Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.03.2011, Az. 5 StR 581/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 8557

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Nachschlagewerk: ja BGHSt : nein Veröffentlichung : ja StGB § 30, § 31 Abs. 1 Internetchat und Verbrechensverabredung.
BGH, Beschluss vom 16. März 2011 Œ 5 StR 581/10

LG Kiel Œ 5 StR 581/10 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 16. März 2011 in der Strafsache gegen wegen Verabredung eines Mordes u.a. - 2 - Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2011 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 6. September 2010 nach § 349 Abs. 4 StPO a) dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte im Fall II.14 der Urteilsgründe wegen Verbreitung kinderpor-nografischer Schriften, im Fall II.15 wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften und im Fall II.13 we-gen Herstellens pornografischer Schriften verurteilt ist; b) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II.13 bis 15 der Urteilsgründe, im Gesamtstrafausspruch und im Maßregelausspruch aufgehoben; letzterer entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der Schuldspruch wird in den Fällen II.4 bis 12 und 16 bis 25 der Urteilsgründe dahin klargestellt, dass der Angeklagte insoweit wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften in 13 Fällen (II.6 bis 8, 11 und 12 sowie 16 bis 23) und wegen Er-werbs kinderpornografischer Schriften in sechs Fällen (II.4, 5, 9, 10, 24, 25), davon in drei Fällen in Tateinheit mit deren Verbreitung (II.5, 10, 25), verurteilt ist. 3. Zur abschließenden Strafzumessung wird die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Ent-scheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück-verwiesen. - 3 - G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verabredung eines Mor-des (tateinheitlich eines Missbrauchs eines Kindes mit Todesfolge und einer Vergewaltigung mit Todesfolge) in Tateinheit mit Besitz und mit Verbreitung kinderpornografischer Schriften (Fall II.14), wegen Sichbereiterklärens zu einer besonders schweren Vergewaltigung sowie tateinheitlich einem beson-ders schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes (Fall II.15), wegen Verab-redung eines schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (Fall II.2), we-gen gefährlicher Körperverletzung (Fall II.1), wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (Fall II.13), wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften (Fall II.3) und wegen 19 Fällen verschiedener Varianten von Verge-hen nach § 184b StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verur-teilt und hat die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwah-rung angeordnet. 1 2 Die Revision des Angeklagten erzielt auf die nicht ausgeführte Sach-rüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1. Der Gegenstand der Schuldsprüche gegen den im Juni 2002 wegen Verbreitung pornografischer Schriften zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilten, mit einer Geldauflage und Therapieweisung be-legten Angeklagten, einen früheren Betriebsleiter, umfasst überwiegend Straftaten, die er im Rahmen einer Internetplattform für —pädophil orientierte Menschenfi namens —Zauberwaldfi begangen hat (unten 2 und 3). Lediglich vier Fälle betreffen ganz oder zum Teil außerhalb solcher Internetaktivitäten vorgenommene Handlungen und Erklärungen. 3 a) Hierbei handelt es sich um eine gefährliche Körperverletzung zum Nachteil seines knapp drei Jahre alten Sohnes durch Verabreichung einer lokal betäubenden Creme und einer aufgelösten Schlaftablette (Fall II.1 der 4 - 4 - Urteilsgründe; Freiheitsstrafe vier Monate), den Besitz zahlreicher kinderpor-nografischer Schriften bis zum Zeitpunkt der Sicherstellung seines Rechners am 29. September 2009 (Fall II.3 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe ein Jahr und vier Monate) und den als Verabredung eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes abgeurteilten, mit dem Zeugen B.

auch telefonisch abgesprochenen Plan, vom 25. bis 27. Juli 2008 im Harz mit ihren Söhnen eine vom Angeklagten angemietete Ferienwohnung zu beziehen, in der es zu einem —Boytauschfi kommen sollte und der Ange-klagte bei dem kindlichen Sohn des Zeugen B.

