Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.12.2021, Az. III R 48/20

3. Senat | REWIS RS 2021, 293

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Gegenstand

Kindergeld für behinderte Kinder; Berücksichtigung eines Teils der Kapitalleistung aus einer Rentenversicherung mit Gewinnbeteiligung (Altvertrag) als Bezug des Kindes im Zuflussjahr


Leitsatz

1. Zu den Bezügen des Kindes gehört der Anteil der Kapitalleistung einer Rentenversicherung mit Gewinnbeteiligung (Altvertrag), welcher von der Versicherungsgesellschaft erwirtschaftet wurde. Dagegen handelt es sich bei dem Teil der Auszahlung, der auf angesparten Beiträgen beruht, um Vermögen.

2. Die mangelnde Bestimmung eines Bezuges für Unterhaltszwecke muss sich regelmäßig aus den Umständen objektiv nachvollziehbar ableiten lassen. Allein die Erklärung des Kindergeldberechtigten oder des Kindes, ein Bezug sei nicht für den (gegenwärtigen) Unterhalt bestimmt, führt nicht dazu, dass dieser bei der Ermittlung der Selbstunterhaltsfähigkeit unberücksichtigt bleibt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 21.07.2020 - 12 K 2928/19 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist der Kindergeldanspruch für ein volljähriges behindertes Kind, welches die Auszahlung einer einmaligen Kapitalleistung aus einer Rentenversicherung mit Gewinnbeteiligung (Altvertrag) wählte und erhielt.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bezog für ihren im April 1964 geborenen [X.] ([X.]) Kindergeld. Dieser ist seit seiner Geburt behindert. Im Schwerbehindertenausweis sind ein Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen G und H eingetragen.

3

[X.] erhielt im Streitzeitraum Juli bis November 2019 eine monatliche Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 1.025,52 € brutto sowie Pflegegeld und Entlastungsleistungen der Pflegekasse in Höhe von monatlich 853 €. Er hatte Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 80,50 € und zur Pflegeversicherung in Höhe von 33,84 € zu tragen.

4

Seit Juni 1983 war [X.] (und versicherte Person) eines Rentenversicherungsvertrages mit Gewinnbeteiligung, für den damals zunächst monatliche Beiträge von 99,40 DM vereinbart waren. Die [X.] endete zum 01.06.2019. Die Beiträge hatte die Klägerin entrichtet. [X.] erhielt --statt monatlicher Renten von 330,12 €-- zum 01.06.2019 eine einmalige Kapitalleistung aus dieser Versicherung in Höhe von 77.698,54 €.

5

[X.] wird von der Klägerin betreut und hat nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) im ersten Rechtsgang einen Betreuungsbedarf von 14 Stunden zu je 9 € pro Tag. Im August und November 2019 wandte [X.] jeweils 5 € für Medikamente auf. Für Fahrten zu Arztterminen entstanden ihm Kosten in Höhe von 2,70 € im Juli 2019 sowie jeweils 1,20 € im September und November 2019. [X.] nahm im August 2019 an einer siebentägigen ...freizeit teil.

6

Mit Bescheid vom 05.06.2019 hob die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung ab [X.] auf. Den Einspruch der Klägerin wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 13.11.2019 als unbegründet zurück.

7

Das [X.] gab der Klage statt. Zur Begründung führte es im [X.]esentlichen aus, [X.] sei aufgrund seiner Behinderung im Streitzeitraum außerstande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Er könne seinen Grundbedarf und behinderungsbedingten Mehrbedarf aus eigenen Mitteln nicht vollständig bestreiten. Die Kapitalleistung aus der Versicherung ändere hieran nichts. Bei der Prüfung der dem Kind zur Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehenden Mittel sei das Vermögen des Kindes nicht zu berücksichtigen. Die Zahlung der Versicherung stelle lediglich eine Vermögensumschichtung dar. Hätte [X.] die monatliche Rente gewählt, hätte er seinen Bedarf gleichfalls nicht vollständig aus eigenen Mitteln decken können. Zudem sei die zum 01.06.2019 erfolgte Auszahlung nicht im Streitzeitraum zu berücksichtigen, auch eine Verteilung auf die Folgemonate komme nicht in Betracht.

8

Mit der Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Bundesrechts.

