Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.05.2011, Az. III ZB 80/10

III. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6205

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III [X.] 80/10

vom

26. Mai 2011

in dem Rechtsstreit

-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat am 26. Mai 2011 durch den
Vizepräsidenten [X.] und [X.], [X.], [X.] und Tombrink

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 1.
Zivilkammer des [X.] vom 5. November 2010 -
13
S 79/10
-
wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des [X.] hat die Beklagte zu tragen.

Der Gegenstan

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung einer zahnärztlichen Honorarforderung. Das [X.] hat der Klage mit Urteil vom 16.
Juni 2010 vollumfänglich stattgegeben. Gegen dieses ihr am 22.
Juni 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.
Juli 2010 Berufung eingelegt. Der an das [X.] gerichtete, im Adressfeld jedoch mit der Telefaxnummer des [X.] versehene Berufungs-schriftsatz wurde am selben Tage per Telefax
an das
Amtsgericht
Bayreuth 1
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3

-

übersandt
und von dort aus mit Eingang vom 22.
Juli 2010 an das [X.] weitergeleitet. Mit Schriftsatz vom 17.
August 2010, am selben Tage per Tele-fax an das [X.] übersandt und dort eingegangen, beantragte die Beklagte eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Diese Frist wurde mit Verfügung vom 18.
August 2010 antragsgemäß bis zum 22.
September 2010 verlängert. Die das [X.] als Empfänger bezeichnende, jedoch erneut mit der Telefaxnummer des Amtsgerichts [X.] versehene
[X.] vom 22.
September 2010 über-mittelten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten am selben Tage gegen 13.20
Uhr per Telefax
an das [X.]; von dort aus wurde sie mit Eingang vom 23.
September 2010 an das [X.] weitergeleitet.

Nach Hinweis auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung mit Verfügung vom 24.
September 2010 hat die Beklagte mit Eingang vom 11.
Oktober 2010 hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Zur Begründung hat sie vorgebracht: Der verspätete Eingang der [X.] beruhe nicht auf einem Verschulden ihrer Prozessbe-vollmächtigten, sondern auf einem Versehen der seit 18 Jahren in der dortigen Kanzlei tätigen und bislang sehr zuverlässigen Kanzleiangestellten

W.

. Frau W.

sei über die Bedeutung der Fristwahrung aufgeklärt [X.] und habe die Telefaxnummern "üblicherweise" anhand der allgemeinen Verzeichnisse im [X.] oder der Homepage des betreffenden Gerichts ermit-telt. Im vorliegenden Fall habe Frau W.

bei Fertigung der [X.] die (unrichtige)
Telefaxnummer des Berufungsgerichts
aus der Beru-fungsschrift übernommen, wobei sie die dortige Angabe dem damals allein vor-handenen "amtsgerichtlichen Teil" der [X.] entnommen gehabt habe.
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3
-

4

-

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechts-beschwerde der Beklagten.

II.

Die nach §
574
Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 in Verbindung mit §
522
Abs.
1 Satz
4, §
238
Abs.
2
ZPO
statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und [X.] Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätz-liche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordern (§
574 Abs.
2 ZPO). Das Berufungsgericht hat auf der [X.] [X.] zutreffend entschieden.

1.
Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch als unbegrün-det angesehen, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem der Beklagten gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnenden [X.] ihrer Prozessbevollmächtigten beruhe. Diese hätten es unterlassen, das [X.] allgemein dahin anzuweisen, dass die Telefaxnummer des Empfangsgerichts stets anhand eines allgemeinen Verzeichnisses, einer Inter-netpräsenz des Gerichts, eines vom Empfangsgericht selbst stammenden Schriftstücks oder einer von diesem eingeholten Auskunft ermittelt werden müsse, nicht aber aus eigenen, früheren Schreiben entnommen werden dürfe. Ferner fehle es an einer allgemeinen Anweisung an die Kanzleibediensteten, nach Absendung eines Telefax die Richtigkeit der verwendeten Telefaxnummer des Empfängers im Rahmen der Ausgangskontrolle zu überprüfen.
4
5
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-

5

-

2.
Diese Würdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen und steht insbeson-dere im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.].

