Bundessozialgericht, Urteil vom 22.03.2011, Az. B 2 U 12/10 R

2. Senat | REWIS RS 2011, 8403

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Gesetzliche Unfallversicherung - Übergangsleistung - Entschließungs- und Auswahlermessen - Prävention - zukunftsgerichtete Leistung - keine rückwirkende Leistungserbringung nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums - fehlende Schadensersatzfunktion - Beginn der Fünf-Jahres-Frist


Leitsatz

1. Der Versicherte hat mit dem Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen noch keinen Anspruch auf Übergangsleistung, sondern einen Anspruch darauf, dass der Unfallversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen über das Ob und ggf die Art, den Inhalt und die Dauer der Übergangsleistung entscheidet.

2. Die Übergangsleistung ist eine präventive, zukunftsgerichtete Hilfe, die nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums nicht mehr rückwirkend erbracht werden kann; sie ist nicht zum Ausgleich eines konkreten Schadens gedacht (Aufgabe von BSG vom 25.9.1969 - 5 RKnU 2/69 = BSGE 30, 88 = SozR Nr 3 zu § 5 BKVO-Saar; Aufgabe von BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 9/98 R = HVBG-INFO 1999, 2387; Aufgabe von BSG vom 4.12.2001 - B 2 U 6/01 R = HVBG RdSchr VB 39/2002).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. Januar 2010 aufgehoben und die Berufung des [X.] gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 13. November 2006 zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 [X.] ([X.] idF ab 1.1.1993) hat, insbesondere ob ein solcher Anspruch verjährt ist.

2

Der 1965 geborene Kläger erlernte von 1985 bis 1988 den Beruf des Krankenpflegers und absolvierte von 1988 bis 1989 eine Weiterbildung zum Masseur und Bademeister. Von Oktober 1991 bis Ende 1993 war er mit Unterbrechungen als Krankenpfleger und Masseur tätig. Er gab diese Tätigkeiten wegen eines schweren nässenden Kontaktekzems Ende 1993 auf. Anschließend holte er das Abitur nach und ließ sich in den Beruf des [X.] umschulen (bis 1998). Auf Kosten des damaligen Arbeitsamts nahm er im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bis 2002 wiederholt an Praktika teil. Anschließend übte er verschiedene Aushilfstätigkeiten aus.

3

Mit Schreiben vom 10.7.2003 wies der Kläger die Beklagte auf berufsbedingte Erkrankungen von Haut und Wirbelsäule hin. Die Beklagte erkannte eine Berufskrankheit ([X.]) nach [X.] der (damaligen) Anlage zur [X.] (schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können; im Folgenden [X.] 5101) an (Bescheid vom 22.12.2004). Mit Verwaltungsakten im Bescheid vom 22.3.2005 stellte sie weiter fest, der Versicherungsfall sei am [X.] eingetreten, Anspruch auf Rente wegen der [X.] 5101 bestehe nicht. In der Begründung führte sie [X.] aus, eventuelle Leistungsansprüche für die [X.] seien verjährt. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 30.3.2005 Widerspruch, in dessen Begründung er Ansprüche auf Übergangsleistung und auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben geltend machte. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom [X.] zurück, da sie zum Anspruch auf Übergangsleistung und auf Leistungen zur Teilhabe noch keine Entscheidung getroffen habe. Diese werde gesondert ergehen.

4

Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 17.11.2005, Widerspruchsbescheid vom [X.]). Wegen des Anspruchs auf Übergangsleistung erhob der Kläger im Juli 2006 beim [X.] Untätigkeitsklage ([X.]). Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom [X.] die Gewährung von [X.] ab. Der Anspruch sei verjährt. Es lägen keine besonderen Umstände vor, die von der Erhebung der Einrede absehen ließen. Der Zweck der Gewährung von [X.], nämlich der Übergang in ein neues Beschäftigungsverhältnis, sei über neun Jahre nach Aufgabe der hautgefährdenden Tätigkeit nicht mehr zu erreichen. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 6.9.2006).