9

Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des [X.] vom 21.07.2020 - 12 K 2928/19 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, dass es sich bei der Auszahlung der Versicherungssumme um eine reine Vermögensumschichtung handelt, und verkannt, dass nach der Senatsrechtsprechung das Monatsprinzip bei außerordentlichen Zuflüssen durchbrochen wird. Es hat deshalb nicht festgestellt, in welcher Höhe in der dem behinderten Kind zugeflossenen Versicherungssumme [X.]ezüge enthalten waren, die es in die Lage versetzt haben, sich in den streitgegenständlichen Monaten i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) selbst zu unterhalten. Die Sache ist nicht spruchreif.

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer [X.]ehinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung ist, dass die [X.]ehinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist, sofern nicht aufgrund der Übergangsregelung des § 52 Abs. 40 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes i.d.[X.] 2007 vom [X.] ([X.], 1652), inzwischen § 52 Abs. 32 Satz 1 EStG, weiterhin die vorher geltende Altersgrenze (Vollendung des 27. Lebensjahres) maßgeblich ist.

Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann (z.[X.]. [X.]-Urteil vom 15.10.1999 - VI R 183/97, [X.]E 189, 442, [X.], 72, unter 1.b, und Senatsurteile vom 05.02.2015 - III R 31/13, [X.]E 249, 144, [X.], 1017, Rz 13, sowie vom 13.04.2016 - III R 28/15, [X.]E 253, 249, [X.], 648, Rz 10, m.w.N.).

Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs zweier [X.]ezugsgrößen zu prüfen, nämlich des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits (z.[X.]. Senatsurteile in [X.]E 253, 249, [X.], 648, Rz 10; vom 19.01.2017 - III R 44/14, [X.]/NV 2017, 735, Rz 29, und vom [X.], [X.]E 268, 13, [X.] 2021, 807, Rz 16).

Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und [X.]ezüge (Senatsurteil in [X.]E 253, 249, [X.], 648, Rz 15, m.w.N.), d.h. grundsätzlich alle Mittel, die zur Deckung seines Lebensunterhalts geeignet und bestimmt sind und ihm im maßgeblichen [X.]raum zufließen, nicht jedoch sein Vermögen.

a) Der [X.]egriff der Einkünfte wird durch § 2 Abs. 2 EStG definiert. Er umfasst den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit sowie den Überschuss der Einnahmen über die [X.]erbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung und sonstigen Einkünften ([X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 32 EStG Rz 118).

b) [X.]ezüge sind alle Zuflüsse in Geld oder [X.], die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden (vgl. z.[X.]. Senatsurteil vom 28.05.2009 - III R 8/06, [X.]E 225, 141, [X.] 2010, 346, unter [X.], und [X.]-Urteil vom 20.03.2013 - XI R 51/10, [X.]/NV 2013, 1088, Rz 16), also nicht steuerbare oder für steuerfrei erklärte Einnahmen ([X.]-Urteil vom 26.09.2000 - VI R 85/99, [X.]E 192, 485, [X.], 684, unter 2.b, und Senatsurteil vom 17.12.2009 - III R 74/07, [X.]E 228, 72, [X.] 2010, 552, unter II.2.).

Da es festzustellen gilt, ob das Kind sich aus eigenen Mitteln unterhalten kann oder ob es auf Mittel des [X.] angewiesen ist, sind als Einnahmen auch laufende oder einmalige Geldzuwendungen von dritter Seite anzusehen, soweit sie nicht der Kapitalanlage dienen, sondern den Unterhaltsbedarf des Kindes decken und damit die Eltern bei ihren Unterhaltsleistungen entlasten sollen (Senatsurteil in [X.]E 268, 13, [X.] 2021, 807, Rz 27). Vermögensübertragungen von Eltern auf ihre Kinder sind bei der Ermittlung der [X.]ezüge des Kindes außer [X.]etracht zu lassen; als [X.]ezüge anzusetzen sind allein Zuflüsse "von außen", sofern sie zur Finanzierung des Unterhalts oder der [X.]erufsausbildung geeignet oder bestimmt sind (Senatsurteil vom 04.08.2011 - III R 22/10, [X.]E 234, 329, [X.] 2012, 337, Rz 11 zur früheren Grenzbetragsregelung in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).

