Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.04.2013, Az. III R 35/11

3. Senat | REWIS RS 2013, 6792

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Gegenstand

Kindergeldrechtliche Erfassung monatlich wiederkehrender Einkünfte und Bezüge im Rahmen der monatsbezogenen Vergleichsrechnung bei behinderten Kindern - Wegfall der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt wegen kindergeldschädlicher Nachzahlung


Leitsatz

1. Monatlich wiederkehrende Einkünfte und Bezüge, die im Rahmen der nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG durchzuführenden --monatsbezogenen-- Vergleichsrechnung nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG zu erfassen sind und dem behinderten Kind kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalendermonats, für den sie bestimmt sind, zufließen, sind in dem bestimmungsgemäßen Monat zu erfassen .

2. Als kurze Zeit gilt ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Mutter ihres im August 1984 geborenen [X.] ([X.]). [X.] ist von Geburt an mit einem Grad der [X.]ehinderung (Gd[X.]) von 90 sowie den [X.] und [X.] schwerbehindert, seit dem 6. Oktober 2009 mit einem Gd[X.] von 100. Ende März 2009 beendete [X.] sein Musikstudium. Die Klägerin teilte der [X.]eklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) mit, [X.] wolle ab April 2009 eine selbständige Tätigkeit als Musiker und Diplommusiklehrer aufnehmen. Im Mai 2009 und Dezember 2009 sind [X.] insbesondere folgende Einnahmen sowie Ausgaben zu- und abgeflossen:

2
                          

Mai 2009

        

€       

€       

06.05.

ALG II für 04/09 und 05/09

        

1.608,74

        

darin:

        

        

        

Regelleistung 2 * 351,00 = 702,00

        

        

        

Unterkunftskosten 2 * 453,37 = 906,74

        

        

29.05.

ALG II für 06/09

        

804,37

        

darin:

        

        

        

Regelleistung 1 * 351,00 = 351,00

        

        

        

Unterkunftskosten 1 * 453,37 = 453,37

        

        

18.05.

[X.]eitrag [X.]erufsverband, -haftpflicht

-26,22

        

26.05.

Fachliteratur

-17,55

        

26.05.

[X.]

-8,53 

        

3
                          

Dezember 2009

        

€       

€       

03.12.

Einstiegsgeld für 06/09 bis 11/09

        

897,50

        

darin:

        

        

        

Einstiegsgeld 5 * 179,50 = 897,50

        

        

18.12.

Einstiegsgeld für 12/09

        

179,50

31.12.

ALG II für 01/10

        

812,21

        

Regelleistung 1 * 359,00 = 359,00

        

        

        

Unterkunftskosten 1 * 453,21 = 453,21

        

        

01.12.-31.12.

Honorar für Unterricht

        

60,00 

11.12.

Auslagenersatz für Gottesdienst

        

20,00 

08.12.

Rentenbeitrag

-32,34

        

17.12.

Werbung ([X.])

-233,24

        

28.12.

[X.]

-8,52 

        

28.12.

Werbung (Homepage)

-52,04

        

31.12.

[X.]ankgebühren

-6,45 

        

4

Die Familienkasse hob die Festsetzung von Kindergeld für [X.] mit [X.]escheid vom 24. Juli 2009 ab April 2009 auf, weil [X.] imstande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2010 als unbegründet zurückgewiesen.

5

Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr [X.]egehren weiter. Nachdem die Familienkasse während des erstinstanzlichen Verfahrens für den Monat April 2009 sowie für den Zeitraum Juni 2009 bis November 2009 einen Teilabhilfebescheid erlassen und die [X.]eteiligten daraufhin den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, begehrte die Klägerin nur noch Kindergeld für die Monate Mai 2009 und Dezember 2009. Dem Teilabhilfebescheid war eine von der Klägerin beigebrachte fachärztliche [X.]tellungnahme vom 14. Mai 2010 vorausgegangen, in welcher festgestellt wurde, dass [X.] aufgrund seiner [X.]ehinderung nicht im [X.]tande sei, seinen Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten.

