Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.11.2016, Az. 24 W (pat) 56/14

24. Senat | REWIS RS 2016, 1681

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "Jonhy Wee" – bösgläubige Markenanmeldung – Absicht des zweckfremden Einsatzes der Sperrwirkung - Kostenauferlegung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2009 011 893 – [X.]/12 Lösch

hat der 24. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], des Richters [X.] und der Richterin Lachenmayr-Nikolaou

beschlossen:

1. Der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 24. Februar 2014 wird aufgehoben.

Die Löschung der eingetragenen Marke 30 2009 011 893 wird angeordnet.

2. Der Markeninhaber trägt die Kosten des Verfahrens vor der Markenabteilung und des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

1

Das am 27. Februar 2009 angemeldete Zeichen

2

[X.]

3

ist am 15. Mai 2009 für die nachfolgend genannten Waren der Klassen 10, 11 und 20 unter der Registernummer 30 2009 011 893 in das beim [X.] ([X.]) geführte Markenregister als Wortmarke eingetragen worden:

4

Klasse 10: Beutel und Einwegbeutel zur Aufnahme von Urin; Beutel und Einwegbeutel zur Aufnahme von Urin, umfassend Mittel zum Binden von Urin, insbesondere umfassend eine mit Superabsorber gefüllte Vlieshülle;

5

Klasse 11: transportable Toiletten;

6

Klasse 20: Einrichtungen zur Aufnahme von Urin, nämlich Kunststoffbehälter zur Aufnahme von Urin.

7

Der Antragsteller begehrt die Löschung dieser Marke wegen bösgläubiger Markenanmeldung.

8

Der [X.] vertreibt von der [X.]. in [X.], produzierte Urinbeutel. Die Marke „[X.]“ hat er – nach seinem von Seiten des Markeninhabers unwidersprochen gebliebenen Vortrag – im Jahr 2003 entworfen (Bescheinigung Anlage 1 zum Schriftsatz vom 10. April 2012, [X.]. 147 [X.]). [X.] hat er den Markeninhaber als Vertriebspartner für [X.] und die [X.] gewonnen. Der Antragsteller hat ebenfalls im [X.] bei dem [X.] Zeichnungen zu und Logos mit dem Wortbestandteil „[X.]“ entwerfen lassen und die diesbezüglichen Nutzungsrechte erworben, sowie die Logos an die Produzenten der Urinbeutel in [X.] übermittelt (Anlagen 6, 7 zur ergänzenden Beschwerdebegründung vom 10. April 2014, [X.]. 155 – 160 [X.]).

9

Am 26. Mai 2005 haben der [X.], handelnd unter der Firma [X.] („Generalimporteur"), und die [X.] („[X.]“), vertreten durch ihren Geschäftsführer, den Markeninhaber, einen Alleinvertriebsvertrag (Anlage 9, [X.]. 162 – 167 [X.]) geschlossen, der auszugsweise wie folgt lautet:

In den Folgejahren wurden auf der Grundlage dieses Alleinvertriebsvertrags durch den Vertrieb von mit dem Zeichen „[X.]“ gekennzeichneten [X.] im Inland Umsätze im …stelligen Bereich erzielt. So hat die Firma [X.] der O… mbH (im Folgenden als „[X.]“ bezeichnet) am 24. Oktober 2005 „[X.]“-Produkte zum Preis von [X.] in Rechnung gestellt (Anlage 13 zum Schriftsatz vom 10. April 2014, [X.]. 173 [X.]), des Weiteren hat die [X.] am 17. Juli 2006 „[X.]-Urinbeutel“ im Wert von [X.] bei der [X.] bestellt (Anlage 10 zum vorgenannten Schriftsatz, [X.]. 170 [X.]) sowie für die Jahre 2007 und 2008 Verkaufserlöse mit „[X.]“-Produkten i. H. v. [X.] bzw. [X.] bestätigt (Anlage 11 zum o. g. Schriftsatz, [X.]. 171 [X.], Bescheinigung vom 30. April 2009). Die letzte Bestellung der [X.] von „[X.]“- [X.] im Wert von [X.] datiert vom 26. März 2010 (Anlage 12 zum o. g. Schriftsatz, [X.]. 172 [X.]).