Für die Eignung genügt es, dass der Zufluss entsprechend verwendet werden kann. [X.]ie er tatsächlich verwendet wird, spielt keine Rolle.

Die mangelnde [X.]estimmung des Zuflusses für [X.] muss sich regelmäßig aus den Umständen objektiv nachvollziehbar ableiten lassen, wie dies etwa bei einer Schmerzensgeldrente (Senatsurteil in [X.]E 253, 249, [X.], 648, Rz 16 und 19 bis 22) oder bei Sozialversicherungsbeiträgen (Senatsurteil vom 19.10.2006 - III R 55/06, [X.]/NV 2007, 420, unter [X.]) der Fall ist. Sie ergibt sich nicht allein daraus, dass der Kindergeldberechtigte oder das Kind erklären, der Zufluss in Geld oder Geldeswert sei nicht für den (gegenwärtigen) Lebensunterhalt bestimmt, denn andernfalls hätten es die [X.]eteiligten stets in der Hand, Einkünfte oder [X.]ezüge durch eine entsprechende Erklärung der [X.]erücksichtigung zu entziehen. Hingegen kann eine Erklärung von dritter Seite, eine Geldzuwendung sei zur Kapitalanlage bestimmt, ausreichen ([X.]-Urteil vom 28.01.2004 - VIII R 21/02, [X.]E 205, 196, [X.] 2004, 555, unter II.2., und Senatsurteil in [X.]E 268, 13, [X.] 2021, 807, Rz 27).

c) Das Vermögen des behinderten Kindes gehört nicht zu den finanziellen Mitteln, die es für den Selbstunterhalt einzusetzen hat. Hätte der Gesetzgeber die Einbeziehung von Kindesvermögen im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG beabsichtigt, hätte es nahegelegen, dies --wie in § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG geschehen-- in der Vorschrift selbst unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen und zugleich zu regeln, unter welchen Voraussetzungen das Vermögen berücksichtigt werden soll (vgl. [X.]-Urteil vom [X.] - VIII R 51/01, [X.]E 200, 212, [X.] 2003, 91, unter [X.]). Mangels sachlicher Änderung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG ist auch nach [X.]egfall der --ausschließlich die Höhe der Einkünfte und [X.]ezüge des Kindes [X.] (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG i.d.F. vom 07.12.2011) auf die Einkünfte und [X.]ezüge des Kindes abzustellen (Senatsurteil in [X.]E 253, 249, [X.], 648, Rz 15, m.w.N.).

Somit sind Einkünfte und [X.]ezüge einerseits und Vermögen sowie [X.] andererseits voneinander abzugrenzen. [X.]ährend Einkünfte und [X.]ezüge im Grundsatz alle finanziellen Mittel sind, die jemandem im maßgeblichen [X.]raum zusätzlich zufließen, die er also wertmäßig dazu erhält, ist Vermögen das, was er vor diesem [X.]raum bereits hatte (vgl. Urteil des [X.] --[X.]SG-- vom 30.09.2008 - [X.] 4 AS 57/07 R, Sozialrecht --[X.]-- 4-4200 § 11 Nr. 16, Rz 18).

d) Das [X.] ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass reine [X.] keine [X.]ezüge sind. Dabei hat es jedoch verkannt, dass Zahlungen auf eine bestehende Forderung eine Sonderstellung einnehmen. Obwohl sie eine Vermögensumschichtung beinhalten, soweit durch die Zahlung eine Forderung erlischt, werden sie nicht stets als reine Vermögensumschichtung behandelt. Andernfalls wären alle Zahlungen --auch Lohnzahlungen, Rentenzahlungen usw.--, auf die das behinderte Kind einen Anspruch hat, als [X.] zu behandeln und nicht als Einkünfte und [X.]ezüge anzusetzen. Das wäre mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar.