5

Hiergegen hat der Kläger beim [X.] Klage erhoben ([X.] U 261/06). Das [X.] hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.11.2006 abgewiesen. Die Beklagte habe sich in rechtmäßiger Weise auf Verjährung berufen.

6

Auf die Berufung des [X.] hat das Bayerische L[X.] mit Urteil vom 19.1.2010 den Gerichtsbescheid des [X.] sowie die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom [X.] bis 31.12.1998 [X.] gemäß § 3 Abs 2 Satz 1 [X.] "dem Grunde nach zu bewilligen". Dem Kläger stehe gegen die Beklagte für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Übergangsleistung zu. Der dem Grunde nach bestehende Anspruch sei nicht vor dem 1.10.1999 gemäß § 45 Abs 1 [X.]B I verjährt, da er nicht fällig geworden sei. Der Anspruch nach § 3 Abs 2 Satz 1 [X.] werde erst mit Bekanntgabe der Ermessensentscheidung über Art, Dauer und Höhe der Übergangsleistung fällig. Mangels Bekanntgabe eines solchen konkretisierenden Verwaltungsakts habe die Verjährung des Anspruchs nicht begonnen. Den mit den Verjährungsvorschriften verfolgten Zwecken, wie die Herstellung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit, sei keine besondere Bedeutung beizumessen.

7

Die Beklagte hat die vom L[X.] zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 45 Abs 1 [X.]B I iVm § 3 Abs 2 [X.] und §§ 40, 41 [X.]B I. Die beanspruchte Übergangsleistung sei verjährt. [X.] sei die Rechtsfrage, was im Falle des § 3 Abs 2 Satz 1 und 2 [X.] als "Anspruch auf Sozialleistungen" iS von § 45 Abs 1 [X.]B I zu verstehen und wann ein solcher Anspruch entstanden sei. Die Auslegung der genannten Vorschriften durch das L[X.] stehe nicht im Einklang mit Wortlaut, Systematik und Zweck der genannten Normen. Die Übergangsleistung selbst sei eine Pflichtleistung, die lediglich nach Höhe und Dauer begrenzt sei. Der Anspruch auf Übergangsleistung entstehe grundsätzlich, wenn der Tatbestand des § 3 Abs 2 Satz 1 [X.] erfüllt sei. Der Anspruch ende spätestens nach fünf Jahren mit dem Tag, der dem Tag der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit entspreche. Folglich sei der Anspruch auf Übergangsleistung am [X.] entstanden und habe mit Ablauf des Fünf-JahresZeitraums am 31.12.1998 geendet. Dies werde auch bestätigt durch die Entscheidung des B[X.] vom 5.2.2008 ([X.] U 18/06 R), nach welcher der Anspruch nach § 3 Abs 2 Satz 1 [X.] selbstständig im Rahmen der Rechtsnachfolge (§ 56 [X.]B I) übergehen könne. Dies setze voraus, dass ein Recht bereits vor der Konkretisierung der Leistung durch die Beklagte entstanden und fällig geworden sei. Der Zweck der Leistung, nämlich die Ermöglichung des Übergangs von der zu unterlassenden auf eine neue Tätigkeit, könne viele Jahre nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit nicht mehr erreicht werden.

8

Die Beklagte und Revisionsklägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 19. Jan[X.]r 2010 aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 13. November 2006 zurückzuweisen.

9

Der vor dem L[X.] von einem Rentenberater vertretene Kläger hat keinen Antrag gestellt. Sinngemäß begehrt er, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.

Das von der Beklagten angegriffene Urteil des [X.] ist aufzuheben, denn das [X.] hätte die Beklagte nicht verurteilen dürfen, dem Kläger für die [X.] vom [X.] bis [X.] Übergangsleistungen nach § 3 Abs 2 [X.], auch nicht "dem [X.]runde nach", zu bewilligen. Vielmehr hätte das [X.] die Berufung des [X.] gegen den [X.]erichtsbescheid des [X.] zurückweisen müssen.

