Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.03.2010, Az. 5 AZR 317/09

5. Senat | REWIS RS 2010, 8359

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) ARBEITSZEIT TARIFVERTRÄGE GEHALT

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Gegenstand

Tariflicher Feiertagszuschlag für Ostersonntag


Leitsatz

Sieht ein Tarifvertrag Zuschläge für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen vor, haben Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlung dieses Zuschlags für Ostersonntag, wenn landesrechtlich dieser Tag kein gesetzlicher Feiertag ist.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 3. März 2009 - 3 [X.]/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. November 2007 - 6 [X.]/07 - abgeändert.

3. Die Klagen werden abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1. 4,3 %, der Kläger zu 2. 3,57 %, der Kläger zu 3. 5,34 %, der Kläger zu 4. 17,3 %, der Kläger zu 5. 7,48 %, der Kläger zu 6. 10,69 %, der Kläger zu 7. 6,18 %, der Kläger zu 8. 3,45 %, der Kläger zu 9. 4,07 %, der Kläger zu 10. 3,33 %, der Kläger zu 11. 6,65 %, der Kläger zu 12. 3,57 %, der Kläger zu 13. 4,49 %, der Kläger zu 14. 6,65 %, der Kläger zu 15. 5,05 %, der Kläger zu 16. 3,41 % und der Kläger zu 17. 4,47 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den [X.] für [X.].

2

Die Kläger sind seit Jahren bei der [X.], einem Unternehmen der Brot- und Backwarenindustrie, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet [X.] der Manteltarifvertrag für die Brot- und Backwarenindustrie [X.]/[X.] (im Folgenden: [X.]) Anwendung, dessen § 4 Abs. 5 lautet:

        

„Sonn- und Feiertagsarbeit ist die an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der [X.] von 0.00 bis 24.00 Uhr geleistete Arbeit, sofern nicht bei Schichtarbeit durch Betriebsvereinbarung andere [X.]en bestimmt sind.“

3

§ 5 Abs. 1 [X.] regelt:

        

„Für Mehr-, Nacht-, Sonn-, Feiertags- und Schichtarbeit sind folgende Zuschläge zu zahlen:

        
        

a)   

für Mehrarbeit (täglich)

25 v.H.

        

b)   

für Mehrarbeit ab der 3. Stunde (täglich)

50 v.H.

        

c)   

für Nachtarbeit von 22.00 bis 4.00 Uhr

50 v.H.

        

d)   

für regelmäßige Nachtschichtarbeit

30 v.H.

        

e)   

für Arbeit an Sonntagen

75 v.H.

        

f)   

für Arbeit an Feiertagen, auch wenn sie auf einen Sonntag fallen,

175 v.H.

        

…       

                 
        

h)   

für Wächter und Pförtner bei Mehrarbeit, Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit (einheitlich)

30 v.H.

        

…       

        
        

4.   

An Feiertagen, die auf einen Wochentag fallen und an denen nach den gesetzlichen Bestimmungen die ausfallende Arbeitszeit dem [X.] zu vergüten ist, erhält der Arbeitende für die geleisteten Arbeitsstunden den [X.], aber keinen Lohnausfall bezahlt. Für ausgefallene Arbeitsstunden an diesen Feiertagen ist der Lohnausfall zu vergüten.“

        

4

Seit Jahren zahlte die Beklagte für die Arbeit an [X.] einen Zuschlag iHv. 175 % und wies diesen in den Lohnabrechnungen als „Feiertagsvergütung“ aus. [X.] 2007 zahlte sie lediglich den Sonntagszuschlag iHv. 75 %.

5

Die Kläger haben geltend gemacht, ihnen stehe gem. § 5 Abs. 1 Buchst. f) [X.] ein Zuschlag iHv. 175 % zu. [X.] sei in der [X.] Welt ein Feiertag. Sinn der Tarifvorschrift sei die Honorierung der besonderen Belastung der Arbeitnehmer, die an Feiertagen arbeiten müssten. Dies gelte gerade am [X.]. Jedenfalls ergebe sich der Anspruch aus einer betrieblichen Übung.