den Analverkehr voll-ziehen wollte (Fall II.2 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe zwei Jahre und neun Monate). Die insoweit getroffenen Schuld- und Strafaussprüche sind sach-lichrechtlich beanstandungsfrei. 5 b) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen dreier am 12. Au-gust 2009 in der Absicht der Verbreitung angefertigter Bilder wegen schwe-ren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176a Abs. 3 i.V.m. § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB (Fall II.13 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe zwei Jahre und vier Monate) verurteilt hat, rechtfertigt der festgestellte Sachverhalt lediglich eine Bestrafung wegen des Herstellens pornografischer Schriften nach § 184 Abs. 1 Nr. 8 StGB. Auf den Fotos ist der Sohn des Angeklagten abgebildet, der eine Salatgurke wie beim Oralverkehr mit den Lippen fest umschließt. (1) Es ermangelt der Vornahme einer sexuellen Handlung (§ 184g Nr. 1 StGB) durch ein Kind. Zwar hat der Gesetzgeber durch das Ände-rungsgesetz vom 31. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2149) auch das sexuell auf-reizende Posieren von Kindern als eine solche Handlung erfasst (BT-Drucks. 16/9646 S. 2, 35 f.). Hierzu zählen jedenfalls Vorgänge, die gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild einen eindeutigen Sexualbezug aufweisen (vgl. schon BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 Œ 4 StR 459/07, BGHR StGB § 184f sexuelle Handlung 2). Für das Posieren in obszönen Stellungen ist indes die Sicht auf sexualbezogene Körpermerkmale des Kindes erforder-lich (vgl. Laufhütte/Roggenbuck in LK, 12. Aufl., § 184b Rn. 3). Solches ist 6 - 5 - bei dem vollständig bekleideten Sohn des Angeklagten nicht gegeben. Es wurde lediglich dessen Mund in eine Beziehung zu einem Gegenstand ge-bracht, der allein in der Fantasie eines späteren Betrachters als Darstellung des erigierten Gliedes eines Mannes begriffen werden konnte und sollte. Damit ist die Grenze zur Strafbarkeit nach § 176 StGB unter Berücksichti-gung seines Schutzgedankens und der erheblichen Höhe der dort angedroh-ten Strafe noch nicht überschritten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Handlung als solche oder die Umstände ihrer Vornahme geeignet gewesen wären, die geschützten Rechtsgüter des Kindes zu beeinträchtigen. Dies gilt auch dann, wenn als geschütztes Rechtsgut des § 176 StGB nicht allein die ungestörte sexuelle Entwicklung des Kindes angesehen wird (vgl. BGH, Urteile vom 24. September 1991 Œ 5 StR 364/91, BGHSt 38, 68, 69 und vom 16. Ju-ni 1999 Œ 2 StR 28/99, BGHSt 45, 131, 132), sondern auch sein Recht auf Achtung seiner Intimsphäre (vgl. Hörnle in LK, 12. Aufl., § 176 Rn. 3). Die dargestellte Handlung überschreitet unter beiden Gesichtspunkten nicht die Erheblichkeitsschwelle des § 184g Nr. 1 StGB, die bezogen auf das konkrete Rechtsgut festzustellen ist. (2) Ein Sexualbezug der Abbildungen ist nach der rechtsfehlerfreien Bewertung des Landgerichts durch die vom Angeklagten eingestandene Verbreitungsabsicht und dessen sachverständig festgestellte insbesondere pädophile Disposition (UA S. 151 f.) belegt. Mit den Bildern sollten die aus-schließlich einschlägig interessierten Benutzer der genannten Internetplatt-form auf einen Oralverkehr eines Knaben an Männern angesprochen und bei ihnen ein Bedürfnis nach solchen Handlungen hervorgerufen oder verstärkt