Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.12.2021, Az. VII R 21/19

7. Senat | REWIS RS 2021, 132

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Gegenstand

Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch eine BZSt-Online-Anfrage


Leitsatz

1. Die für eine Verjährungsunterbrechung nach § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AO erforderliche Außenwirkung liegt auch dann vor, wenn die Finanzbehörde durch eine BZSt-Online-Anfrage direkt auf die IdNr.-Datenbank zugreift.

2. Zuständigkeitsmängel hindern die Unterbrechungswirkung einer Ermittlungsmaßnahme nicht. Ob die Finanzbehörde, welche die Maßnahme durchgeführt hat, örtlich zuständig war, hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Maßnahme in Bezug auf die Verjährungsunterbrechung.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 03.04.2019 - 1 K 2830/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob entgegen der Feststellung im streitgegenständlichen [X.] vom 13.06.2016 rückständige Steuern und Nebenleistungen in Höhe von insgesamt ... € durch [X.]ahlungsverjährung erloschen sind. Laut [X.] wurde die Verjährungsfrist am 01.12.2015 durch eine Online-[X.]ohnsitzanfrage beim [X.] ([X.][X.]St) unterbrochen.

2

Der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) führte am [X.] eine Melderegisterabfrage durch. Danach war der Kläger und Revisionskläger (Kläger) aus dem Inland (... Adresse A) nach ... (Adresse [X.]) verzogen. [X.]wei am [X.] und am 27.07.2010 dorthin versandte Schreiben kamen jedoch jeweils mit dem Vermerk "unbekannt" zurück; nur ein drittes an dieselbe Adresse [X.] Schreiben vom [X.], das die Ausfertigung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16.07.2010 enthielt, wurde nicht an das [X.] zurückgeschickt.

3

Mitte 2010 erfolgte die Niederschlagung der Steuerrückstände des [X.] mit Überwachung der [X.]ahlungsverjährung mit Ablauf des Jahres 2015.

4

Auf eine an den Kläger durch den Sachbearbeiter [X.], ..., unter der Adresse ... (Adresse [X.]) adressierte Vollstreckungsankündigung des [X.] vom 13.04.2015 wegen rückständiger [X.] hin fand am 27.04.2015 mit [X.] eine telefonische Erörterung statt, bei welcher der Kläger die [X.] ... (Adresse [X.]), als Kontaktadresse benannte. In einem Antwortschreiben vom 30.04.2015 an [X.] gab der Kläger als Absenderadresse die Adresse [X.] an und fügte [X.] zum 01.07.2014 bei, die an ihn unter der Adresse [X.] adressiert waren. Im finanzgerichtlichen Verfahren trug der Kläger vor, seine [X.]üroanschrift habe sich zunächst unter der Adresse CM und später unter der Adresse [X.] befunden.

5

Im klägerischen Steuerkonto war am 01.12.2015 lediglich die Adresse CM abgespeichert.

6

Mit einem an den Kläger unter der Adresse CM adressierten Schreiben mit Rückschein vom 27.10.2015 ([X.]ahlungsaufforderung 2015/CM) setzte das [X.] die [X.]eitreibung seiner Steuerrückstände durch die zuständige Sachbearbeiterin F, ..., fort. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) München waren [X.] und [X.] verschiedenen Sachgebieten zugeordnet und unterschiedlichen Sachgebietsleitern unterstellt. Die [X.]ahlungsaufforderung 2015/CM kam am 26.11.2015 (Eingang [X.]) mit dem Vermerk "unbekannt" zurück.

7

Eine daraufhin vom [X.] durchgeführte Online-Anfrage vom 01.12.2015 bei der beim [X.][X.]St geführten Identifikationsnummern([X.] ergab als Adresse des [X.]: ... (Adresse M-Land [X.]).

8

Außerdem stellte das [X.] ein Kontenabrufersuchen den Kläger betreffend unter der Adresse M, das zu klägerischen Konten bei der X-[X.]ank führte. Auch in einem Amtshilfeersuchen des [X.] vom 03.12.2015 an die Y-Versicherung gab das [X.] die Adresse M als klägerische Adresse an. Unter dieser Adresse lag der Y-Versicherung ein Datensatz im Hinblick auf den Kläger vor, und sie antwortete entsprechend positiv mit Rücklauf beim [X.] am 27.01.2016.

