Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2005, Az. IV ZR 273/03

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 4850

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL [X.]/03

Verkündet am:

23. Februar 2005

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: ja

[X.]R: ja _____________________

[X.] § 9 [X.]; [X.] ([X.]) § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.]; [X.] f. Unfallvers. ([X.]) § 7

Eine Fristenregelung wie in den §§ 1 und 7 [X.] in [X.] eines Unfallversicherers genügt den Anforderungen des [X.].

[X.], Urteil vom 23. Februar 2005 - [X.]/03 - OLG München

LG München I

- 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. [X.] und [X.] [X.] auf die mündliche Verhand-lung vom 23. Februar 2005

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 25. Zivilsenats des [X.] vom 25. November 2003 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht einen Anspruch aus einer privaten [X.] geltend. Dem Versicherungsvertrag liegen [X.] zugrunde (im folgenden: [X.]), die - soweit hier von Bedeutung - im wesentlichen den [X.] entsprechen. Zu den [X.] heißt es dort:
§ 1 Der Versicherungsfall

[X.] Der Versicherer bietet Versicherungsschutz bei [X.], die dem Versicherten während der Wirksamkeit des Vertrages zustoßen. Die Leistungsarten, die versi-chert werden können, ergeben sich aus § 7; aus [X.] ist ersichtlich, welche Leistungsarten jeweils vertraglich vereinbart sind. ...
- 3 -

§ 7 Die Leistungsarten [X.] und deren Höhe (Versicherungssummen) ergeben sich aus dem Vertrag.
Für die Entstehung des Anspruchs und die Bemessung der Leistung gelten die nachfolgenden Bestimmungen.

[X.] Invaliditätsleistung (1) Anspruch auf Kapitalleistung aus der für den [X.] versicherten Summe entsteht, wenn der Unfall in-nerhalb von 15 Monaten zu einer dauernden Beeinträch-tigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) führt und diese Beeinträchtigung spätestens 15 Monate nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und geltend gemacht worden ist. ...

Am 24. Februar 2001 stürzte der Kläger auf einer Steintreppe und zog sich eine Achillessehnenteilruptur zu. Er mußte nach einer [X.] zunächst einen Unterschenkelgips, dann einen elastischen Verband und später einen Achillessehnenstrumpf tragen. Anschließend erhielt er eine Bewegungstherapie und Kräuterbäder. Auf Dauer verblei-bende Schäden wurden von den behandelnden Orthopäden nicht [X.]. Vielmehr behauptet der Kläger, die Ärzte hätten ihm wiederholt [X.], sein Bein werde wieder in Ordnung kommen. Erst mit Schreiben vom 4. August 2002 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß er eine [X.] erlitten habe und seitdem täglich unter Schmerzen leide. Am 24. September 2002 suchte der Kläger einen [X.]n Orthopäden auf, der eine deutliche Verdickung und einen unfallab-hängigen Dauerschaden attestierte. Die Beklagte lehnte [X.] u.a. wegen Versäumung der in § 7 I (1) [X.] vorgeschriebenen Frist für die ärztliche Feststellung der Invalidität ab. Der Kläger meint, diese Frist sei in den Versicherungsbedingungen der Beklagten nicht klar und verständlich dargestellt worden. - 4 -

Die Klage auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten, für das Unfallereignis vom 24. Februar 2001 Versicherungsschutz zu leisten, hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Kläger verfolgt seinen [X.] mit der Revision weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg. Die Klage ist mit Recht abgewie-sen worden.

[X.] 1. Das Berufungsgericht sieht keinen Verstoß gegen das [X.], so wie es als Maßstab der Inhaltskontrolle von [X.] in langjähriger Rechtsprechung entwickelt worden sei. Ob die Anforderungen insoweit durch die Regelung in § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 ([X.]l. I S. 42) erhöht worden seien, könne offen bleiben, weil sich der Unfall, aus dem der Kläger seinen Anspruch herleite, vor Inkrafttreten der [X.] ereignet habe (Art. 229 § 5 EG[X.]). Durch das Erfordernis fristgerechter ärztlicher Feststellung würden Spätschäden im Interesse arbeits- und kostensparender Abwicklung vom Versicherungsschutz aus-genommen, auch wenn der Versicherte die Frist schuldlos versäumt [X.] ([X.]Z 137, 174, 177). Die Berufung der Beklagten auf den Fristab-lauf sei auch nicht rechtsmißbräuchlich. Wenn Ärzte dem Versicherten zu Unrecht erklärt hätten, es würden nach dem Unfall keine Dauerfolgen zu-- 5 -

rückbleiben, trage der Versicherer dafür keine Verantwortung ([X.]Z 130, 171, 176).

