Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2008, Az. 5 StR 224/08

5. Strafsenat | REWIS RS 2008, 1902

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5 [X.]/08 [X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 18. September 2008 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u. a. - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 18. Sep-tember 2008, an der teilgenommen haben: Vorsitzender [X.] Basdorf, [X.] [X.], [X.] [X.], [X.]in Dr. [X.], [X.] [X.]als beisitzende [X.], [X.]

als Vertreter der [X.]schaft, Rechtsanwalt [X.]als Verteidiger, Rechtsanwalt [X.]als Vertreter der Nebenklägerinnen, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, - 3 - für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Neben-klägerinnen wird das Urteil des [X.] (Oder) vom 10. Dezember 2007 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen und so-weit er wegen unerlaubter Veräußerung von [X.] verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der [X.], an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen. [X.] Von Rechts wegen [X.]
G r ü n d e Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs und wegen unerlaubter Veräußerung von Betäubungsmitteln zu der Gesamt-geldstrafe von 90 Tagessätzen (Einzelstrafen von jeweils 60 Tagessätzen) zu je 18 Euro verurteilt. Die [X.] hat den Angeklagten von dem weitergehenden, vom [X.] in dessen Beschluss vom 17. Juli 2007 so zugelassenen [X.] des versuch-ten Mordes durch Unterlassen freigesprochen. Gegen den Freispruch richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, vertreten vom [X.], und der Mutter und Schwester des Verstorbenen [X.]; letz-tere haben sich dem Verfahren als Nebenklägerinnen angeschlossen. Die jeweils mit der Sachrüge begründeten Rechtsmittel haben Erfolg. 1 - 4 - 1. Dem Angeklagten liegt zur Last, am 25. September 2005 den le-bensbedrohlichen Zustand des auf der Couch in der Wohnung des Angeklag-ten liegenden [X.]erkannt zu haben und, ohne die notwendige ärzt-liche Versorgung zu organisieren, ihn in Tötungsabsicht in der Badewanne zurückgelassen zu haben, um ein Vergehen der unerlaubten Veräußerung von Betäubungsmitteln zu verdecken. 2 2. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen: 3 a) Der 19 Jahre alte Student [X.] belieferte den 39-jährigen Angeklagten gelegentlich mit Marihuana. Der Angeklagte ist homosexuell orientiert; bei mit den Zeugen [X.]

und [X.]ausgeführten sexuellen Handlungen war er stets der aktive Partner. Er hatte [X.]

gefesselt und beiden Männern mehrmals mit der Armbeuge die Luft weggedrückt; [X.] hatte er zudem einmal eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt. Gegenüber diesem Zeugen hatte der Angeklagte geäußert, dass [X.] —[X.] aussehe; er würde es gerne versuchen, [X.]—ins Bett zu kriegenfi (UA [X.] 36). [X.]hat weiter ausgesagt, der Angeklagte mache sich Leute mit [X.] (Gamma Hydroxy Buttersäure, [X.]) gefügig. Er selbst habe [X.] vom Angeklagten erhalten und freiwillig eingenommen. 4 b) Der Angeklagte kaufte im Juni oder Juli 2005 in [X.] 100 ml flüs-siges [X.] in einer vollen Rachensprayflasche mit einem Pumpverschluss für 50 Euro. Dieses wollte [X.]benutzen. Zu einem späteren Zeitpunkt entschloss sich der Angeklagte, das [X.] dem [X.]

[X.]

zu verkaufen. Nach Beendigung seiner Arbeit als Barkeeper am 25. September 2005 rief der Angeklagte um 5.33 Uhr [X.]an und teilte ihm mit, dass er [X.] erworben habe, wonach ihn [X.]

bereits Monate vorher gefragt hatte. [X.] einigten sich darauf, dass [X.]

ihm dafür zehn Gramm Marihuana über-lasse. Der Angeklagte rief bis 6.40 Uhr noch weitere fünfmal bei [X.]an, der schließlich gegen 8.00 Uhr mit dem Fahrrad beim Angeklagten eintraf. 5 - 5 - Marihuana und [X.] wurden in der Wohnküche auf dem Couchtisch depo-niert. Der Angeklagte und [X.]

gaben sich dem Genuss von Drogen hin (Marihuana und —Pillenfi; [X.]

zusätzlich Kokain und Bier). [X.]versen- dete zwischen 8.20 Uhr und 11.24 Uhr elektronische [X.] und unternahm Anrufversuche. Er war für 18.00 Uhr mit seiner Großmutter verab-redet. Um 10.15 Uhr sicherte er

D.