1. Der Kläger macht einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung eines Rechts auf Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 [X.] geltend. Da die Beklagte einen Anspruch auf Übergangsleistung noch nicht nach § 3 Abs 2 Satz 2 [X.] konkretisiert hat, geht es ihm darum, die Beklagte zu verpflichten, ihm ein Recht auf eine Übergangsleistung zu bewilligen. Um dieses Rechtsschutzziel zu erreichen, ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die richtige Klageart (B[X.] vom 14.12.1978 - 1 RJ 54/78 - B[X.]E 47, 278, 281; zum maßgeblichen [X.]punkt für die Beurteilung einer solchen Klage vgl B[X.] vom 25.3.2003 - B 1 KR 33/01 R - [X.] 4-1500 § 54 [X.] 1). Soweit der Kläger bisher sein Begehren mit der Anfechtungs- und Leistungsklage ("Übergangsleistung zu gewähren") verfolgt hat, ist das [X.] hiervon umfasst (vgl B[X.] vom [X.] - B[X.]E 96, 83 = [X.] 4-2600 § 166 [X.] 2).

[X.]rundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 3 Abs 2 der am 30.11.1997 außer [X.] getretenen [X.] vom [X.] ([X.] 721), zuletzt geändert durch Art 1 der Verordnung vom 18.12.1992 ([X.] 2343). Denn der Kläger macht ein Recht auf Zuerkennung eines Anspruchs auf Übergangsleistung ab [X.] geltend. Dagegen findet trotz Antragstellung im Juli 2003 § 3 [X.] ([X.]) idF ab 1.12.1997 keine Anwendung. Diese Vorschrift beruht auf der Verordnungsermächtigung in § 9 Abs 1 und 6 und § 193 Abs 8 [X.]B VII. [X.]emäß § 212 [X.]B VII gelten die Vorschriften des [X.] bis [X.] Kapitels des [X.]B VII nicht für vor dem Inkrafttreten des [X.]B VII ([X.]) eingetretene Versicherungs- und Leistungsfälle. Die aufgrund der Vorschriften des [X.]B VII erlassene [X.] ist damit nicht auf vor ihrem Inkrafttreten eingetretene Leistungsfälle anzuwenden. Diese Rechtsverordnung trifft - abgesehen von § 6 [X.] - keine Regelungen über Leistungen für vor ihrem Inkrafttreten eingetretene berufsbedingte Erkrankungen (vgl auch B[X.] vom 20.2.2001 - B 2 U 10/00 R - [X.] 3-5670 § 3 [X.] 5 - Juris Rd[X.] 18).

Dem Kläger steht gegen die Beklagte schon kein Recht auf Bescheidung, erst recht keins auf Bewilligung eines Rechts auf Übergangsleistung zu (§ 3 Abs 2 [X.]). Zwar hat das [X.] nicht festgestellt, dass in der Person des [X.] am [X.] alle Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 [X.] erfüllt waren (2.). Dies kann aber dahinstehen, denn die Beklagte war nach dem Zweck des ihr eingeräumten Ermessens nicht zu verpflichten, ein Recht auf eine Übergangsleistung für die [X.] vom [X.] bis [X.] zu bewilligen (3.). Da ein Recht auf eine Übergangsleistung frühestens mit der Bekanntgabe der bewilligenden Ermessensentscheidung entsteht, wie das [X.] richtig gesehen hat, und die Beklagte hier zu Recht keine Bewilligung ausgesprochen hatte, kam es auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage nicht an, ob die Beklagte den Antrag mit der Begründung ablehnen durfte, der Anspruch sei gemäß § 45 Abs 1 [X.]B I verjährt. Ein abstrakt denkbarer Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Bewilligung eines Rechts oder Anspruchs auf eine Übergangsleistung aufgrund der Antragstellung im Juli 2003 für spätere [X.]räume ist nicht im Streit (4.).

           

2. § 3 Abs 2 [X.] in der vom [X.] bis 30.11.1997 geltenden Fassung lautete:

        

"Stellt der Versicherte die Tätigkeit ein, weil die [X.]efahr für ihn nicht zu beseitigen ist, so hat ihm der Träger der Unfallversicherung zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der [X.] oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente, längstens für die Dauer von fünf Jahren, gewährt."