9

Mit einem weiteren an den Kläger unter der Adresse M adressierten und mit Rückschein versandten Schreiben vom 03.12.2015 ([X.]ahlungsaufforderung 2015/M) forderte das [X.] diesen zur [X.]ahlung seiner Steuerrückstände auf; dieses Schreiben ging als unzustellbar mit dem auf den 08.01.2016 datierten Vermerk "nicht abgeholt" mit Eingangsdatum 01.02.2016 wieder beim [X.] ein.

Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung des [X.] vom 11.02.2016 (Pfändung 2016) pfändete das [X.] die Konten des [X.] bei der X-[X.]ank.

Mit Schreiben vom 22.02.2016 beantragte der Kläger hinsichtlich der Pfändung 2016 insbesondere die einstweilige Einstellung der Vollstreckung und fügte als Anlage eine Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse unter Angabe der [X.]ohnanschrift "... (Adresse [X.])" bei; die betreffende Vollmacht des [X.] für seinen Prozessbevollmächtigten vom 16.02.2016 weist als seine Adresse "... (Adresse [X.])" aus. Ergänzend erhob der Kläger mit Schreiben vom 01.03.2016 gegenüber den vom [X.] geltend gemachten Steuerrückständen die Einrede der Verjährung.

Schließlich beantragte der Kläger mit Schreiben vom 04.05.2016 den Erlass eines [X.]s. Mit Ablauf des 31.12.2015 sei [X.]ahlungsverjährung nach § 228 der Abgabenordnung ([X.]) eingetreten, weil die Ansprüche letztmals durch eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16.07.2010 geltend gemacht worden seien. Die für 2015 vom [X.] vorgetragenen Verjährungsunterbrechungen würden bestritten. [X.]udem sei dem [X.] im [X.] seine Postanschrift ausweislich des [X.] zur Vollstreckungsankündigung vom 27.04.2015 bekannt gewesen, so dass kein Anlass bestanden habe, Ermittlungen über seinen [X.]ohnsitz anzustellen; demzufolge habe insoweit keine "Ermittlung" als Voraussetzung für eine Verjährungsunterbrechung vorgelegen.

Mit dem hierauf erlassenen, streitgegenständlichen [X.] vom 13.06.2016 stellte das [X.] fest, dass die Steuerrückstände 2016 nicht durch [X.]ahlungsverjährung erloschen seien.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Nach Auffassung des [X.] hatte das [X.] die [X.]ahlungsverjährungsfrist mit der [X.][X.]St-Online-Anfrage vom 01.12.2015 wirksam gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 [X.] unterbrochen. Der im [X.] für die [X.]eitreibung der Steuerrückstände zuständigen Sachbearbeiterin F sei zum [X.]eitpunkt der Maßnahmen zur Aufenthaltsermittlung des [X.] dessen [X.]ohnsitz oder Aufenthaltsort nicht bekannt gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass einer weiteren [X.]earbeitungsstelle des [X.] mit dem Sachbearbeiter [X.] zu diesem [X.]eitpunkt bereits die aktuelle ([X.] [X.] des [X.] bzw. die weitere inländische Adresse [X.] als Kontaktmöglichkeit bekannt gewesen seien. Denn einerseits habe sich daraus noch keine Kenntnis des [X.] über den [X.]ohnsitz oder den Aufenthaltsort des [X.] [X.] von § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 [X.] ergeben; andererseits ändere selbst die Kenntnis einer anderen organisatorischen Stelle des [X.] von einer aktuellen Adresse nichts an der verjährungsunterbrechenden [X.]irkung von "Ermittlungen" [X.] des § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 [X.].

[X.]udem habe das [X.] als örtliche Landesfinanzbehörde (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 des Finanzverwaltungsgesetzes --FVG--) mit der Einschaltung des [X.][X.]St als [X.]undesoberbehörde (§ 1 Nr. 2 FVG) den rein innerdienstlichen [X.]ereich nach außen sichtbar verlassen. Das Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2019, 1805.