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 12. August 2008 an die [X.] erhöhte Einkaufspreise für die „[X.]“-Produkte festgesetzt (Anlage 14 zum o. g. Schriftsatz, [X.]. 174 [X.]).

Nach dem März 2010 sind Bestellungen (des Markeninhabers im Namen) der [X.] ausgeblieben. In der Folgezeit hat der Antragsteller festgestellt, dass der Markeninhaber bzw. die [X.] vertragswidrig Ware von einem anderen Lieferanten geordert hat.

[X.] ist der Inhaber der angegriffenen Marke aus dieser im Wege eines beim [X.] gestellten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Antragsteller vorgegangen, mit der dem Antragsteller verboten werden sollte, Waren unter dem Zeichen „[X.]“ in Verkehr zu bringen (Anlage 20, eingereicht mit anwaltlichem Schriftsatz des Antragstellers vom 11. Mai 2016, [X.]. 232 ff. [X.]). Der Antrag nimmt auf eine eidesstattliche Versicherung des Markeninhabers ([X.]. 228/229 [X.]) als Glaubhaftmachungsmittel Bezug, in der dieser – wie der Antragsteller unwidersprochen vorgetragen hat – den Sachverhalt unvollständig geschildert und insbesondere die langjährige Zusammenarbeit der Beteiligten sowie den Alleinvertriebsvertrag nicht erwähnt hat. Des Weiteren hat der Markeninhaber am 7. Mai 2012 Strafanzeige gegen den Antragsteller wegen gewerbsmäßiger [X.] gem. § 143 [X.] gestellt aufgrund der Verletzung der Rechte des Markeninhabers an der verfahrensgegenständlichen Marke 30 2009 011 893 (Anlage 19, [X.]. 230 [X.]).

Der [X.] hat am 10. Juli 2012 die vollständige Löschung der Wortmarke 30 2009 011 893 „[X.]“ hinsichtlich sämtlicher eingetragener Waren beantragt. Mit Schriftsatz vom 18. September 2012 hat er seinen Löschungsantrag auf § 50 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] gestützt und dahingehend begründet, dass der Markeninhaber mit der Anmeldung der Marke gegen den Alleinvertriebsvertrag vom 26. Mai 2005 verstoßen habe.

Der Antragsteller hat im Rahmen der Begründung seines Löschungsantrags weiter ausgeführt, dass er selber Inhaber der Marke „[X.]“ sei. Dies sei dem Markeninhaber im Hinblick auf die Regelung in § 1 des Alleinvertriebsvertrags vom 26. Mai 2005 bekannt gewesen. Durch die Markenanmeldung greife der Markeninhaber in den schutzwürdigen Besitzstand des Antragstellers ein und versuche zugleich, den Antragsteller in seinem Marktverhalten zu behindern.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat dem ihm am 27. Juli 2012 zugestellten Löschungsantrag mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26. September 2012, beim [X.] eingegangen am selben Tage, widersprochen und zugleich beantragt, dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 24. Februar 2014 hat die Markenabteilung 3.4 des [X.] den Löschungsantrag sowie den Antrag des Markeninhabers, dem Antragsteller die Kosten des [X.] aufzuerlegen, zurückgewiesen. Der zulässige Löschungsantrag sei nicht begründet. Den Antragsteller treffe eine Mitwirkungsverpflichtung dahingehend, Gründe für die von ihm behauptete Bösgläubigkeit des Markeninhabers zum Anmeldezeitpunkt substantiiert vorzutragen und mit geeigneten Unterlagen zu belegen. Der von ihm vorgetragene Sachverhalt trage den [X.] jedoch nicht, dieser habe auch nicht durch eine ergänzende Amtsrecherche erhärtet werden können.

