Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.01.2015, Az. 10 C 11/14

10. Senat | REWIS RS 2015, 16837

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Gegenstand

Fortsetzungsfeststellungsklage; Rehabilitierungsinteresse; Wahl; Kommunalwahl; passives Wahlrecht; Wahlrechtsgrundsätze; Unmittelbarkeit der Wahl; Gleichheit der Wahl; Wahlrechtsgleichheit; Ausschluss aus dem Gemeinderat; Verlust des Mandats; Ansehensverlust; Vertrauensverlust; Repräsentation; Funktionsfähigkeit des Gemeinderates; Arbeitsfähigkeit des Gemeinderates; Ermessen


Leitsatz

1. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl gebietet, dass die Innehabung des Mandats ohne Dazwischentreten eines dritten Willens auf die Wahlentscheidung des Wählers zurückzuführen sein muss. Eine Entscheidung Dritter über den Fortbestand des Mandats berührt den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl, wenn sie den Erfolg des Wählervotums - das Gewähltsein - als solches in Frage stellt, nicht hingegen, wenn sie den Mandatsverlust an wahlfremde Umstände anknüpft.

2. Die Wahrung oder Wiederherstellung der Fähigkeit des Gemeinderates, seine gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen, kann einen Grund des gemeinen Wohls darstellen, der die mit dem Ausschluss eines Ratsmitgliedes verbundene Einschränkung der passiven Wahlrechtsgleichheit zu rechtfertigen vermag. Demgegenüber reicht die Absicht, das Ansehen des Gemeinderates oder das Vertrauen der Wähler in dessen Integrität zu schützen, hierzu nicht hin.

Tatbestand

1

Der Kläger wurde bei der Kommunalwahl am 7. Juni 2009 in den Rat der beklagten [X.] gewählt. Mit Beschluss vom 22. September 2011 schloss der Rat ihn aus. Der Kläger hat den Ausschließungsbescheid angefochten; nach Ablauf der Wahlperiode begehrt er noch die gerichtliche Feststellung, dass dieser Ausschluss rechtswidrig war.

2

Mit Urteil vom 22. Dezember 2010 verurteilte das [X.] den Kläger wegen in Mittäterschaft begangener gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Das [X.] sah es als erwiesen an, dass der Kläger auf die Nachricht hin, eine Gruppe politischer Gegner habe Wahlplakate seiner [X.] abgerissen, mehrere Gleichgesinnte organisiert und sich auf die Suche nach den "[X.]n" begeben habe. Ihm und einem Teil seiner Begleiter sei es gelungen, einen bei der Verfolgung gestrauchelten "[X.]" zu stellen. Dieser habe von den Begleitern des [X.] etwa fünf Faustschläge gegen den Kopf und fünf Tritte gegen den Rumpf erhalten. Der Kläger habe das Geschehen selbst zwar lediglich beobachtet, sei aber dessen Hauptinitiator gewesen; zudem habe die Gruppe einen gemeinsamen [X.] verfolgt. Die Revision des [X.] gegen dieses Urteil verwarf der [X.] mit Beschluss vom 3. August 2011, seine Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen.

3

§ 31 Abs. 1 der [X.] Gemeindeordnung ([X.]) sieht vor, dass ein Ratsmitglied durch Beschluss des Gemeinderates aus diesem ausgeschlossen werden kann, wenn es nach seiner Wahl durch Urteil eines [X.] Strafgerichts rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt wird und durch die Straftat die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit verwirkt hat. Gestützt hierauf schloss der Rat der Beklagten den Kläger - ohne dessen Mitwirkung - mit einstimmigem Beschluss vom 22. September 2011 aus dem [X.]rat aus. Die genannte Vorschrift schütze die Lauterkeit und Sauberkeit der Verwaltung. Die Tätigkeit als Ratsmitglied und damit als Vertreter der Bevölkerung setze ein Vertrauensverhältnis zwischen den Vertretenen und den Vertretern voraus. Dieses sei hier in ganz besonderem Maße gestört, nachdem der Kläger sich über das Recht und das staatliche Gewaltmonopol hinweggesetzt, sich selbst zum [X.] einer Sachbeschädigung aufgeworfen und dabei in menschenverachtender Weise körperliche Gewalt gegen einen Wehrlosen eingesetzt habe. Damit habe sich der Kläger der ihm durch die Wahl entgegengebrachten öffentlichen Achtung als unwürdig erwiesen. Der Wähler könne dem Kläger erst bei der nächsten Kommunalwahl das Vertrauen verweigern. Während der Wahlperiode obliege es dem [X.]rat sicherzustellen, dass die politische Willensbildung im Rat nur durch integre Mitglieder erfolge.