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die [X.][X.]St-Online-Anfrage habe nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung geführt. Die Finanzbehörde sei ermächtigt, zur Informationsgewinnung die Kenntnis weiterer [X.]ehörden nach den Regelungen der Amtshilfe (§§ 111 ff. [X.]) in Anspruch zu nehmen. Unter den [X.]egriff "Finanzbehörde" fielen nach § 6 Abs. 2 [X.] die dort genannten [X.]undes- und Landesbehörden, u.a. das [X.][X.]St. Nach gesetzlicher [X.]uordnung sei das [X.][X.]St daher ein originäres [X.]erkzeug der Finanzbehörde. Im [X.]uge digitaler Informationsverarbeitung sei dem Amtsträger der in Erfüllung seiner Verpflichtung zugängliche Datenbestand bekannt. Als Ermittlungsmaßnahme nach § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 [X.] komme nur eine nach außen wirkende Maßnahme in [X.]etracht; eine lediglich nach außen sichtbare genüge nicht (Hinweis auf Urteil des [X.]undesfinanzhofs --[X.]FH-- vom 23.02.2010 - VII R 9/08, [X.]FHE 229, 5, [X.]St[X.]l II 2011, 667, und des [X.]undesgerichtshofs vom 02.02.1996 - V [X.]R 239/94, [X.]GH[X.] 132, 30). Die Tatsache, dass er seinen [X.]ohnsitz nach [X.] verlegt habe, dürfe ihm nach dem [X.] nicht zum Nachteil gereichen. Sowohl das [X.][X.]St als auch eine andere Stelle des [X.] hätten ihm Schreiben zusenden können. Daher habe er annehmen dürfen, für die Finanzbehörden jederzeit erreichbar zu sein und seine Mitwirkungs- und Auskunftspflichten erfüllt zu haben. Damit habe auch kein Erfordernis der [X.]ohnsitzermittlung bestanden.

Außerdem müsse sich das [X.] das [X.]issen möglicherweise getrennter Organisationseinheiten zurechnen lassen; das folge aus der zu § 173 [X.] entwickelten Rechtsprechung. Insgesamt sei festzustellen, dass das [X.] mit einem wenig effektiven Adresssystem arbeite und sich einer aufdrängenden Kenntnis strukturell verschließe. Die Nichtnutzung eigener Datenbestände dürfe nicht mit der Verjährungsunterbrechung des Datenzugriffs belohnt werden. Dem Rechtsfrieden könne es nicht dienen, wenn in den Tatbestand der Ermittlung des [X.]ohnsitzes oder des Aufenthalts die originäre Verwendung der eigenen Adressdaten [X.] werde. [X.]weck jeder Verjährungsregel seien Rechtsfrieden und Rechtssicherheit.

Schließlich sei das [X.] für den Kläger als Auslandsrentner nicht mehr zuständig gewesen, so dass dessen Handlungen keine verjährungsunterbrechende [X.]irkung hätten entfalten können. Denn nach dem [X.]FH-Urteil vom 19.03.2019 - VII R 27/17 ([X.]FHE 263, 483, [X.]St[X.]l II 2020, 31) sei die fortgesetzte [X.]uständigkeit des [X.] auch für das Erhebungsverfahren überholt.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des [X.]s vom 13.06.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.10.2017 festzustellen, dass Steuern und Nebenleistungen über insgesamt ... € zum Stichtag 13.06.2016 durch [X.]ahlungsverjährung erloschen sind.

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Revision des [X.] ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das Urteil entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 [X.]O). Die im Abrechnungsbescheid aufgeführten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind nicht durch Verjährung erloschen. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die [X.] vom 01.12.2015 die Verjährung gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. [X.] unterbrochen hat.