Erste Voraussetzung des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Bewilligung eines Anspruchs auf eine Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 [X.] ist das Bestehen einer aktuellen, konkret individuellen [X.]efahr der Entstehung, des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer [X.] (B[X.] vom [X.] Juris Rd[X.] 11 mwN). Nach den Feststellungen des [X.] war der Kläger bei der Beklagten wegen einer Beschäftigung als Krankenpfleger und Masseur versichert (§ 2 Abs 1 [X.] 1 [X.]B VII), ihm drohte im Fall der Fortsetzung der Tätigkeit das Wiederaufleben oder die Verschlimmerung der [X.] 5101.

Zweite Voraussetzung des Anspruchs ist die Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit. Diese war gegeben, denn der Kläger hat die seine Haut gefährdende Tätigkeit - zuletzt als Krankenpfleger - zum 31.12.1993 auf Dauer eingestellt.

Dritte Voraussetzung ist das (ggf trotz [X.] eingetretene) Vorliegen einer Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile. Dass die Einstellung der Tätigkeit in den Jahren 1994 bis 1998 beim Kläger zu einer Minderung des Verdienstes oder zu einem sonstigen wirtschaftlichen Nachteil geführt hat, hat das [X.] nicht festgestellt. Diese Feststellung kann nicht darin gesehen werden, dass das [X.] den Zusammenhang zwischen entweder der Minderung des Verdienstes und/oder einem sonstigen wirtschaftlichen Nachteil und der Aufgabe der Tätigkeit bejaht hat. Ein solcher Zusammenhang kann nicht bejaht werden, ohne dass im Einzelfall festgestellt wird, dass die [X.]lieder der Kausalkette vorliegen, die angeblich wesentlich ursächlich miteinander verbunden sind. Dass beim Kläger durch die Ende 1993 erfolgte Einstellung der Tätigkeit wirtschaftliche Nachteile wesentlich verursacht worden sind und ggf welche, lässt sich dem Urteil des [X.] aber nicht entnehmen.

Schließlich ist (viertens und fünftens) ein doppelter Kausalzusammenhang erforderlich. Er muss einerseits zwischen der drohenden [X.] und der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit und andererseits zwischen dieser Einstellung der Tätigkeit und der Minderung des Verdienstes oder den sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen bestehen (vgl B[X.] vom 20.2.2001 - B 2 U 10/00 R - [X.] 3-5670 § 3 [X.] 5 - Juris Rd[X.] 21 mwN; B[X.]E 40, 146, 149 = [X.] 5677 § 3 [X.] 1 S 3 f; B[X.] Beschluss vom 4.10.1996 - 2 BU 186/96 - [X.] 1997, 952; [X.], [X.] 1988, 596 mwN).

Versicherte, bei denen die [X.]efahr iS des § 3 Abs 1 [X.] fortbesteht, die ursächlich deshalb die gefährdende Tätigkeit unterlassen und wiederum ursächlich hierdurch Minderungen des Verdienstes oder sonstige wirtschaftliche Nachteile erleiden, haben gegen den Unfallversicherungsträger nach Maßgabe dieser Vorschrift einen Anspruch auf Entscheidung nach [X.]m Ermessen über die Bewilligung oder Nichtgewährung eines Rechts auf Übergangsleistung ggf unter ermessensfehlerfreier Auswahlentscheidung über deren Art, Höhe und Dauer.

Dieses Recht des Versicherten auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Trägers entsteht, wenn alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 [X.] erfüllt sind (B[X.] vom 4.12.2001 - B 2 U 6/01 R - Juris Rd[X.] 14). Der Versicherte hat mit dem Vorliegen dieser Voraussetzungen aber keinen Anspruch (§ 194 Abs 1 [X.]B; zum Begriff auch B[X.] [X.] 3-2600 § 301 [X.] 1 S 2) auf eine konkrete (Einzel-)Leistung, sondern nur einen Anspruch darauf, dass der Unfallversicherungsträger nach [X.]m Ermessen über das "Ob" und ggf die Art, den Inhalt und die Dauer der Übergangsleistung entscheidet.