Es sei zweifelhaft, ob der Antragsteller über einen schutzwürdigen Besitzstand an der Bezeichnung „[X.]“ verfüge, da der Alleinvertriebsvertrag in § 1 den Antragsteller lediglich als „Rechteinhaber für den Vertrieb“ bezeichne, so dass [X.], dass ein mit dem s…ischen Hersteller vereinbartes Alleinvertriebsrecht gemeint sei, nicht aber ein Recht an einem Kennzeichen. Der [X.] lasse offen, ob die Produktkennzeichnung vom Antragsteller selber stamme, oder ob die Waren bereits vom Hersteller entsprechend gekennzeichnet würden. Daher sei zweifelhaft, ob ein eigener schutzwürdiger Besitzstand des Antragstellers an der Bezeichnung „[X.]“ bestehe.

Vor dem Hintergrund, dass die Markenabteilung diverse weitere Anbieter von Medizinprodukten und Hygieneartikeln recherchiert habe, die Einwegurinbeutel unter der Marke „[X.]“ vertreiben, könne nicht abschließend festgestellt werden, ob und wer im Zeitpunkt der Anmeldung einen vorrangigen Besitzstand an der Kennzeichnung gehabt habe. Denn es sei nicht klar, welche Beziehungen unter diesen Anbietern bestünden, ob die jeweiligen Produkte vom selben Hersteller stammen würden oder welche eigenen oder abgeleiteten Rechte diese Drittanbieter hätten.

Zudem lägen auch für die Annahme des subjektiven Tatbestands des § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Es sei nicht feststellbar, dass es dem Antragsgegner maßgeblich darauf angekommen sei, einen fremden Besitzstand zu stören. Ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Eintragung der Marke könne ihm vor dem Hintergrund, dass er selber unter der Firma [X.] Einwegurinbeutel mit der Kennzeichnung „[X.]“ vertrieben habe, nicht ohne weitere Indizien abgesprochen werden, vielmehr könne es ihm bei der Anmeldung auch vornehmlich auf die Sicherung seiner eigenen [X.]situation angekommen sein.

Ein möglicher Verstoß gegen Verpflichtungen aus dem Alleinvertriebsvertrag begründe möglicherweise vertragliche Schadensersatzansprüche, nicht aber automatisch eine Bösgläubigkeit im Sinne des Markenrechts.

Der Kostenantrag des Markeninhabers sei ebenfalls unbegründet. Ein Verstoß des Antragstellers gegen prozessuale Sorgfaltspflichten sei nicht ersichtlich, insbesondere könne die Erhebung des [X.]s nicht als von vorneherein aussichtslos gewertet werden und habe der Antragsteller auch im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht den Sachverhalt und seine Rechtsauffassung dargelegt und Belege eingereicht.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.

Im Rahmen der Beschwerdebegründung trägt er vor, dass eine bösgläubige Markenanmeldung zunächst unter dem Gesichtspunkt der Störung eines schutzwürdigen [X.] des Antragstellers zu bejahen sei.

Dass der Antragsteller, der die Beutel habe produzieren lassen, auch für das Inverkehrbringen im Inland verantwortlich gewesen sei, ergebe sich aus der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung des [X.] des [X.] im Zusammenhang mit der Konformitätserklärung des Herstellers (Anlagen 2, 3 zum vorgenannten Schriftsatz, [X.]. 148 - 151 [X.]). Dementsprechend seien die Urinbeutel auch mit einem Hinweis auf die Firma des Antragstellers, die [X.], und die Homepage www.jonhy-wee.com, bedruckt (Anlage 8 zum o. g. Schriftsatz, [X.]. 161 [X.]). Der Antragsteller habe die Produkte schließlich selber unter der Bezeichnung „[X.]“ beworben (Anlagen 16, 17 zum o. g. Schriftsatz, [X.]. 176 - 178 [X.]). Vor diesem Hintergrund sei aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller vor der Markenanmeldung über mehrere Jahre im Inland beachtliche Umsätze durch den Vertrieb von mit dem Wortzeichen „[X.]“ gekennzeichneten [X.] erzielt habe – wie sich aus Rechnungen des Antragstellers sowie den Bestellungen und Bestätigungen der [X.] ergebe – ein schutzwürdiger Besitzstand des Antragstellers anzunehmen. Durch die Markenanmeldung sei dieser schutzwürdige Besitzstandes des Antragstellers gestört worden.