zu, bei ihr, wie vorgesehen, um 16.00 Uhr zum gemeinsamen Kochen zu erscheinen. Das Mobiltelefon des [X.]war um 14.00 Uhr ausgeschaltet. [X.] [X.]

verstarb zu ei-nem nicht genauer festzustellenden Zeitpunkt. c) Der Angeklagte rief um 17.30 Uhr bei seinem Arbeitgeber an und teilte mit, dass er seinen Dienst verspätet antreten werde. Er kehrte um 0.30 Uhr in die Wohnung zurück und kleidete den in der Badewanne nackt zurück gelassenen Leichnam des [X.]wieder an. Beim Aufräumen bemerkte der Angeklagte, dass die mit [X.] gefüllte Flasche nur noch halb-voll war. Er warf die Flasche weg. Der Angeklagte verpackte den Leichnam in Müllsäcke und Abdeckfolie und sammelte alle persönlichen Gegenstände des Verstorbenen zusammen. Er verbrachte den Leichnam mittels einer an-gemieteten Sackkarre und eines Transporters in ein Waldgebiet bei Zerpen-schleuse, nachdem er zur Tarnung einen Transport einer Musikbox und ei-nes Tisches vorgenommen hatte. Die persönlichen Gegenstände des Toten entsorgte er in verschiedenen Papierkörben [X.]s, das Fahrrad schloss er an einen Lichtmast an. Pilzsammler fanden den Leichnam des [X.]

[X.] am 2. Oktober 2005. 6 d) Das [X.] hat [X.] übereinstimmend mit dem Eröffnungsbe-schluss [X.] zu Gunsten des Angeklagten angenommen, dass [X.]

[X.] bereits um 17.00 Uhr verstorben war, als ihn der Angeklagte nach dessen Einlassung in der polizeilichen Vernehmung auf der Couch liegend [X.] hatte. Die Todesursache war nicht festzustellen. Bei dem Toten lag aber eine ausgeprägte Hirnschwellung vor, die auf einer Intoxikation beruhen, aber auch natürlichen Ursprungs sein könne. Die toxikologischen [X.] - 6 - chungen haben neben einem einige Stunden zurückliegenden Kokain-gebrauch todesnahe Aufnahme von Amphetamin, [X.] und Cannabis belegt. Eine letale Intoxikation durch Betäubungsmittel sei angesichts der festgestellten Konzentrationen unwahrscheinlich, eine drogenbedingte To-desursache könne aber wegen der Vielzahl der nachgewiesenen Substanzen auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Bereits die Aufnahme von [X.] habe nicht nachgewiesen werden können. Eine solche sei allerdings auch nicht auszuschließen. Eine durch [X.] bedingte toxische Überdosie-rung [X.] von 3 Gramm in Reinflüssigkeit [X.] sei unwahrscheinlich. Die hohe [X.]- Konzentration in der Fäulnisflüssigkeit des Herzens und der vergleichsweise niedrige Wert im Hirngewebe sprächen für eine erhebliche natürliche postmortale Neubildung von [X.] in der Leiche. Eine kleine oberflächliche Unterblutung im Unterhautfettgewebe am [X.] im Bereich des Kopfwende-muskels sei kein Hinweiszeichen auf komprimierende Gewaltanwendung; diese könne auch in [X.] Zustand herbeigeführt worden sein. [X.] durch den Zustand fortgeschrittener Leichenfäulnis seien keine Hinwei-se auf eine komprimierende Gewaltanwendung erkennbar gewesen. e) Die [X.] hat sich trotz zahlreicher Verdachts-momente, Merkwürdigkeiten und des gegen die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten sprechenden planmäßigen und aufwändigen Vorgehens zur Beseitigung der Leiche keine Gewissheit über einen anderen als den vom Angeklagten in seiner polizeilichen Vernehmung geschilderten Geschehens-verlauf bilden können. Dem Angeklagten sei nicht zu widerlegen, dass er gegen 17.00 Uhr durch einen Weckruf seines Mobiltelefons aufgewacht sei und den auf der Couch bäuchlings liegenden [X.]