Das [X.] ([X.]) und das [X.]SG gehen dementsprechend davon aus, dass bei der Erfüllung einer Forderung durch Auszahlung das Schicksal der Forderung grundsicherungs- bzw. sozialhilferechtlich grundsätzlich nicht interessiert, soweit dort Einnahmen und Vermögen voneinander abzugrenzen sind ([X.]-Urteil vom 18.02.1999 - 5 [X.] 35/97, [X.]E 108, 296, Rz 17; [X.] vom 16.12.2008 - [X.] 4 [X.]/07 R, Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte 60, 546, Rz 11, und in [X.]-4200 § 11 Nr. 16, Rz 17). Das gilt allerdings nicht für Fälle, in denen mit bereits erlangten Einkünften Vermögen angespart wurde, z.[X.]. bei [X.]anken, Sparkassen oder Versicherungen. Denn andernfalls wertete man den Rückgriff auf Erspartes unzulässig erneut als Einkommen ([X.]-Urteil in [X.]E 108, 296, Rz 17, und [X.] in [X.]-4200 § 11 Nr. 16, Rz 17).

Dem schließt sich der Senat in [X.]ezug auf die Prüfung der Selbstunterhaltsfähigkeit eines behinderten Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG an.

2. Nach diesen Maßstäben hält das Urteil des [X.] einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Zahlung der Versicherung insgesamt eine reine Vermögensumschichtung darstellt und deshalb nicht zu den finanziellen Mitteln gehört, die im Streitzeitraum Juli bis November 2019 in die Prüfung der Fähigkeit eines behinderten Kindes zum Selbstunterhalt einzubeziehen sind.

a) Zu unterscheiden ist zwischen der Auszahlung der [X.]eträge, die das Kind oder der Kindergeldberechtigte zuvor angespart haben, denn insoweit handelt es sich um die Auszahlung von Vermögen. Hingegen handelt es sich bei den [X.]eträgen, welche die Versicherung erwirtschaftet hat, um bei der Selbstunterhaltsfähigkeit zu berücksichtigende [X.]ezüge, vergleichbar mit Zinsen, die eine [X.]ank mit Sparguthaben erwirtschaftet. Dabei spielt es, wie ausgeführt, keine Rolle, dass [X.] einen Anspruch auf die Versicherungssumme hatte, der durch Auszahlung erloschen ist; allein dadurch, dass der Zufluss mit dem Erlöschen einer Forderung verbunden ist, wird die Leistung der Versicherung nicht zu einer bei der Prüfung der Selbstunterhaltsfähigkeit eines behinderten Kindes irrelevanten Vermögensumschichtung.

aa) Den von der Versicherung erwirtschafteten [X.]etrag hat [X.] weder angespart noch wurde er ihm von der Klägerin übertragen. Er ist zur Deckung des Lebensbedarfs des Kindes geeignet und bestimmt; es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass er keine Entlastung der kindergeldberechtigten Mutter bewirken könnte (vgl. dazu Senatsurteil in [X.]/NV 2007, 420, unter [X.]). Für die Eignung zur Deckung des Lebensbedarfs genügt es, dass der [X.]etrag entsprechend verwendet werden kann. [X.]ie er tatsächlich verwendet wird oder ob er für die [X.] nach dem Tod der Klägerin angespart wird, wie sie vorträgt, spielt keine Rolle. Diese Erklärung der Klägerin rechtfertigt für sich genommen auch nicht die Annahme, die Zahlung der Versicherung sei nicht zur Deckung des Lebensbedarfs des [X.] bestimmt. Objektive Umstände, aus denen das Fehlen einer solchen [X.]estimmung abgeleitet werden kann, liegen im Streitfall nicht vor.

Das [X.] vom 10.08.2016 - [X.] 14 AS 51/15 R ([X.]-4200 § 12 Nr. 26, [X.]-4200 § 11 Nr. 76) steht der [X.]erücksichtigung des von der Versicherung erwirtschafteten Teils der Versicherungsleistung als [X.]ezug nicht entgegen. Das [X.]SG hat in diesem Urteil die Auszahlung aus einem kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrag nicht in Einkommen und Vermögen aufgeteilt, sondern als Einheit angesehen und insgesamt dem Vermögen zugeordnet, weil das Zweite [X.]uch Sozialgesetzbuch --anders als das EStG-- keine differenzierenden Regelungen enthalte, die eine Aufteilung für Zwecke der Grundsicherung ermöglichten. Die Annahme, eine Aufteilung der Kapitalleistung aus einem [X.] sei nicht möglich, ist auf das EStG nicht übertragbar.