Darüber hinaus liege eine Anmeldung zum zweckfremden Einsatz der Marke im [X.] vor, da von einer Behinderungsabsicht des Markeninhabers auszugehen sei. Die Behinderungsabsicht ergebe sich daraus, dass die Markenanmeldung im Jahr 2009 nach der vom Antragsteller im August 2008 durchgesetzten Preiserhöhung erfolgt sei und der Markeninhaber nicht von seiner Möglichkeit der Kündigung des Alleinvertriebsvertrags Gebrauch gemacht habe, sondern vielmehr heimlich die vorliegende Markenanmeldung getätigt habe und den Antragsteller in dem Glauben gelassen habe, dass die Zusammenarbeit auf der Grundlage des [X.] vom 26. Mai 2005 weitergeführt werde. Weiter sprächen die überraschende Strafanzeige des Markeninhabers gegen den Antragsteller aus dem 2012 sowie das Vorgehen gegen diesen im Wege einer einstweiligen Verfügung für eine Behinderungsabsicht des Markeninhabers.

Bei Gesamtabwägung aller dieser Umstände sei von einer Behinderungsabsicht des Markeninhabers und somit von einem beabsichtigten zweckfremden Einsatz der Marke im [X.] auszugehen.

Der [X.] beantragt,

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 24. Februar 2014 aufzuheben und die Wortmarke „[X.]“ 30 2009 011 893 zu löschen.

Der Markeninhaber hat sich im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung 3.4, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere gem. § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.] statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des [X.]s hat auch in der Sache Erfolg.

Die angegriffene Marke 30 2009 011 893 war gemäß §§ 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] auf Antrag des Beschwerdeführers zu löschen, da die Anmeldung durch den Markeninhaber unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles als bösgläubig zu erachten ist.

1. Der Löschungsantrag ist zulässig.

Der auf § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] gestützte Löschungsantrag unterliegt keiner Frist gem. § 50 Abs. 2 S. 2 [X.]. Des Weiteren kann ein Löschungsantrag gem. § 54 Abs. 1 S. 2 [X.] von jeder Person gestellt werden ([X.]). Die Antragsbefugnis ist nicht von einem besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Interesse des [X.]s abhängig, vielmehr dient ein Löschungsantrag dem öffentlichen Interesse an der Löschung zu Unrecht entgegen bestehender absoluter Schutzhindernisse eingetragener Marken ([X.]/[X.], [X.], 11. Aufl. 2015, § 54 Rn. 1).

Der Löschungsantrag wurde ordnungsgemäß gestellt, insbesondere wurde das geltend gemachte konkrete absolute Schutzhindernis in der Begründung des Löschungsantrags unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] benannt, so dass die Widerspruchsfrist des § 54 Abs. 2 S. 2 [X.] in Gang gesetzt wurde (vgl. zum Erfordernis der Angabe des konkreten Schutzhindernisses [X.], 500, [X.]. 11 - Fünf-Streifen-Schuh).

2. Der Markeninhaber hat dem Löschungsantrag rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist des § 54 Abs. 2 S. 2 [X.] widersprochen, so dass das Löschungsbegehren gem. § 54 Abs. 2 S. 3 [X.] inhaltlich zu überprüfen war.