2. Dem hält die Revision entgegen, die höchstrichterliche Recht-sprechung habe bisher nicht zu der Frage Stellung genommen, ob die zum Verlust des Versicherungsschutzes führenden Fristen in den [X.] der Beklagten hinreichend klar und verständlich gemacht würden. Schon vor Inkrafttreten von § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] sei anerkannt gewesen, daß eine Klausel in Allgemeinen Geschäfts- oder Versicherungsbedingungen unwirksam sei, wenn die getroffene [X.] dem Transparenzgebot nicht genüge. Für den durchschnittlichen Kunden ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse werde insbe-sondere durch Aufbau und Gestaltung der [X.] verschleiert, daß der in § 1 der Versicherungsbedingungen gewährte Versicherungsschutz bei einem Unfall später in § 7 unter der irreführenden Überschrift "Lei-stungsarten" zusätzlich von der Einhaltung bestimmter Fristen etwa für die ärztliche Feststellung eines Dauerschadens abhängig gemacht werde (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.]. [X.] § 7 Rdn. 8; [X.]. [X.], 485, 489; [X.] in [X.]/Langheid, [X.]. § 179 Rdn. 21; Hormuth in [X.], [X.] Anwalts Handbuch [X.], § 23 Rdn. 36).

I[X.] Diese Bedenken teilt der [X.] nicht. Die Fristenregelung in § 7 I (1) [X.] hält, insbesondere soweit sie für die Entstehung des [X.] auf Invaliditätsleistung voraussetzt, daß spätestens 15 Monate nach dem Unfall eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit von einem Arzt schriftlich festgestellt worden - 6 -

sein muß, einer Inhaltskontrolle auch am Maßstab des [X.] stand.

1. Dabei kommt es auch nach Meinung der Revision nicht darauf an, ob das Transparenzgebot seine Grundlage - wie im vorliegenden Fall - noch in § 9 [X.] findet oder bereits in § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Mit der neuen Vorschrift war eine inhaltliche Änderung der bisher von der Rechtsprechung zum Transparenzgebot entwickelten Grundsätze nicht bezweckt (MünchKomm[X.]/[X.], 4. Aufl. [X.], § 307 Rdn. 48 m.w.N.; [X.]/[X.], [X.] 64. Aufl. § 307 Rdn. 16). Nicht [X.] ist auch, daß die hier streitigen Fristen das [X.] lediglich ausgestalten oder modifizieren und des-halb schon unter der Geltung von § 8 [X.] der gerichtlichen Kontrolle unterlagen (vgl. [X.]Z 137, 174, 175).

2. Der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (Transparenzgebot); insbesondere müssen Nachteile und Belastungen so weit erkennbar werden, wie dies nach den Umständen gefordert wer-den kann ([X.]Z 147, 373, 377 f.; 141, 137, 143). Eine Regelung muß nicht nur aus sich heraus klar und verständlich sein; sie hält einer In-haltskontrolle auch dann nicht stand, wenn sie an verschiedenen Stellen in den Bedingungen niedergelegt ist, die nur schwer miteinander in [X.] zu bringen sind, oder wenn der Regelungsgehalt auf [X.] Weise durch die Verteilung auf mehrere Stellen verdunkelt wird ([X.], Urteile vom 10. März 1993 - [X.] - NJW 1993, 2052 unter [X.]; vom 11. Februar 1992 - [X.] - NJW 1992, 1097 unter [X.]). - 7 -

