Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.12.2023, Az. 11 VR 1/23, 11 VR 1/23 (11 A 12/23)

11. Senat | REWIS RS 2023, 9667

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Gegenstand

Veränderungssperre zur Sicherung der Planfeststellung einer Höchstspannungsleitung


Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Antragstellerin, eine Gemeinde, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine zur Sicherung der Planfeststellung einer Höchstspannungsleitung erlassene Veränderungssperre.

2

Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur) hat mit der Entscheidung vom 18. Dezember 2019 für den Abschnitt C (Raum Hof bis Raum [X.]) des Vorhabens Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 [X.] ([X.] - sog. SuedOstLink) einen raumverträglichen [X.] im Sinne von § 12 Abs. 2 [X.] für die spätere Planfeststellung der als Erdkabel zu errichtenden Leitungen zur [X.] festgelegt. [X.] für diesen Bereich ist die Beigeladene. Sie hat am 20. Dezember 2019 einen Antrag auf Planfeststellung der Leitung gestellt.

3

Der [X.] verläuft im Gemeindegebiet der Antragstellerin westlich der [X.] Innerhalb des Korridors befinden sich zwei Trinkwasserschutzgebiete. Das Wasserschutzgebiet "Am [X.]", das dem Schutz des [X.] "Am [X.]" dient, erstreckt sich von der [X.] bis in das [X.]. Südwestlich schließt sich das Wasserschutzgebiet "Am Sportplatz" an, dessen Wasserfassung nicht mehr zur Trinkwasserversorgung genutzt wird. Nach den bis zum 21. Juli 2023 öffentlich ausgelegten Unterlagen für die Planfeststellung beabsichtigt die Beigeladene, die Leitung in der Mitte des [X.]s zu führen. Die gewählte [X.] verläuft außerhalb der Schutzzonen des [X.] "Am [X.]", beansprucht aber die [X.] des außer Betrieb genommenen [X.] "Am Sportplatz".

4

Die Antragstellerin plant eine Erweiterung des [X.] "Am [X.]". Ausweislich eines Gutachtens vom 20. September 2022 sollen sich dessen zukünftige Zonen [X.] und [X.] insbesondere Richtung Westen bzw. Nordwesten hin ausdehnen, so dass die beantragte [X.] den Verboten und Beschränkungen des dem Gutachten beigefügten Entwurfs einer Schutzgebietsverordnung unterliegen würde.

5

Am 15. August 2023 hat die Bundesnetzagentur eine Veränderungssperre nach § 16 Abs. 1 [X.] für die von dem eingereichten und ausgelegten Plan betroffenen Flurstücke ... der Gemarkung [X.] erlassen und zur Begründung u. a. angeführt, dass die von der Antragstellerin beabsichtigte Erweiterung des [X.] "Am [X.]" die Trassierung im [X.] im betreffenden Bereich wesentlich erschweren oder gar unmöglich machen würde. Die zur Sicherung des [X.]s erlassene Veränderungssperre sei auch verhältnismäßig. Die Trinkwasserversorgung der Antragstellerin als ein herausragender Belang sei sichergestellt. Eine Eigenversorgung der Antragstellerin sei nicht zwingend.

6

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer in der Hauptsache gegen die Veränderungssperre erhobenen Klage (11 A 12.23). Sie hält diese Sperre für rechtswidrig. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene treten dem Antrag entgegen.

[X.]

7

Der Antrag bleibt erfolglos.

8

Das [X.] ist als Gericht der Hauptsache gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 6 Satz 2 Nr. 1 [X.]plangesetz ([X.]) und Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 [X.] für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuständig.

9

1. Der Antrag ist statthaft und auch ansonsten zulässig. Das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage statthaft. Die Klage gegen die Veränderungssperre hat nach § 16 Abs. 5 Satz 2 Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz ([X.]) i. d. F. von Art. 4 Nr. 1 des [X.] von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich vom 14. März 2023 ([X.] I Nr. 71) i. V. m. § 43e Abs. 1 Satz 1 [X.] keine aufschiebende Wirkung.

Die Antragstellerin ist entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Sie kann geltend machen, durch die in § 16 Abs. 1 Satz 2 [X.] geregelten beschränkenden Wirkungen der Veränderungssperre an der sachgerechten Erfüllung der ihr als Teil des kommunalen Selbstverwaltungsrechts nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 83 Abs. 1 [X.] obliegenden Aufgabe der örtlichen Trinkwasserversorgung gemäß Art. 57 Abs. 2 Satz 1 [X.] Gemeindeordnung ([X.]) gehindert zu werden (vgl. [X.], Urteil vom 22. Februar 2022 - 4 A 6.20 - NVwZ 2022, 1640 Rn. 14).

