Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22.02.2022, Az. 4 A 12/20

4. Senat | REWIS RS 2022, 2509

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Gegenstand

Veränderungssperre zur Sicherung der Planfeststellung einer Höchstspannungsleitung


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

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[X.]er Kläger wen[X.]et si[X.]h gegen eine zur Si[X.]herung [X.]er Planfeststellung einer Hö[X.]hstspannungsleitung erlassene Verän[X.]erungssperre, soweit ein Teil eines in seinem Eigentum stehen[X.]en Grun[X.]stü[X.]ks betroffen ist.

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[X.]ie Bun[X.]esnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post un[X.] Eisenbahnen (Bun[X.]esnetzagentur) hat mit [X.]er Ents[X.]hei[X.]ung zur Bun[X.]esfa[X.]hplanung (§ 12 Abs. 2 [X.]) vom 14. Februar 2020 für [X.]en Abs[X.]hnitt [X.] (Raum [X.] bis [X.]) [X.]es Vorhabens Nr. 5 [X.]er Anlage zu § 1 Abs. 1 [X.] ([X.]; sog. [X.]) einen raumverträgli[X.]hen [X.] für [X.]ie spätere Planfeststellung [X.]er als Er[X.]kabel zu erri[X.]hten[X.]en Leitungen zur [X.] festgelegt. [X.] für [X.]iesen Berei[X.]h ist [X.]ie Beigela[X.]ene. [X.]er [X.] quert im Sü[X.]en [X.]er Gemarkung [X.] [X.]as Anwesen [X.]es [X.], [X.]er im Haupterwerb einen lan[X.]- un[X.] forstwirts[X.]haftli[X.]hen Betrieb führt. Sü[X.]li[X.]h un[X.] westli[X.]h [X.]er Hofstelle (B.) mit Wohn- un[X.] [X.] sowie [X.] liegen - jeweils na[X.]h Sü[X.]en hin ansteigen[X.] - [X.]ie vom Kläger lan[X.]wirts[X.]haftli[X.]h genutzten Flurstü[X.]ke Nr. a, b, [X.]; [X.]as Flurstü[X.]k Nr. [X.] hat er gepa[X.]htet, [X.]ie an[X.]eren stehen in seinem Eigentum. Bena[X.]hbarte Grun[X.]stü[X.]ke sin[X.] bewal[X.]et o[X.]er teilweise als ges[X.]hützte Biotope erfasst. Auf [X.]en lan[X.]wirts[X.]haftli[X.]h genutzten Flä[X.]hen verläuft von Nor[X.] na[X.]h Sü[X.] eine 380-kV-Freileitung.

<[X.]iv [X.]lass="st-se[X.]tion"><[X.]iv [X.]lass="st-sbs-no">3 <[X.]iv [X.]lass="st-sbs-txt">