a) Danach darf der Rechtsanwalt zwar die Übermittlung der Berufungs-begründung per Telefax als eine einfache büromäßige Aufgabe einer zuverläs-sigen, hinreichend geschulten und überwachten Bürokraft übertragen, ohne die Ausführung des Auftrags stets konkret überwachen und kontrollieren zu müs-sen (s. etwa Senatsbeschluss vom 4.
April 2007 -
III
[X.] 109/06, NJW-RR 2007, 1429, 1430 Rn.
7 mwN; [X.], Beschlüsse vom 23.
März 1995 -
VII
[X.] 19/94, NJW 1995, 2105, 2106; vom 25.
Februar 2010 -
I
[X.] 66/09, BeckRS 2010, 08681 Rn.
12 und vom 12.
Mai 2010 -
IV
[X.] 18/08, [X.], 2811 Rn.
9). Er muss jedoch durch organisatorische Vorkehrungen, insbesondere durch ent-sprechende allgemeine Anweisungen an das Büropersonal, sicherstellen, dass die
Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird ([X.] vom 4.
April 2007 aaO Rn.
8 mwN; vom 24.
Juni 2010 -
III
[X.] 63/09, BeckRS 2010, 16574 Rn.
11 und vom 27.
Januar 2011 -
III
[X.] 30/10, BeckRS 2011,
03316 Rn.
8; [X.], Beschlüsse vom 6.
Juni 2005 -
II
[X.] 9/04, NJW-RR 2005, 1373 und vom 11.
November 2009 -
XII
[X.] 117/09, [X.] 2010, 776, 777 Rn.
6). Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und
dieser auf die Richtigkeit der verwen-deten [X.] überprüft wird, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bereits bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können (s. etwa Senatsbeschlüsse vom 4.
April 2007 aaO; vom 19.
März 2008 -
III
[X.] 80/07, NJW-RR 2008, 1379 Rn.
5; vom 24.
Juni 2010 aaO und vom 27.
Januar 2011 aaO; [X.], Beschlüsse vom 6.
Juni 2005 aaO; vom 10.
Mai 2006 -
XII [X.] 267/04, [X.], 2412, 2413 Rn.
7, 12
f; vom 21.
Juli 2008 -
II
ZA 4/08, BeckRS 2008, 17708 Rn.
3; vom 7
8
-

6

-

11.
November 2009 aaO; vom 25.
Februar 2010 aaO Rn.
10; vom 12.
Mai 2010 aaO S.
2812 Rn.
11; vom 22.
September 2010 -
XII
[X.] 117/10, NJW-RR 2011, 138, 139 Rn.
11 und vom 21.
Oktober 2010 -
IX
[X.] 73/10, NJW 2011, 458, 459 Rn.
7). Dabei genügt der Vergleich der auf dem Sendebericht ausgedruckten Telefaxnummer mit der in den Schriftsatz eingesetzten nicht. Dieser Abgleich ist nur geeignet, einen Fehler bei der Eingabe der Nummer in das [X.] aufzudecken, nicht
aber sicherzustellen, dass die im Schriftsatz angegebene Telefaxnummer zutreffend ermittelt wurde. Die Überprüfung der Richtigkeit der im Sendebericht ausgewiesenen [X.] ist deshalb vielmehr an-hand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle vorzunehmen, aus dem beziehungsweise der die Telefaxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist (Senatsbeschlüsse vom 24.
Juni 2010 aaO mwN und vom 27.
Januar 2011 aaO; [X.], Beschlüsse vom 10.
Mai 2006 aaO Rn.
13 und vom 12.
Mai 2010 aaO mwN).

b) Eine diesen Anforderungen genügende Büroorganisation der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten hat die Beklagte weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Zu Recht hat das Berufungsgericht beanstandet, dass es sowohl in Bezug auf die Ermittlung der zutreffenden Telefaxnummer des Empfangsge-richts als auch in Bezug auf die Ausgangskontrolle fristwahrender, per Telefax übersandter Schriftsätze (hier insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Prü-fung der Richtigkeit der verwendeten Telefaxnummer) an allgemeinen Anwei-sungen an das Büropersonal gefehlt hat.