6

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2011, 1725 veröffentlichten Urteil ab. Zur [X.]egründung führte es im Wesentlichen aus, die in den Monaten Mai 2009 und Dezember 2009 zu berücksichtigenden Einkünfte und [X.]ezüge des [X.] hätten seine in diesen Monaten --der Höhe nach unstreitig-- gegebenen [X.]edarfe überschritten.

7

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine unzutreffende Anwendung materiellen Rechts. Das [X.] habe die Einkünfte und [X.]ezüge des [X.] fehlerhaft nach dem [X.] erfasst. Im Mai 2009 hätte --abweichend vom tatsächlichen [X.] weder die Nachzahlung des Arbeitslosengeldes II ([X.]) für den Vormonat April 2009 noch die laufende [X.]-Zahlung für den Folgemonat Juni 2009 angesetzt werden dürfen. Ebenso sei es nicht möglich, die mehrere Monate umfassende Nachzahlung des [X.] nach § 16b des Zweiten [X.]uches [X.]ozialgesetzbuch ([X.]G[X.] II) im [X.] Dezember 2009 zu erfassen. Diese Rechtsauffassung werde durch das Urteil des [X.]undesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 1999  5 [X.] 35/97 ([X.]VerwGE 108, 296) bestätigt, wonach abweichend vom tatsächlichen Zufluss rechtlich ein anderer Zufluss maßgeblich sein könne. Außerdem habe das [X.] [X.]erlin-[X.]randenburg in dem Urteil vom 19. Juli 2010  10 K 10255/07 ([X.] 2011, 155, Revision eingelegt, Az. beim [X.]undesfinanzhof --[X.]FH--: XI R 51/10) entschieden, dass die Nachzahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem Zwölften [X.]uch [X.]ozialgesetzbuch ([X.]G[X.] XII) nicht im [X.] als [X.]e-züge anzusetzen seien. [X.]olche Nachzahlungen stellten [X.]ezüge der Eltern dar. [X.]ie seien ein Ausgleich dafür, dass die Eltern dem Kind bereits darlehensweise Unterhalt gewährt hätten. [X.] existierten weitere [X.]eispiele, denen zu entnehmen sei, dass nicht auf den tatsächlichen, sondern auf den normativen Zufluss abzustellen sei. Zu nennen seien die Verordnungen zur Durchführung des § 76 des [X.]undessozialhilfegesetzes ([X.][X.]HG) und des § 82 [X.]G[X.] XII. Aber auch bei der vom [X.] bejahten Anwendung des § 2 der [X.]/[X.]ozialgeld-Verordnung ergebe sich, dass die Zahlungen von [X.] und des [X.] monatlich nur mit dem zwölften Teil des [X.] seien. Abgesehen davon sei das Einstiegsgeld schon dem Grunde nach nicht als [X.]ezug zu qualifizieren, weil es als Maßnahme der aktiven Arbeitsförderung nicht der [X.]icherung des Lebensunterhalts diene. Im Übrigen seien die Zahlungen an die [X.] abziehbar. [X.]chließlich sei bei [X.]e-hinderten eine flexible Handhabung von Monats- und Jahresbetrachtung geboten. Anderenfalls führte die behindertenfreundliche Intention des Monatsprinzips zu einer [X.]enachteiligung, wenn bei Anwendung einer Jahresbetrachtung für das gesamte Jahr Kindergeld zu gewähren wäre.

8

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, den Aufhebungsbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben, soweit die Kindergeldfestsetzung für die Monate Mai 2009 und Dezember 2009 aufgehoben wurde.

9

Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet.

Das angefochtene Urteil, der Aufhebungsbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind aufzuheben, soweit die Kindergeldfestsetzung für die Monate Mai 2009 und Dezember 2009 aufgehoben wurde (§ 126 Abs. 3 [X.]atz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Der Klägerin steht für die genannten Monate ein Kindergeldanspruch gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 [X.]ätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für den [X.]treitzeitraum maßgeblichen Fassung (E[X.]tG) zu.