3. Der angegriffenen Marke stand im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung (vgl. [X.], 378, [X.]. 14 – [X.]; GRUR 2013, 1143 [X.]. 15 - Aus Akten werden Fakten; [X.] 2014, 565 Rn. 10 - smartbook) das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] entgegen, so dass der Beschluss der Markenabteilung aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen waren.

a) Von der Böswilligkeit des Anmelders i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] ist auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt. Das [X.] knüpft an die Rechtsprechung zum außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch aus § 1 UWG a. F. oder § 826 BGB unter Geltung des [X.] an. Die dazu entwickelten Grundsätze sind auch zur Beurteilung der Bösgläubigkeit des Anmelders unter Geltung des § 50 Abs. 1 Nr. 4 [X.] a. F. heranzuziehen ([X.], 378, [X.]. 16 – [X.]; [X.] 2004, 510 – [X.]) und gelten nach der Novellierung des § 50 Abs. 1 [X.] und der Einführung des Eintragungshindernisses der böswilligen Markenanmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] weiter, weil die für die böswillige Markenanmeldung bestehenden Maßstäbe hierdurch nicht geändert werden sollten, sondern das Entstehen ungerechtfertigter Markenrechte im Interesse der Rechtssicherheit bereits im Eintragungsverfahren verhindert werden sollte ([X.], 380, [X.]. 16 – [X.]; [X.], 378, [X.]. 16 – [X.] unter Verweis auf die Begründung eines RegE. d. Geschmacksmusterreformgesetzes, [X.]. 15/1075, 67 f.).

Eine böswillige Markenanmeldung kommt danach in Betracht, wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, und wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der [X.] in Kenntnis eines schutzwürdigen [X.] des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des [X.] des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen oder aber die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des [X.]es einsetzt ([X.], 378, [X.]. 17 – [X.]; [X.], 380, [X.]. 17 - [X.]; [X.] 2004, 510 – [X.]; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl. 2015, § 8 Rn. 838).

Ein Verhalten überschreitet die Schwelle der Bösgläubigkeit erst dann, wenn seine Wirkungen über eine als bloße Folge des [X.] hinausgehen und es bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen [X.] gerichtet ist (vgl. [X.], 380, [X.]. 28 - [X.]; [X.] 2008, 917, [X.]. 23 - [X.]; [X.] 2008, 621, [X.]. 32 – AKADEMIKS).

b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist vorliegend unter umfassender Würdigung der Gesamtumstände des vorliegenden Einzelfalles eine bösgläubig getätigte Markenanmeldung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] unter dem Gesichtspunkt des beabsichtigten zweckfremden Einsatzes der Sperrwirkung der Marke als Mittel des [X.]es anzunehmen.

[X.]) Dem steht nicht entgegen, dass der Markeninhaber bzw. die [X.] die Marke in der Folgezeit nach der Markenanmeldung unstreitig benutzten und davon ausgegangen werden kann, dass eine eigene Benutzungsabsicht auch bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung bestand. Zwar ist regelmäßig von einer bösgläubigen Markenanmeldung auszugehen, wenn der Markeninhaber die Anmeldung ausschließlich zu dem Zweck vorgenommen hat, den Marktzutritt des Antragstellers zu verhindern, ohne seinerseits die Benutzung der Marke zu beabsichtigen (vgl. [X.] GRUR 2009, 763 – [X.]; [X.], 380, [X.]. 16 - [X.]; [X.], 378, [X.]. 17 - [X.]; [X.] 2001, 160 – Classe E). Umgekehrt steht eine Benutzungsabsicht der Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung jedoch nicht von vorneherein entgegen, da diese eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles erfordert und die Absicht, die Marke zweckfremd als Mittel des [X.]es einzusetzen, nicht der einzige Beweggrund der Markenanmeldung sein muss; vielmehr reicht es aus, wenn diese Absicht ein wesentliches Motiv ist (vgl. [X.] 2008, 917, [X.]. 23 - [X.]; [X.] 2008, 621, [X.]. 32 - AKADEMIKS).

bb) Vorliegend ergibt die Gesamtabwägung aller Umstände des vorliegenden Falles die Absicht eines zweckwidrigen Einsatzes der angemeldeten Marke als Mittel des [X.]es.