6

Die Kläger haben die Verurteilung der [X.] zur Zahlung bezifferter Beträge in einer Gesamthöhe von 899,70 Euro nebst Zinsen beantragt.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Ein tariflicher Anspruch bestehe nicht. Eine betriebliche Übung sei nicht entstanden, weil in der Vergangenheit der [X.] irrtümlich gezahlt worden sei.

8

Das Arbeitsgericht hat den Klagen nach Verbindung der Rechtsstreite stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen. Den Klägern steht für die am [X.] 2007 geleistete Arbeit kein [X.] iHv. 175 % zu.

I. Die Kläger haben keinen Anspruch aus § 5 Abs. 1 Buchst. f) [X.].

1. Nach § 5 Abs. 1 Buchst. f) [X.] ist für Arbeit an Feiertagen, auch wenn diese auf einen Sonntag fallen, ein Zuschlag von 175 % zu zahlen.

a) Feiertage im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. f) [X.] sind ausschließlich die gesetzlichen Feiertage, wie sich aus § 4 Abs. 5 [X.] ergibt. Die auf § 4 Abs. 5 [X.] folgende Regelung in § 5 bezieht sich schon aufgrund der systematischen Stellung auf die in § 4 [X.] näher erläuterten [X.]en. § 5 [X.] enthält keinen eigenständigen, von § 4 [X.] abweichenden Feiertagsbegriff. Vielmehr liegt gerade der Sinn des § 4 [X.] darin, die in anderen Bestimmungen des [X.] verwendeten Rechtsbegriffe zu definieren. Im Übrigen wird der Begriff Feiertagsarbeit an keiner anderen Stelle des [X.] außerhalb des § 5 behandelt, so dass § 4 Abs. 5 [X.] leerliefe, wollte man diese Definition nicht auf § 5 Abs. 1 Buchst. f) [X.] beziehen.

b) Nach § 4 Abs. 5 [X.] ist Sonn- und Feiertagsarbeit die an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der [X.] von 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr geleistete Arbeit. Damit verweist der [X.] auf das staatliche Feiertagsrecht. Gesetzlicher Feiertag iSd. [X.] ist nur ein staatlich anerkannter Feiertag. Dies entspricht einem vom [X.] in ständiger Rechtsprechung vertretenen [X.]: Verwendet ein Tarifvertrag einen Rechtsbegriff, der vom Gesetzgeber in anderem Zusammenhang gebraucht wird, und bedienen die Tarifvertragsparteien sich damit der juristischen Fachsprache, ist dieser Begriff in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Tarifvertrag etwas anderes ergibt([X.] 28. Mai 1998 - 6 [X.] - zu II 2 a der Gründe mwN, [X.] § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 52 = EzA [X.] § 4 Bühnen Nr. 5; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 1 [X.] Rn. 1000).

c) Der Begriff „auch“ in § 5 Abs. 1 Buchst. f) [X.] rechtfertigt keine abweichende Auslegung. Damit wird in § 5 Abs. 1 Buchst. f) die [X.] für den Fall geregelt, dass ein beweglicher gesetzlicher Feiertag auf einen Sonntag fällt. „Auch“ in diesem Fall muss der erhöhte Zuschlag bezahlt werden, der für Feiertage zu zahlen ist, und nicht nur der Sonntagszuschlag von 75 %.

d) § 5 Abs. 4 Satz 1 [X.] bestätigt die Annahme, dass sich die in § 5 Abs. 1 Buchst. f) [X.] geregelte [X.] allein auf gesetzliche Feiertage bezieht. Denn diese Bestimmung verweist auf § 2 EFZG, der allein die Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen regelt.

e) Mit dem Berufungsgericht ist zwar davon auszugehen, dass Sinn und Zweck der Tarifnorm in der finanziellen Kompensation der mit der Arbeit an Feiertagen verbundenen Nachteile und Erschwernisse liegt. Doch rechtfertigt dieser Normzweck keine den Wortlaut übersteigende Auslegung des [X.]. Die Regelung des [X.] bewegt sich im Rahmen der Tarifautonomie und darf nicht durch die Gerichte erweitert werden. Die tarifliche Zuschlagsregelung ist wirksam. Tarifverträge unterliegen keiner Billigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle. Es ist nicht Sache der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen haben.