4

Seine hiergegen erhobene Klage hat der Kläger im Wesentlichen damit begründet, dass § 31 [X.] verfassungswidrig sei. Durch das Grundgesetz und die [X.]verfassung von [X.] würden auch für Kommunalwahlen die [X.] garantiert. Besonders die Grundsätze der Allgemeinheit, der Gleichheit und der Unmittelbarkeit der Wahl würden aber durch den Ausschluss aus dem [X.]rat verletzt, weil sich die Mehrheit des Rates eines politischen Gegners unter Berufung auf ein so unklares Merkmal wie die Unbescholtenheit entledigen könne.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, § 31 Abs. 1 [X.] lasse sich verfassungsrechtlich nicht beanstanden. Die Vorschrift habe keinen strafrechtlichen Charakter, weshalb die Gesetzgebungsbefugnis des [X.] nicht durch das [X.] verdrängt sei. Sie sei auch hinlänglich bestimmt gefasst. Schließlich verletze sie keinen der verfassungsrechtlich verbürgten [X.]. Zwar stelle der Ausschluss aus dem Gemeinderat einen Eingriff in die Allgemeinheit, die Gleichheit und die Unmittelbarkeit der Wahl dar; diese Grundsätze beschränkten sich nicht auf die Erlangung des Mandats, sondern umfassten auch das Recht des Gewählten, das Mandat während der gesamten Wahlperiode auszuüben. Der Eingriff sei aber gerechtfertigt, weil § 31 Abs. 1 [X.] bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung dem Schutz von Rechtsgütern diene, die ihrerseits von der Verfassung legitimiert und von mindestens gleichem Gewicht wie die [X.] seien. Die Vorschrift diene dem Schutz des Ansehens der Gemeindevertretung. Dieses Schutzgut genieße zwar nicht generell und als solches, wohl aber dann wenigstens gleichen verfassungsrechtlichen Rang, wenn es dazu diene, die Funktionsfähigkeit des gewählten Organs zu sichern. Das sei hier der Fall, weil dem [X.]rat die Funktion zukomme, das [X.] zu repräsentieren, und weil seine Repräsentationsfähigkeit die Akzeptanz seiner Entscheidungen im [X.] und diese wiederum dessen Vertrauen in die Integrität des Rates voraussetze. Die gebotene Verhältnismäßigkeit sei dadurch herzustellen, dass der Ausschluss nur in Anknüpfung an eine schwerwiegende Straftat verhängt werden dürfe, sei es dass diese im Rahmen der Ratstätigkeit begangen worden sei oder doch in einem hinreichend engen sachlichen Zusammenhang mit ihr stehe - wie hier im Vorfeld einer Ratswahl -, sei es dass sie die charakterliche Eignung als Ratsmitglied ausschließe. Außerdem müsse die Straftat sich in besonderem Maß negativ auf das Ansehen des Gemeinderates auswirken. Die umschriebenen Voraussetzungen lägen hier vor; der Ausschluss sei auch in einem fehlerfreien Verfahren beschlossen worden.

6

Mit seiner Revision wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen. Gegen das Berufungsurteil wendet er ein, der Ausschluss sei zur Erreichung des behaupteten Zieles, das Ansehen des Rates zu schützen, von vornherein ungeeignet, weil er dessen Ansehen eher beschädige. Einen Ausschluss auf [X.] als milderes Mittel habe der Gesetzgeber nicht erwogen. Das Verhältnis des § 31 [X.] zu § 45 StGB sei unklar. Schon die strafrechtliche Vorschrift verletze den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl. Das gelte erst recht für die kommunalrechtliche Bestimmung, zumal die Wählbarkeit nur durch [X.]spruch aberkannt werden dürfe.

7

Bei der turnusmäßigen Kommunalwahl vom 25. Mai 2014 ist der Kläger nicht mehr in den [X.]rat der Beklagten gewählt worden. Er beantragt seitdem,

das Urteil des [X.] vom 8. Mai 2012 und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts [X.] vom 15. März 2013 zu ändern und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 22. September 2011 rechtswidrig war.

8

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Vertreter des [X.] hält den nach dem Ende der Wahlperiode gestellten Feststellungsantrag für unzulässig, äußert freilich verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 31 Abs. 1 [X.].

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt unter Abänderung der klagabweisenden Urteile des Verwaltungs- wie des [X.] zu der Feststellung, dass der Ausschluss des [X.] aus dem Rat der Beklagten rechtswidrig war.