Dabei kommt es auf die [X.] des durchschnittlichen Versicherungsnehmers an, von dem allerdings die aufmerksame Durch-sicht der Bedingungen, deren verständige Würdigung und die Berück-sichtigung ihres erkennbaren Sinnzusammenhangs erwartet werden kann ([X.]Z 123, 83, 85; [X.]surteil vom 9. Juli 2003 - [X.]/02 - NJW-RR 2003, 1247 = VersR 2003, 1163, jeweils unter [X.] (1); vgl. ferner [X.], Beschluß vom 23. März 1995 - [X.] - NJW-RR 1995, 749 unter 2 a). Jedes eigene Nachdenken kann dem Kunden nicht erspart bleiben ([X.]Z 112, 115, 121). Eine Überspannung des [X.] würde letztlich wieder Intransparenz mit sich bringen ([X.], Urteil vom 10. März 1993, aaO).

3. a) Die hier streitige Klausel in § 7 I (1) [X.] ist weder hinsicht-lich der einzuhaltenden Fristen noch der Bedeutung dieser Fristen für den Versicherungsschutz aus sich heraus unklar oder schwer verständ-lich (so auch [X.] in [X.]/[X.], aaO Rdn. 8; [X.], aaO). Soweit [X.] ([X.], 195 f.) das Transparenzgebot dadurch verletzt sieht, daß es für den Versicherungsschutz auf Zufallswirkungen ankomme, nämlich ob die unfallbedingte Invalidität noch innerhalb der in den Bedingungen genannten Fristen eintrete und ärztlich festgestellt werden könne oder nicht, geht es nicht um die [X.] der Regelung, sondern um deren Inhalt. Insoweit hat der [X.] in [X.]Z 137, 174, 176 f. ausgesprochen, daß die - der hier in Rede stehenden Klausel inhaltlich im wesentlichen entsprechende - Klausel in § 7 I (1) Abs. 2 [X.] wegen des damit bezweckten Ausschlusses von Spät-schäden einer Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 [X.] standhält. Daran wird festgehalten.
- 8 -

Dies gilt auch, soweit die Revision meint, bei der Regelung in § 7 I (1) [X.] über die fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität hand-le es sich um eine verhüllte Obliegenheit, die schon deshalb unwirksam sei, weil ihr wahrer Charakter als einer Obliegenheit, deren Verletzung nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit zur Leistungsfreiheit führe (§ 10 [X.]), zum Nachteil des Versicherungsnehmers verschleiert werde (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]. [X.]. §§ 9-11 Rdn. 859; [X.], [X.]. § 23 Rdn. 480). Der [X.] hat indessen bereits entschieden, daß das Er-fordernis fristgerechter ärztlicher Feststellung der Invalidität eine [X.]voraussetzung ist, für die es keinen Entschuldigungsbeweis gibt ([X.]Z 137, 174, 177; Urteil vom 28. Juni 1978 - [X.] - VersR 1978, 1036 unter 1). Insoweit läßt der Wortlaut des § 7 I (1) [X.] keinen Zweifel aufkommen.

b) Die Einsicht, daß ein Anspruch auf Versicherungsschutz bei [X.] nur bei Einhaltung der in § 7 I (1) [X.] vorgesehenen Fristen besteht, wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, wenn er die Bedingungen mit der von ihm zu fordernden Aufmerksamkeit durchsieht, aber auch durch deren Aufbau und Gliederung nicht verstellt. Die [X.] der Revision, § 1 I [X.] vermittle dem durchschnittlichen Versiche-rungsnehmer den Eindruck, ihm werde in dieser Bestimmung bereits ein Anspruch auf Versicherungsschutz abschließend zugesagt, wenn es zu einem Unfall gekommen sei, greift zu kurz: Der im ersten Satz dieser Vorschrift angebotene Versicherungsschutz bleibt seinem Inhalt nach vielmehr völlig unbestimmt. Insofern wird der Leser aber im zweiten Satz sogleich auf die Leistungsarten hingewiesen, die versichert werden [X.] und sich aus § 7 der Bedingungen ergeben. Wenn der Begriff "Lei-- 9 -