2. Der Antrag ist unbegründet.

Das Interesse der Antragstellerin an der Unbeachtlichkeit der Wirkungen der Veränderungssperre bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache überwiegt nicht das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehbarkeit der Veränderungssperre. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird die Klage der Antragstellerin gegen die Veränderungssperre voraussichtlich keinen Erfolg haben. Dabei ist die Prüfung im Eilverfahren auf die innerhalb der einmonatigen Antragsbegründungsfrist nach § 16 Abs. 5 Satz 2 [X.] i. V. m. § 43e Abs. 1 Satz 2 [X.] vorgebrachten Einwände beschränkt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. Februar 2013 - 7 VR 13.12 - [X.], 345 Rn. 9 und vom 28. März 2020 - 4 VR 5.19 - BeckRS 2020, 7484 Rn. 11 a. E.).

a) Die Einwände der Antragstellerin gegen das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der Veränderungssperre greifen nicht durch.

Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann die Bundesnetzagentur mit dem Abschluss der Bundesfachplanung oder nachträglich für einzelne Abschnitte der [X.]e Veränderungssperren erlassen, soweit für diese Leitungen ein vordringlicher Bedarf im Sinne des [X.] festgestellt wird und anderenfalls die Möglichkeit besteht, dass die Trassierung der darin zu verwirklichenden Leitungen erheblich erschwert wird.

aa) Die Bundesnetzagentur hat nach Erlass der [X.] vom 18. Dezember 2019 gemäß § 12 [X.] für einige wenige Abschnitte des [X.]s, darunter den hier streitigen, eine Veränderungssperre erlassen. Die gesonderte Feststellung eines vordringlichen Bedarfs ist entbehrlich. Dieses Tatbestandsmerkmal hat, wie sich aus § 2 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 1 Abs. 1 [X.] ergibt, eine bloß klarstellende Funktion (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Juli 2021 - 4 VR 8.20 - [X.] 451.17 § 43e [X.] Nr. 6 Rn. 15).

bb) Die geplante Erweiterung des [X.] kann die Trassierung voraussichtlich erheblich erschweren.

(1) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gehören zu den Erschwernissen, die durch eine Veränderungssperre abgewehrt werden sollen, neben tatsächlichen Hindernissen in Gestalt der Verwirklichung von baulichen Anlagen und sonstigen Vorhaben gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.], nach § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] auch rechtliche Änderungen insoweit, als sie die Nutzbarkeit eines Grundstücks mit nachteiligen Folgen für das geplante Vorhaben einschränken. Denn der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] ist mit [X.]ick auf die Qualität der Veränderungen offen und nicht auf tatsächliche Veränderungen beschränkt. Das [X.] bildet einen Auffangtatbestand, der mit [X.]ick auf den Schutzzweck einer Veränderungssperre auszulegen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Juli 2021 - 4 VR 8.20 - [X.] 451.17 § 43e [X.] Nr. 6 Rn. 18).

Für den Erlass einer Veränderungssperre genügt bereits die Möglichkeit, dass die an den festgelegten [X.] gebundene Trassierung (§§ 4, 15 Abs. 1 Satz 1 [X.]) durch neue tatsächliche oder rechtliche Hindernisse erheblich erschwert wird. Mit diesem weiten Maßstab soll im Interesse der zügigen Verwirklichung des energiewirtschaftlich vordringlichen Vorhabens das an die Bundesfachplanung anschließende Planfeststellungsverfahren nach §§ 18 ff. [X.] gesichert und so verhindert werden, dass der für die Planung zur Verfügung stehende Raum durch die [X.] beeinträchtigende Maßnahmen verengt wird. Es reicht dabei, wenn solche Maßnahmen nicht völlig ausgeschlossen bzw. fernliegend sind. Mit der Veränderungssperre soll eine ordnungsgemäße Prüfung aller in Betracht kommenden Trassenvarianten und eine umfassende Abwägungsentscheidung ermöglicht werden. Dies schließt es aus, bereits im Rahmen der rechtlichen Bewertung der Veränderungssperre bestimmte [X.] im Wege einer nur überschlägigen und mangels ausreichender Untersuchungen letztlich unzureichenden Vorprüfung für vorzugswürdig und andere, denen Hindernisse entgegenstehen können, als entbehrlich einzustufen und für das weitere Verfahren auszuscheiden ([X.], Urteil vom 22. Februar 2022 - 4 A 6.20 - NVwZ 2022, 1640 Rn. 27).