1. Mit dem Ablauf der Wahlperiode, für die der Kläger in den Rat der Beklagten gewählt war, hat sich dessen ursprüngliches Begehren, den Ratsbeschluss über den Ausschluss aufzuheben, erledigt. Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der Fortsetzungsfeststellungsklage weiter. Das ist zulässig. Namentlich verfügt er über das hierfür nötige Interesse (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Allerdings behauptet der Kläger zu Unrecht eine Wiederholungsgefahr; auf dieselbe Verurteilung dürfte ein erneuter Ausschluss nach einer der Verurteilung erst nachfolgenden Kommunalwahl nicht gestützt werden. Auch ein Präjudizinteresse besteht nicht, denn mögliche Schadensersatzansprüche des [X.] sind nicht ersichtlich; sein Hinweis auf entgangene Sitzungsgelder ist schon deshalb verfehlt, weil diese Zahlungen nur einen sitzungsbedingten Nachteil ausgleichen sollen, zu dem es mangels Sitzungsteilnahme nicht gekommen ist. Ein objektives Rechtsklärungsinteresse ist ebenfalls nicht zu erkennen. Es setzt einen sich typischerweise kurzfristig - vor der Möglichkeit gerichtlicher Klärung - erledigenden Hoheitsakt voraus (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 29 ff., 32 m.w.N.). Daran fehlt es hier schon deshalb, weil immerhin zwei Instanzen noch vor Erledigung des [X.] über dessen Rechtmäßigkeit haben befinden können.

Entgegen der Ansicht des Vertreters des [X.] hat der Kläger aber ein anzuerkennendes Rehabilitierungsinteresse in Bezug auf den hier umstrittenen [X.]ratsbeschluss der Beklagten. Die vom Kläger in den Vorinstanzen erhobenen Einwände gegen die tatsächliche Richtigkeit des Strafurteils können allerdings kein solches Interesse begründen, weil das Strafurteil rechtskräftig und nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Jedoch hat der [X.]rat der Beklagten mit dem umstrittenen Ausschließungsbeschluss aufgrund eines eigenständigen Unwerturteils eine zusätzliche Rechtsfolge gesetzt, die eine über das Strafurteil hinausgehende Herabwürdigung des [X.] darstellt. Die angestrebte Feststellung, dass dieser Beschluss rechtswidrig war, kann zu der erwünschten Rehabilitierung führen, selbst wenn der Kläger den Beschluss nicht wegen des in ihm gelegenen Unwerturteils, sondern wegen der verhängten Rechtsfolge angreift. Ein [X.] ist jedenfalls geeignet, den Ansehensverlust des [X.] in den Augen der Öffentlichkeit zumindest teilweise wieder auszugleichen.

2. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von [X.]esrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

a) Ohne Erfolg rügt der Kläger allerdings eine Verletzung von Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass § 31 Abs. 1 der Gemeindeordnung für [X.] ([X.]) i.d.F. der Bekanntmachung vom 31. Januar 1994 (GVBl. [X.], m.sp.Änd.) nicht deshalb mit [X.]esrecht unvereinbar und nichtig ist, weil dem Landesgesetzgeber zu seinem Erlass die Kompetenz gefehlt hätte. Das wäre nur der Fall, wenn § 31 Abs. 1 [X.] eine Strafnorm wäre; denn der [X.] hat insoweit von seiner eigenen Gesetzgebungszuständigkeit für das Strafrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) durch den Erlass des Strafgesetzbuches und diverser strafrechtlicher Nebengesetze abschließend Gebrauch gemacht (allg. Meinung; vgl. nur [X.], in: von [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl. 2012, Art. 74 Rn. 14; [X.], in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2006, Art. 74 Rn. 23; [X.], in: [X.] Kommentar zum Grundgesetz, Stand 2007, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 59). § 31 Abs. 1 [X.] stellt jedoch keine Strafnorm dar. Gegenstand einer Strafnorm ist die Pönalisierung strafwürdigen Unrechts ([X.], Urteil vom 6. Juni 1967 - 2 BvR 375/60 u.a. - [X.]E 22, 49 <79 ff.>; vgl. Urteil vom 10. Februar 2004 ‌- 2 BvR 834, 1588/02 - [X.]E 109, 190 <211 ff.>). Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass § 31 Abs. 1 [X.] keinen solchen Zweck verfolgt. Auch wenn sie an eine Kriminalstrafe anknüpft, so dient sie doch nicht ihrerseits einem Strafzweck, bezieht also ihre sachliche Rechtfertigung nicht aus der [X.] ([X.], Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - [X.]E 109, 190 <215 ff.>).