[X.]für schlafend gehalten habe. Auf stärkeres [X.] habe jener nicht reagiert. Den Ange-klagten habe Panik überfallen; er habe [X.] für bewusstlos gehalten, eine lebensbedrohliche Lage aber nicht angenommen. Er habe [X.] ins Bade-zimmer gezogen und den Kopf abgebraust. Um die [X.] zu inten-sivieren, habe er [X.]

komplett ausgezogen, in die Badewanne gelegt und 8 - 7 - den gesamten Körper mehrmals von oben bis unten mit kaltem Wasser ab-geduscht. Nach ungefähr drei bis fünf Minuten habe er aufgegeben und er-kannt, dass [X.]verstorben und nicht mehr zu retten gewesen sei. Einen Arzt oder die Polizei habe er nicht gerufen, weil er Angst gehabt habe. Unmittelbare Beweise für sexuelle Handlungen gebe es nicht. 3. Die Revisionen haben Erfolg. Wegen untrennbaren Zusammen-hangs der zum Freispruch getroffenen Feststellungen mit denjenigen, die den zweiten Tatvorwurf tragen und ebenfalls auf den polizeilichen Angaben des Angeklagten beruhen, ist der Schuldspruch wegen unerlaubter Veräuße-rung von Betäubungsmitteln ebenfalls aufzuheben. 9 10 Die Beweiswürdigung des [X.] hält der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand. Das Revisionsgericht muss es zwar grundsätzlich hin-nehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich dar-auf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze ver-stößt ([X.], 925, 928 m.w.[X.], insoweit in [X.]St 50, 299 nicht abgedruckt). Der Überprüfung unterliegt ebenfalls, ob das [X.] über-spannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (vgl. [X.], 147; [X.], 35, 36; [X.], 338, 339; jeweils m.w.[X.]). Ein Rechtsfehler kann auch darin lie-gen, dass der Tatrichter einer Einlassung kritiklos gefolgt ist (vgl. [X.]St 50, 80, 85) oder eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende [X.] gezogen hat, ohne konkrete Gründe anzuführen, die diese stützen [X.]. Denn es ist weder im Hinblick auf den [X.] noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Sachverhalte zu unterstellen, für deren Vorlie-gen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. [X.] [X.] Kam-mer [X.] Beschluss vom 8. November 2006 [X.] 2 BvR 1378/06; [X.], 324, - 8 - 325 m.w.[X.]; [X.], 22, 24). Solche Rechtsfehler liegen hier vor, soweit das [X.] die Vornahme homosexuell motivierter Gewalthand-lungen durch den Angeklagten ausgeschlossen hat. a) Das [X.] hat die Schwellung des Gehirns des 19 Jahre al-ten, offensichtlich gesunden [X.]