(2) Die geplante Erweiterung der [X.]verordnung schränkt die Nutzbarkeit der Grundstücke für die Realisierung des Vorhabens ein. Denn nach dem Entwurf sollen in den Schutzzonen u. a. die - für die Verwirklichung der Trasse notwendige - Verlegung von Leitungen, die Einrichtung von Baustellen sowie das Auf- und Einbringen von Bodenmaterial auf oder in den Boden beschränkt werden bzw. gänzlich verboten sein (vgl. Behördenakte, [X.]. 285 ff.). Auf die Hilfserwägung des 4. Senats des [X.]s in dem Beschluss vom 29. Juli 2021 - 4 VR 8.20 - ([X.] 451.17 § 43e [X.] Nr. 6 Rn. 19) kommt es daher nicht an.

Der Möglichkeit einer erheblichen Erschwernis der Trassierung steht nicht entgegen, dass die Planung der Antragstellerin für die Erweiterung des [X.] sich noch in einem frühen Stadium befindet und wesentliche Verfahrensschritte fehlen. Denn die Antragstellerin hält an ihrer Planung weiterhin fest. Sie erstrebt die Erweiterung des [X.] gerade im Hinblick auf § 52 [X.], der es in seinem Absatz 2 erlaubt, dass in einem als Wasserschutzgebiet vorgesehenen Gebiet einstweilige Anordnungen getroffen werden können.

Ins Leere geht schließlich der Einwand der Antragstellerin, die von der [X.] beantragte [X.] sei wegen eines unzureichenden und fehlerhaften Variantenvergleichs nicht planstellungsfähig und damit schon nicht sicherungsfähig. Die Prüfung, ob eine Trasse planfeststellungsfähig ist, erfolgt im Planfeststellungsverfahren, dessen Sicherung die Veränderungssperre dient.

b) Die gegen die Ausübung des Ermessens vorgebrachten Einwände zeigen keinen Rechtsverstoß auf.

Das Interesse der Antragstellerin an einer gesicherten ausreichenden Trinkwasserversorgung in ihrem Gemeindegebiet ist ein beachtlicher öffentlicher Belang im Sinne von Art. 57 Abs. 2 Satz 1 [X.] und § 50 Abs. 1 [X.]. Deren Organisation gehört zu ihren durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 83 Abs. 1 [X.] geschützten Selbstverwaltungsaufgaben (vgl. [X.], Urteil vom 22. Februar 2022 - 4 A 6.20 - NVwZ 2022, 1640 Rn. 14). Es ist jedoch nicht dargetan, dass dieser Belang das Interesse an der zeitlich befristeten Sicherung der Planfeststellung für das Vorhaben von herausragender Bedeutung für die überregionale Stromversorgung (vgl. § 2 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 1 Abs. 1 [X.]) überwiegt.

aa) Die Antragstellerin will einem künftigen Trassenverlauf im Bereich der [X.] des außer Betrieb genommenen [X.] "Am Sportplatz" begegnen, wohin sie das Wasserschutzgebiet "Am [X.]" zur langfristigen Sicherung der Trinkwasserversorgung durch den Tiefbrunnen [X.] "Am [X.]" erweitern will. Eine gewichtige Beeinträchtigung ihres Interesses an der langfristigen Sicherung der Trinkwasserversorgung durch diesen Tiefbrunnen scheidet indessen schon wegen der Befristung der Veränderungssperre nach § 16 Abs. 1 Satz 3 [X.] aus (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Juli 2021 - 4 VR 8.20 - NVwZ 2021, 1536 Rn. 30 ). Die Veränderungssperre schließt die Erweiterung des [X.] nur vorübergehend aus.