Damit verfängt auch der Hinweis des [X.] auf §§ 45 ff. [X.] nicht. Richtig ist, dass diese Vorschriften den Verlust der Wählbarkeit vorsehen, was ebenfalls zum [X.] führt. Es handelt sich jedoch um eine spezifisch strafrechtliche Nebenfolge, die in der Rechtsprechung und Literatur deshalb ganz überwiegend als Nebenstrafe bezeichnet wird. Hierfür ist ausschlaggebend, dass sie nach Grund, Art und Höhe allein an den Unrechtsgehalt der abgeurteilten Tat anknüpft und demzufolge die Wählbarkeit (und die Amtsträgerfähigkeit) des [X.] für bestimmte Zeit in jedweder Hinsicht, also für jedwedes Mandat (und für jedwedes Amt) ausschließt. Demgegenüber ist für § 31 Abs. 1 [X.] nicht der Unrechts- oder Schuldgehalt der vom Strafgericht abgeurteilten Tat, sondern die Auswirkung der Verurteilung auf die künftige Verwaltungstätigkeit des Gemeinderates ausschlaggebend. Bezugspunkt dieser Beurteilung ist nicht der Täter, sondern der Gemeinderat selbst. Es ist auch nicht erkennbar, dass sich das Landesgesetz derart mit §§ 45 ff. [X.] in Widerspruch setzt, dass den Normadressaten widersprüchliche [X.] erreichen (vgl. [X.], Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991/95 u.a. - [X.]E 98, 106 <118 ff.>).

Stellt § 31 Abs. 1 [X.] keine Strafnorm dar, so liegt auch der vom Kläger gerügte Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG) nicht vor.

b) Das Berufungsurteil beruht jedoch auf einer unzutreffenden Auslegung des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese Bestimmung des [X.]esverfassungsrechts schreibt die so genannten Wahlrechtsgrundsätze auch für Gemeinderatswahlen verbindlich vor ([X.], Beschluss vom 15. Februar 1978 - 2 BvR 134/76 u.a. -‌ [X.]E 47, 253 <276 f.>). Hiernach müssen Gemeinderatswahlen allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim sein. Daraus erwachsen den Wahlbürgern subjektiv-öffentliche Rechte nicht nur für das aktive, sondern auch für das passive Wahlrecht ([X.], Beschluss vom 16. Januar 1996 - 2 BvL 4/95 - [X.]E 93, 373 <376> m.w.N.), das hier in Rede steht.

aa) Ohne Erfolg rügt der Kläger allerdings, dass das Berufungsgericht in seinem Ausschluss aus dem Gemeinderat keine Verletzung des Grundsatzes der Freiheit der Wahl gesehen hat. Die Freiheit des [X.], sich als Kandidat aufstellen und wählen zu lassen, ist nicht berührt. Um die Freiheit seiner Mandatsausübung geht es ebenfalls nicht; die Ausschließung aus dem [X.]rat betrifft nicht das "Wie" der Mandatsausübung, sondern das "Ob" der Mandatsinnehabung überhaupt.

bb) Dass das Berufungsgericht die Grundsätze der Allgemeinheit und der Unmittelbarkeit nicht als verletzt erachtet hat, ist jedenfalls im Ergebnis richtig. Beide Grundsätze sind nicht berührt.

(1) Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl soll den Ausschluss bestimmter Teile der Bevölkerung - auch Einzelner - vom aktiven und passiven Wahlrecht verhindern. Er dient damit der Gewährleistung des allgemeinen [X.] Prinzips ([X.], in: von [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl. 2012, Art. 38 Rn. 19 m.w.N.). Die Allgemeinheit des passiven Wahlrechts wird durch gesetzliche Beschränkungen der Wählbarkeit berührt, etwa durch ein bestimmtes Mindestalter, durch eine Mindestaufenthaltsdauer in der Gemeinde oder durch [X.] (vgl. Art. 137 Abs. 1 GG), aber auch durch Beschränkungen der Wählbarkeit Einzelner, wozu § 45 [X.] ermächtigt (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 23. Oktober 1973 - 2 BvC 3/73 - [X.]E 36, 139 <141 f.> und vom 21. September 1976 - 2 BvR 350/75 - [X.]E 42, 312 <340 f.>; kritisch [X.], in: Handbuch des Staatsrechts, Hrsg. [X.]/[X.], 3. Aufl. 2005, § 46 Rn. 4; [X.], in: von [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl. 2012, Art. 38 Rn. 24). Eine derartige Entziehung der Wählbarkeit steht hier jedoch nicht in Rede. Der Kläger darf unverändert bei politischen Wahlen - auch bei Kommunalwahlen der Beklagten - kandidieren und sich wählen lassen. Deshalb bedarf keiner Entscheidung, ob ihm darin beizupflichten wäre, dass die Aberkennung der Wählbarkeit nur durch Richterspruch erfolgen dürfte (vgl. in diesem Sinne die [X.] der [X.], [X.] in Electoral Matters, 2002, sowie allgemein zur Verpflichtungskraft von völkerrechtlichen Grundsätzen [X.], Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 u.a. - [X.]E 128, 326 m.w.N.).