3. Die Beklagte hat, wie das [X.] im Ergebnis richtig erkannt hat, einen solchen Anspruch zu Recht abgelehnt. Denn die mit der Erfüllung des Tatbestandes entstehende gebundene Befugnis des [X.], über die Zuerkennung eines Rechts auf eine solche [X.]eldleistung nach [X.]m Ermessen zu entscheiden, ist gemäß dem zukunftsgerichteten Zweck der Leistungsart (a) auf fünf Jahre seit Entstehung des Anspruchs begrenzt (b). Wenn alle fünf Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 [X.] zu einem [X.]punkt vorliegen, kann der Träger von da ab gerechnet für höchstens fünf Jahre durch [X.] Ermessensentscheidung ein Recht/einen Anspruch auf Übergangsleistungen begründen. Er hat dabei zu berücksichtigen, ob aktuell zu diesem Entscheidungszeitpunkt die mit der Leistungsart "Übergangsleistung" intendierten Zwecke (noch) zu erreichen sind. Dies hat die Beklagte hier zutreffend verneint.

a) Die Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 [X.] hat präventiven Charakter. Da sie zukunftsgerichtet ist, kann die Leistung nicht außerhalb des [X.] "rückwirkend" bewilligt werden.

Der Zweck der Übergangsleistung ist allein Prävention und besteht darin, beruflich bedingten Erkrankungen möglichst dadurch vorzubeugen, dass Anreize gesetzt werden, die gefährdende Tätigkeit rechtzeitig zu unterlassen (vgl B[X.] vom 31.5.1996 - 2 RU 25/95 - B[X.]E 78, 261, 264 = [X.] 3-5670 § 3 [X.] 2). Dadurch wird die Unterlassung gefährdender Tätigkeit, auf die nach § 3 Abs 1 [X.] hinzuwirken ist, ergänzend gefördert. Denn dem Versicherten wird für den Fall, dass er sich zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit entschließt und im Wesentlichen dadurch verursachte Verdienstminderungen oder sonstige wirtschaftliche Nachteile hinnehmen muss, grundsätzlich in Aussicht gestellt, dass diese annähernd, höchstens aber bis zu dem von § 3 Abs 2 [X.] vorgegebenen Umfang, ausgeglichen werden (vgl B[X.] Urteil vom 27.11.1986 - 5a [X.] - [X.] 5695 § 5 [X.] 1 - Juris Rd[X.] 11). Die Übergangsleistung ist als präventive Hilfe beim und zum Übergang in eine nicht gefährdende Tätigkeit ausgestaltet (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] 4-5671 § 3 [X.] 1 Rd[X.] 7, 15) und verfolgt aufgrund dessen zukunftsgerichtete Ziele (B[X.], aaO, Rd[X.] 15).

Ein Anspruch auf eine [X.] Ermessensentscheidung über die Zuerkennung eines Rechts auf eine Übergangsleistung entsteht erst, wenn der Versicherte nach der durch die (drohende) Berufskrankheit bedingten Aufgabe seiner bisherigen gefährdenden Tätigkeiten deswegen (ggf trotz eines [X.]) einen geringeren oder keinen Verdienst erlangt hat. Dies liegt ua vor, wenn er wegen der gefährdenden Tätigkeiten auch seine bisherige Erwerbstätigkeit insgesamt aufgeben muss und keine anderweitige Erwerbstätigkeit und damit keinen anderweitigen Verdienst erlangt. Die Übergangsleistung soll gerade das übergangslose Absinken im wirtschaftlichen Status vermeiden. Sie ist darauf angelegt, innerhalb des normativ bestimmten [X.]raums durch vollständigen bis teilweisen Ausgleich der infolge Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit entstehenden wirtschaftlichen Nachteile von der wirtschaftlichen Situation vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu der danach eintretenden wirtschaftlichen Situation überzuleiten (vgl B[X.] vom [X.] - Juris Rd[X.] 13 mwN). Der Versicherte soll innerhalb dieser [X.] - unterstützt durch die Übergangsleistung - versuchen, seinen wirtschaftlichen Status so zu gestalten, dass er ggf zusammen mit ihm zustehenden Leistungen wie Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit wieder das Niveau vor Auftreten der [X.] erreicht. [X.]elingt ihm das nicht, vermag ihn die Übergangsleistung nach Ablauf der für diese vorgesehenen Dauer von höchstens fünf Jahren ab Tatbestandserfüllung nicht mehr davor zu bewahren, dass er auf einen wirtschaftlich niedrigeren Stand absinkt (B[X.] vom 28.2.1980 - 8a [X.] - B[X.]E 50, 40, 42 f = [X.] 5677 § 3 [X.] 2).