Ebenso erfolglos bleibt die - gegen die Ermessensausübung gerichtete - Forderung der Antragstellerin, eine westlich gelegene [X.] zu wählen. Der Veränderungssperre kommt lediglich die Funktion zu, den [X.] für die spätere Auswahl zwischen den [X.] im Planfeststellungsverfahren und die künftige Planfeststellung zu sichern. Dies schließt es aus, im Rahmen der Ermessensausübung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestimmte [X.] als vorzugswürdig und andere, denen Hindernisse entgegenstehen können, als entbehrlich einzustufen und so der Planfeststellungsentscheidung vorzugreifen.

bb) Eine kritische Lage der Trinkwasserversorgung, die eine Erweiterung des [X.] für den Tiefbrunnen [X.] "Am [X.]" in absehbarer Zeit erforderlich machen würde, hat die Antragstellerin nicht hinreichend dargelegt. Maßgeblich für die Dringlichkeit des Belangs der öffentlichen Trinkwasserversorgung ist, ob die Gemeinde in der Lage ist, den Trinkwasserbedarf tatsächlich zu decken, und ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich dies in einem überschaubaren Zeitraum nachteilig ändern wird (vgl. [X.], Urteil vom 22. Februar 2022 - 4 A 6.20 - NVwZ 2022, 1640 Rn. 40).

(1) Die Antragstellerin befürchtet, der Betrieb des [X.] "Am [X.]" könne durch vorbereitende Arbeiten für das Vorhaben beeinträchtigt werden, die zu dessen Außerbetriebnahme führen, und damit eine - auf einige Wochen beschränkte - Notversorgung durch den [X.] [X.]s [X.] notwendig machen. Dies führt nicht auf einen Ermessensfehler. Denn die Veränderungssperre nach § 16 [X.] dient nur dazu, einen [X.] für die spätere Planfeststellung zu sichern. Sie lässt aber keine vorbereitenden Maßnahmen - etwa durch den Vorhabenträger - zu.

(2) Die Antragstellerin trägt vor, dass für den seit dem Jahr 2017 im Gemeindegebiet allein verfügbaren Brunnen eine Wasserentnahme in einer Fördermenge von zuletzt lediglich 70 000 cbm/a gestattet sei, zur Versorgungssicherheit der Bevölkerung aber 90 000 cbm/a gefördert werden müssten. Den behaupteten Bedarf von 90 000 cbm/a hat sie jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt.

Die Antragstellerin leitet den behaupteten erhöhten Bedarf aus den Fördermengen in den Jahren 2017 bis 2022 ab (2017: 69 562 cbm, 2018: 71 666 cbm, 2019: 95 157 cbm, 2020: 93 459 cbm und 2021: 71 726 cbm sowie zuletzt 2022: 79 675 cbm). Der Schluss von den erhöhten Fördermengen auf einen entsprechend erhöhten Bedarf ist jedoch nicht nachvollziehbar. Denn die erhöhten Fördermengen beruhen ausweislich des von ihr selbst vorgelegten hydrogeologischen Basisgutachtens vom 20. September 2022 (im Folgenden: Gutachten) auf Wasserverlusten, insbesondere aufgrund eines sanierungsbedürftigen Rohrnetzes. Dem kann die Antragstellerin durch Sanierungsarbeiten am Rohrnetz abhelfen.

Nach dem Gutachten deckt sie etwa 96 Prozent ihres Rohwasserbedarfs über den Tiefbrunnen [X.] "Am [X.]". Die restlichen circa vier Prozent bezieht sie über den benachbarten [X.] [X.]s [X.] (vgl. Behördenakte, [X.]. 14). Dabei wird der Wasserbedarf im Versorgungsgebiet im Wesentlichen ([X.] eines geschätzten pauschalen Eigenwasserbedarfs in Höhe von 5 000 cbm/a) mit den an die Endverbraucher, die Gemeindeeinwohner, verkauften Wassermengen gleichgesetzt (vgl. Behördenakte, [X.]. 13 f.). Nach den schlüssigen Feststellungen des Gutachtens sind die verkauften Wassermengen ebenso wie die Zahl der Gemeindeeinwohner über die Jahre konstant geblieben (vgl. Behördenakte, [X.]. 15: 2017: 53 020 cbm an 1 466 Einwohner, 2018: 56 732 cbm an 1 443 Einwohner, 2019: 54 736 cbm an 1 436 Einwohner, 2020: 55 157 cbm an 1 441 Einwohner und 2021: 55 666 cbm an 1 431 Einwohner).