Der allgemeine Hinweis auf die Bedeutung der Wahrung von Rechtsmit-telfristen sowie darauf, dass unterschiedliche Gerichte verschiedene [X.] haben (können), so dass
eine genaue Prüfung der verwendeten Nummer geboten ist, und die Kenntnis der Rechtsanwälte davon, dass die 9
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-

7

-

Kanzleiangestellte W.

die Telefaxnummern "üblicherweise" anhand der [X.] Verzeichnisse im [X.] oder der Homepage des betreffenden [X.] ermittelt, genügen für die nach den vorstehenden Grundsätzen erforderli-che allgemeine Anweisung nicht und machen eine solche auch nicht entbehr-lich. Das Fehlen einer allgemeinen Anweisung hat es mit sich gebracht, dass der Kanzleiangestellten W.

nicht vor Augen geführt worden war, dass die zutreffende Telefaxnummer des Empfangsgerichts nicht aus der Angabe in ei-nem eigenen früheren Schriftsatz entnommen werden darf, da es sich hierbei -
anders als bei allgemeinen Verzeichnissen, einem [X.]auftritt des Gerichts oder einem gerichtlichen Schriftstück
-
nicht um eine geeignete Quelle handelt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Telefaxnummernangabe in dem [X.] ihrerseits -
was die Rechtsbeschwerde hier verkennt
-
nicht aus einer geeigneten Quelle ermittelt worden ist (sondern aus dem "amtsgerichtli-chen Teil" der [X.]) und es somit insgesamt an einer zuverlässigen Er-mittlung der richtigen Telefaxnummer des Rechtsmittelgerichts gefehlt hat.

3.
Wiedereinsetzung ist der
Beklagten auch nicht deshalb zu erteilen, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf ein gerichtliches Verschul-den zurückzuführen wäre.

a) Zwar
darf ein Rechtsuchender darauf vertrauen, dass das mit der Sa-che befasst gewesene Gericht gemäß
der ihm obliegenden nachwirkenden Fürsorgepflicht den bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht be-stimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird. Geht der Schriftsatz dabei so zeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die [X.] auch davon ausgehen, dass er noch fristgerecht bei dem Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, so ist der 11
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-

[X.] Wiedereinsetzung unabhängig davon zu gewähren, auf welchen Grün-den die fehlerhafte Einreichung beruht (s. [X.] 93, 99, 114
ff mwN; [X.] NJW 2001, 1343; NJW 2005, 2137, 2138; Senatsbeschlüsse vom 4.
April 2007 aaO Rn.
12 und vom 17.
September 2008 -
III
[X.] 22/08, BeckRS 2008, 21695 Rn.
9; [X.], Beschlüsse vom 6.
Juni 2005 aaO und vom 21.
Oktober 2010 aaO Rn.
12).

b) Der Wiedereinsetzung begehrende Antragsteller hat indes darzulegen und glaubhaft zu machen, dass sein Schriftsatz im normalen ordnungsgemä-ßen Geschäftsgang fristgemäß an das Rechtsmittelgericht weitergeleitet wer-den konnte ([X.], Beschlüsse vom 6.
Juni 2005 aaO und vom 21.
Oktober 2010 aaO Rn.
12
f mwN).

Dieser Obliegenheit hat die Beklagte nicht genügt. Hierfür reicht es ent-gegen der Meinung der Rechtsbeschwerde nicht aus, wenn vorgetragen wird, dass es "nicht auszuschließen" sei, dass die [X.] im üblichen Geschäftsverkehr noch am Tage ihres Eingangs bei dem [X.] an das [X.] habe übermittelt werden können. [X.] dessen besteht kein tragfähiger Anhalt für die Annahme, dass der ge-gen 13.20
Uhr per Telefax übersandte Schriftsatz im ordentlichen Geschäfts-gang noch am selben Tage an das Berufungsgericht hätte weitergeleitet wer-den können (und müssen). Ein solcher Anhalt ergibt sich auch nicht aus den besonderen Umständen des Falls. Zwar war der Schriftsatz an das "[X.]" gerichtet. Er war aber nicht mit einem augenfälligen Hinweis auf eine besondere Eilbedürftigkeit versehen und ließ insbesondere nicht erken-nen, dass er erst am letzten Tag der (verlängerten) Rechtsmittelbegründungs-frist eingereicht wurde (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 4.
April 2007 aaO Rn.
14). Die Beklagte durfte daher nicht darauf vertrauen, dass
die Berufungs-13
14
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-

begründungsschrift noch am selben Tage von dem -
unzuständigen
-
Amtsge-richt Bayreuth an das Berufungsgericht weitergereicht werden würde.

[X.]
[X.]
Herrmann

[X.]
Tombrink

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.06.2010 -
3 C 279/04 -

LG Bayreuth, Entscheidung vom 05.11.2010 -
13 S 79/10 -

Meta

III ZB 80/10

26.05.2011

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.05.2011, Az. III ZB 80/10 (REWIS RS 2011, 6205)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6205

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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