Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2004, Az. IV ZR 130/03

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2716

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL [X.]/03

Verkündet am:

23. Juni 2004

[X.]

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: ja

[X.]R: ja _____________________

[X.] §§ 5, 9 Cl; [X.]

Der [X.] in § 2 [X.] [X.] für krankhafte Störungen infolge [X.] Reaktionen ist nicht unklar (§ 5 [X.], § 305c Abs. 2 BGB); er hält einer Inhaltskontrolle stand (§ 9 [X.], § 307 BGB).

[X.], Urteil vom 23. Juni 2004 - [X.]/03 - Saarländisches OLG

LG Saarbrücken

- 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2004

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 16. April 2003 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Leistungen aus einer Unfallversicherung, der unter anderem die [X.] ([X.]) der Beklagten zugrunde liegen.

Er behauptet, er sei am 1. Oktober 1996 von einer Leiter gefallen und mit dem Hinterkopf auf den Boden aufgeschlagen. Dabei habe er ei-nen Gehirnschaden davongetragen, der epileptische Anfälle verursache, die allein zu einer 55%igen Invalidität führten, sowie einen Hörschaden erlitten. Die Beklagte hat nach einem im Dezember 1997 eingeholten [X.] Gutachten vorläufig eine 10%ige Invalidität wegen des Hörschadens zugrunde gelegt und einen Vorschuß von 12.000 DM - 3 -

gezahlt. Auf der Grundlage einer von ihr 1999 veranlaßten neurologi-schen und weiteren [X.] hat sie sodann eine unfallbedingte Invalidität überhaupt bestritten. Soweit der Kläger an psy-chisch bedingten Beschwerden leide, beruft sie sich auf den Leistungs-ausschluß in § 2 [X.] [X.], der lautet:
"Nicht unter den Versicherungsschutz fallen:



[X.] Krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen

gleichgültig, wodurch diese verursacht sind."

Der Kläger verlangt wegen [X.] und [X.] eine Invaliditätsentschädigung in Höhe von 132.000 DM. Seine [X.] ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision ver-folgt er das [X.] insgesamt weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

Dem Kläger stehen wegen des Leitersturzes keine Invaliditätslei-stungen aus der Unfallversicherung zu.

[X.] Das Berufungsgericht (r+s 2003, 470) hat festgestellt, der Kläger habe zwar über die Zeugenaussage seines [X.] nachgewiesen, daß sich der Unfall, so wie von ihm behauptet, zugetragen habe. Er habe - 4 -

aber nicht nachweisen können, daß eine versicherte Invalidität im Sinne des § 7 Abs. 1 [X.] eingetreten sei.

Auf die vom ohrenärztlichen Sachverständigen angeregte psychia-trische Beurteilung, ob der vom Kläger berichtete Schwindel neurotischer Natur ohne faßbares organisches Korrelat sei, es sich also um einen psychogenen Schwindel handele, komme es wegen § 2 [X.] [X.] nicht an. Diese Klausel halte einer [X.] Kontrolle stand.

Sie verstoße nicht infolge von Intransparenz gegen § 9 Abs. 1 [X.]. Bei unbefangener Lesart erfasse diese Klausel nur [X.], die ausschließlich auf einem seelisch bedingten Ur-sachenzusammenhang, nicht aber auf einer unfallbedingten organischen Schädigung beruhten. Dieses Verständnis werde von den [X.] und wertenden Erwägungen, die bereits bei den [X.] in §§ 2 Abs. 3 lit. b und 10 Abs. 5 [X.] eine Rolle gespielt hätten, bestätigt. Schwierigkeiten bei der Feststellung der Ursachen für psychisch empfundene Beschwerden führten nicht zur Intransparenz.

Der [X.] gefährde auch nicht den [X.]szweck im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Dieser sei über § 1 [X.] nicht durch einen umfassenden, tariflich nur schwer kalkulierbaren Schutz bei jedweder gesundheitsrelevanten Schädigung, sondern in erster Linie [X.] gekennzeichnet, körperliche Beeinträchtigungen zu versichern.

Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

- 5 -

I[X.] Die Revision nimmt hin, daß der Kläger nicht an einer unfallbe-dingten organisch-körperlichen Störung bzw. einer psychischen Erkran-kung als Manifestation einer solchen Schädigung leidet. Sie wendet sich nur gegen die Wirksamkeit des [X.] in § 2 [X.] [X.]. Dabei macht sie sich im wesentlichen die Ausführungen von [X.] (NVersZ 2002, 395 ff., [X.]. zu [X.] [X.], 1019 f. = NVersZ 2002, 402 f.) zu eigen, der die Klausel für intransparent hält. Die Klausel gefährde zudem den [X.]szweck, was zu einer unangemes-senen Benachteiligung des [X.] führe (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 [X.] - jetzt § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB), und sei eindeutig unklar (§ 5 [X.] - jetzt § 305c Abs. 2 BGB).

Damit vermag die Revision nicht durchzudringen. Der in § 2 [X.] [X.] festgelegte [X.] hält einer Bedingungskontrolle stand. Die Klausel ist wirksam.

1. a) Vor der Bedingungskontrolle ist die Klausel zunächst auszu-legen, um Klarheit über ihren zu kontrollierenden Inhalt zu schaffen ([X.] vom 17. März 1999 - [X.] - [X.], 745 unter [X.]). Dem folgt an sich auch das Berufungsgericht, wenn es - allerdings innerhalb der Transparenzprüfung - eine nähere Festlegung des [X.] der Klausel vornimmt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdi-gung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkenn-baren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versiche-- 6 -

rungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interes-sen an ([X.]Z 123, 83, 85 und ständig).

b) Danach ist die Klausel wie folgt auszulegen:

Ausgehend vom Wortlaut wird der Versicherungsnehmer erkennen, daß die [X.] zunächst generell und umfassend Leistungen für Unfall-folgen einschließlich psychischer Folgen zusagen (§§ 1, 7 I 1 [X.]; vgl. [X.], NVersZ 2002, 1, 4). Bei Durchsicht des in § 2 [X.] enthaltenen Katalogs der "Ausschlüsse" wird er sodann gewahr, daß [X.] allgemeine Leistungszusage nicht uneingeschränkt gelten soll, viel-mehr der Versicherungsschutz bei einer genau umschriebenen Art von Unfällen und Gesundheitsschädigungen (I, II), bei speziellen Verlet-zungsfolgen (III) und bei psychisch vermittelten [X.] ([X.]) nicht gelten soll. Bei letzteren wird ihm die weite Fassung dieses Aus-schlusses vor Augen geführt, mit dem krankhafte Störungen infolge psy-chischer Reaktionen gleichgültig, wodurch diese verursacht worden sind, vom Versicherungsschutz ausgenommen werden. Das erfaßt Gesund-heitsschädigungen infolge psychischer Reaktionen, die sowohl auf Ein-wirkungen von außen über Schock, Schreck, Angst und ähnliches erfol-gen, als auch auf unfallbedingter Fehlverarbeitung beruhen (Senatsurteil vom 19. März 2003 - [X.] ZR 283/02 - VersR 2003, 634 unter [X.]; [X.] VersR 2001, 1550 f.; Prölss/Martin/[X.], [X.]. § 2 [X.] Rdn. 40).

Damit werden ihm auch die für den Versicherungsschutz voraus-gesetzten Zusammenhänge zwischen den Gesundheitsschäden und ih-ren Ursachen deutlich. Fehlt es an körperlichen Traumata oder kann die - 7 -