Dagegen dient die Übergangsleistung nicht dem Ersatz eines (in der Vergangenheit) eingetretenen Schadens. Sie ist nicht als Ausgleich des Schadens gedacht, den der Versicherte durch die krankheitsbedingte Tätigkeitsaufgabe in Form des [X.]es oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile erleidet. [X.]egen eine Schadensersatzfunktion spricht schon, dass § 3 Abs 2 [X.] weder das Vorliegen einer [X.] noch die Feststellung eines Versicherungsfalls voraussetzt und nicht den vollen und auf Dauer eintretenden Nachteil durch die erzwungene Tätigkeitseinstellung vollständig ausgleichen kann und will. Frühere insoweit anders lautende Rechtsprechung (B[X.] vom 25.9.1969 - 5 [X.] - B[X.]E 30, 88, 89; B[X.] vom 4.5.1999 - B 2 U 9/98 R; B[X.] vom 4.12.2001 - B 2 U 6/01 R) gibt der [X.] auf.

Der rein präventive Charakter der Leistungsart schließt es zugleich aus, dass diese der Entschädigung dienen soll (so aber B[X.] vom 4.7.1995 - 2 RU 1/94 - [X.] 1995, 2410 mwN). Es handelt sich nicht um [X.] Entschädigung. Diese dient dem Ausgleich auch der wirtschaftlichen Auswirkungen eines erlittenen [X.]esundheitsschadens, für dessen Folgen die staatliche [X.]emeinschaft in Abgeltung eines besonderen Opfers oder aus anderen [X.]ründen einsteht (§ 5 [X.]B I). Der [X.]edanke der Entschädigung eines besonderen Opfers für die staatliche [X.]emeinschaft - wie er vom [X.] oder Opferentschädigungsgesetz verfolgt wird - trifft auf die echte gesetzliche Unfallversicherung nicht zu (vgl auch [X.], jurisPK-[X.]B I, § 5 Rd[X.] 4). Vielmehr ist bereits in älteren Entscheidungen des B[X.] zutreffend erkannt worden, dass es sich bei § 3 [X.] um eine im Recht der Sozialversicherung angesiedelte Regelung zur Prävention und Krankheitsvorsorge handelt (B[X.] vom 5.8.1993 - 2 RU 46/92 - [X.] 1994, 496; B[X.]E 19, 157, 158). Ein Verständnis der Vorschrift als haftungsrechtliche Entschädigung im Sinne des sonstigen öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts scheidet aus.

b) Der Unfallversicherungsträger darf Zahlungsansprüche auf [X.]rundlage des § 3 Abs 2 [X.] längstens für fünf Jahre seit der Tatbestandserfüllung begründen (§ 31 [X.]B I).