stungsarten" in § 1 I [X.] für den Versicherungsnehmer nicht aus sich heraus verständlich sein sollte, wie die Revision meint, erschließt sich seine Bedeutung jedenfalls aus dem in Bezug genommenen § 7, der [X.] die Invaliditätsleistung, unter II die Übergangsleistung, unter [X.] das Tagegeld, unter [X.] das Krankenhaustagegeld, unter V das Genesungs-geld und unter VI die Todesfalleistung regelt. § 1 I verdeutlicht, daß es für einen Anspruch auf eine der genannten Leistungen keineswegs nur auf das Vorliegen eines Unfalls ankommt, sondern zunächst darauf, daß eine Verpflichtung zu einer oder mehreren der genannten Leistungen überhaupt vertraglich vereinbart worden ist. § 1 I [X.] sagt in seinem zweiten Satz aber nicht etwa, daß der Versicherer bei einem Unfall [X.] leistet, soweit überhaupt Leistungen vertraglich vereinbart sind, sondern daß sich die Leistungsarten, die versichert werden können und nach Antrag sowie Versicherungsschein vereinbart worden sind, selbst erst aus § 7 ergeben. Dem verständigen Versicherungsnehmer kann [X.] nicht verborgen bleiben, daß es für den inhaltlich in § 1 I [X.] nicht konkretisierten Versicherungsschutz entscheidend auf § 7 [X.] [X.].

Dessen Lektüre kann er sich also nicht ersparen, wenn er über den Versicherungsschutz, der ihm zusteht, auch nur in groben Zügen infor-miert sein will. Daß die in § 7 getroffenen Regelungen dem Leser nicht schon in unmittelbarem Anschluß an § 1 [X.] präsentiert werden, ändert nichts an der Klarheit und Verständlichkeit der sich aus § 1 I ergebenden Bezugnahme. § 7 weist den Leser schon einleitend vor den unter römi-schen Ziffern aufgeführten Leistungsarten darauf hin, daß die [X.] Bestimmungen nicht erst für die Bemessung der Leistung, [X.] schon für die Entstehung des Anspruchs gelten. Selbst wenn der - 10 -

Versicherungsnehmer diese Einleitung unbeachtet läßt und sich sogleich der von ihm vereinbarten Leistungsart, hier also der Invaliditätsleistung, zuwendet, macht der Text des § 7 unter I (1) klar, daß es einen Anspruch auf Kapitalleistung wegen Invalidität nur gibt, wenn eine dauernde Beein-trächtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit innerhalb einer bestimmten Frist (hier spätestens 15 Monate nach dem Unfall) ein-tritt, wenn diese Beeinträchtigung innerhalb dieser Frist außerdem schriftlich von einem Arzt festgestellt und geltend gemacht wird. Um dies zu erkennen, bedarf es keiner juristisch-dogmatischen Unterscheidung zwischen dem Versicherungsfall als solchem und der Entstehung des Anspruchs gegen den Versicherer (vgl. [X.] in [X.]/Langheid, aaO § 179 Rdn. 4).

Mit dieser Regelungstechnik sind die Voraussetzungen für den [X.] zwar nicht an einer Stelle in den Bedin-gungen zusammenhängend dargestellt. Das wäre indessen wegen der vielfältigen und unterschiedlichen Leistungen, die bei einem Unfall ver-einbart werden können, weder einfach noch beson[X.] naheliegend für einen Versicherungsnehmer, der nach seinen Vertragsunterlagen - wie hier - nicht schlechthin Unfallversicherungsschutz vereinbart hat, [X.] neben einem [X.] u.a. bei Invalidität durch Unfall die Zahlung eines dem Invaliditätsgrad entsprechenden Betrages, wobei im Versicherungsschein ausdrücklich auf § 7 [X.] hingewiesen wird. Es bedarf hier nicht der Entscheidung, ob die Anspruchsvorausset-zungen in der Unfallversicherung auch klarer und verständlicher formu-liert werden könnten, als dies in den hier zu prüfenden Bedingungen [X.] ist. Diese machen die Regelung auch für einen durchschnittli-chen Versicherungsnehmer jedenfalls hinreichend deutlich, zieht man die - 11 -

Schwierigkeiten der zu regelnden Materie einerseits und die vom [X.] zu fordernde Aufmerksamkeit, verständige Würdigung und Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs andererseits in Betracht.