krankhafte Störung des Körpers nur mit ihrer psychogenen Natur erklärt werden, will der Versicherer keinen Versicherungsschutz übernehmen ([X.], [X.]. § 2 [X.]. 108). Anders dagegen soll - wie schon das Berufungsgericht zutreffend sieht - Versicherungs-schutz bestehen, wenn er durch den Unfall beispielsweise hirnorganisch beeinträchtigt wird, was dann seine Psyche krankhaft verändert (Knapp-mann, aaO S. 4). Die organische Schädigung oder Reaktion, die zu ei-nem psychischen Leiden führt, vermag den [X.] nicht auszulösen; diese seelischen Beschwerden beruhen dann nicht, wie von der Klausel wörtlich verlangt, ihrerseits auf psychischen Reaktionen, sondern sind physisch hervorgerufen und mithin nicht vom Ausschluß [X.]. Diese Auslegung beruht nicht etwa, wie die Verständnisbetrachtung des Berufungsgerichts nahelegen könnte, auf systematischen und wer-tenden Erwägungen zur [X.] in den [X.], die der durch-schnittliche Versicherungsnehmer aber nicht kennt, sondern allein auf den Erkenntnismöglichkeiten bei umsichtiger Beschäftigung mit dem Klauselwerk seines Versicherungsvertrages (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 2000 - [X.] ZR 113/99 - [X.], 1090 unter 2).

2. Die Bestimmung des § 2 [X.] [X.] ist nach dieser Auslegung nicht unklar im Sinne von § 5 [X.] und hält auch einer Inhaltskontrolle nach § 9 [X.] stand.

a) Unklar gemäß § 5 [X.] sind Klauseln, bei denen nach Aus-schöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behe[X.]arer Zweifel bleibt und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar sind ([X.]Z 112, 65, 68 f.; [X.], Urteil vom 11. März 1997 - [X.] - NJW 1997, 3434 unter 1 b). Das ist nach dem zuvor gewon-- 8 -

nenen Auslegungsergebnis nicht der Fall. Aus der maßgeblichen Sicht des Versicherungsnehmers bleiben keine Zweifel, daß alle durch psychi-sche Reaktionen hervorgerufenen Schäden ausgeschlossen werden [X.]; daß er keine Leistungen vom Versicherer erhalten soll, wenn und soweit sich psychische Reaktionen auf seinen Zustand nach dem Unfall auswirken, ist eindeutig und unmißverständlich ([X.], aaO S. 4). Für § 5 [X.] ist danach kein Raum (vgl. [X.], Urteil vom 20. Oktober 1992 - [X.] - NJW 1993, 657 unter [X.]).

Anderes vermag auch die Revision nicht aufzuzeigen, wenn sie darauf verweist, daß die Begriffe "krankhafte Störungen infolge [X.] Reaktionen" im wesentlichen aus Unsicherheiten bestünden, sie deswegen für einen Risikoausschluß besonders ungeeignet und Klauseln mit derart mehrdeutigen Begriffen gemäß § 5 [X.] unwirksam seien. Das läuft - worauf auch der Hinweis auf [X.]Z 147, 354, 361 mit der dort behandelten Transparenzprüfung hindeutet - in der Sache darauf hinaus, die Unklarheitenregel als ein Mittel verdeckter Inhaltskontrolle einzuset-zen. Ein solcher Ansatz ist jedoch überholt und nicht mehr zu rechtferti-gen ([X.]/[X.], [X.]. § 5 [X.] Rdn. 8). [X.] unterliegen eigenen spezifischen Prü-fungskriterien und dürfen so nicht miteinander vermischt werden.

Entgegen der Auffassung der Revision zeigt auch die jüngere Rechtsprechung der Instanzgerichte nicht, daß diese Klausel unter-schiedlich ausgelegt wird (vgl. OLG Köln [X.], 1489 f.; OLG Frankfurt OLGR 2000, 27 ff. - mit [X.] des Senats vom 20. September 2000 - [X.] ZR 194/99; OLG Oldenburg r+s 2004, 34 f. mit Nichtzulassungsbeschluß des Senats vom 26. März 2003 - [X.] ZR - 9 -

342/02; [X.] ZfS 1998, 23). Wie selbst die Revision zugesteht, sollen darin (bloß) Schwierigkeiten bei der "rechtlichen Handhabung" der Klausel zum Ausdruck kommen. Das betrifft jedoch keine verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten im Sinne von nicht behe[X.]aren Zweifeln für die Unterscheidung zwischen physisch ausgelösten versicherten und nicht-versicherten psychogenen Gesundheitsschäden. Etwaige Schwierigkei-ten bei den im Einzelfall insoweit zu treffenden Feststellungen lassen ei-ne im übrigen klare Abgrenzungsregelung ohnehin nicht unklar werden.