Gleiches gilt für das [X.]-Urteil vom 01.07.2021 - VIII R 4/18 ([X.]E 273, 293, [X.]/NV 2021, 1558). Darin hat der [X.] entschieden, dass Rentenzahlungen aus einem vor dem 01.01.2005 abgeschlossenen begünstigten Versicherungsvertrag mit Kapitalwahlrecht nicht zwei verschiedenen Einkunftsarten (Einkünfte aus Kapitalvermögen oder sonstige Einkünfte) zuzuordnen seien, sondern als Einkünfte aus Kapitalvermögen insgesamt grundsätzlich nicht der [X.]esteuerung unterlägen. Der [X.] ging zwar davon aus, dass die aus verschiedenen [X.]estandteilen (Garantierente, Überschussbeteiligung aus der Ansparphase) bestehenden Rentenbezüge auf einem einheitlichen Versicherungsvertrag beruhten und die Überschussbeteiligungen rechtlich und wirtschaftlich untrennbare [X.]estandteile des verwendeten Vertragstyps seien. Die damit und mit [X.] begründete einheitliche [X.]ehandlung der Rentenzahlungen in [X.]ezug auf die Einkunftsart hat jedoch keine Auswirkungen für die Abgrenzung von Einkünften und [X.]ezügen zur Feststellung der Fähigkeit eines behinderten Kindes zum Selbstunterhalt. Denn auch bei [X.] ist zwischen verschiedenen Anteilen (Ertragsanteil und Kapitalanteil) zu unterscheiden und gehört der Ertragsanteil zu den Einkünften und der Kapitalanteil zu den [X.]ezügen (vgl. z.[X.]. [X.]-Urteil vom 14.11.2000 - VI R 52/98, [X.]E 193, 453, [X.] 2001, 489, unter 2.a, und Senatsurteil vom 09.02.2012 - III R 73/09, [X.]E 236, 407, [X.] 2012, 463, Rz 11).

bb) Nicht zu berücksichtigen ist der Kapital- oder Sparanteil der Versicherungsleistung. Insoweit liegt eine Vermögensumschichtung vor und es fehlt an einem Zufluss "von außen". Außerdem wird --da die Klägerin dem [X.] die Mittel für die [X.]eitragszahlungen zur Verfügung gestellt [X.] dem Grundsatz Rechnung getragen, dass Vermögensübertragungen des [X.] oder der Eltern auf das Kind bei der Ermittlung der [X.]ezüge des Kindes außer [X.]etracht zu lassen sind.

Soweit die Zahlungen der Klägerin auf Abschlusskosten o.Ä. entfielen, handelt es sich zwar nicht um Sparanteile, sondern um Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Zufluss der [X.]ezüge stehen; diese sind jedoch gleichfalls von den [X.]ezügen abzuziehen.

b) Der von der Versicherung erwirtschaftete Teil der im Juni 2019 --und damit außerhalb des [X.] ausgezahlten Versicherungsleistung kann als [X.]ezug im Streitzeitraum zu berücksichtigen sein.

aa) Die [X.]etrachtung der Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist grundsätzlich monatsbezogen vorzunehmen. Dabei sind die Einkünfte und [X.]ezüge nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG zu erfassen, soweit für Gewinneinkünfte nicht das Realisationsprinzip gilt (Senatsurteil vom 11.04.2013 - III R 35/11, [X.]E 241, 499, [X.] 2013, 1037, Rz 15, m.w.N.).

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] sind Einnahmen zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige wirtschaftlich über sie verfügen kann. Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Ebenso kann eine Gutschrift in den [X.]üchern des Verpflichteten den Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der [X.]etrag dem [X.]erechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht. Allerdings muss der Gläubiger in der Lage sein, den [X.] ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen. Ein Zufluss kann ferner durch die Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, dass ein [X.]etrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll. In dieser Vereinbarung kann eine Verfügung des Gläubigers über die bisherige Forderung liegen, die einkommensteuerrechtlich so zu werten ist, als ob der Schuldner die [X.] durch tatsächliche Zahlung beglichen und der Gläubiger den vereinnahmten [X.]etrag infolge des neu geschaffenen [X.] dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte (vgl. [X.]-Urteil vom 11.02.2014 - VIII R 25/12, [X.]E 244, 406, [X.] 2014, 461, Rz 24 f., m.w.N.; vgl. auch [X.]-Urteil in [X.]E 108, 296, Rz 17 a.E.).