[X.] als [X.] neben einer Intoxikation [X.] auch auf einer natürlichen Ursache beruhend angesehen. Damit hat die [X.] [X.] ohne irgendeinen Anhaltspunkt hierfür angeben zu können [X.] indes lediglich auf eine fern liegende hypothetische Möglichkeit abgestellt (vgl. [X.], 2199; [X.], Urteil vom 26. Juni 2008 [X.] 3 [X.] [X.]. 6). 11 12 b) Soweit das [X.] komprimierende Gewalt als Todesursache ausgeschlossen hat, ist seine dieses Ergebnis stützende Würdigung mit ei-nem Wertungsfehler behaftet und lückenhaft. 13 Das Fehlen von Spuren komprimierender Gewalt durfte für den Ange-klagten nicht maßgeblich entlastend gewertet werden. Solches setzte die Möglichkeit voraus, einschlägige Anzeichen überhaupt zu erkennen, was hier indes wegen der bereits eingetretenen Fäulnis der Leiche nicht möglich ge-wesen ist (vgl. [X.], Urteil vom 16. März 2004 [X.] 5 StR 490/03; [X.] NStZ 2007, 505, 507). Die Beweiswürdigung der [X.] ist ferner lücken-haft, soweit sie es unterlassen hat, die Neigung des Angeklagten zu [X.] [X.] wenn auch bisher [X.] ausgeübter [X.] Gewalt in ihre Wertung mit einzubeziehen. 14 c) Das [X.] hat zudem nicht bedacht, dass das Entstehen von Gehirnschwellungen regelmäßig mit massiven Eingriffen in die [X.]zufuhr zum Gehirn oder den Abfluss von [X.] aus dem Gehirn verbunden ist, wie es Drossel- oder bei Kleinkindern Schüttelvorgänge bewirken (vgl. etwa nur 15 - 9 - [X.], 330, 331; 2007, 405; [X.], Urteil vom 22. Juli 2004 [X.] 5 StR 154/04 [X.] und vom 3. Juni 2008 [X.] 1 StR 59/08 [X.]. 4), was die Wahr-scheinlichkeit der Verursachung durch eine Gewalthandlung auf der [X.] gesicherten medizinischen [X.] erhöht. Auch dies [X.] einen auf die Sachrüge zu beachtenden Rechtsfehler. In [X.] verlangt das verfassungsrechtlich verankerte Gebot rational begründeter und tatsachengestützter Beweisführung die Ein-beziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse, insbesondere aus kriminalisti-schen, forensischen und aussagepsychologischen Untersuchungen gewon-nener [X.] in die Beweiswürdigung (vgl. [X.] [X.] Kammer [X.] NJW 2003, 2444, 2445; [X.] NJW 2007, 384, 387, insoweit in [X.], 141 nicht abgedruckt: —[X.]). Dies erscheint auch geboten, weil zur Widerlegung der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. [X.]E 19, 342, 347) und Art. 6 Abs. 2 [X.] ergebenden Unschulds-vermutung der Wert der Belastungsbeweise durch die Anwendung der [X.] vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu bestimmen und da-durch zu härten ist (vgl. [X.] aaO). 16 Unter Berücksichtigung des [X.] entspricht dem die Sach- und Rechtslage in den Freispruchsfällen nicht uneingeschränkt (vgl. [X.], 925, 928). Indes hat auch ein freisprechendes Urteil die Beweise erschöpfend zu würdigen ([X.]R StPO § 261 Beweiswürdi-gung 27). Solches setzt die Erfüllung der dem Tatgericht obliegenden Aufga-be voraus, eine Entscheidung über die Strafbarkeit des Angeklagten zu tref-fen. Dabei hat es seine Feststellungen unter Heranziehung fundierten Erfah-rungswissens zu treffen, das in der Regel beweismäßig beachtliche Wahr-scheinlichkeiten [X.] hier zu Lasten des Angeklagten [X.] begründet (vgl. [X.]R StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 16; [X.] wistra 2002, 260, 262; 2007, 18, 19 f.; 2008, 22, 24; [X.], 182, 184; [X.], Urteile vom 16. März 2004 [X.] 5 StR 490/03 [X.], vom 31. Januar 2007 [X.] 5 StR 404/06 [X.]. 26; vgl. auch [X.] aaO). In der Sache handelt es sich um eine nicht 17 - 10 - erschöpfende Bewertung eines fehlerfrei festgestellten Umstands, weil eine diesem innewohnende Eigenschaft übersehen worden ist (vgl. [X.] [X.], 182, 184; [X.], Urteil vom 31. Januar 2007 [X.] 5 StR 404/06 [X.]. 23 bis 26). So liegt es hier. Das [X.] hat komprimierende Gewalt lediglich als eine von mehreren Ursachen der Gehirnschwellung erwogen und dabei das medizini-sche Erfahrungswissen außer Acht gelassen, dass bei dem erwachsenen Opfer drosselnde Gewalt eher deren regelhafte Ursache ist. Die [X.] hat mithin die der festgestellten Gehirnschwellung [X.] Eigenschaft übersehen, dass diese mit höherer Wahrscheinlichkeit durch komprimierende Gewalt verursacht wird. 18 19 Anderes würde gelten, falls [X.] jenseits der durch § 267 Abs. 5 StPO gebotenen Darlegungen (vgl. [X.], 2792, 2793, zur Veröffentli-chung in [X.]St bestimmt) [X.] eine nicht vollständige Tatsachengrundlage die Annahme eines belastenden Umstands verhindert und solches die [X.] Aufklärung weiterer Umstände notwendig gemacht hätte. Um einen [X.] Fehler erfolgreich zu rügen, bedürfte es der Erhebung einer Aufklä-rungsrüge. d) Die Schlussfolgerung des [X.], es sei nicht bewiesen, dass [X.] [X.]

überhaupt [X.] zu sich genommen hat, ist nicht tatsachenge-stützt. Nach der Wertung des Sachverständigen, der das [X.] folgt, ist das Gegenteil, dass [X.]

[X.] konsumiert hat, ebenfalls nicht ausge-schlossen. Bei dieser [X.] hinsichtlich des Rauschgiftkonsums [X.] offenen Be-weislage hätte es der Würdigung der festgestellten Umstände bedurft, dass der Angeklagte in der Vergangenheit bei riskanten Sexpraktiken seinem Partner [X.] angeboten hatte und solches vor dem Tod des [X.] nach eigenen Angaben des Angeklagten konsumiert worden ist. Auf andere Art wäre nämlich die aufgrund seiner Angaben festgestellte Tatsache nicht erklärlich, dass das ursprünglich volle 100 ml fassende Fläschchen nach 20 - 11 - dem Tod [X.] s halb leer gewesen ist. Einen heimlichen [X.] [X.] s in höherer Dosierung, der schnell zur Bewusstlosigkeit und [X.] geführt hätte, hat das [X.] ebenfalls nicht angenommen. Eine solche Selbstschädigung läge vor dem Hintergrund der von [X.] noch für den 25. September 2005 verabredeten Aktivitäten, Besuche bei einer Freun-din und der Großmutter, auch fern. e) Soweit das [X.] ein Entkleiden des ohnmächtigen [X.] im Badezimmer [X.] nach erfolglosem Abduschen des Kopfes mit kal-tem Wasser [X.] zur Intensivierung der [X.] angenommen hat, folgt es ohne jeden Anhaltspunkt der Einlassung des Angeklagten. Auch dies ist bei der hier gegebenen Beweislage fehlerhaft, weil das [X.] nicht [X.] hat, dass es der geäußerten Absicht des Angeklagten entsprochen hat, als aktiver Partner mit [X.] [X.]