werden. Das verleiht den Fotos die Qualität pornografischer Schriften im Sin-ne des § 184 Abs. 1 StGB (vgl. Laufhütte/Roggenbuck, aaO, § 184 Rn. 5 bis 8), die der Angeklagte gemäß § 184 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. Abs. 1 Nr. 6 StGB hergestellt hat. Der Senat stellt insoweit den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO um. Er schließt aus, dass sich der Ange-klagte nach einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis wirksamer als bis-7 - 6 - her hätte verteidigen können. Das neu berufene Tatgericht wird insoweit eine neue, notwendigerweise beträchtlich mildere Strafe festzusetzen haben. 2. Hinsichtlich der Fälle II.4 bis 12 und 16 bis 25 der Urteilsgründe, in denen das Landgericht die Erlangung und Weiterleitung kinderpornografi-scher Dateien im Rahmen von Chatkontakten des Angeklagten mit unbe-kannt gebliebenen Partnern ausgeurteilt und Freiheitsstrafen jeweils zwi-schen vier und acht Monaten festgesetzt hat, war lediglich die Tenorierung klarzustellen. Hinsichtlich der Fälle II.4 und 5 der Urteilsgründe billigt der Se-nat die vom Landgericht gefundene, mit den Entscheidungen der Oberlan-desgerichte Schleswig (NStZ-RR 2007, 41, 42) und Hamburg (NJW 2010, 1893, 1895) übereinstimmende Rechtsauffassung (vgl. dazu Laufhüt-te/Roggenbuck, aaO, § 184b Rn. 10 mN). 8 9 3. Die beiden schwersten Schuldsprüche der Verabredung eines Mor-des (Fall II.14 der Urteilsgründe) und des Sichbereiterklärens zu einer be-sonders schweren Vergewaltigung (Fall II.15 der Urteilsgründe) halten der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand. a) Fall II.14 der Urteilsgründe (Verabredung zum Mord u.a.; Freiheits-strafe neun Jahre): 10 aa) Der Angeklagte befand sich unter der anonymen Bezeichnung —No Limitfi an einem nicht näher feststellbaren Tag im Sommer 2009 zwischen 12.50 Uhr und 19.59 Uhr auf der genannten Internetplattform in einem auf seiner Festplatte in einer Textdatei gespeichert gebliebenen Chatgespräch mit einem nicht identifizierten und für den Angeklagten nicht identifizierbaren, in den Niederlanden ansässigen Mann, der im Chat als —keesfi auftrat und den der Angeklagte aus einem früheren Chatkontakt kannte. In dem Ge-spräch tauschten die Partner Gedanken über Pläne zu Kindesmissbrauch mit extremen sexuellen und sadistischen Begleitumständen aus: 11 - 7 - Beide erwogen, um einen geeigneten kindlichen Sexualpartner zu fin-den, ein Kind von der Straße zu nehmen; man müsse letztlich ein Kind fin-den, das allein an einsamer Stelle auf dem Schulweg sei. Im Hinblick auf noch unverplante Resturlaube konstatierten der Angeklagte und —keesfi, dass man die Pläne wohl Ende September in die Tat umsetzen könne. Nach dem Austausch dreier kinderpornografischer Abbildungen konkretisierten sie ihr Vorhaben. Der Niederländer favorisierte, den zu entführenden Jungen an den Hoden aufzuhängen; der Junge sollte dann in seiner Qual seine Hoden selbst abschneiden. Der Angeklagte wollte den Jungen würgen, während er ihn —fickefi. Beide vergewisserten sich gegenseitig, dass sie es ernst meinten und dass —idealerweisefi ein acht Jahre alter Junge aus einer ländlichen Ge-gend des nördlichen Mecklenburg-Vorpommern entführt und über einige Stunden gequält werden sollte. Der Tod des Jungen sollte durch —keesfi her-beigeführt werden, indem er seinen Penis dem Kind so tief in den Mund ste-cken würde, dass es Œ während der Angeklagte den Analverkehr ausübe Œ daran ersticken würde. Der Leichnam könnte dann im Meer versenkt werden. 