Die Unklarheitenregelung des § 5 [X.] wird nach alledem durch die in der Klausel festgeschriebene Ausgrenzung psychisch reaktiver Gesundheitsschäden vom Versicherungsschutz nicht betroffen.

b) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß § 8 [X.] (jetzt § 307 Abs. 3 BGB) eine Inhaltskontrolle nach den §§ 9-11 [X.] nicht hindert, weil die Klausel nach ihrem Wortlaut und erkennba-ren Zweck das schon in § 1 [X.] i.V. mit § 7 [X.] gegebene Hauptleistungsversprechen lediglich beschränkt, indem sie aus dem Kreis der versicherten, also an sich entschädigungspflichtigen unfallbe-dingten Gesundheitsschäden, die krankhaften Störungen infolge [X.] Reaktionen ausschließt. Solche [X.] Klauseln sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats kontrollfähig ([X.]Z 141, 137, 140 ff.; 142, 103, 109 ff.; [X.], Urteile vom 21. Februar 2001 - [X.] ZR 11/00 - VersR 2001, 576 unter 1 und 30. Oktober 2002 - [X.] ZR 60/01 - [X.], 1546 unter II 1). Gegen diese Beurteilung wendet sich auch die Revisionserwiderung nicht.
- 10 -

aa) Die Ausgrenzung psychisch reaktiver Gesundheitsschäden [X.] den [X.]szweck nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 2 [X.]. Nicht jede Leistungsbegrenzung bedeutet schon eine [X.], sondern ist zunächst grundsätzlich der freien unternehmeri-schen Entscheidung des Versicherers überlassen, soweit er mit der [X.] der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer nicht falsche Vorstellungen erweckt ([X.]Z 141, 137, 143). Eine Gefährdung ist daher erst dann anzunehmen, wenn mit der Einschränkung der Leistung der [X.] ausgehöhlt werden kann und damit der Versicherungsvertrag in bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos wird ([X.]Z 137, 174, 176 und ständig).

Das ist hier nicht der Fall. Der zugesagte Unfallversicherungs-schutz für von außen auf den Körper wirkende Ereignisse (§ 1 III [X.]) bleibt von dieser Klausel für alle Gesundheitsschäden - also ein-schließlich psychischer Leiden - unangetastet, soweit sich die [X.] nicht als Folge psychischer Reaktionen darstellen. Es trifft daher schon nicht zu, daß - wie die Revision meint - bei Wirksamkeit des § 2 [X.] [X.] für seelische Unfallfolgen aller Art zumeist ein Leistungs-ausschluß zugunsten des Versicherers gegeben wäre. Für den gesamten Bereich physisch vermittelter Unfallschädigungen greift dieser Ausschluß nicht. Bereits deswegen scheidet eine Aushöhlung des [X.] aus; sein Zweck, Schutz vor Unfallrisiken zu bieten, wird in diesem weit gespannten Bereich ausreichend erfüllt.

[X.]) Der Ausschluß der psychischen Reaktionen benachteiligt den Versicherungsnehmer auch im übrigen nicht unangemessen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Mit dem Ausschluß knüpft die bedingungsgemäße Ent-- 11 -