(2) Ausnahmen von dem im Kindergeldrecht geltenden Monatsprinzip, das auf in etwa gleichbleibende Verhältnisse zugeschnitten ist, gelten z.[X.]. für jährlich wiederkehrende Einnahmen in Form von Sonderzahlungen wie [X.]eihnachts- oder Urlaubsgeld (vgl. [X.]-Urteil vom 24.08.2004 - VIII R 83/02, [X.]E 207, 244, [X.] 2007, 248, unter [X.]e) und für Nachzahlungen. Eine für einen vergangenen [X.]raum geleistete Nachzahlung ist weder ausschließlich im [X.] noch in den vorangegangenen Monaten zu berücksichtigen; sie ist vielmehr auf den [X.] und die restlichen Monate des [X.] zu verteilen ([X.]-Urteil vom 04.11.2003 - VIII R 43/02, [X.]E 204, 120, [X.] 2010, 1046, unter II.3. zur Nachzahlung einer [X.]aisenrente, und Senatsurteil vom 08.08.2013 - III R 30/12, [X.]/NV 2014, 498, Rz 19 zur Nachzahlung von [X.]; a.A. [X.]-Urteil in [X.]/NV 2013, 1088 zur Nachzahlung von Grundsicherung bei Erwerbsminderung). [X.]ird eine solche Nachzahlung, die zum [X.]egfall der [X.]edürftigkeit führt, im Laufe des Monats ausbezahlt, wirkt sie sich erst ab dem auf den [X.] folgenden Monat kindergeldschädlich aus (vgl. [X.]-Urteile in [X.]E 204, 120, [X.] 2010, 1046, unter II.2.; vom 23.02.2012 - V R 39/11, [X.]/NV 2012, 1584, Rz 17, und in [X.]/NV 2013, 1088, Rz 14; Senatsurteil in [X.]E 241, 499, [X.] 2013, 1037, Rz 18).

Dementsprechend ist es angemessen, auch einmalige [X.]ezüge auf den [X.] und die restlichen Monate des Veranlagungszeitraums zu verteilen.

bb) Das [X.] hat seine abweichende Auffassung zu Unrecht ausschließlich am [X.]egriff der "Nachzahlung" festgemacht. Dies ist nicht der einzige Durchbrechungstatbestand des im Kindergeldrecht geltenden Monatsprinzips. Es ist über die bereits genannten Fallgruppen hinaus z.[X.]. auch anerkannt, dass ein nicht monatlich anfallender notwendiger behinderungsbedingter Mehrbedarf --z.[X.]. geschätzte Fahrtkosten für ca. sechs Arztbesuche im [X.], der bei einer vorausschauenden [X.]edarfsplanung vorhersehbar ist, auf einen angemessenen [X.]raum zu verteilen und mit einer monatlichen Durchschnittsbelastung anzusetzen ist (vgl. [X.]-Urteil vom 24.08.2004 - VIII R 59/01, [X.]E 207, 237, [X.] 2010, 1048, unter [X.]; [X.]/[X.], § 32 EStG Rz 118).

3. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 [X.]O).

Nach den Feststellungen des [X.] im ersten Rechtsgang, gegen die revisionsrechtlich beachtliche [X.] nicht erhoben wurden und an die der Senat somit im Revisionsverfahren gebunden ist (§ 118 Abs. 2 [X.]O), ist es nicht auszuschließen, dass der Kindergeldanspruch für die streitgegenständlichen Monate infolge der teilweisen [X.]erücksichtigung der Versicherungsleistung entfällt.