12 13 Zur Ausführung des Vorhabens erwogen der Angeklagte und —keesfi, in den Niederlanden ein Fahrzeug zu mieten, dieses in Deutschland mit ge-stohlenen Kennzeichen zu versehen und ein Ferienhaus an der Nordsee zu mieten. Der Angeklagte übermittelte —keesfi das Internetangebot eines Fe-rienhauses in Neßmersiel. Er hielt es für sinnvoll, dass er das Ferienhaus vorab buche. Als konkrete Tatzeit wurde Œ im Hinblick auf die in Mecklen-burg-Vorpommern am 30. Oktober 2009 endenden Schulferien Œ der No-vember 2009 in Aussicht genommen. Ein verabredetes weiteres Chat-gespräch fand nicht mehr statt. bb) Das Schwurgericht hat die Einlassung des Angeklagten, seine Chatgespräche seien reine Fiktion gewesen, beweiswürdigend durch die große Anzahl der Realitätskennzeichen und durch den Umstand als widerlegt angesehen, dass der Angeklagte diverse Grundschulen in Mecklenburg-Vorpommern im Internet daraufhin untersucht habe, wie weit sie von örtli-14 - 8 - chen Polizeirevieren entfernt seien. Zudem habe der Angeklagte im einge-standenen Fall II.2 der Urteilsgründe nicht in Frage gestellt, dass nach der Präsentation des Bauernhofes im Harz als Tatort das dort verabredete Tref-fen tatsächlich stattfinden sollte. cc) Die Feststellungen tragen die Annahme des Schwurgerichts nicht, der Angeklagte habe sich mit dem unbekannt gebliebenen Chatpartner —keesfi zu einem Verbrechen (u.a. des Mordes) gemäß § 30 Abs. 2 Variante 3 i.V.m. § 211 StGB verabredet. 15 (1) Eine Strafbarkeit setzt die vom ernstlichen Willen getragene Eini-gung von mindestens zwei Personen voraus, an der Verwirklichung eines bestimmten Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken (BGH, Urteile vom 4. Februar 2009 Œ 2 StR 165/08, BGHSt 53, 174, 176 mN, und vom 13. No-vember 2008 Œ 3 StR 403/08, NStZ 2009, 497). Der Gesetzeswortlaut lässt offen, in welchem Umfang ein Verabredender die Identität seines präsumti-ven Mittäters kennen muss. Dies schließt die Annahme einer Verabredung zwischen Personen, die sich lediglich über einen Tarnnamen in einem Inter-netchatforum kennen, nicht aus. Allerdings hat sich die bisherige Rechtspre-chung des Bundesgerichtshofs, soweit ersichtlich, ausschließlich mit Fällen von den präsumtiven Mittätern bekannten Identitäten der jeweils anderen befasst (vgl. Roxin, JA 1979, 169; 171 f.; Schünemann in LK, 12. Aufl. § 30 Rn. 60 und 62; BGH, Urteile vom 28. Juni 2007 Œ 3 StR 140/07, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 7, vom 13. November 2008 Œ 3 StR 403/08, NStZ 2009, 497 und vom 4. Februar 2009 Œ 2 StR 165/08, BGHSt 53, 174). 16 Die Strafwürdigkeit der Verbrechensverabredung erklärt sich aus der Willensbindung der Beteiligten (Roxin, Strafrecht AT II [2003], S. 303 Rn. 43), durch die bereits vor Eintritt in das Versuchsstadium eine Gefahr für das durch die vorgestellte Tat bedrohte Rechtsgut entsteht (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 30 Rn. 2). Der von einer solchen quasi-vertraglichen Verpflich-tung ausgehende Motivationsdruck sorgt oft dafür, dass es von einer binden-17 - 9 - den Verabredung für einen Beteiligten kaum noch ein Zurück gibt, so dass bei Angriffen auf die wertvollsten und schutzbedürftigsten Rechtsgüter schon der Abschluss der Deliktsvereinbarung durch eine Strafdrohung verhindert werden muss (Schünemann in LK, 