Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.05.2023, Az. B 1 KR 95/21 B

1. Senat | REWIS RS 2023, 3134

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Fernbleiben vom Verhandlungstermin - Aufrechterhaltung der Beweisanträge


Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 7. September 2021 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die bei der beklagten [X.]rankenkasse ([X.]) versicherte [X.]lägerin litt an einer Steißbeinfistel. Eine erste [X.] erfolgte am 1.3.2017 in einem zugelassenen [X.]rankenhaus nach der Methode [X.]. Wegen eines Rezidivs erfolgte am 18.5.2017 im selben [X.]rankenhaus nach derselben Methode eine zweite, ebenfalls keine dauerhafte Heilung bewirkende [X.]. Die [X.]lägerin stellte sich am [X.] gesetzlich [X.] zugelassenen W [X.]linik (im Folgenden: Privatklinik) vor, die anstelle gängiger chirurgischer Methoden Steißbeinfisteln und ihre Abszesse mit mikrochirurgischer Lasertechnik und einem speziellen [X.]sverfahren behandelt. Die Privatklinik schlug als Ergebnis der Untersuchung der [X.]lägerin mit der Diagnose [X.] L05.0 (Pilonidalzyste mit Abszess) und T81.3 (Aufreißen einer [X.]swunde, anderenorts nicht klassifiziert) eine [X.] unter stationären Bedingungen vor. Dieser Arztbrief ging am 14.7.2017 bei der [X.] ein. Nach dem Vorbringen der [X.]lägerin suchte sie noch am [X.] mit ihrer Mutter die Geschäftsstelle der [X.] auf, die an diesem Tag jedoch geschlossen gewesen sei, weshalb die Mutter am nächsten Tag (14.7.2017) erneut die Geschäftsstelle aufgesucht habe. Die [X.]lägerin wurde am 17.7.2017 stationär aufgenommen, am selben Tag operiert und am [X.] entlassen. Im Entlassungsbericht der Privatklinik heißt es zur prä- und intraoperativ vorgefundenen Situation:

"Rezidiv bzw. nicht ausgeheilte und infizierter Zustand nach 2x [X.] [X.] - jetzt [X.] über 14 cm entfernt mit sehr tiefem Einbruch - 10x10x10 cm mit weit neben dem knöchernem Steiß- und [X.]reuzbein herabsenkenden Abszessen und matschigen granulomatösen Gewebe und eine Vielzahl an Röhren mit eitrigem Gewebe bis in beide Gesäßmuskeln und stufenförmige Narbe mit Löchern direkt über dem After."

2

Nach Bekunden der [X.]lägerin führte der Eingriff zur dauerhaften Ausheilung. Die Privatklinik stellte der [X.]lägerin für den stationären Aufenthalt 4318,51 Euro (Fallpauschale und für den Operateur 1286,12 Euro (nach GOÄ) in Rechnung, der Anästhesist rechnete 400 Euro (nach GOÄ) und der Histologe 60,01 Euro (nach GOÄ) ab. Die [X.]lägerin ist mit ihrem Begehren auf Erstattung von 6064,64 Euro bei der [X.] und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

3

Das [X.] hat im Wesentlichen ausgeführt, es könne offenbleiben, ob die [X.] am 17.7.2017 eine Notfallbehandlung iS des § 76 Abs 1 Satz 2 [X.] dargestellt habe oder ob die Selbstbeschaffung iS von § 13 Abs 3 Satz 1 Alter 1 [X.] unaufschiebbar gewesen sei. Sollte es eine Notfallbehandlung gewesen sein, scheide ein [X.]ostenerstattungsanspruch mangels einer rechtlich beachtlichen [X.]ostenbelastung von vornherein aus (Hinweis auf [X.] vom 8.9.2015 - [X.] [X.]R 14/14 R - juris Rd[X.] 14). Deshalb sei hier auch nicht - wie von der [X.]lägerin beantragt - die [X.] ([X.]V) B notwendig beizuladen gewesen. Die [X.]ostenerstattung scheitere zum einen an der fehlenden [X.]ausalität zwischen der - unterstellten - [X.] der [X.] und der Selbstbeschaffung. Die [X.]lägerin sei seit dem 13.7.2017 darauf festgelegt gewesen, sich die Leistung bei der Privatklinik zu beschaffen und habe damit bewusst das [X.] verlassen. Zum anderen scheitere der Anspruch daran, dass keine medizinische Notwendigkeit bestanden habe, gerade die Privatklinik aufzusuchen. Denn daran, dass zugelassene [X.]rankenhäuser die Steißbeinfistel auch in Form eines zweiten Rezidivs umgehend hätten operieren können, bestünden keine Zweifel. Hätte sich die [X.]lägerin in ein zugelassenes [X.]rankenhaus begeben, wäre ihr rechtzeitig eine dem allgemeinen Qualitätsgebot entsprechende Behandlung zuteil geworden. Ausweislich der S3-Leitlinie [X.] lägen keine ausreichenden Erkenntnisse zu Nutzen und Risiken der lasergestützten Behandlungsmethode vor (Urteil vom 7.9.2021).