In diesem Zusammenhang sind zunächst die Regelungen des zwischen der [X.], handelnd durch den Markeninhaber als deren Geschäftsführer, uns dem Antragsteller geschlossenen Alleinvertriebsvertrags vom 26. Mai 2005 zu berücksichtigen. Die Markenanmeldung vom 27. Februar 2009 erfolgte nach Abschluss dieses [X.] und während einer laufenden Geschäftsbeziehung auf der Grundlage dieses [X.]es. Unabhängig von der Frage, inwieweit dem Antragsteller Kennzeichenrechte oder ein schutzwürdiger Besitzstand im Inland zustanden, lässt sich § 1 dieses [X.]es entnehmen, dass die Bezeichnung „[X.]“ im Verhältnis zwischen den [X.]sparteien dem Antragsteller zugeordnet werden sollte, so dass die Anmeldung eines Zeichens „[X.]“ durch den Markeninhaber als Geschäftsführer der [X.] und im Interesse dieser Gesellschaft im Widerspruch zu den Verpflichtungen des „[X.]“(s) aus diesem [X.] steht. Zwar stellt der Wortlaut dieser Regelung „

Die Markenanmeldung im Jahre 2009 durch den Markeninhaber als Geschäftsführer des „[X.]“(s) während der laufenden Geschäftsbeziehung zwischen den [X.]sparteien ist mit den vorgenannten Regelungen dieses Alleinvertriebsvertrags nicht vereinbar. Der Berücksichtigung der Regelungen des Alleinvertriebsvertrags und der laufenden Geschäftsbeziehung der [X.]sparteien bei der Beurteilung des Verhaltens des Markeninhabers bei der Anmeldung im Jahr 2009 steht nicht entgegen, dass der Markeninhaber nicht selber Partei des Alleinvertriebsvertrags war. Denn er hat nicht nur den [X.] als Geschäftsführer der [X.] unterzeichnet, aus den weiteren Unterlagen ergibt sich zudem, dass die Anmeldung der Marke 30 2009 011 893 der Geschäftstätigkeit der [X.] zugutekommen sollte und gekommen ist. So trägt der Markeninhaber in seinem beim [X.] gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 18. April 2012 vor, dass der Antragsteller als Geschäftsführer der [X.] dieser das ausschließliche Recht zur uneingeschränkten Nutzung der Marke „[X.]“ eingeräumt habe ([X.]. 234 [X.]). Wenn nicht der Inhaber der angegriffenen Marke, sondern die [X.] die verfahrensgegenständliche Anmeldung getätigt hätte, wäre hierin eine Verletzung von Pflichten aus dem Alleinvertriebsvertrag vom 26. Mai 2005 zu sehen, die im Rahmen der Bewertung der Bösgläubigkeit einer solchen Anmeldung zu berücksichtigen wäre. Es kann aber im Rahmen der Würdigung der Umstände einer Anmeldung nichts anderes gelten, wenn die Anmeldung durch den Geschäftsführer der Gesellschaft erfolgt, der dieser wiederum eine ausschließliche Lizenz zur Markennutzung erteilt. Daher ist die Tatsache, dass die (auch) im Interesse der [X.] erfolgte Anmeldung im Widerspruch zu den Regelungen des zwischen dieser Gesellschaft und dem Antragsteller geschlossenen [X.] steht, bei der Beurteilung des Verhaltens des Markeninhabers im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände der Markenanmeldung zu berücksichtigen. Allein auf die (fehlende) vertragliche Bindung des Markeninhabers persönlich abzustellen, wäre demgegenüber bloße Förmelei.