1. Selbst wenn im Streitfall die örtlich unzuständige Behörde den Abrechnungsbescheid erlassen haben sollte, ist der Bescheid nicht aufzuheben.

a) Zuständig für den Erlass eines Abrechnungsbescheids ist die nach den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen der §§ 16 ff. [X.] zuständige Finanzbehörde, nicht diejenige Behörde, die den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis festgesetzt hat, um dessen Verwirklichung gestritten wird ([X.]surteil in [X.], 483, [X.], 31).

b) Auf den durch eine örtlich unzuständige Behörde erlassenen Abrechnungsbescheid findet § 12[X.] Anwendung: Die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der (obgleich rechtswidrig) nicht nach § 125 [X.] nichtig ist, kann nach § 12[X.] nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Diese Vorschrift ist auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten (BFH-Urteil vom 02.07.1980 - I R 74/77, [X.], 180, [X.] 1980, 684, unter [X.]). Nach § 125 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ist ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig, weil Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind.

c) Das [X.] hat gemäß § 19 Abs. 6 [X.] zur Sicherstellung der Besteuerung von Personen, die im Ausland leben und inländische Renteneinkünfte beziehen, mit der [X.] ([X.]) die örtliche Sonderzuständigkeit für diese Personen auf das Finanzamt [X.] übertragen. Die Sonderzuständigkeit bezieht sich nur auf Personen, die ausschließlich mit Einkünften nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 und 10 des Einkommensteuergesetzes zu veranlagen sind und im Ausland wohnen. Sie ist nach § 2 [X.] erstmals für den Veranlagungszeitraum 2005 anzuwenden.

d) Im Streitfall ergibt sich die örtlich zuständige Behörde nicht eindeutig aus den Feststellungen des [X.]. Das [X.] hat weder die maßgeblichen Veranlagungszeiträume noch die Art der klägerischen Einkünfte festgestellt. Der Fall ist dennoch nicht zurückzuverweisen, da keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (s. unter II.2. und 3.).

2. Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind nicht durch die Niederschlagung gemäß § 261 [X.] tangiert worden. Denn die Niederschlagung ist eine verwaltungsinterne Verfügung und wirkt nicht auf das Steuerschuldverhältnis zwischen dem [X.] und dem Steuerschuldner ein (vgl. [X.] in Tipke/[X.], § 261 [X.] Rz 8; Müller-Eiselt in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 261 [X.] Rz 7).

3. Die [X.] hat die Zahlungsverjährung, deren Frist andernfalls am 31.12.2015 abgelaufen wäre, wirksam unterbrochen.

a) Die fünfjährige Zahlungsverjährung (§ 228 Satz 2 [X.]) wird durch die in § 231 Abs. 1 Satz 1 [X.] abschließend aufgezählten Maßnahmen unterbrochen. Hierzu gehören u.a. Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem [X.]ohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen (§ 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. [X.]). Liegen die Voraussetzungen einer Verjährungsunterbrechung vor, beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung geendet hat, eine neue fünfjährige Verjährungsfrist (§ 231 Abs. 3 [X.]).

b) Nach der Rechtsprechung des [X.]s setzt die Verjährungsunterbrechung eine nach außen wirkende Maßnahme gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 [X.] voraus; rein innerdienstliche Maßnahmen reichen nicht aus. Allerdings ist die verjährungsunterbrechende [X.]irkung einer [X.]ohnsitzanfrage nicht davon abhängig, dass der Zahlungspflichtige von dieser Maßnahme erfährt. Maßgebend ist allein, dass das [X.] den Entschluss fasst, seinen Zahlungsanspruch durchzusetzen, und dies über den rein innerdienstlichen Bereich hinaus nach außen sichtbar wird ([X.]sbeschluss vom 17.09.2014 - VII R 8/13, [X.], 4, Rz 10, m.w.N.).

Bei einer Verjährungsunterbrechung durch Ermittlungen zum [X.]ohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen muss hinzukommen, dass das [X.] einen besonderen Anlass hatte, zur Realisierung des Zahlungsanspruchs entsprechende Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten. Ein solcher Anlass besteht nur, wenn dem [X.] der [X.]ohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen unbekannt ist. Eine rein schematische Anfrage kann die Verjährung nicht unterbrechen ([X.]sbeschluss in [X.], 4, Rz 10, m.w.N.).

Ferner muss die Maßnahme auf die Realisierung eines konkreten Anspruchs, dessen Verjährung unterbrochen werden soll, gerichtet sein ([X.]surteil vom 24.11.1992 - VII R 63/92, [X.], 493, [X.] 1993, 220).