4

Die [X.]lägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im [X.]-Urteil.

5

II. Die zulässige Beschwerde der [X.]lägerin ist begründet. Das Urteil des [X.] beruht auf einem Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 [X.] [X.]), den die [X.]lägerin entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] bezeichnet (dazu 2.). Die weiteren Verfahrensrügen erfüllen nicht die [X.] (dazu 1.). Die Rüge der Divergenz (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 [X.]) ist ebenfalls unzulässig (dazu 3.). Dies eröffnet dem Senat die Möglichkeit der Zurückverweisung der Sache an das [X.] nach § 160a Abs 5 [X.] (dazu 4.).

6

1. Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.] und § 128 Abs 1 Satz 1 [X.] (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des [X.] möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl [X.] vom 31.7.2017 - [X.] [X.]R 47/16 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]0 Rd[X.] 16 mwN; [X.] vom 21.4.2020 - [X.]3 R 85/19 B - juris Rd[X.] 8).

7

Die [X.]lägerin wird diesen Darlegungsanforderungen nicht gerecht, soweit sie rügt, das [X.] habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör durch eine Überraschungsentscheidung verletzt, die Sachverhaltsschilderung des [X.] sei voreingenommen und seine Feststellungen willkürlich, außerdem habe es eine von ihr im Berufungsverfahren beantragte notwendige Beiladung der [X.] unterlassen. Soweit die Angriffe der [X.]lägerin unter dem Gesichtspunkt der Voreingenommenheit sich auch konkret gegen den Vorsitzenden des [X.]-Senats, der zugleich Berichterstatter war, oder gegen den gesamten Spruchkörper richten sollten, hat sie nicht vorgetragen, dass sie ein Mitglied des [X.]-Spruchkörpers wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt habe.

8

2. Hingegen erfüllt die Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 [X.]) die [X.] (dazu a). Sie ist auch in der Sache begründet. Das [X.] hätte sich zur Beweiserhebung gedrängt fühlen müssen (dazu b). Die Entscheidung beruht auf diesem Verfahrensfehler (dazu c).

9

a) Zu den Anforderungen an die Darlegung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz gehört nach ständiger Rspr des [X.] insbesondere die Darlegung, dass ein - wie hier - anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl [X.] vom [X.] - B 9a [X.]/06 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] Rd[X.] 11 mwN; zu den Anforderungen an einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag vgl [X.] vom [X.] - [X.]2 R 31/21 B - juris Rd[X.] 15 mwN). Bei einem unentschuldigten Fernbleiben eines rechtskundig vertretenen Beteiligten - wie hier im Falle der [X.]lägerin - darf im abschließenden Verhandlungstermin grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass zuvor angekündigte Beweisanträge nicht mehr gestellt, dh nicht mehr aufrechterhalten werden, wenn der Beteiligte zum Verhandlungstermin ordnungsgemäß geladen worden ist und der Terminsmitteilung entnommen werden konnte, dass vor einer Entscheidung weitere Beweiserhebungen von Amts wegen nicht beabsichtigt waren. Dies gilt aber dann nicht, wenn der Beteiligte bzw sein Bevollmächtigter unmittelbar vor dem Termin hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, dass auch im Falle seines Fernbleibens über die von ihm schriftsätzlich gestellten Beweisanträge entschieden werden soll (vgl auch [X.] vom 5.3.2002 - [X.]3 [X.] 193/01 B - [X.] 3-1500 § 160 [X.]5 S 74 = juris Rd[X.] 9).