Na[X.]h Anhörung [X.]es [X.], [X.]er Planungen zur Erri[X.]htung einer Hühnermastanlage mit 29 500 Plätzen auf [X.]em Flurstü[X.]k Nr. [X.] gelten[X.] ma[X.]hte, hat [X.]ie Bun[X.]esnetzagentur unter [X.]em 14. Juli 2020 zur Si[X.]herung [X.]er [X.] eine Verän[X.]erungssperre na[X.]h § 16 Abs. 1 [X.] für [X.]ie Flurstü[X.]ke [X.]er Gemarkung [X.] mit [X.]en [X.], [X.], [X.] un[X.] [X.]ie sü[X.]li[X.]he Teilflä[X.]he [X.]es Flurstü[X.]ks Nr. a erlassen un[X.] zur Begrün[X.]ung u.a. ausgeführt: [X.]er [X.] wer[X.]e [X.]ur[X.]h bereits existieren[X.]e konkurrieren[X.]e Flä[X.]hennutzungen un[X.] sonstige Planungshin[X.]ernisse - ein Wal[X.]gebiet im westli[X.]hen Berei[X.]h un[X.] [X.] mit Ufersäumen als teilweise ges[X.]hützte Biotope im östli[X.]hen Berei[X.]h - auf einen Passageraum von 100 m eingeengt. [X.]ie Erri[X.]htung einer Stallanlage auf [X.]em Flurstü[X.]k Nr. [X.], wie im Bauvorbes[X.]hei[X.] [X.]es Lan[X.]ratsamts vom 28. Mai 2020 in Aussi[X.]ht gestellt, wür[X.]e [X.]en Passageraum für [X.]ie [X.] s[X.]hließen un[X.] [X.]ie Trassierung folgli[X.]h erhebli[X.]h ers[X.]hweren. [X.]er Erlass [X.]er Verän[X.]erungssperre sei au[X.]h angemessen. Es sei insbeson[X.]ere ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h, [X.]ass [X.]ie bauli[X.]he Inanspru[X.]hnahme [X.]er von [X.]er Verän[X.]erungssperre betroffenen Grun[X.]stü[X.]ke bzw. Grun[X.]stü[X.]ksteile für eine Erweiterung [X.]es lan[X.]wirts[X.]haftli[X.]hen Betriebs un[X.] zu [X.]essen Existenzsi[X.]herung zwingen[X.] notwen[X.]ig sei. Vielmehr wer[X.]e eine Betriebserweiterung ni[X.]ht generell ausges[X.]hlossen. [X.]em Kläger stün[X.]en [X.]afür weitere Flä[X.]hen zur Verfügung. Er habe selbst insgesamt se[X.]hs mögli[X.]he Stan[X.]orte für [X.]ie geplante Erri[X.]htung [X.]es Stallgebäu[X.]es genannt, von [X.]enen fünf außerhalb [X.]es nun festgesetzten Geltungsberei[X.]hs [X.]er Verän[X.]erungssperre lägen. Insbeson[X.]ere stün[X.]en au[X.]h Flä[X.]hen [X.]es unmittelbar sü[X.]li[X.]h [X.]er Hofstelle angrenzen[X.]en Flurstü[X.]ks Nr. a zur Verfügung. Ein überwiegen[X.]er Belang sei ni[X.]ht [X.]eswegen anzunehmen, weil [X.]as zum Gegenstan[X.] [X.]es Bauvorbes[X.]hei[X.]s gema[X.]hte Grun[X.]stü[X.]k aus betriebli[X.]hen o[X.]er bauli[X.]hen Grün[X.]en für [X.]ie Erri[X.]htung [X.]es Stallgebäu[X.]es mögli[X.]herweise vorzugswür[X.]ig sei.

<[X.]iv [X.]lass="st-se[X.]tion"><[X.]iv [X.]lass="st-sbs-no">4 <[X.]iv [X.]lass="st-sbs-txt">

Zur Begrün[X.]ung seiner hiergegen erhobenen Klage trägt [X.]er Kläger vor: Aufgrun[X.] mehrerer Alternativtrassen wer[X.]e [X.]ie Trassierung [X.]er geplanten Leitung [X.]ur[X.]h [X.]ie angestrebte Nutzung [X.]es Flurstü[X.]ks Nr. [X.] ni[X.]ht erhebli[X.]h ers[X.]hwert. [X.]ie Verän[X.]erungssperre sei au[X.]h unverhältnismäßig, soweit sie si[X.]h auf [X.]as vorgesehene Baugrun[X.]stü[X.]k beziehe. Ohne [X.]ie geplante Hühnermastanlage sei sein Lan[X.]wirts[X.]haftsbetrieb wegen [X.]er Notwen[X.]igkeit [X.]er Refinanzierung [X.]er in [X.]en letzten Jahren vorgenommenen erhebli[X.]hen Investitionen ni[X.]ht mehr existenzfähig. Au[X.]h habe er für [X.]en ins Auge gefassten Stan[X.]ort bereits umfangrei[X.]he Investitionen, wie z.B. [X.]ie Beauftragung eines immissionss[X.]hutzre[X.]htli[X.]hen Guta[X.]htens, getätigt. [X.]ieser Stan[X.]ort sei sowohl logistis[X.]h als au[X.]h wirts[X.]haftli[X.]h [X.]er sinnvollste un[X.] attraktivste. "Vorsorgli[X.]h" bestreitet [X.]er Kläger, [X.]ass ein vor[X.]ringli[X.]her Be[X.]arf für [X.]ie Erri[X.]htung [X.]er geplanten Leitung na[X.]h § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] gegeben sei.