Zuständigkeitsmängel hindern die Unterbrechungswirkung der Ermittlungsmaßnahmen nicht. Die Unterbrechungshandlung nach § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. [X.] stellt einen Realakt dar (vgl. zur Zahlungsaufforderung bereits [X.]surteil vom 28.11.2006 - VII R 3/06, [X.], 4, [X.] 2009, 575; vgl. ferner [X.] in [X.], § 231 [X.] Rz 5; [X.] in Tipke/[X.], § 231 [X.] Rz 4). Ob die Finanzbehörde, welche die Maßnahme durchgeführt hat, örtlich zuständig war, hat keinen Einfluss auf die [X.]irksamkeit der Maßnahme in Bezug auf die Verjährungsunterbrechung (vgl. [X.] vom 13.08.1981 - IV R 72/77, [X.], 6, [X.] 1981, 787; anderer Auffassung [X.] in [X.], § 231 [X.] Rz 7). Denn es ist gerade bei unbekanntem [X.]ohnsitz oder Aufenthalt nicht möglich, das zuständige [X.] vorab zu ermitteln. Dass eine Finanzbehörde hier nicht willkürlich tätig wird und nicht irgendeine beliebige Finanzbehörde die Verjährung unterbrechen kann, wird durch das weitere, o.g. Tatbestandsmerkmal erreicht, dass die Maßnahme auf die Realisierung eines konkreten Anspruchs, dessen Verjährung unterbrochen werden soll, gerichtet sein muss.

c) Der [X.] hält an dieser Rechtsprechung fest. Folglich wurde im Streitfall die Verjährung durch die [X.] vom 01.12.2015 unterbrochen.

aa) Die erforderliche Außenwirkung war durch die konkrete Online-Anfrage in der [X.] des BZSt gegeben. Diese Datenbank wird vom BZSt geführt und grundsätzlich von den Meldebehörden gespeist (vgl. § 139b [X.]; vgl. auch die Hinweise für Meldebehörden zur Nutzung der Meldedaten in diversen steuerlichen Verfahren, Unterpunkt "Aufbau der Datenbank", abzurufen unter www.bzst.de). Das [X.] kann darauf zwar im [X.]ege eines automatisierten Abrufverfahrens zugreifen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das [X.] mit der BZSt-[X.] eine andere Behörde kontaktiert. Bei dem zur [X.] gehörenden BZSt (Bundesoberbehörde gemäß § 1 Nr. 2 FVG) handelt es sich um eine vom einzelnen [X.] ([X.]finanzbehörde gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 FVG) verschiedene Behörde, auch wenn jeweils Finanzbehörden i.S. von § 6 Abs. 2 [X.] vorliegen. Ein Grund, eine Online-Auskunft beim Einwohnermeldeamt, die der [X.] als Ermittlungshandlung mit Außenwirkung ansieht, anders zu behandeln als eine Online-Anfrage in der [X.] des BZSt (§ 139b Abs. 3 [X.]), ist nicht ersichtlich. Denn da in der [X.] weitgehend nur die Meldedaten der Meldebehörden gespiegelt werden, macht es für die Unterbrechung der Zahlungsverjährung keinen Unterschied, ob die für die Vollstreckung zuständige Finanzbehörde Informationen über die Anschrift des Schuldners bei einer Meldebehörde oder dem BZSt erhebt. Beide Stellen sind aus verwaltungsorganisatorischer Sicht Dritte, womit die für die Unterbrechung der Verjährung erforderliche Außenwirkung gegeben ist (vgl. Baum in [X.], § 231 [X.] Rz 28.1, Aktualisierung vom 29.12.2020). Der Zweck, durch das Erfordernis der Außenwirkung Rechtssicherheit zu schaffen, rechtfertigt in solch einem Fall keine weitere Einschränkung der verjährungsunterbrechenden Maßnahmen.

bb) Bei der [X.] handelte es sich auch nicht um eine rein schematische [X.]ohnsitzanfrage zur Verjährungsunterbrechung. Denn der [X.]ohnsitz des [X.] war dem [X.] zum Zeitpunkt der [X.] unbekannt.