Des Weiteren kann zwar von einer – aus den vorgenannten Gründen zu berücksichtigenden – [X.]sverletzung nicht zwingend auf die Bösgläubigkeit einer Markenanmeldung geschlossen werden. Andererseits steht die Löschung einer Marke aufgrund bösgläubiger Anmeldung unbeschadet ihrer Ausgestaltung als Popularverfahren einer solchen wegen Vorliegens relativer Schutzhindernisse nahe, da in aller Regel rechtlich geschützte Interessen eines [X.] betroffen sind. Daher sind bei der Beurteilung der Bösgläubigkeit unter Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles die zwischen den Beteiligten bestehenden vertraglichen und sonstigen Beziehungen zu berücksichtigen (vgl. [X.] 2008, 917, [X.]. 26 – [X.]; [X.], 809, 811 – [X.]), so dass vorliegend die Tatsache, dass die Markenanmeldung während einer laufenden Geschäftsbeziehung ohne Einverständnis des Antragstellers und im Widerspruch zu den Regelungen des zwischen der [X.], deren Geschäftsführer der Markeninhaber ist, und dem Antragsteller bestehenden [X.]es für ein bösgläubiges Verhalten des Markeninhabers spricht. Im Hinblick auf die Unterzeichnung des [X.]es durch den Markeninhaber in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer muss dem Markeninhaber auch bewusst gewesen sein, dass sein Verhalten nicht im Einklang mit den vorstehend zitierten Regelungen des [X.]es stand.

cc) Des Weiteren ist zu beachten, dass der Markeninhaber den Antragsteller über die Markenanmeldung im Dunkeln ließ und ihn sogar erst im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dieser konfrontierte. Zudem erfolgte die Markenanmeldung zu einem Zeitpunkt nach Erhöhung Preise für die mit „[X.]“ gekennzeichneten Produkte durch den Antragsteller im Jahre 2008.

, so lassen die Umstände darauf schließen, dass es sich bei dieser letzten Bestellung lediglich um eine „Überbrückungsmaßnahme“ bis zur Akquisition einer neuen Bezugsquelle handelte. Der Markeninhaber hat in der Folgezeit eine solche neue Bezugsquelle aufgetan, wie sich aus den eigenen Angaben des Markeninhabers in der eidesstattlichen Versicherung vom 18. April 2012 ergibt ([X.]. 228/229 [X.]). In dieser eidesstattlichen Versicherung erklärt der Markeninhaber zwei Jahre nach der letzten Bestellung bei der G…, dass die O… GmbH mit dem Vertrieb von Produkten mit der Bezeichnung „[X.]“ einen jährlichen Umsatz von ca. … [X.] erziele, und dass er selber durch die Nutzung der Marke hauptsächlich seinen Lebensunterhalt bestreite. Zudem führt er im Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Antragsteller und die Firma G… aus, dass es sich bei „[X.]“ nicht um ein Produkt der Fa. G… handele ([X.]. 236 [X.]).

Hieraus ergibt sich, dass der Markeninhaber in der Folgezeit eine anderweitige Bezugsquelle für [X.] bzw. „[X.] für unterwegs“ aufgetan haben muss, die mit „[X.]“ bezeichnet wurden. Gerade die weitere Bestellung vom März 2010 auf der Grundlage des Vertriebsvertrages vom 26. Mai 2005, bei der die zwischenzeitliche „vertragswidrige“ Markenanmeldung vor dem Antragsteller bewusst verheimlicht wurde, spricht für ein [X.] und bösgläubiges Verhalten des Markeninhabers.

[X.]) Schließlich stellen auch die Strafanzeige des Markeninhabers gegen den Antragsteller vom 7. Mai 2012 „wegen Verdachts der strafbaren gewerbsmäßigen [X.] nach § 143 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 [X.]“ ([X.]. 230/231 [X.]) sowie der beim [X.] gestellte Antrag auf Erlasse einer einstweiligen Verfügung gegen den hiesigen Antragsteller sowie seine Firma [X.], mit dem den dortigen [X.] die Benutzung des Zeichens „[X.]“ untersagt werden sollte ([X.]. 232 ff. [X.]), Indizien für ein bösgläubiges Verhalten des Antragstellers dar, zumal der Markeninhaber sowohl die Strafanzeige als auch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung u. a. auf seine eidesstattliche Versicherung stützt, in der er die (Geschäfts-) Beziehung der Beteiligten und den zwischen dem Antragsteller und der [X.] geschlossenen Alleinvertriebsvertrag vollständig verschweigt und den maßgeblichen Sachverhalt damit bewusst unvollständig darstellt.