12. Aufl., § 30 Rn. 11). Eine solche auf die Begehung des intendierten Verbrechens bezogene bindende Verabre-dung erfordert, dass jeder an ihr Beteiligte in der Lage sein muss, bei dem jeweils anderen präsumtiven Mittäter die von jenem zugesagten verbrecheri-schen Handlungen (vgl. Schröder, JuS 1967, 289, 291) auch einfordern zu können. Dies kann auch zwischen Personen geschehen, die lediglich unter Verwendung eines Tarnnamens kommunizieren. Solches wird sogar in etli-chen Fallkonstellationen, in denen es gilt, hierdurch eine Entdeckung zu vermeiden, für die sich Verabredenden sinnvoll sein und nötigt nicht dazu, dass Œ etwa bei unbekannt bleiben wollenden Angehörigen verbrecherischer Organisationen Œ Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Verabredung überwun-den werden müssten. Gleiches wird naheliegend anzunehmen sein, wenn anonym getroffene Absprachen durch weitere Vorbereitungshandlungen oder deren Verabredung bestätigt worden sind. In Fällen, in denen die verabrede-te Tat Œ wie vorliegend Œ die gleichzeitige Präsenz der Mittäter bei Tatbege-hung voraussetzt, ist eine verbleibende völlige Anonymität freilich ausge-schlossen. Deren spätere Auflösung muss Teil des konkreten Tatplans sein. Schon hierfür fehlt es an vollständigen Feststellungen. (2) Insbesondere ist das Landgericht bei der von ihm zu beurteilenden Fallkonstellation, in der es darum geht, Verbrechensfantasie von wirklichem verbrecherischen Willen und dessen Umsetzung abzugrenzen, dem Gebot der erschöpfenden Beweiswürdigung nicht umfassend gerecht geworden (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 Œ 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 387, insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt; Brause, NStZ 2007, 505, 506). Seine Erwägungen vermögen deshalb nicht mehr als einen Verdacht der Verabredung zu einem Mord zu begründen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2001 Œ 5 StR 520/01, StV 2002, 235). Die Schwurge-richtskammer hat in ihren beweiswürdigenden Erwägungen mehrere die Ab-18 - 10 - sprache zwischen dem Angeklagten und —keesfi betreffenden Umstände, die gegen deren Ernstlichkeit als Verbrechensverabredung zu erwägen gewesen wären, nicht erkennbar bedacht. Die Absprache wurde in lediglich einem Chatgespräch getroffen zwi-schen Partnern, die sich nicht persönlich kannten und deren Identität nicht ohne Mitwirkung des anderen zu ermitteln war. Über einen direkten kommu-nikativen Zugang zu —keesfi verfügte der Angeklagte nicht. Die abgesproche-ne Fortsetzung der Kommunikation unterblieb genauso wie die vom Ange-klagten zugesagte Buchung des Ferienhauses (UA S. 56). Das Landgericht hat sich auch nicht mit dem zentralen Einwand des Angeklagten auseinan-dergesetzt, er habe sich seinen Chatpartnern immer wieder durch das Wechseln seines Nicknamens entzogen, bevor es richtig konkret hätte wer-den können (UA S. 79). Es hat zudem in seiner Beweiswürdigung zur Be-stimmung des Tatzeitraums des Falles II.15 der Urteilsgründe den Charakter der vom Angeklagten im Sommer 2009 geführten Chatgespräche als eskalie-rende Fantasien (UA S. 130) Œ in Abgrenzung zu denen im eingestandenen Fall II.2 der Urteilsgründe Œ bezeichnet, ohne auf diese Gegensätzlichkeit für die hier zur nämlichen Zeit stattgefundene Tathandlung zurückzukommen. 