<[X.]iv [X.]lass="st-se[X.]tion"><[X.]iv [X.]lass="st-sbs-no">5 <[X.]iv [X.]lass="st-sbs-txt">

Glei[X.]hzeitig mit [X.]er Einrei[X.]hung [X.]er Klagebegrün[X.]ung hat [X.]er Kläger am 30. September 2020 bei [X.]er Bun[X.]esnetzagentur [X.]ie Aufhebung [X.]er Verän[X.]erungssperre na[X.]h § 16 Abs. 2 Satz 2 [X.] beantragt, soweit sie si[X.]h auf eine Teilflä[X.]he [X.]es Flurstü[X.]k Nr. [X.] bezieht. [X.]ies hat [X.]ie Bun[X.]esnetzagentur mit Bes[X.]hei[X.] vom 22. März 2021 abgelehnt; in [X.]en Grün[X.]en hat sie si[X.]h ausführli[X.]h mit [X.]em Vorbringen [X.]es [X.] auseinan[X.]ergesetzt. Au[X.]h gegen [X.]iesen Bes[X.]hei[X.] hat [X.]er Kläger Klage erhoben (- BVerwG 4 A 3.21 -) un[X.] ausgeführt, [X.]ass [X.]ie Klage in [X.]as laufen[X.]e Klageverfahren einbezogen wer[X.]en solle, [X.]a es si[X.]h in [X.]er Sa[X.]he um weitgehen[X.] i[X.]entis[X.]he Streitgegenstän[X.]e han[X.]ele.

<[X.]iv [X.]lass="st-se[X.]tion"><[X.]iv [X.]lass="st-sbs-no">6 <[X.]iv [X.]lass="st-sbs-txt">

Mit Bes[X.]hluss vom 22. Februar 2022 hat [X.]er Senat [X.]ie bei[X.]en Verfahren zur gemeinsamen Ents[X.]hei[X.]ung verbun[X.]en.

<[X.]iv [X.]lass="st-se[X.]tion"><[X.]iv [X.]lass="st-sbs-no">7 <[X.]iv [X.]lass="st-sbs-txt">

[X.]er Kläger beantragt,

[X.]ie Verän[X.]erungssperre [X.]er Bun[X.]esnetzagentur vom 14. Juli 2020, soweit sie si[X.]h auf [X.]en in [X.]er Anlage markierten östli[X.]hen Teil [X.]es Grun[X.]stü[X.]ks mit [X.]er Flurstü[X.]ksnummer [X.] [X.]er Gemarkung [X.] erstre[X.]kt, un[X.] [X.]en Bes[X.]hei[X.] [X.]er Bun[X.]esnetzagentur vom 22. März 2021 aufzuheben.

<[X.]iv [X.]lass="st-se[X.]tion"><[X.]iv [X.]lass="st-sbs-no">8 <[X.]iv [X.]lass="st-sbs-txt">

[X.]ie Beklagte un[X.] [X.]ie Beigela[X.]ene beantragen jeweils,

[X.]ie Klage abzuweisen.

<[X.]iv [X.]lass="st-se[X.]tion"><[X.]iv [X.]lass="st-sbs-no">9 <[X.]iv [X.]lass="st-sbs-txt">

Sie vertei[X.]igen [X.]ie Re[X.]htmäßigkeit [X.]er Verän[X.]erungssperre.

Entscheidungsgründe

Das [X.] entscheidet nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. [X.] der Anlage zu § 1 Abs. 1, § 6 Satz 2 [X.]gesetz ([X.]) i.d.[X.]. 3 [X.] des [X.] vom 13. Mai 2019 ([X.] I S. 706 <722>), nunmehr § 6 Satz 2 Nr. 1 [X.] i.d.[X.]. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Vorschriften vom 25. Februar 2021 ([X.] I S. 298). Die ausdrückliche Erweiterung der erstinstanzlichen Zuständigkeit des [X.]s zielt auf die Einbeziehung von Veränderungssperren im Vorfeld der Planfeststellung ([X.]. 19/9027 S. 20; [X.]. 19/7375 S. 77).

Die Klage ist mit dem Anfechtungsantrag, der sich sowohl auf die Veränderungssperre, insoweit beschränkt auf einen Teil eines der betroffenen Grundstücke des [X.], als auch auf den Ablehnungsbescheid vom 22. März 2021 bezieht, zulässig, aber nicht begründet.