aa) Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung gerecht. Die [X.]lägerin hat nach der Terminsmitteilung vom 10.8.2021 den Schriftsatz vom [X.] in Reaktion auf den Erörterungstermin am [X.] und das Schreiben des [X.]-Berichterstatters vom [X.] verfasst. Schließlich hat die [X.]lägerin mit Schriftsatz vom [X.] (zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung) ausdrücklich erklärt, sie verzichte auf die Möglichkeit, sich nochmals im Termin zur mündlichen Verhandlung zu äußern. Alles aus ihrer Sicht Erforderliche sei schriftlich bzw im Erörterungstermin mündlich vorgetragen worden. Die [X.]lägerin benennt in der Beschwerdebegründung zwei sich auf tragende Begründungen des [X.]-Urteils beziehende Beweisanträge, die sie in ihrem Schriftsatz vom [X.] gestellt hat, gibt sie jeweils zutreffend wörtlich in der Beschwerdebegründung wieder und erfüllt auch noch hinreichend die weiteren Begründungsanforderungen (vgl dazu [X.] vom 12.12.2003 - [X.]3 [X.] 179/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 5).

bb) Die [X.]lägerin hat in ihrem Schriftsatz vom [X.] (dort in Fettdruck) beantragt, ein medizinisches Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass entgegen der Behauptung des Berichterstatters eine herkömmliche, im Leistungskatalog der [X.] enthaltene Methode zur wirksamen Behandlung des am [X.] festgestellten lebensbedrohlichen Gesundheitszustandes der [X.]lägerin nicht zur Verfügung gestanden habe und die von [X.] angewandte Exstirpation en bloc und Laser-Impuls Additiv mikrochirurgisch unter absoluter Blutstillung am 14.7.2017 die einzige zur Verfügung stehende effektive und zumutbare Methode zur Behandlung des Leidens der [X.]lägerin gewesen sei.

cc) Ferner hat die [X.]lägerin im selben Schriftsatz vom [X.] beantragt, ihre Mutter als Zeugin über den Inhalt des Gesprächs in der Geschäftsstelle der [X.] am 14.7.2017 zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass der [X.] die Umstände geschildert worden seien und die Beklagte kein anderes erfolgversprechendes Vorgehen vorgeschlagen habe. Der Beweisantrag bezog sich ausdrücklich nur hierauf. Aus den weiteren Ausführungen in diesem Schriftsatz ergab sich aber aufgrund der Bezugnahme auf den Beweisantrag ("s.o."; [X.] des Schriftsatzes), dass die [X.]lägerin damit auch festgestellt wissen wollte, dass sie bis zu diesem entscheidenden Gespräch nicht festgelegt gewesen sei, die [X.] in der Privatklinik durchführen zu lassen. Insoweit verweist die [X.]lägerin in der Beschwerdebegründung zutreffend darauf, dass es auch darum gehe festzustellen, warum die Mutter der [X.]lägerin die Geschäftsstelle der [X.] aufgesucht habe und ob dies trotz eines angeblich unabänderlichen Entschlusses, sich in der Privatklinik operieren zu lassen, geschehen sei. Dies werde durch die Zeugenaussage der Mutter widerlegt. Der [X.]ostenerstattungsanspruch scheitere deshalb nicht an einer [X.].

b) Das Urteil des [X.] ist unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 [X.]) ergangen. Das [X.] ist den Beweisanträgen ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt (§ 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]).

Für die Frage, ob ein hinreichender Grund für die unterlassene Beweiserhebung vorliegt, kommt es darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten gewesen wäre, den Sachverhalt zu dem von dem betreffenden Beweisantrag erfassten Punkt weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr, [X.] vom 31.7.1975 - 5 Bj 28/75 - [X.] 1500 § 160 [X.] 5; [X.] vom 7.4.2011 - B 9 SB 47/10 B - juris Rd[X.] 4). Soweit der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen. Einen Beweisantrag darf es nur dann ablehnen, wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn diese Tatsache als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl [X.] vom [X.] - B 8 [X.]N 16/05 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 12 Rd[X.] 10; [X.] vom 7.4.2011 - aaO). [X.]einer dieser Ablehnungsgründe liegt hier vor.