19 Der vom Landgericht herangezogene Umstand, der Angeklagte habe im eingestandenen Fall der Verabredung eines schweren sexuellen Miss-brauchs eines Kindes (Fall II.2 der Urteilsgründe) Œ indes dort ohne den Aus-druck ausufernd perversen sexuellen Geschehens Œ die Ernstlichkeit der Mit-teilung des präsumtiven Tatorts nicht in Frage gestellt, ist kein den Angeklag-ten selbständig belastendes Indiz, weil dieser in jenem anders gelagerten Fall sogar weitergehend die Anmietung der Ferienwohnung im Harz einge-standen hatte. 20 Schließlich stößt der von der Schwurgerichtskammer als tragend he-rangezogene Umstand des Detailreichtums in der hier zu beurteilenden Fall-konstellation der gebotenen Abgrenzung bloßer Verbrechensfantasie von 21 - 11 - verbrecherischem Willen auf durchgreifende Bedenken. Ähnlich wie in Fäl-len, in denen Angaben von Mittätern zu ihren Tatgenossen durch die Wie-dergabe selbst erlebter Tatdetails nicht wesentlich gestützt werden (BGH, Beschlüsse vom 26. April 2006 Œ 1 StR 90/06, StV 2006, 683, und vom 16. Juli 2009 Œ 5 StR 84/09 mN), eignen sich detaillierte Angaben eines Fan-tasiebegabten über ein Verbrechen nicht unbedingt zur Entscheidung der Frage, ob sie noch Fiktion oder bereits Ausdruck verbrecherischen Willens sind. Das gilt jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, nämlich des Aus-tauschs perverser, den eigenen Sexualtrieb und den des Kommunikations-partners aufstachelnder und befriedigender sexualbezogener Fantasien. Für die Bewertung, ob sich die Ausführungen des Angeklagten noch im Bereich solcher Fantasien bewegen, hätte der Umstand nicht unberücksichtigt blei-ben dürfen, dass der Angeklagte bislang gegenüber Kindern nicht sexuell übergriffig geworden ist. 22 (3) Der Senat sieht davon ab, den Sachverhalt neu als Verbrechens-verabredung aufklären zu lassen. Hierfür erforderliche zusätzliche selbstbe-lastende Bekundungen des Angeklagten erscheinen ausgeschlossen. Auch unter anderen Tatbestandsvarianten des § 30 StGB wird sich eine Strafbar-keit nicht begründen lassen. Die hier soeben dargelegten Defizite in der Be-weiswürdigung legen es nahe, dass ein neu berufenes Tatgericht auch zu keiner Verurteilung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StGB wegen strafbarer versuch-ter Anstiftung (vgl. Roxin, JA 1979, 169, 170) oder wegen Sichbereiterklärens im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2009 Œ 2 StR 165/08, BGHSt 53, 174, 177; BGH, Beschluss vom 11. August 1999 Œ 5 StR 217/99, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 5; Fischer, aaO, § 30 Rn. 10) kommen wird. Ausschlaggebend für eine zu unterlassende Zurückverweisung ist in-des jedenfalls, dass die Annahme einer Straflosigkeit nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB unumgänglich sein wird. 23 - 12 - Der Angeklagte muss, um nach dieser Vorschrift Straflosigkeit zu er-langen, sein Vorhaben lediglich aufgegeben haben. Insoweit verlangt das Gesetz weniger als die bis Ende 1974 geltende Vorgängerregelung des § 49a Abs. 3 Nr. 3 StGB, wonach ein Widerruf der Erklärung geboten war, durch die der Täter sich zu einem Verbrechen bereit erklärt hatte. Die Aufga-be des Vorhabens ist vom Tatgericht Œ wie andere innere Tatsachen Œ be-weiswürdigend aus den gesamten Umständen festzustellen. Das Erfordernis einer Erkennbarkeit nach außen ist Œ entgegen der im Gesetzgebungsverfah-ren geäußerten Vorstellung (BT-Drucks. IV/650, 155) Œ dem Gesetzeswort-laut nicht zu entnehmen (Roxin, aaO, S. 324 Rn. 98 bis 100; im Ergebnis