1. Das vom Kläger verfolgte [X.], die geplante [X.] ungeachtet der Planungen zum [X.] ohne rechtliche Hindernisse kurzfristig realisieren zu können, kann er in sachdienlicher Weise durch einen Aufhebungsantrag erreichen (§ 88 VwGO). Denn entgegenstehende Belange der Betroffenen sind bereits beim Erlass der Veränderungssperre und nicht erstmals im Verfahren nach § 16 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu würdigen ([X.], Beschluss vom 29. Juli 2021 - 4 VR 8.20 - NVwZ 2021, 1536 Rn. 26 ff.). Die Ermessensentscheidung, die sich an dem von der Veränderungssperre verfolgten [X.] messen lassen muss, kann ohne Berücksichtigung der im Einzelfall gegebenen gegenläufigen Nutzungsinteressen der Betroffenen nicht sinnvoll getroffen werden (vgl. auch [X.], [X.], 284 <286 f., 289>). Das Verfahren nach § 16 Abs. 2 Satz 2 [X.] und der darauf bezogene Rechtsstreit gehen hier folglich ins Leere. Mit der Klage gegen die Veränderungssperre hat es demnach sein Bewenden. [X.] ist die Aufhebung des Ablehnungsbescheids zu beantragen.

2. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Veränderungssperre ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Deswegen ist es auch nicht geboten, den Ablehnungsbescheid zur Klarstellung aufzuheben.

a) Die in § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] geregelten tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der Veränderungssperre liegen vor.

aa) Ein vordringlicher Bedarf für die geplante Leitung ist gemäß § 2 Abs. 1 [X.] i.V.m. [X.] der Anlage zu § 1 Abs. 1 [X.] und § 12e Abs. 4 Satz 1 [X.] bereits von Gesetzes wegen festgestellt. Die Verbindlichkeit dieser gesetzlichen Bedarfsfeststellung wird durch das Vorbringen des [X.] nicht in Zweifel gezogen.

(1) Der Kläger zeigt nicht auf, dass der Gesetzgeber mit der Aufnahme des [X.] in die Anlage zum [X.]gesetz die Grenzen seines weiten Gestaltungs- und [X.] überschritten haben könnte. Zwar ist der Gesetzgeber bei der Feststellung des Bedarfs für ein Vorhaben nicht völlig frei. Würden in den Bedarfsplan Vorhaben aufgenommen, denen im Hinblick auf einen künftigen Bedarf jegliche Notwendigkeit fehlte, wäre dies vom gesetzgeberischen Spielraum nicht mehr gedeckt. Insoweit ist die fachgerichtliche Prüfung des gesetzlich festgelegten Bedarfs für ein Vorhaben aber auf eine Evidenzkontrolle beschränkt (stRspr, [X.], Urteile vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - [X.]E 147, 184 Rn. 36 und vom 22. Juni 2017 - 4 A 18.16 - [X.] 451.17 § 43 [X.] Nr. 7 Rn. 16). Ein anderer Maßstab folgt entgegen der Auffassung des [X.] nicht aus der Aufzählung der gesetzlichen Zwecke in § 1 Abs. 1 [X.]. Denn mit der Aufnahme in den [X.] wird nach § 12e Abs. 4 Satz 1 [X.] neben dem vordringlichen Bedarf auch die energiewirtschaftliche Notwendigkeit des betreffenden Vorhabens und folglich dessen Übereinstimmung mit den gesetzlichen Zielsetzungen festgestellt. Ungeachtet der unterschiedlichen gesetzlichen Formulierungen gilt insoweit nichts anderes als für die ausdrückliche Regelung in § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Energieleitungsausbaugesetzes - [X.] - (siehe dazu etwa [X.], Urteile vom 26. Juni 2019 - 4 A 5.18 - [X.] 451.17 § 43 [X.] Nr. 10 Rn. 34 und vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - [X.] 2022, 115 Rn. 28 f.).

Soweit sich der Kläger energiepolitische Vorstellungen und Einschätzungen eines Sachverständigen zu eigen macht, fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt, dass die hiervon abweichende gesetzgeberische Entscheidung evident unsachlich sein könnte. Nichts anderes gilt, soweit sich der Kläger auf Entwicklungsperspektiven der Wasserstoffwirtschaft bezieht ([X.], Beschluss vom 29. Juli 2021 - 4 VR 8.20 - NVwZ 2021, 1536 Rn. 16).

(2) Der nicht weiter erläuterte Verweis des [X.] in der mündlichen Verhandlung auf verschiedene Vorschriften des Unionsrechts führt nicht auf die behauptete Unionsrechtswidrigkeit des vom nationalen Gesetzgeber angenommenen vordringlichen Bedarfs für das in Rede stehende Vorhaben.

Ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Delegierten Verordnung ([X.]) 2020/389 der [X.] vom 31. Oktober 2019 zur Änderung der Verordnung ([X.]) Nr. 347/2013 des [X.] und des Rates vom 17. April 2013 in Bezug auf die Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse (ABl. [X.]) ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist in [X.], Abschnitt B. (Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse) der [X.] weiterhin sowohl unter (3) - [X.] "Nord-Süd-Stromverbindungsleitungen in Mittelosteuropa und Südeuropa" ([X.]) - als auch unter (11) - Vorrangiges thematisches Gebiet "Stromautobahnen" - jeweils unter der Gliederungsnummer 3.12 verzeichnet. Die [X.] hat keinen Anlass gesehen, dieses Vorhaben gemäß Art. 5 Abs. 8 der Verordnung Nr. 347/2013 wegen fehlenden Einklangs mit Unionsrecht aus der Unionsliste zu streichen (Erwägungsgrund 10 Satz 2); dieser Entscheidung ist auch eine Kosten-Nutzen-Analyse seitens der Entscheidungsgremien der regionalen Gruppen vorausgegangen (siehe Erwägungsgrund 5 Satz 2; Anhang V der VO ([X.]) Nr. 347/2013).

Für einen Verstoß gegen die Verordnung ([X.]) 2018/1999 des [X.] und des Rates vom 11. Dezember 2018 über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz (ABl. L 328 S. 1) ist ebenfalls nichts dargetan. Die Verwirklichung der in Art. 4 der Verordnung genannten fünf Dimensionen der Energieunion, nämlich Sicherheit der Energieversorgung, Energiebinnenmarkt, Energieeffizienz, Dekarbonisierung sowie Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, erfordern nach Erwägungsgrund 38 auch den Ausbau der Stromverbindungen; dies soll jedoch insbesondere nach Maßgabe der Verordnung Nr. 347/2013 geschehen. Schließlich gibt es auch keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass das Vorhaben mit der Verordnung ([X.]) 2019/943 des [X.] und des Rates vom 5. Juni 2019 über den Elektrizitätsbinnenmarkt ([X.]) nicht vereinbar sein könnte. Nach Erwägungsgrund 60 sollen auch Investitionen in Großinfrastrukturen wie [X.] stark gefördert werden, wobei es das ordnungsgemäße Funktionieren des [X.] sicherzustellen gilt. Auch diese Zielrichtung knüpft an den nach Maßgabe anderer Vorschriften festzulegenden Ausbau der [X.] an.

bb) Ein Sicherungsbedürfnis im Hinblick auf das eingeleitete Planfeststellungsverfahren (§§ 18 ff. [X.]) als Voraussetzung für die Veränderungssperre ist ebenfalls gegeben. Bei Umsetzung der Planungen des [X.] durch Errichtung der [X.] besteht die Möglichkeit, dass die Trassierung des [X.] im bindend festgelegten Trassenkorridor (§§ 4, 15 Abs. 1 Satz 1 [X.]) erheblich erschwert wird.

Eine erhebliche Erschwernis der Trassierung durch beabsichtigte bauliche oder sonstige erhebliche Veränderungen auf und an Grundstücken im Bereich der Vorschlagstrasse, denen durch die Rechtswirkungen der Veränderungssperre nach § 16 Abs. 1 Satz 2 [X.] begegnet werden soll, entfällt nicht deswegen, weil innerhalb des [X.] zumindest ernsthaft in Erwägung zu ziehende [X.] zur Verfügung stehen und folglich eine Realisierung des [X.] als solches nicht ausgeschlossen ist. Der [X.] der Veränderungssperre soll aber eine ordnungsgemäße Prüfung aller in Betracht kommenden Trassenvarianten und eine umfassende Abwägungsentscheidung ermöglichen. Dies schließt es aus, bereits im Rahmen der rechtlichen Bewertung der Veränderungssperre bestimmte [X.] im Wege einer nur überschlägigen und mangels ausreichender Untersuchungen letztlich unzureichenden Vorprüfung für vorzugswürdig und andere, denen Hindernisse entgegenstehen können, als entbehrlich einzustufen und für das weitere Verfahren auszuscheiden.

cc) Die Bundesnetzagentur hat das ihr eröffnete Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Sie hat die Verhältnismäßigkeit der Veränderungssperre zu Recht bejaht und dabei insbesondere überwiegende Belange des von der Veränderungssperre betroffenen [X.] zutreffend als zwingende, der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegende Ermessensgrenze geprüft und solche Belange ohne Rechtsverstoß verneint.