(1) Die Tatsache, dass andere Behörden oder auch Mitarbeiter desselben [X.], aber einer anderen Abteilung, Kenntnis einer Postanschrift hatten, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn einerseits handelte es sich bei den [X.] bekannten Anschriften nicht um die [X.]ohnsitz- oder Aufenthaltsadresse, sondern um Büro- bzw. Kontaktanschriften, so dass auch [X.] --anders als von § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. [X.] verlangt-- keine Kenntnis des [X.]ohnsitzes oder Aufenthaltsorts des [X.] hatte. Andererseits ist das [X.]issen eines anderen Sachbearbeiters, der organisatorisch einer anderen Einheit des [X.] zuzurechnen ist --entsprechend der Rechtsprechung zu § 173 [X.] (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26.05.2020 - IX R 30/19, [X.], 1233, Rz 18 f.)--, nicht dem konkret zuständigen Sachbearbeiter zuzurechnen.

(2) Auch die Tatsache, dass die richtige Anschrift des [X.] in der Datenbank des BZSt gespeichert war, führt nicht zu einer Kenntnis der den Fall bearbeitenden Dienststelle. Zwar sind dieser auch sämtliche Informationen, die dem Bearbeiter von vorgesetzten Dienststellen über ein elektronisches Informationssystem zur Verfügung gestellt werden, bekannt, ohne dass es insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt ([X.]surteil vom 18.08.2015 - VII R 24/13, [X.], 499, [X.] 2016, 255, Rz 15, m.w.N., und BFH-Urteil in [X.], 1233, Rz 18). Beim BZSt handelt es sich aber, wie dargelegt, nicht um eine dem [X.] vorgesetzte Stelle; das [X.] ist in die Organisationsstruktur des [X.] eingegliedert, das BZSt in die des Bundes.

Somit waren dem [X.] im Zeitpunkt der [X.] beim BZSt sowohl der [X.]ohnsitz als auch der Aufenthalt des [X.] unbekannt. Im elektronischen Informationssystem der Finanzverwaltung war zum Zeitpunkt der [X.] die richtige Adresse des [X.] nicht vermerkt und abrufbar. Aus Sicht der Sachbearbeiterin F gab es aufgrund der zahlreichen Postretouren mit dem Vermerk "unbekannt" hinreichenden Anlass für die [X.] beim BZSt. Es handelte sich mithin um die ernst gemeinte Ermittlung eines unbekannten [X.]ohnsitzes.

cc) Im Streitfall ging es zudem um die Realisierung eines konkreten Anspruchs. Das [X.] hatte bereits im Oktober 2015 ein Schreiben an den Kläger wegen der Vollstreckung der streitgegenständlichen Steuerrückstände versandt und versucht, die Vollstreckung wieder aufzunehmen. Im Ergebnis war die [X.] vom 01.12.2015 damit auf die Durchsetzung konkreter Zahlungsansprüche gerichtet.

d) Somit kommt es schließlich nicht darauf an, wie der Vermerk der [X.] Post auf der Zahlungsaufforderung 2015/M "nicht abgeholt" tatsächlich und rechtlich zu bewerten ist. Fraglich ist hierbei, ob die Vollstreckungsaufnahme damit bereits im Dezember 2015 --und folglich vor dem regulären Ablauf der [X.] nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu fingieren sein könnte (vgl. [X.] in Gosch, [X.]O § 54, Rz 28; ferner Verwaltungsgericht [X.]ürzburg, Urteil vom 10.11.2015 - [X.] 4 K 15.441, juris, Rz 21, zu einem ins Ausland versandten und dort nicht abgeholten Einschreiben gegen Rückschein). Das [X.] hat hierzu --aus seiner Sicht zutreffend-- keine Feststellungen getroffen.

Meta

VII R 21/19

21.12.2021

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 3. April 2019, Az: 1 K 2830/17, Urteil

§ 228 AO, § 231 Abs 1 S 1 Nr 7 AO, § 261 AO, § 139b Abs 3 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.12.2021, Az. VII R 21/19 (REWIS RS 2021, 132)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 132


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VII R 21/19

Bundesfinanzhof, VII R 21/19, 21.12.2021.


Az. 1 K 2830/17

FG München, 1 K 2830/17, 20.02.2019.


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