Zwar ist für die Beurteilung der Bösgläubigkeit einer Markenanmeldung auf den Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen. Dies schließt jedoch nicht aus, aus einem späteren Verhalten des Anmelders Rückschlüsse im Hinblick auf eine zum Anmeldezeitpunkt vorliegende Behinderungsabsicht zu ziehen ([X.], 380, [X.]. 14 – [X.]; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl. 2015, § 8 Rn. 848).

Die Gesamtschau der Umstände, nämlich der heimlichen Markenanmeldung während einer langjährigen erfolgreichen Geschäftsbeziehung, des Ausbleibens weiterer Bestellungen ab dem Folgejahr der Markenanmeldung sowie des massiven Vorgehens gegen den Antragsteller zwei Jahre nach der Markenanmeldung und nach der Akquisition einer anderweitigen Bezugsquelle, lässt mit ausreichender Deutlichkeit darauf schließen, dass der Inhaber der angegriffenen Marke bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt der Markenanmeldung geplant hatte, sich vom Antragsteller zu lösen und in der Folgezeit gegen diesen vorzugehen. Aufgrund dieser Umstände kann demgegenüber nicht davon ausgegangen werden, dass der Markeninhaber bei der Markenanmeldung die Sicherung einer eigenen [X.]situation auf der Grundlage des zwischen dem Antragsteller und der [X.] geschlossenen [X.]es beabsichtigte.

ee) Aufgrund einer Gesamtwürdigung all dieser unter Ziff. [X.]) bis [X.]) genannten Umstände ist davon auszugehen, dass die vorliegende Markenanmeldung in erster Linie mit dem Ziel, den Antragsteller als langjährigen Geschäftspartner von einer weiteren Geschäftstätigkeit mit „[X.]“-Produkten auszuschließen, und somit in Behinderungsabsicht erfolgte.

c) Der Löschungsanspruch besteht für sämtliche eingetragenen Waren. Die [X.], die Gegenstand des Alleinvertriebsvertrags sowie der nachfolgenden Geschäftsbeziehungen zwischen dem Antragsteller und der [X.] waren, fallen unter sämtliche in den Klassen 10, 11 und 20 beanspruchten Waren, da es sich bei diesen sowohl um „Beutel und Einwegbeutel zur Aufnahme von Urin“, als auch um „transportable Toiletten“ und „Einrichtungen zur Aufnahme von Urin, nämlich Kunststoffbehälter zur Aufnahme von Urin“ handelt.

4. Im Falle einer bösgläubig getätigten Markenanmeldung entspricht es im Regelfall wie auch vorliegend der Billigkeit, die Kosten des [X.] gem. § 63 [X.] sowie des Beschwerdeverfahrens gem. § 71 Abs. 1 S. 1 [X.] dem Inhaber der angegriffenen Marke aufzuerlegen, da einer bösgläubigen Markenanmeldung stets ein rechtsmissbräuchliches oder [X.] Handeln zugrunde liegt ([X.]/[X.], [X.], 11. Auflage 2015, § 71, Rn. 15; § 63 Rn. 7).

Meta

24 W (pat) 56/14

29.11.2016

Bundespatentgericht 24. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.11.2016, Az. 24 W (pat) 56/14 (REWIS RS 2016, 1681)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1681

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

29 W (pat) 30/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "Kaupmann" – räumlich beschränktes Recht – keine Störung eines schutzwürdigen Besitzstandes …


29 W (pat) 84/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren – "Gelbe Seiten (Wort-Bild-Marke)" – zur Ausschlussfrist für den Löschungsantrag - abstrakte …


29 W (pat) 85/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren – "Gelbe Seiten" – zur Ausschlussfrist für den Löschungsantrag - abstrakte Unterscheidungseignung …


27 W (pat) 164/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "LIMES LOGISTIK" – keine bösgläubige Markenanmeldung – typische Gründungsaktivitäten können keinen …


26 W (pat) 188/09 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "TVS Transfer Verbund System shuttle" – keine Benutzungsabsicht des Markenanmelders – …


Referenzen
Wird zitiert von

27 W (pat) 37/17

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.