ebenso die weit überwiegende Meinung in der Literatur: vgl. nur Schüne-mann, aaO, § 31 Rn. 16 f.; Heine in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 31 Rn. 8; Hoyer in SK-StGB, 7. Aufl., § 31 Rn. 14 f.; Fischer, aaO, § 31 Rn. 4; Joecks in MK-StGB, § 31 Rn. 18; aA Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 31 Rn. 4 mN weiterer gegenteiliger Auffassungen). Die Aufgabe eines Ent-schlusses und deren äußere Erkennbarkeit sind ebenso zweierlei wie das Fassen eines Tatentschlusses und dessen Hervortreten nach außen (Roxin, aaO, Rn. 100). Es spricht gegen eine freiwillige Aufgabe des Vorhabens, wenn ein Beschuldigter bei Tatvorbereitungen entdeckt wird oder scheitert, während der Abbruch Erfolg versprechender Vorbereitungen oder ein Untä-tigbleiben, wo nach der Bereiterklärung wenigstens vorbereitende Aktivitäten zu erwarten gewesen wären, auf einen freiwilligen Rücktritt deuten (Roxin, aaO). Nur Letzteres ist nach den getroffenen Feststellungen anzunehmen. Der Angeklagte ist entgegen der Verabredung in keinen Chatverkehr mehr mit —keesfi eingetreten und hat es entgegen der Ankündigung unterlassen, das Ferienhaus für die in Aussicht genommene Tatzeit zu buchen. 24 Der Tatvorwurf der Verbrechensverabredung hat demnach im Fall II.14 der Urteilsgründe zu entfallen. Das neu berufene Tatgericht wird ledig-lich noch eine Strafe hinsichtlich der tateinheitlich ausgeurteilten Vergehen gemäß § 184b Abs. 2 und 4 Satz 1 (—Erwerbfi verdrängt —Besitzfi nach Satz 2) StGB festzusetzen haben. 25 - 13 - b) Fall II.15 der Urteilsgründe (Verabredung zur besonders schweren Vergewaltigung u.a.; Freiheitsstrafe vier Jahre): 26 aa) Der Angeklagte befand sich in einer nicht näher bestimmbaren Nacht des Jahres 2009 zwischen 23.25 Uhr und 4.37 Uhr mit einem Mann im Chatkontakt, der die anonyme Bezeichnung —Big Buddyfi führte. Beide spra-chen darüber, den fünf Jahre alten Sohn des —Big Buddyfi gemeinsam und gleichzeitig oral und anal an einem Wochenende während der Herbstferien in einer —Seedatschefi zu missbrauchen und ihm sexuell motivierte Schmerzen zuzufügen. Der Angeklagte äußerte den Wunsch, —das Tatopfer beim ‡Ficken™ in den Magen zu boxen und ihm Stecknadeln unter die Fußnägel zu ste-ckenfi. Auf die Ermahnung des Chatpartners, dass der Angeklagte ja die Grenzen kenne, konzedierte dieser, —dass der Junge das Ganze schon über-leben werde, dass ‡der Arsch™ aber wund sein und der Junge auch Griffmar-ken aufweisen werdefi. Der Angeklagte erklärte zum Abschluss des Kontakts, dass —Big Buddyfi ihm im Fall der Verwirklichung des Vorhabens —einen Le-benstraum erfüllenfi würde. 27 bb) Das Landgericht hat sich beweiswürdigend davon überzeugt, dass der Angeklagte zur Begehung des genügend konkretisierten Vergewalti-gungs- und Missbrauchsverbrechens fest entschlossen war. Es vermochte sich aber nicht davon zu überzeugen, dass auch der Chatpartner des Ange-klagten fest vorhatte, sich an dem Verbrechen zum Nachteil seines Sohnes als Mittäter zu beteiligen. Die Schwurgerichtskammer hat deshalb die An-nahme einer Verbrechensverabredung abgelehnt und den Angeklagten we-gen eines Sichbereiterklärens im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB schuldig ge-sprochen. 28 cc) Die vom Landgericht hierfür vorgenommene Prüfung des Vorsat-zes des Angeklagten ist lückenhaft. 