schädigung von Unfallschäden an objektiv erfaßbare Vorgänge an. Das trägt dem Interesse des Versicherers an einer möglichst zuverlässigen Tarifkalkulation und an einer zeitnahen, mit vertretbarem Kostenaufwand ergehenden Entscheidung über die Entschädigung Rechnung. [X.] liegen eine zügige Regulierung und günstige Prämien auch im [X.] (vgl. dazu [X.] VersR 1998, 886 f.; [X.], aaO § 2 Rdn. 103, 108). Eine möglichst [X.], kostengünstige [X.]sabwicklung wäre bei der Einbeziehung von psychogenen Schäden so nicht mehr gewährleistet. Denn diese Schäden hängen stark auch von den persönlichen Dispositionen eines [X.] ab, und als Auslöser kommt praktisch jedwedes Gesche-hen in der Außenwelt in Betracht. Zu Recht weist die Revisionserwide-rung darauf hin, daß zur Feststellung solcher zu entschädigender unfall-bedingter Folgen regelmäßig langwierige, gegebenenfalls stationäre [X.] erforderlich werden, um einigermaßen verläßliche Feststel-lungen treffen zu können, ob eine krankhafte psychische Reaktion vor-liegt und diese dann auch auf dem Unfall beruht. Die von der Revision gezogene Parallele zum Haftungsrecht, bei dem auch der Schädiger grundsätzlich sogar für psychische Fehlverarbeitungen als Folge eines Unfalls einzustehen habe (vgl. nur [X.]Z 132, 341 ff.; 137, 142 ff.), überzeugt nicht. Denn es ist gerade das erkennbare Ziel dieser Rege-lung, den schadensersatzrechtlichen Problemen zu entgehen (vgl. [X.] VersR 1998, 886 f.). Die Forderung, aus [X.] Unfallversicherungsschutz im Umfang der deliktischen Schadenser-satzpflicht anzuerkennen, findet ihre Grenzen in der [X.]sgestaltung. Der angebotene und vom Versicherungsnehmer genommene, in den [X.] klar und unmißverständlich umschriebene Versicherungsschutz (so - 12 -

bereits Senatsurteil vom 19. April 1972 - [X.] ZR 50/71 - NJW 1972, 1233 unter II) steht darüber hinausgehenden Leistungswünschen entgegen.

[X.]) § 2 [X.] [X.] genügt auch den Anforderungen des sich aus § 9 [X.] ergebenden Transparenzgebotes. Die Regelung benachteiligt den Versicherungsnehmer nicht unangemessen. Insbesondere führt sie ihm ausreichend klar und verständlich vor Augen, was er zu erwarten hat (vgl. [X.]Z 141, 137, 143). Nach dem Transparenzgebot ist der Verwen-der Allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsät-zen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines [X.] möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, daß eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, daß sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen läßt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann ([X.]Z 147, 354, 362 und ständig). Diesen [X.] wird § 2 [X.] [X.] gerecht.

Die von der Revision vermißte klare Grenzziehung zwischen phy-sischen und psychischen Reaktionen stellt das nicht in Frage. Es mag sein, daß es im Rahmen der sogenannten [X.] unter-schiedliche medizinische, psychologische und philosophische Ansätze gibt, krankhafte Störungen diesen Bereichen zuzuordnen, der Begriff "psychische Reaktionen" in Abgrenzung zu physischen deswegen nicht leicht auszufüllen ist, der danach fragende Versicherungsnehmer vom Agenten im [X.] nicht stets eine trennscharfe Antwort [X.] wird und dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer eine ab-strakte Unterscheidung bei den denkbaren Fallgestaltungen nicht immer - 13 -

möglich ist. Dadurch wird der Ausschluß aber nicht intransparent. [X.] (aaO S. 396) fehlt der Klausel damit nicht ein halb-wegs klarer und [X.]. Diese Erwägungen betreffen vielmehr - vergleichbar der Prüfung gemäß § 5 [X.] - die Anforderun-gen an die im Einzelfall zu treffenden Feststellungen und die Frage, zu wessen Lasten es geht, wenn insoweit etwas nach den derzeit gegebe-nen Erkenntnismöglichkeiten offenbleibt. Einem potentiellen Versiche-rungsnehmer wird mit dieser Formulierung jedoch deutlich vor Augen ge-führt, daß er nur für physisch vermittelte Gesundheitsschäden Unfall-schutz erhält. Er kann damit erkennen, daß er durch den Unfall körper-lich/organisch betroffen sein muß, wodurch seine Beschwerden, wegen derer er sich auf bedingungsgemäße Invalidität beruft, hervorgerufen werden. Dieser Klauselinhalt ist transparent. Er wird durch die nach den allgemeinen Regeln bestehende Verteilung der Darlegungs- und Beweis-lasten nicht intransparent.