1. Die Familienkasse ... der [X.] ist aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der [X.] Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der [X.], Ausgabe Mai 2013, [X.]. 6 ff.) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der [X.] eingetreten (s. dazu [X.] vom 3. März 2011 V B 17/10, [X.], 1105, unter II.A.).

2. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 [X.]ätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 3 E[X.]tG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebens-jahres eingetreten ist.

a) Ein behindertes Kind ist dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Ist das Kind hingegen trotz seiner Behinderung (z.B. aufgrund hoher Einkünfte oder Bezüge) in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu (BFH-Urteil vom 24. August 2004 VIII R 83/02, [X.], 244, [X.], 248, m.w.N.). Ob dies der Fall ist, ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des gesamten Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits (BFH-Urteil in [X.], 244, [X.], 248, m.w.N.). Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge. Einkünfte sind solche i.[X.]. von § 2 Abs. 2 E[X.]tG, zu den Bezügen gehören alle Einnahmen in Geld oder [X.], die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden (z.B. [X.]enatsurteil vom 4. August 2011 III R 22/10, [X.], 329, [X.], 337, m.w.N.).

b) Bei Prüfung der Frage, ob ein volljähriges Kind wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist keine jahresbezogene Betrachtung vorzunehmen, sondern auf den Kalendermonat abzustellen (z.B. BFH-Urteile vom 4. November 2003 VIII R 43/02, [X.], 120, [X.], 1046; in [X.], 244, [X.], 248; a.[X.], [X.] 2004, 424; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 32 E[X.]tG Rz 491). Die Einkünfte und Bezüge sind, soweit für Gewinneinkünfte nicht das Realisationsprinzip gilt (s. dazu [X.]enatsurteil vom 22. Dezember 2011 III R 69/09, [X.], 298), nach dem Zuflussprinzip des § 11 E[X.]tG zu erfassen (BFH-Urteil vom 16. April 2002 VIII R 76/01, [X.], 116, [X.], 525).

Nach Auffassung des [X.]enats ist bei Anwendung des Zuflussprinzips auch der in der Vorschrift des § 11 Abs. 1 [X.]atz 2 E[X.]tG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift gelten regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem [X.]teuerpflichtigen kurze [X.] vor Beginn oder kurze [X.] nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, als in dem Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit bezogen. Der Gesetzeszweck dieser Vorschrift, Zufälligkeiten bei der zeitlichen Erfassung wiederkehrender Leistungen zu vermeiden (z.B. BFH-Urteil vom 24. Juli 1986 IV R 309/84, [X.], 419, [X.] 1987, 16), rechtfertigt auch deren Heranziehung bei monatlich wiederkehrenden --im Rahmen der Vergleichsrechnung anzusetzenden-- Einkünften und Bezügen. Dies bedeutet, dass solche monatlich wiederkehrenden Leistungen, die dem behinderten Kind kurze [X.] vor Beginn oder kurze [X.] nach Beendigung des Kalendermonats, für den sie bestimmt sind, zufließen, in dem bestimmungsgemäßen Monat zu erfassen sind. In Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 11 Abs. 1 [X.]atz 2 E[X.]tG ist als "kurze [X.]" ein [X.]raum von bis zu zehn Tagen anzusehen (s. dazu [X.] vom 6. November 2002 [X.], [X.] 2003, 169). Allerdings misst der [X.]enat hierbei dem Erfordernis, dass die Leistung auch während dieser kurzen [X.] --wie sonst bei § 11 Abs. 1 [X.]atz 2 E[X.]tG vorausgesetzt (BFH-Urteil in [X.], 419, [X.] 1987, 16)-- fällig sein muss, keine Bedeutung bei, und zwar deshalb, weil für die Beurteilung der Frage, ob einem behinderten Kind ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung gestanden haben, nicht auf die Fälligkeit einer Zahlung, sondern vielmehr darauf abzustellen ist, ob tatsächlich entsprechende finanzielle Mittel zeitnah vorhanden waren. Im Übrigen kommt eine Verteilung solcher, in Anlehnung an § 11 Abs. 1 [X.]atz 2 E[X.]tG abweichend vom [X.] zu erfassender monatlich wiederkehrender Leistungen auf einen längeren [X.]raum nicht in Betracht (anders bei jährlich anfallenden Einnahmen; s. dazu BFH-Urteil in [X.], 244, [X.], 248, unter II.1.e).