29 - 14 - (1) Das Landgericht hat zwar plausible und nachvollziehbare Erwä-gungen angestellt, die belegen, dass der vom Angeklagten erstrebte Anal-verkehr einem in der Realität zu verwirklichenden Wunsch des Angeklagten entspringt. 30 Der Schuldspruch hat aber jedenfalls deshalb keinen Bestand, weil das Landgericht auch hier keine tragfähige Begründung für den Ausschluss eines strafbefreienden Rücktritts (§ 31 StGB) gefunden hat. Es würde einem neu berufenen Tatgericht nach Prüfung der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht mehr möglich sein, zu einem Schuldspruch wegen des Sichbereiterklärens zu einer besonders schweren Vergewaltigung zu kommen. Insoweit wird auf die obigen Erwägungen zu II.14 der Urteilsgründe (oben Tz. 22) verwiesen und darauf, dass in der bisherigen Beweiswürdigung (UA S. 130) die zentralen Einwände des Angeklagten unberücksichtigt geblieben sind. Diese könnten nicht anders als ein Aufgeben des Vorhabens bewertet werden. 31 32 (2) Die Frage, ob es für die vom Tatgericht angenommene Strafbar-keit angesichts der vollständigen Anonymität zwischen den Chatpersonen auch an ausreichenden Feststellungen dafür fehlte, dass der Angeklagte im Rahmen des Chatkontaktes die Annahme des Anerbietens tatsächlich schon ernstlich erstrebt hat (vgl. Fischer, aaO, § 30 Rn. 10), bedarf danach keiner Vertiefung. (3) Der Senat sieht auch in diesem Fall davon ab, die Sache neu auf-klären und bewerten zu lassen. Weitere selbstbelastende Bekundungen des Angeklagten erscheinen auch insoweit genauso ausgeschlossen wie die Er-langung zusätzlicher belastender Indizien. Der vom Angeklagten willentlich als Textdatei auf seinem Computer gespeicherte Chatverkehr mit —Big Bud-dyfi unterfälllt ohne Weiteres der Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB. Der Senat stellt den Schuldspruch dementsprechend um. Die Vor-33 - 15 - schrift des § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil der insoweit geständige Angeklagte sich nicht anders hätte verteidigen können. 4. Der Wegfall von drei der vier höchsten Einzelstrafen nötigt zur Auf-hebung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe und des maßgeblich auf den zugehörigen Verurteilungen beruhenden Maßregelausspruchs. Dieser hat zu entfallen. Eine Festsetzung von Strafen, die die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB erfüllen könnten, ist nach den Schuldspruchänderungen und den bei der Bemessung der neuen Strafen zu beachtenden Maßstäben si-cher auszuschließen. Die Festsetzung der Strafen in den Fällen II.13 bis 15 und der Gesamtfreiheitsstrafe wird auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen vorzunehmen sein. Diese können freilich um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen Feststellungen nicht widersprechen. 34 35 5. Nachdem ein die Zuständigkeit des Schwurgerichts nach § 74 Abs. 2 GVG begründendes Verbrechen nicht mehr Verfahrensgegenstand ist, wird sich eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts mit der Sache zu befassen haben (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1994 Œ 2 StR 264/94, NJW 1994, 3304, 3305, insoweit nicht in BGHSt 40, 251 abgedruckt).
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5 StR 581/10

16.03.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.03.2011, Az. 5 StR 581/10 (REWIS RS 2011, 8557)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8557

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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