2. Eine ergänzende Tarifauslegung ist unzulässig, denn es fehlt an einer unbewussten Tariflücke. Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten versehentlich eine Zuschlagsregelung für [X.] unterlassen. Vielmehr sprechen die Regelungen anderer Tarifverträge dafür, dass sich Tarifvertragsparteien dieses Problems durchaus bewusst sind. Beispiele einer tarifvertraglichen Regelung finden sich in§ 35 Abs. 1 Buchst. [X.]; § 5 [X.] für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in [X.] vom 18. August 2006, § 8 [X.]-Friseure [X.] vom 7. Januar 2008 oder § 10 [X.] für die Beschäftigten der elektrotechnischen Handwerke in [X.] vom 14. April 2000.

3. Welche Tage gesetzliche Feiertage sind, bestimmt sich nach dem Recht des [X.], in dem der Erfüllungsort des Arbeitsverhältnisses liegt([X.] 14. Dezember 1982 - 3 [X.] -). In [X.] ist der [X.] kein gesetzlicher Feiertag (§ 2 des [X.] über die Feiertage in der Fassung vom 7. März 1995 Nds. GVBl. S. 50).

II. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung eines [X.]s aus betrieblicher Übung.

1. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird( § 151 BGB ), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände ( §§ 133 , 157 BGB ) verstehen musste und durfte. Im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers ist zu ermitteln, ob die Belegschaft davon ausgehen musste, die Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine bestimmte [X.] gewährt (Senat 26. August 2009 - 5 [X.] - Rn. 25, NZA 2010, 173 ; [X.] 28. Mai 2008 - 10 [X.]  - Rn. 15 ff., [X.] § 242 B etriebliche Übung Nr. 80 = EzA BGB 2002 § 242 B etriebliche Übung Nr. 8; 28. Juni 2006 -  10 [X.]  - Rn. 35 f. mwN, [X.]E 118, 360 ).

2. Hiernach scheidet ein Anspruch aus betrieblicher Übung aus. Die Kläger sind zumindest bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz der Auffassung gewesen, die Beklagte schulde den [X.] iHv. 175 % aufgrund der tarifvertraglichen Regelung in § 5 Abs. 1 Buchst. f) [X.]. Sie sind somit von einer tarifvertraglichen Anspruchsgrundlage ausgegangen. Aus der Sicht der Belegschaft stellte sich die Gewährung des [X.]s für [X.]e als Erfüllung eines tariflichen Anspruchs dar. In einem solchen Fall wird die Leistungsgewährung nicht als stillschweigendes Angebot zur Begründung einer betrieblichen Übung mit dem Inhalt einer übertariflichen Verpflichtung wahrgenommen, sondern als Normvollzug(vgl. Senat 26. August 2009 - 5 [X.] - Rn. 27, NZA 2010, 173 ; 5. November 2008 - 5 [X.] - Rn. 28; [X.] 18. April 2007 - 4 [X.] - Rn. 51, [X.] [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 54; 25. Juli 2001 -  10 [X.]  - EzA BGB § 611 Schichtarbeit Nr. 2). Die Zahlungen begründen - unabhängig von den nicht verlautbarten Vorstellungen des leistenden Arbeitgebers - keine betriebliche Übung.

III. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1, § 100 Abs. 2 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Reinders    

        

    [X.]    

                 

Meta

5 AZR 317/09

17.03.2010

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Oldenburg (Oldenburg), 28. November 2007, Az: 6 Ca 590/07, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 1 Abs 1 TVG, § 242 BGB, § 151 S 1 BGB, § 133 BGB, § 157 BGB, § 2 Abs 1 FeiertG ND, § 2 Abs 2 FeiertG ND, § 145 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.03.2010, Az. 5 AZR 317/09 (REWIS RS 2010, 8359)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8359

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