§ 3 Abs 2 Satz 2 [X.] regelt abschließend, welche Arten von [X.]eldleistung als Übergangsleistung zu erbringen sind und für welchen [X.]raum ab Tatbestandserfüllung ein solches Recht längstens zuerkannt werden darf. Es kann entweder ein Recht auf monatlich wiederkehrende Zahlung für längstens fünf Jahre nach der Erfüllung der Voraussetzungen des Satzes 1 aaO bewilligt oder aber ein Anspruch auf eine einmalige Unterstützung in [X.]eld gewährt werden. Der präventive Zweck des § 3 Abs 2 [X.] kann nur erreicht werden, wenn die [X.]eldleistung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Eintritt der Verdienstminderung oder der wirtschaftlichen Nachteile iS des Tatbestandes erbracht wird. Die Vorschrift gibt diesen zeitlichen Rahmen ausdrücklich für das weiterreichende Recht auf monatlich wiederkehrende Zahlung vor. Er gilt aber auch für den bloßen Anspruch auf einmalige "Beihilfe". Denn auch sie dient allein dem Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile zur Erleichterung des Übergangs in eine nicht gefährdende berufliche Tätigkeit. Dies erfordert, dass auch sie zeitnah nach der Erfüllung der Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 [X.] erbracht wird. Typischerweise ist ein einmaliger [X.]eldbetrag alsbald zu leisten, nachdem der Versicherte den Übergang in eine andere berufliche Tätigkeit begonnen hat. Nach der in § 3 Abs 2 Satz 2 [X.] getroffenen Typisierung ist der Übergang in die andere berufliche Tätigkeit längstens nach fünf Jahren abgeschlossen. Nach ihren Zwecken können deshalb beide Arten von Übergangsleistung außerhalb eines angemessenen, fünf Jahre überschreitenden [X.]raums nicht erbracht werden (so auch [X.] in [X.]/[X.], [X.]B VII, Anhang zu K § 9 - § 3 [X.] Rd[X.] 67).

Der Verordnungsgeber trägt mit § 3 Abs 2 [X.] auch dem [X.]edanken Rechnung, dass den Versicherten bei typisierender Betrachtung nach einem [X.]raum von fünf Jahren die Umstellung auf eine andere Tätigkeit gelungen sein wird (vgl B[X.] vom 28.2.1980 - 8a [X.] - B[X.]E 50, 40, 42 f = [X.] 5677 § 3 [X.] 2). Andererseits berücksichtigt die Länge des möglichen Anspruchszeitraums auch, dass der Aufgabe einer gefährdenden Tätigkeit in der Regel nicht unmittelbar die Aufnahme einer neuen nicht gefährdenden Tätigkeit folgen muss oder kann. Neben den [X.]egebenheiten des Arbeitsmarkts können auch andere Umstände, wie zB ein Bedarf an Ausbildung, Umschulung, Weiterbildung oder persönliche [X.]ründe, der Aufnahme einer neuen Tätigkeit entgegenstehen (vgl [X.]/[X.], [X.], [X.] § 3 [X.] 5.1).

Auch wenn bei dem Kläger ab dem [X.] ein [X.] oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteil vorgelegen hat, ist die Beklagte also aufgrund des Antrags vom Juli 2003 nicht zur rückwirkenden Bewilligung einer Übergangsleistung vom [X.] bis zum [X.] berechtigt oder verpflichtet gewesen. Die mit Präventionsleistungen zu unterstützende, bis zu fünf Jahre dauernde Phase der Umstellung auf ein neues Tätigkeitsfeld war abgeschlossen. Der Kläger konnte bei einem am [X.] beginnenden Übergang in eine andere gefährdungsfreie Tätigkeit nicht mehr präventiv mit zukunftsgerichteten Leistungen unterstützt werden.

Danach hat der Kläger kein Recht auf Bewilligung eines Anspruchs auf eine Übergangsleistung durch die Beklagte für die [X.] vom [X.] bis [X.].

4. Im Rahmen dieser Revision ist dem [X.] nicht zur rechtlichen Prüfung gestellt, ob ein Anspruch des [X.] auf Entscheidung nach Ermessen der Beklagten über Übergangsleistungen für [X.]räume innerhalb von fünf Jahren vor oder nach dem Antrag besteht.