homosexuelle Aktivitäten durchzu-führen. Das Entkleiden war hingegen für die vom Angeklagten behaupteten fortgesetzten Wiederbelebungsbemühungen zumal in panikartiger Situation (UA [X.] 28) augenfällig unsinnig. 21 4. Die somit aufgrund rechtsfehlerhafter Erwägungen ausgeschlosse-ne komprimierende Gewaltanwendung, der ausgeschlossene [X.] von [X.] und die unterlassene Würdigung der Entkleidung des [X.]zur Vornahme sexueller Handlungen nötigen zu neuer Aufklärung und Bewer-tung aller Tatumstände, insbesondere der, die eine Entstehung des Todes im Rahmen riskanter homosexuell orientierter Handlungen begründen können. 22 5. Bei [X.] zu erwartendem [X.] Fehlen eines Geständnisses wird für das neue Tatgericht bei gleicher Beweislage hinsichtlich des vorherigen Sexual-verhaltens des Angeklagten freiwilliger [X.]-[X.] und eine Zustimmung zur Gewaltanwendung durch den Verstorbenen zu erwägen sein. Die An-nahme einer vom Angeklagten vorsätzlich herbeigeführten, rasch eine Ohn-macht bewirkenden Überdosierung läge fern. Die vom Angeklagten durch sein Vorverhalten belegten riskanten Sexualhandlungen waren eher auf eine 23 - 12 - willentliche Unterwerfung durch den Sexualpartner ausgerichtet, was einer bewussten Herbeiführung einer Ohnmacht durch Drogen entgegenstünde. Indes erschiene ein [X.]-[X.] [X.] sogar durch den Angeklagten [X.] zum Abbau von Hemmungen und zur sexuellen Stimulierung (vgl. Körner, BtMG 6. Aufl. [X.] [X.]. 607; [X.], Betäubungsmittelstrafrecht 3. Aufl. [X.] 20 f. [X.]. 43) nicht ausgeschlossen. Bei der Prüfung einer Anwendung des § 227 StGB wird entsprechend den in [X.]St 49, 34, 44; 166, 171 ff. niedergelegten Maßstäben das Fehlen einer rechtfertigenden Wirkung einer Einwilligung gemäß § 228 StGB zu er-wägen sein. Dabei wird vorliegend eine Anwendung komprimierender Gewalt als sittenwidrige Tat nur bei damit verbundener konkreter Todesgefahr ange-nommen werden können. Eine Einwilligung des [X.]

[X.]

zur Ausfüh-rung solcher Gewalt stünde nach der in [X.]St 49, 166, 175 f. gefundenen Rechtsauffassung einer Verurteilung gemäß § 222 StGB nicht entgegen. 24 25 Bei Annahme komprimierender todesverursachender Gewalt durch den Angeklagten scheiden alle ein Tötungsdelikt durch Unterlassen begrün-denden Tatvarianten naheliegend aus (vgl. auch [X.] NJW 2003, 1060 f. für den Fall der Annahme bedingten Tötungsvorsatzes). Auf die vom Angeklag-ten behaupteten Rettungsbemühungen wird es aus tatsächlichen Gründen eher nicht ankommen (vgl. [X.]St 47, 243; [X.], Urteil vom 1. Juli 2008 [X.] 1 [X.] [X.]. 34). - 13 - Der Senat weist darauf hin, dass der Zugriff des Angeklagten auf [X.], die im Eigentum des Verstorbenen gestanden hatten, und das Ablegen der Leiche im Wald (zu einer möglichen Strafbarkeit gemäß § 168 StGB vgl. [X.] NStZ 1981, 300) nicht Gegenstand der Anklage sind. 26 Basdorf [X.] [X.] [X.]

Meta

5 StR 224/08

18.09.2008

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2008, Az. 5 StR 224/08 (REWIS RS 2008, 1902)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1902

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