Die Bundesnetzagentur hat im Rahmen der Bewertung der Angemessenheit der Veränderungssperre die wirtschaftlichen und betrieblichen Interessen des [X.] nicht unzutreffend gewürdigt. Dabei ist sie zu Recht davon ausgegangen, dass die Möglichkeit zur Erweiterung eines Betriebs insbesondere dann einen gewichtigen Belang darstellt, wenn die Existenz des Betriebs davon abhängt. Hier kann offenbleiben, ob - wie der Kläger vorträgt - insbesondere die Refinanzierung von in den Jahren 2011 bis 2014 getätigten Investitionen (erst oder gerade) im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld und angesichts der spezifischen betrieblichen Verhältnisse eine Neuausrichtung der landwirtschaftlichen Produktion von der Milchviehhaltung auf die Hühnermast zwingend erfordert. Denn auch wenn diese betriebswirtschaftliche Entscheidung dem Grunde nach und zugleich in ihrer zeitlichen Dimension nicht weiter hinterfragt wird, ist damit ein Belang, der das mit der Veränderungssperre verfolgte [X.] überwiegt, nicht dargetan. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Erweiterungspläne nur auf einem der von der Veränderungssperre erfassten Grundstücke, insbesondere auf dem östlichen Teil des Flurstücks Nr. d, realisiert werden könnten. Eine für den Kläger optimale Standortwahl kann einen Vorrang vor dem gegenläufigen öffentlichen Interesse nicht beanspruchen.

Die Beklagte führt im angefochtenen Bescheid unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des [X.] im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung im Verfahren der Bundesfachplanung und bei der Anhörung vor Erlass der angefochtenen Veränderungssperre aus, dass er selbst mehrere mögliche Standorte für die geplante [X.] benannt habe, von denen fünf außerhalb des Geltungsbereichs der Veränderungssperre liegen. Es ist auch weiterhin nicht dargetan, dass eine entsprechende Bebauung dieser Grundstücke aus Rechtsgründen - etwa wegen der vom Kläger erwähnten Baubeschränkungen in dem Schutzstreifen der bestehenden Freileitung, aufgrund naturschutzrechtlicher Erwägungen wegen benachbarter Biotope oder wegen der Wahrung der Interessen von Nachbarn - scheitern müsste. Dies gilt insbesondere auch für das an die Hofstelle im Süden angrenzende Flurstück Nr. a, dessen nördlicher Teil entgegen ursprünglicher Überlegungen vom Geltungsbereich der Veränderungssperre ausgenommen worden ist. Zwar sind bei der Genehmigung einer [X.] vor allem wegen Geruchs- und Aerosolemissionen bestimmte Abstände zu schutzwürdiger benachbarter Wohnbebauung einzuhalten, wobei hier wohl auch ein nördlich der Hofstelle gelegenes Wohnhaus zu beachten ist. Es ist aber insbesondere angesichts des geänderten Betriebskonzepts, das mit einer Reduzierung des [X.] verbunden ist, nicht ersichtlich, dass der geplante Stall unter Beachtung der entsprechenden Vorgaben nicht auf dem Flurstück Nr. a errichtet werden könnte. Bei der Anhörung hat der Kläger zwar insoweit auf die Gefahr verwiesen, dass die auf dem Dach des bestehenden Stallgebäudes montierte Photovoltaikanlage bei Nutzung des Nachbargrundstücks verschattet werden könnte und er sich dann Schadensersatzansprüchen seines Vertragspartners ausgesetzt sehe. Ungeachtet der Bedeutung dieses Einwands ist aufgrund der Höhe des geplanten Stalles und der Größenverhältnisse des möglichen Baugrundstückes, auf dem mehrere Standorte vorstellbar sind, eine relevante Beeinträchtigung durch eine verminderte Sonneneinstrahlung nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Meta

4 A 12/20

22.02.2022

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: A

§ 2 Abs 1 NABEG, § 12 Abs 2 NABEG, § 16 Abs 1 NABEG, § 16 Abs 2 NABEG, § 16 Abs 3 NABEG, § 1 Abs 1 BBPlG, § 6 S 2 BBPlG, § 12e Abs 4 S 1 EnWG 2005

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22.02.2022, Az. 4 A 12/20 (REWIS RS 2022, 2509)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2509

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