rechnung bestätigt. Diese Frage ist, wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat, geklärt. Schon die Erteilung einer Rechnung ist gemäß § 271 Abs. 1 BGB im Grundsatz keine Fälligkeitsvoraussetzung (vgl. [X.], Urteil vom 18. Dezember 1980 - [X.], [X.]Z 79, 176, 178 f.). Erst recht kann der Schuldner den Eintritt der Fälligkeit einer Netzentgeltforderung nicht dadurch verhindern, dass er den Eingang von Rechnungen nicht bestätigt. [X.] Einwendungen gegen die mit den Schreiben vom 12. März und 17. April 2019 geltend gemachten Forderungen hat die Antragstellerin nicht erhoben.

III. [X.] beruht auf § 90 Satz 2 [X.], die Festsetzung des [X.] auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO. Etwaige Kosten der weiteren Beteiligten trägt diese selbst, nachdem sie sich im [X.] nicht beteiligt hat.

[X.]     

      

[X.]     

      

Tolkmitt

      

Picker     

      

Rombach     

      

Meta

EnVZ 42/21

13.09.2022

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 23. Juni 2021, Az: VI-3 Kart 880/19 (V)

Abschn 2 § 17 EnWG, Abschn 2 §§ 17ff EnWG, Abschn 3 § 20 EnWG, Abschn 3 §§ 20ff EnWG, § 29 Abs 1 EnWG, § 31 Abs 1 S 2 EnWG, § 86 Abs 2 EnWG, § 90 S 2 EnWG, EUV 910/2014, EGRL 93/1999, § 271 Abs 1 BGB, § 286 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.09.2022, Az. EnVZ 42/21 (REWIS RS 2022, 5612)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5612

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