Diesem Wasserbedarf werden die rechnerischen Wasserverluste der Antragstellerin gegenübergestellt (2017: 21 070 cbm, 2018: 27 698 cbm, 2019: 38 129 cbm, 2020: 36 180 cbm und 2021: 17 133 cbm). Das Gutachten führt die höheren Fördermengen am Tiefbrunnen [X.] "Am [X.]" ausdrücklich auf erhöhte Wasserverluste infolge mehrerer größerer Rohrbrüche im Versorgungsgebiet zurück. Da die verkauften Wassermengen konstant geblieben seien, sei nicht von einem erhöhten Wasserbedarf seitens der Bevölkerung auszugehen (vgl. Behördenakte, [X.]. 14). Das Gutachten prognostiziert - aufgrund der Erschließung neuer Baugebiete bei gleichzeitigen Wassereinsparungen im privaten und öffentlichen Sektor sowie Sanierungsarbeiten im Rohrnetz (und daraus folgend einer Verringerung der Wasserverluste) - insgesamt nachvollziehbar, dass sich der Wasserbedarf im Versorgungsgebiet nicht maßgeblich ändern wird, er durch den Tiefbrunnen [X.] "Am [X.]" gedeckt werden kann und der Wasserverbrauch rückläufig sein wird (vgl. Behördenakte, [X.]. 15, 46 und 63).

Die geltend gemachte Dringlichkeit des Belangs folgt auch nicht daraus, dass die Fördermengen aus dem Tiefbrunnen [X.] "Am [X.]" die nach der derzeit geltenden wasserrechtlichen Gestattung zulässige Fördermenge in Höhe von 70 000 cbm/a (vgl. Behördenakte, [X.]. 11) überschreiten. Laut dem Gutachten betrug die Fördermenge im Jahr 2021 circa 71 726 cbm/a. Die nunmehr für das [X.] genannte Fördermenge in Höhe von 79 675 cbm hat die Antragstellerin weder belegt noch erläutert, insbesondere hat sie die Fördermenge nicht um die für die Einordnung notwendigen Angaben über einen (etwaigen) Wasserverlust und über die an die Einwohner verkaufte Wassermenge ergänzt (vgl. Streitakte, [X.]. 335).

(3) Unabhängig davon ist nicht dargetan, dass die zuständige Behörde der Wasserentnahme über die gestattete Fördermenge hinaus in absehbarer Zeit Einhalt gebieten wird, sei es durch Nichtverlängerung oder Widerruf (vgl. §§ 12, 18 [X.]). Dies liegt auch nicht ohne Weiteres nahe, da eine Wasserentnahme über die gestattete Fördermenge hinaus in der Vergangenheit lediglich zu einer Erhöhung der gestatteten Fördermenge von 50 000 cbm/a auf 70 000 cbm/a geführt und die Behörde eine Fördermenge in Höhe von bis zu 95 157 cbm/a geduldet hat (vgl. Behördenakte, [X.]. 11 und 13). Laut dem Gutachten gibt es bislang keine Anzeichen für eine Überlastung des Grundwasserleiters infolge der Wasserentnahme (vgl. Behördenakte, [X.]. 63). Auch dass die Fördermenge nicht erneut durch eine Änderung der wasserrechtlichen Gestattung angepasst werden könnte, zumal in der einschlägigen Größenordnung, ist nicht dargetan. Schließlich hat die Antragstellerin nicht aufgezeigt, dass die Zulieferungen des [X.]es [X.]s [X.] in dem bisherigen Umfang in Frage stünden.

Dass der Belang der ausreichend sicheren Trinkwasserversorgung im Sinne von Art. 57 Abs. 2 Satz 1 [X.] und § 50 Abs. 1 [X.] den zeitlich befristeten [X.] der Veränderungssperre nicht überwiegt, folgt im Übrigen auch daraus, dass die Antragstellerin - ebenso wie das Gutachten - die von der Antragsgegnerin in der Veränderungssperre erwogene Alternative zu der Eigenversorgung, durch eine Verbundleitung von den Stadtwerken der angrenzenden Stadt Hof Wasser zu beziehen, als eine mögliche Trinkwasserversorgung ansieht (vgl. Streitakte, [X.]. 336 und Behördenakte, [X.]. 15). Sie hat hiervon nach eigenem Vortrag lediglich wegen der an die Endverbraucher weiterzugebenden Baukosten Abstand genommen, ohne diese im Übrigen näher zu beziffern. Diesem nicht konkretisierten Interesse ist gegenüber dem vorgenannten [X.] der Veränderungssperre ein deutlich geringeres Gewicht zuzumessen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

11 VR 1/23, 11 VR 1/23 (11 A 12/23)

19.12.2023

Bundesverwaltungsgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: A

§ 16 NABEG, § 1 Abs 1 BBPlG, § 6 S 2 BBPlG, Art 29 Abs 2 S 1 GG, Art 57 Abs 2 GemO BY

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.12.2023, Az. 11 VR 1/23, 11 VR 1/23 (11 A 12/23) (REWIS RS 2023, 9667)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9667

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