Zwar beginnt die [X.], anders als häufig angenommen wird, nicht zwingend am Tag nach endgültiger Einstellung der gefährdenden Tätigkeit (so aber B[X.] [X.] 5677 § 3 7. [X.] [X.] 3 S 10; Hessisches [X.] vom 10.8.1983 - [X.]/[X.]/82 - [X.] 1984, 212; [X.]/[X.], [X.], [X.] § 3 [X.] 5.11). Diese Auffassung übersieht, dass die "Minderung des Verdienstes" oder "sonstiger wirtschaftlicher Nachteile" ebenfalls Voraussetzung für das Entstehen eines Anspruchs ist (zutreffend B[X.] vom 22.8.1975 - 5 [X.] 5/74 - B[X.]E 40, 146, 149). Faktisch wird in aller Regel mit der Aufgabe der Tätigkeit unmittelbar auch der wirtschaftliche Nachteil eintreten. Wenn dieser aber ausnahmsweise erst später eintritt, zB weil der Versicherte trotz der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeiten, die mit seiner bisherigen Arbeit verbunden waren, zunächst das gleiche Entgelt wie vor dem Auftreten der Erkrankung erzielt, ist der Tatbestand erst erfüllt, wenn auch der wirtschaftliche Nachteil eingetreten ist. Entsprechend beginnt die [X.] erst ab diesem [X.]punkt zu laufen. Hat die Frist einmal zu laufen begonnen, läuft sie kalendermäßig ab und wird durch den zeitweisen Wegfall des [X.]es oder eines sonstigen wirtschaftlichen Nachteils nicht unterbrochen, gehemmt oder neu in [X.]ang gesetzt (vgl B[X.] [X.] [X.] 1 zu § 9 7. [X.]; B[X.] vom [X.] - 2 BU 84/97 - [X.] 1997, 1912). Der [X.] nimmt deshalb weiter an, dass sich der Fünf-Jahres-[X.]raum weder durch nach Tatbestandserfüllung eintretende [X.]en ohne [X.] noch aus anderen Umständen verlängert (vgl B[X.] [X.] [X.] 1 zu § 9 7. [X.]; B[X.] vom [X.] - 2 BU 84/97).

Für die [X.] ab Juli 2003 hat der Kläger aber weder das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen behauptet, noch haben - ausgehend vom geltend gemachten Begehren - die Beklagte, das [X.] oder das [X.] über einen solchen Anspruch entschieden. Der [X.] kann daher die Frage einer Anspruchsberechtigung in anderen [X.]räumen als denjenigen, über die das [X.] entscheiden hat, nicht befinden.

Bei Kenntniserlangung von dem möglichen Bedarf an Präventionsleistungen im Juli 2003 durfte die Beklagte die Umstellung auf eine andere nicht gefährdende Tätigkeit nicht mehr rückwirkend für die [X.] vom [X.] bis [X.] fördern. Deshalb war auf die Revision der Beklagten das Urteil des [X.] aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen den [X.]erichtsbescheid des [X.] zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.][X.].

Meta

B 2 U 12/10 R

22.03.2011

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Würzburg, 13. November 2006, Az: S 5 U 261/06, Gerichtsbescheid

§ 3 Abs 1 BKVO vom 18.12.1992, § 3 Abs 2 S 1 BKVO vom 18.12.1992, § 3 Abs 2 S 2 BKVO vom 18.12.1992, § 31 SGB 1, § 40 Abs 1 SGB 1, § 40 Abs 2 SGB 1, § 41 SGB 1, § 212 SGB 7

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 22.03.2011, Az. B 2 U 12/10 R (REWIS RS 2011, 8403)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8403

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 2 U 15/11 R (Bundessozialgericht)

(Gesetzliche Unfallversicherung - Berechnung einer Übergangsleistung - Einkommen - keine Anrechnung: private Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung - Systemwidrigkeit …


B 2 U 33/08 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Übergangsleistung - Berufskrankheit - aktuell konkrete individuelle Gesundheitsgefahr - maßgeblicher Zeitpunkt - …


L 2 U 21/15 (LSG München)

Berufskrankheit, Bescheid, Verletztenrente, Bewilligung, Arbeitgeber, Rente, Berufung, Revision, Verwaltungsakt, Minderung, Ermessen, Leistungen, Widerspruchsbescheid, Gerichtsbescheid, wirtschaftliche …


B 14 AS 76/08 R (Bundessozialgericht)

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Übergangsleistungen nach § 3 Abs 2 BKV - keine …


B 2 U 2/21 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 3102 - Infektionskrankheit - Einwirkung - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.