aa) Das [X.] hat - ausgehend von seiner Rechtsauffassung zur Relevanz der [X.] auch im Falle der unaufschiebbaren Leistung für die Verneinung eines [X.]ostenerstattungsanspruchs - die nach seiner Auffassung schon am 13.7.2017 bestehende [X.] auf schriftliche Äußerungen der [X.]lägerseite gestützt, die lange nach diesem Zeitpunkt erfolgten. Aus ihnen geht letztlich nur hervor, dass die [X.]lägerin eine andere [X.]smethode als die am 17.7.2021 eingesetzte in ihrem besonderen Fall als nicht mehr geeignet ansah und ihr kein anderer Leistungserbringer bekannt gewesen sei, der bereit und fähig gewesen wäre, diese Leistung als Sachleistung zu erbringen. Deshalb sei sie letztlich gezwungen gewesen, sich die Leistung bei der Privatklinik zu verschaffen. Dies stellt die [X.]lägerin auch nicht in Abrede. Sie macht mit ihrem Beweisantrag jedoch geltend, dass sie am [X.] noch offen dafür gewesen sei, sich innerhalb des Sachleistungssystems durch einen zugelassenen Leistungserbringer behandeln zu lassen, wenn es einen gegeben hätte, worüber sie damals keine [X.]enntnis gehabt habe, also ihr Entschluss unter der Bedingung einer Nichtversorgung innerhalb des [X.]-Leistungserbringersystems gestanden habe. Das [X.] gibt keinen Grund dafür an, warum das Ergebnis der Zeugenbefragung nicht im Nachweis dieser von der [X.]lägerin aufgestellten Behauptung bestanden haben könnte. Es geht nicht einmal darauf ein, warum es die Mutter der [X.]lägerin, deren Befragung es - nach Angaben der [X.]lägerin - schon als präsente Zeugin im Erörterungstermin abgelehnt hatte, nicht vernommen hat. Mit der Nichtvernehmung der Mutter der [X.]lägerin als Zeugin hat das [X.] das Beweisergebnis vorweggenommen, ohne hierfür einen Grund zu haben. Insbesondere hat das [X.] auch keinen rechtlichen Grund benannt, warum es das behauptete Beweisergebnis als wahr hätte unterstellen können, ohne zu einem anderen Ergebnis in der Bewertung der [X.] zu kommen.

bb) Der weitere Beweisantrag wird - unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des [X.] - dann entscheidungserheblich, wenn aufgrund der durchzuführenden Vernehmung der Mutter der [X.]lägerin eine [X.] verneint werden muss. Auch insoweit hätte sich das [X.] gedrängt fühlen müssen, dem Beweisantrag der [X.]lägerin zu entsprechen, da es seine Entscheidung auf den selbstständigen Grund einer ausreichenden Versorgung im [X.] gestützt hat. Das [X.] hätte Beweis darüber erheben müssen, welche Behandlungsmöglichkeiten der [X.]lägerin unter Berücksichtigung ihrer beiden Voroperationen und der sich daraus ergebenden, dramatisch zu nennenden Entwicklung ihres Zustands verblieben waren. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die verbliebenen Standardmethoden nicht mehr oder nur mit sehr unsicherer Prognose bei erheblichem, nicht korrigierbarem dauerhaftem Eingriff in die körperliche Integrität der [X.]lägerin zur Verfügung gestanden haben. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass diese Standardmethoden in der konkreten Situation der [X.]lägerin dem von der Privatklinik eingesetzten [X.]sverfahren, auf das die [X.]lägerin nach § 137c Abs 3 [X.] als Potentialleistungsmethode Anspruch gehabt haben könnte (vgl [X.] vom 25.3.2021 - [X.] [X.]R 25/20 R - [X.]E 132, 67 = [X.] 4-2500 § 137c [X.] 15; zur Feststellung des Potentials einer Methode vgl [X.] vom 13.12.2022 - [X.] [X.]R 33/21 R - juris), unterlegen waren.

Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das [X.] über die erforderliche medizinisch-wissenschaftliche Fachkenntnis verfügt hat, um zu beurteilen, dass - wie es meint - die [X.]lägerin in einem zugelassenen [X.]rankenhaus mit einer anerkannten Methode hätte behandelt werden können. Maßgeblich kann dafür nur sein, dass die [X.]lägerin dort prognostisch in gleicher Weise erfolgreich hätte behandelt werden können. Dafür fehlt es an jeglicher Beweiserhebung. Das [X.] hat deshalb seine Einschätzung auch nicht auf eine hierfür erforderliche ärztliche Stellungnahme stützen können. Diese wäre aber erforderlich gewesen. Wenn das [X.] die Einholung eines zur Aufklärung des Sachverhalts geeigneten und erforderlichen Sachverständigengutachtens dennoch ablehnte, ist dies verfahrensfehlerhaft. Gegebenenfalls sind ergänzend weitere Behandlungsunterlagen beizuziehen und die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen zu befragen.