Im ersten Rechtsgang hat das [X.] festgestellt, dass auf der [X.]edarfsseite der Grundbedarf in Höhe von monatlich 764 € (1/12 von 9.168 €) und als behinderungsbedingter Mehrbedarf der [X.]etreuungsbedarf sowie Fahrtkosten und Kosten für Arzneimittel in die Vergleichsrechnung einzustellen sind. Angesichts der monatlich für [X.] verfügbaren Mittel in Gestalt der Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 911,18 € netto und der Leistungen der Pflegeversicherung in Höhe von 853 € besteht bei Abzug des anteiligen [X.]erbungskostenpauschbetrags gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 [X.]uchst. a EStG in Höhe von 8,50 € (1/12 von 102 €) pro Monat und der monatlichen Kostenpauschale von 15 € eine Deckungslücke in Höhe von 2.052,32 € im August 2019 bzw. von bis zu 2.932,02 € in den übrigen Monaten. Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass diese Lücke bei einer Aufteilung des von der Versicherung erwirtschafteten Teils der Versicherungsleistung auf sieben Monate in einem Teil der Monate oder in allen Monaten geschlossen werden kann.

Da die [X.]etrachtung der Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt an die tatsächlich verwirklichten Verhältnisse anknüpft (Senatsurteil in [X.]E 268, 13, [X.] 2021, 807, Rz 31), kommt es nicht darauf an, dass die Deckungslücke nicht vollständig geschlossen worden wäre, wenn [X.] die Auszahlung der monatlichen Rente gewählt hätte.

4. [X.] ist nicht spruchreif und wird an das [X.] zurückverwiesen.

Das [X.] wird im zweiten Rechtsgang zu ermitteln haben, in welchem Umfang dem Kind ein [X.]ezug zugeflossen ist, der sich im streitgegenständlichen [X.]raum kindergeldschädlich auswirken kann.

Dabei ist der Sparanteil, welcher sich aus den eingezahlten [X.]eträgen speist, von der Versicherungssumme abzuziehen. Hierbei handelt es sich nach den Grundsätzen des abgekürzten [X.] um Sparleistungen des [X.], auch wenn die [X.]eträge von der Klägerin an die Versicherung überwiesen worden sind. Die Mutter hat dem Kind Geldbeträge in Höhe der Versicherungsbeiträge zugewendet, die das Kind der Versicherung schuldete (vgl. [X.]-Urteil vom 22.10.2014 - II R 26/13, [X.]E 247, 456, [X.], 239, Rz 16 und 18). Soweit in den danach von [X.] aufgewandten [X.]eiträgen auch Abschluss- oder Verwaltungskosten bzw. ähnliche Aufwendungen enthalten waren, wären sie gleichfalls abzugsfähig, da die Pauschale von 15 € pro Monat nur in Ansatz zu bringen ist, soweit nicht höhere Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Zufluss der entsprechenden Einnahmen stehen, entstanden sind. Im zweiten Rechtsgang ist somit auch festzustellen, ob [X.] entsprechende Aufwendungen hatte, andernfalls sind von den [X.]ezügen pauschal 15 € pro Monat abzuziehen (vgl. Senatsurteile in [X.]/NV 2014, 498, Rz 22, und in [X.]E 268, 13, [X.] 2021, 807, Rz 22 und 25).

Im Streitzeitraum können zudem nur [X.]ezüge kindergeldschädlich sein, die [X.] nicht bereits in einem früheren Veranlagungszeitraum zugeflossen sind. Dies kommt in [X.]etracht, wenn in der Vergangenheit fällige und liquide Forderungen bewusst nicht geltend gemacht, sondern angespart wurden (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 108, 296, Rz 17) oder Zinsen und Überschüsse mit zu zahlenden [X.]eiträgen verrechnet wurden (vgl. etwa Schreiben des [X.]undesministeriums der Finanzen vom 01.10.2009 - IV [X.] 1-S 2252/07/0001, [X.]St[X.]l I 2009, 1172, Rz 13 ff., 45 f.). Das [X.] wird die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben.

Der danach verbleibende Teil der im Juni 2019 ausgezahlten Versicherungsleistung ist auf den [X.] und die folgenden Monate des [X.] zu verteilen.

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III R 48/20

15.12.2021

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 21. Juli 2020, Az: 12 K 2928/19, Urteil

§ 62 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 63 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 63 Abs 1 S 2 EStG 2009, § 32 Abs 4 S 1 Nr 3 EStG 2009, EStG VZ 2019

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.12.2021, Az. III R 48/20 (REWIS RS 2021, 293)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 293


Verfahrensgang

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Az. III R 48/20

Bundesfinanzhof, III R 48/20, 15.12.2021.


Az. 12 K 2928/19

FG München, 12 K 2928/19, 21.07.2020.


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