c) Daran ändert auch die Regelung in § [X.] [X.] nichts. Die [X.] meint, da die dort vom Versicherungsnehmer unverzüglich nach dem Unfall geforderte Hinzuziehung eines Arztes als Obliegenheit bezeichnet werde, die nach § 10 [X.] nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung zum Verlust des Versicherungsschutzes führe, sei für den Versicherungsnehmer unklar, ob dies nicht auch für die in § 7 I (1) [X.] vorausgesetzte Zuziehung eines Arztes für die schriftliche Feststellung der Invalidität gelte. Eine solche Beziehung zwischen den §§ 7 I und [X.] [X.] herzustellen, liegt indessen fern. An[X.] als in § 1 I [X.] nehmen die §§ 7 I, [X.] und 10 [X.] im Text nicht auf einander Bezug. Vor allem wird dem aufmerksam lesenden Versicherungsnehmer nicht entgehen, daß die in § [X.] [X.] angeordnete Obliegenheit den Zweck hat, die Un-fallfolgen möglichst zu mindern, wie sich aus dem zweiten Satz dieser Bestimmung ergibt. Damit hat die in § 7 I (1) [X.] binnen 15 Monaten nach dem Unfall geforderte schriftliche Feststellung eines Arztes über eine etwa auf Dauer verbleibende Unfallfolge nichts zu tun. Das wird dem Versicherungsnehmer, wenn er §§ 7 I (1) und [X.] [X.] überhaupt miteinander in Beziehung bringt, aus Wortlaut und Sinnzusammenhang dieser Regelungen jedenfalls klar werden.

Die Bedenken der Revision gegen die Wirksamkeit des § 7 I (1) [X.] sind mithin unbegründet.
- 12 -

4. Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Berufung des [X.] auf den Ablauf der Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidi-tät im Einzelfall rechtsmißbräuchlich sein kann, so daß die Versäumung der Frist dem Versicherungsnehmer nicht schadet. Das hat der [X.] angenommen, wenn ein unveränderlicher Gesundheitsschaden tatsäch-lich vor Fristablauf in einem ärztlichen Bericht erwähnt worden ist, etwa weil der behandelnde Unfallchirurg die Gallenblase entfernt hatte, eine daraus folgende Invalidität aber nicht ausdrücklich fristgerecht ärztlich festgestellt wurde ([X.]Z 130, 171, 178 f.; 137, 174, 177). Darüber [X.] kann sich die Berufung auf den Fristablauf als rechtsmißbräuchlich darstellen, wenn dem Versicherer bereits vor Fristablauf ein [X.] des Versicherungsnehmers hinsichtlich der zu wahrenden Frist deutlich wird, er aber gleichwohl eine solche Belehrung unterläßt (vgl. [X.], [X.], 485, 489). Davon kann auszugehen sein, wenn der Versicherte [X.] rechtzeitig geltend macht, seine Angaben oder die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste den Eintritt ei-nes Dauerschadens nahelegen, die erforderliche ärztliche Feststellung der Invalidität aber noch fehlt ([X.], 907; [X.] NVersZ 1999, 567). Gleiches kann anzunehmen sein, wenn der Versi-cherer nach [X.] von Invalidität von sich aus noch innerhalb der Frist zur ärztlichen Feststellung ein ärztliches Gutachten einholt, oh-ne den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, daß er unbeschadet dessen selbst für eine fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität zu sorgen habe ([X.], 956, 958; OLG Olden-burg NVersZ 2000, 85 f.; zu alledem [X.] in [X.]/[X.], aaO Rdn. 22 f.; [X.], NVersZ 2001, 55, 57 f.).
- 13 -

Daß im vorliegenden Fall von einem rechtsmißbräuchlichen [X.] der Beklagten nicht ausgegangen werden kann, stellt das [X.] rechtsfehlerfrei fest.

Terno [X.] [X.]

Dr. [X.]

Dr. [X.]

Meta

IV ZR 273/03

23.02.2005

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2005, Az. IV ZR 273/03 (REWIS RS 2005, 4850)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4850

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