c) Die Entscheidung des [X.] beruht auch auf dem Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht. Das [X.] stützt sein Urteil auf die zwei selbstständigen Gründe der [X.] und der ausreichenden Versorgung innerhalb des [X.]s. Sollte die Beweisaufnahme in beiden Punkten zugunsten der [X.]lägerin ausgehen, hängt der [X.]ostenerstattungsanspruch der [X.]lägerin auch davon ab, dass [X.] im Sinne von § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 1 [X.] vorgelegen hat, die stationäre Behandlung aber keine Notfallbehandlung war. Ersteres hat das [X.] unterstellt, letzteres offengelassen. Auch diese Sachverhalte muss das [X.] im wiedereröffneten Verfahren prüfen.

3. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.]) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des [X.], des [X.] oder des [X.] andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl [X.] vom 19.9.2007 - [X.] [X.]R 52/07 B - juris Rd[X.] 6; [X.] vom 9.5.2018 - [X.] [X.]R 55/17 B - juris Rd[X.] 8; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Darlegungsanforderungen vgl [X.] vom 8.9.1982 - 2 BvR 676/81 - juris Rd[X.] 8). Erforderlich ist, dass das [X.] bewusst einen Rechtssatz, der von höchstrichterlicher Rspr abweicht, aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat; dies hat der Beschwerdeführer schlüssig darzulegen (vgl [X.] vom 19.11.2019 - [X.] [X.]R 72/18 B - juris Rd[X.] 8). Daran fehlt es.

Die [X.]lägerin bezeichnet als Rechtssatz zwei kürzere, wörtlich wiedergegebene Passagen im Urteil des [X.] vom [X.] ([X.] [X.]R 5/99 R - [X.] 3-2500 § 13 [X.] 22 = juris Rd[X.] 15 und 16).

        

Es kann offenbleiben, ob es sich dabei überhaupt um einen Rechtssatz des [X.] handelt und nicht bloß um die Wiedergabe des § 13 Abs 3 Satz 1 [X.] betreffenden Gesetzestextes, soweit es um die hier allein maßgebliche stationäre Behandlung geht. Jedenfalls stellt die [X.]lägerin dem keinen Rechtssatz des [X.] gegenüber, sondern greift das [X.] nur inhaltlich an, rügt also, dass es nicht richtig entschieden habe. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl [X.] vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - [X.] 1500 § 160a [X.] 7; [X.] vom [X.] - [X.]2 [X.]R 62/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 6 Rd[X.] 18).

Selbst wenn man ferner hier zugunsten der [X.]lägerin von der konkludenten Wiedergabe des vollständigen vom [X.] aufgestellten Rechtssatzes zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts (vgl [X.] vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 - [X.]E 115, 25 = [X.] 4-2500 § 27 [X.] 5, Leitsatz) ausgeht, stellt die [X.]lägerin dem keinen Rechtssatz des [X.] gegenüber. Sie führt lediglich aus: "Da das Berufungsgericht auf Seite 33 des angefochtenen Urteils kategorisch ausführt, die durch Selbstbeschaffung bei einem 'nicht zugelassenen' Leistungserbringer entstandenen [X.]osten bewegten sich außer des Schutzbereichs des § 13 Abs. 3 Satz eins [X.] und seien daher nicht erstattungsfähig, ignoriert es diese Rechtsprechung des [X.] und des [X.]." Damit macht die [X.]lägerin eine fehlerhafte Rechtsanwendung des [X.] geltend, benennt aber keinen abweichenden Rechtssatz des [X.].

4. Nach § 160a Abs 5 [X.] kann das [X.] in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 [X.] [X.] vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass dann, wenn das [X.] nach Beweisaufnahme allein entscheidungstragend weiterhin einen Anspruch wegen der [X.] der [X.]lägerin verneint, mit Blick auf die Entscheidung des [X.] vom 8.9.2015 ([X.] [X.]R 14/14 R - juris) zumindest von grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auszugehen ist, wenn man nicht bereits eine Divergenz annimmt.

5. Die [X.]ostenentscheidung bleibt dem [X.] vorbehalten.

        

[X.]

Bockholdt

Geiger

Meta

B 1 KR 95/21 B

11.05.2023

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Nürnberg, 22. Februar 2019, Az: S 18 KR 556/18, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 103 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.05.2023, Az. B 1 KR 95/21 B (REWIS RS 2023, 3134)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3134

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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