Ob für monatlich wiederkehrenden Arbeitslohn ggf. Abweichendes gilt (s. dazu § 11 Abs. 1 [X.]atz 4 E[X.]tG), bedarf im [X.]treitfall keiner Klärung.

c) [X.]chließlich wirkt sich eine im Laufe eines Monats zugeflossene Nachzahlung, die zum Wegfall der Unfähigkeit zum [X.]elbstunterhalt führt, erst in dem auf den [X.] folgenden [X.]raum kindergeldschädlich aus (BFH-Urteil in [X.], 120, [X.], 1046, unter II.2.). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass das Kindergeld gemäß § 66 Abs. 2 E[X.]tG bis zum Ende des Monats gezahlt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen (BFH-Urteil in [X.], 120, [X.], 1046). Danach ist Kindergeld für den [X.] der Nachzahlung zu gewähren, wenn die finanziellen Mittel in diesem Monat ohne Berücksichtigung der Nachzahlung nicht ausgereicht hätten, um den gesamten Bedarf des behinderten Kindes zu decken.

3. Gemessen an diesen Grundsätzen war [X.] in den streitigen Monaten nicht in der Lage, sich selbst zu unterhalten.

a) In der Vorentscheidung wurden für Mai 2009 Einkünfte (./. 43,77 €) und Bezüge ([X.]umme der zugeflossenen [X.]-Zahlungen abzüglich anteiliger Kostenpauschale für Bezüge: 2.393,11 €) in Höhe von insgesamt 2.349,34 € angesetzt.

[X.]elbst wenn man mit dem [X.], was im Ergebnis zutreffend sein dürfte, davon ausgeht, dass die an [X.] gezahlten --gemäß § 3 Nr. 2b E[X.]tG steuerfreien-- [X.]-Zahlungen nach §§ 19 ff. [X.]GB II als Bezüge zu qualifizieren sind (s. dazu BFH-Urteil vom 26. November 2003 VIII R 32/02, [X.], 454, [X.] 2004, 588, zu Zahlungen nach § 11 B[X.]HG; s. auch Abschn. 31.2.4.2 Abs. 1 Nr. 5 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes --DA-FamE[X.]tG--, B[X.]tBl I 2012, 739), hätte das am 29. Mai 2009 für den Monat Juni 2009 zugeflossene [X.] (804,37 €) erst im Juni 2009, das am 6. Mai 2009 für April 2009 zugeflossene [X.] (804,37 €) hingegen bereits im April 2009 erfasst werden müssen. Danach reduzierten sich die finanziellen Mittel des [X.] um insgesamt 1.608,74 € auf 740,60 €; sein im Mai 2009 unstreitig gegebener Bedarf in Höhe von 1.196 € wäre nicht überschritten.

b) Für den Monat Dezember 2009 ist das [X.] von Einkünften (./. 264,07 €) und Bezügen ([X.]umme der zugeflossenen [X.]-Zahlungen und [X.] abzüglich anteiliger Kostenpauschale für Bezüge: 1.869,21 €) in Höhe von insgesamt 1.605,14 € ausgegangen.

Beurteilte man in Übereinstimmung mit dem [X.] auch das Einstiegsgeld nach § 16b [X.]GB II, was im Ergebnis ebenfalls zutreffend sein dürfte, als einen Bezug (s. auch Abschn. 31.2.4.2 Abs. 1 Nr. 5 DA-FamE[X.]tG, B[X.]tBl I 2012, 739), hätte von dem am 3. Dezember 2009 für fünf Monate ausbezahlten Einstiegsgeld der auf November 2009 entfallende Anteil in Höhe von 179,50 € bereits im November 2009 erfasst werden müssen. Danach verblieben dem [X.] im Dezember 2009 finanzielle Mittel in Höhe von 1.425,64 €, die eine Nachzahlung in Höhe von 718 € (Einstiegsgeld für vier Monate) enthielten. [X.]ein unstreitig gegebener Bedarf in Höhe von 1.212 € wäre daher erst durch die Einbeziehung der genannten --im Laufe des Monats Dezember 2009 zugeflossenen-- Nachzahlung überschritten worden. Diese Nachzahlung hätte sich daher erst ab dem Folgemonat (Januar 2010) kindergeldschädlich auswirken können.