Der Nachweis unfallbedingter Invalidität obliegt dem Versiche-rungsnehmer, wobei für die konkrete Ausgestaltung des Gesundheits-schadens und seiner Dauerhaftigkeit der Maßstab des § 286 ZPO und dafür, ob der unfallbedingte Gesundheitsschaden für die bewiesene Inva-lidität ursächlich war, die Beweiserleichterung des § 287 ZPO gilt ([X.]e vom 17. Oktober 2001 - [X.] ZR 205/00 - NJW-RR 2002, 166 und vom 12. November 1997 - [X.] ZR 191/96 - r+s 1998, 80; jeweils m.w.[X.]). Dagegen steht es zur Beweislast des Versicherers, will er sich auf den [X.] des § 2 [X.] [X.] berufen (vgl. [X.]Z 131, 15 ff., 21; [X.], aaO Rdn. 109). Danach muß der Versicherer be-weisen, daß und vor allem in welchem Umfang psychische Reaktionen den krankhaften Zustand hervorgerufen haben ([X.], aaO S. 4; - 14 -

derselbe [X.], 1230, [X.]. zu [X.] aaO). Die sich in Fällen sogenannter Mitursächlichkeit bei den Unfallfolgen möglicherweise erge-benden Schwierigkeiten ändern an dieser die Interessen beider Seiten angemessen berücksichtigenden Beweislastverteilung nichts; nicht zu klärende Unklarheiten über Beitrag und Gewicht etwaiger psychischer Reaktionen gehen zu Lasten des Versicherers ([X.], aaO S. 4).

Die in § 2 [X.] [X.] verwendeten Begriffe hindern einen Versiche-rungsnehmer bei [X.]sschluß jedenfalls nicht daran zu erkennen, was ihn erwartet, und machen den [X.] auch nicht injustizia-bel. Probleme können im Einzelfall bei der Feststellung der [X.] und der Anwendung des Feststellungsergebnisses auf den vorgegebenen rechtlichen Rahmen entstehen. Das gehört aber zur üblichen forensischen Praxis. Schwierigkeiten dieser Art kann durch eine ausgiebige sachverständige Unterstützung und eine ausgewogene Ver-teilung der Darlegungs- und Beweislasten begegnet werden. Der [X.] wird damit auch nicht unter [X.] entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Die Nachteile und Belastungen, die mit der den gewählten Versicherungsschutz einschränkenden Ausschlußklausel verbunden sind, werden ihm, soweit dies nach den Umständen möglich ist, deutlich gemacht. Der von der Revision geforderten Benennung und Konkretisie-rung einzelner Arten von psychischen Reaktionen (vgl. [X.], aaO S. 396 f.) bedarf es dafür gerade nicht. Unabhängig davon, inwie-weit eine umfängliche Auflistung psychischer Vorgänge detailliert über-haupt möglich ist, wäre das rechtlich nicht zu beanstandende Ziel (vgl. vorstehend unter II[X.] 1.), diesen Risikobereich überhaupt auszuklam-mern, damit schwerlich zu erreichen. Dem Transparenzgebot wird ge-- 15 -

nügt, wenn der Versicherungsnehmer diese Zielsetzung und den danach bestehenden Umfang der angebotenen Versicherung erkennt. Das ist bei § 2 [X.] [X.] - wie ausgeführt - der Fall.

[X.] [X.] [X.]

Dr. [X.]

[X.]

Meta

IV ZR 130/03

23.06.2004

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2004, Az. IV ZR 130/03 (REWIS RS 2004, 2716)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2716

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 233/03 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 283/02 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 273/03 (Bundesgerichtshof)


I-4 U 30/08 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


IV ZR 39/11 (Bundesgerichtshof)

Private Unfallversicherung: Wirksamkeit der Fristenregelung für die ärztliche Feststellung und Geltendmachung der Invalidität


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.