Etwas anderes ergäbe sich auch nicht daraus, dass die dem [X.] am 30. November 2009 für Dezember 2009 gewährte [X.]-Zahlung in Höhe von 844,50 € (bzw. 812,21 € nach Abzug des hierfür gezahlten Rentenbeitrags) --wie sich aus der von dem [X.] ausdrücklich in Bezug genommenen Anlage K 18 der Klägerin er-gibt-- im Dezember 2009 hätte erfasst werden müssen. Denn im Gegenzug hätte auch die am 31. Dezember 2009 zugeflossene [X.]-Zahlung für Januar 2010 (812,21 €) erst im Januar 2010 berücksichtigt werden dürfen.

4. Die [X.]ache ist spruchreif. Das [X.] hat in der Vorentscheidung angenommen, dass die Behinderung des [X.] nach den Gesamtumständen des Einzelfalls in erheblichem Umfang mitursächlich für die Unfähigkeit zum [X.]elbstunterhalt ist (s. dazu ausführlich [X.]enatsurteil vom 15. März 2012 III R 29/09, [X.], 68, [X.], 892). Die Kausalität stehe [X.] das [X.]-- nach der fachärztlichen [X.]tellungnahme vom 14. Mai 2010 außer [X.]treit.

Diese vom [X.] vorgenommene und nicht mit einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge angegriffene Tatsachenwürdigung ist für den [X.]enat nach § 118 Abs. 2 [X.]O bindend, weil sie zumindest möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (s. dazu BFH-Urteil vom 9. Dezember 2009 II R 52/07, [X.] 2010, 824). Auch wenn im [X.]treitfall verschiedene Umstände für eine Fähigkeit des [X.] zum [X.]elbstunterhalt sprechen mögen, wie z.B. das abgeschlossene Musikstudium und der Bezug von [X.] (s. dazu [X.]enatsurteil vom 19. November 2008 III R 105/07, [X.], 365, [X.], 1057, unter [X.]), ist die vom [X.] vorgenommene Würdigung von den Ausführungen in der fachärztlichen [X.]tellungnahme gedeckt, wonach [X.] infolge der geburtsbedingten Behinderung in seiner Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt und ihm eine tägliche Erwerbstätigkeit von mehr als drei [X.]tunden nicht möglich sei. Abgesehen davon ist der hohe GdB des [X.] ein gewichtiges Indiz für eine gegebene Unfähigkeit zum [X.]elbstunterhalt ([X.]enatsurteil in [X.], 365, [X.], 1057, unter II.2.c). Dass die Behinderung des [X.] vor Vollendung dessen 25. Lebensjahres eingetreten ist, steht außer Frage.

5. Nach alledem war die Familienkasse wegen eines bestehenden Kindergeldanspruchs nicht befugt, die Festsetzungen für die Monate Mai 2009 und Dezember 2009 aufzuheben.

Meta

III R 35/11

11.04.2013

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 29. März 2011, Az: 13 K 617/10, Urteil

§ 32 Abs 4 S 1 Nr 3 EStG 2009, § 11 EStG 2009, § 16b SGB 2, § 19 SGB 2, § 19ff SGB 2, EStG VZ 2009, § 62 Abs 1 EStG 2009, § 63 Abs 1 EStG 2009, § 66 Abs 2 EStG 2009, Abschn 31.2.4.2 Abs 1 Nr 5 DA-FamEStG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.04.2013, Az. III R 35/11 (REWIS RS 2013, 6792)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6792

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