(2) Auch der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl greift nicht ein. Er gebietet, dass die Innehabung des Mandats unmittelbar, das heißt ohne Dazwischentreten (oder Mitwirken) eines dritten Willens auf die Wahlentscheidung des Wählers zurückzuführen sein muss. Der Grundsatz verbietet mit anderen Worten, dass das Mandat statt vom Wähler von einem [X.] erteilt wird (vgl. [X.], in: von [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl. 2012, Art. 38 Rn. 27 m.w.N.).

Allerdings ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass die Geltung des Grundsatzes nicht zeitlich auf die Dauer des Wahlverfahrens beschränkt werden kann. Auch nach der ersten Zuteilung der Mandate und nach dem Beginn der Amtsperiode der [X.] kann die Rückführbarkeit des Mandats allein auf die Entscheidung des Wählers noch in Frage gestellt werden. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl gebietet etwa, dass nachträgliche Veränderungen der Sitzzuteilung im Zuge von [X.] sich allein nach dem Wahlergebnis richten oder dass im Falle des späteren Rücktritts eines Gewählten (vgl. [X.], Beschluss vom 11. November 1953 - 1 BvL 67/52 - [X.]E 3, 45) das Nachrücken eines Ersatzbewerbers sich allein auf die Wählerentscheidung zurückführen lässt. Die Unmittelbarkeit der Wahl wird deshalb während der laufenden Amtsperiode der gewählten [X.] berührt, wenn die Wirkung der Wählerentscheidung, das Mandat für die gesamte (restliche) Amtsperiode zu verleihen, von [X.] als solche bestritten wird, sei es dass ein Nachrücker dem ursprünglich Gewählten nachträglich wieder weichen soll ([X.], Urteil vom 7. Juli 1977 - [X.]. 783 - NJW 1997, 2065), sei es dass die [X.], welche den [X.] aufgestellt hat, dessen vorzeitigen Mandatsverzicht verlangt (sog. Rotation).

Dagegen wird der Grundsatz der Unmittelbarkeit durch den vorliegenden Ausschluss aus der [X.] noch nicht berührt. Es ist verfehlt, jeden von [X.] verfügten [X.] als Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Wahl anzusehen. Der Grundsatz stellt schon nach seinem Wortlaut - "unmittelbar" - auf eine kausale Relation ab. Er ist nur betroffen, wenn das [X.] als solches durch eine Willensentscheidung Dritter negiert wird.

Das bestätigt ein Blick auf den historischen Zweck des [X.]. Ursprünglich richtete er sich auf den Ausschluss der mittelbaren Wahl durch Wahlmänner; insofern ist der Grundsatz in [X.] weitgehend obsolet, weil erfüllt. Eine neue Bedeutung erhält der Grundsatz durch die Gefahr einer Mediatisierung der Wahlentscheidung durch die politischen [X.]en (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. November 1953 - 1 BvL 67/52 - [X.]E 3, 45 <50>, vom 3. Juli 1957 - 2 BvR 9/56 - [X.]E 7, 63 <68 f.>, vom 9. Juli 1957 ‌- 2 BvL 30/56 - [X.]E 7, 77 <84 f.> und vom 15. Februar 1978 - 2 BvR 134/76 u.a. - [X.]E 47, 253 <279 f.>; vgl. auch Urteil vom 10. April 1997 ‌- 2 [X.] - [X.]E 95, 335 <350>). Beides betrifft zwar das Wahlverfahren, hierbei aber gerade diejenigen Vorschriften, welche das Mandat des Gewählten auf die Wahlentscheidung des Wählers zurückführen. Das schließt nicht aus, dass der Grundsatz künftig noch zusätzliche Bedeutung erlangt; auch dann aber steht der Kausalzusammenhang zwischen der Wahlentscheidung und dem [X.] des [X.]s inmitten. Insofern sichert der Grundsatz die Verantwortlichkeit des Gewählten allein gegenüber den [X.]; er soll Legitimation und Auftrag seines Mandats allein von seinen [X.] erhalten und nicht auf Dritte zurückführen müssen oder dürfen.

Dann aber stellt nicht jede Entscheidung Dritter über den Fortbestand des Mandats eine Beeinträchtigung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Wahl dar, sondern nur eine solche, welche den Erfolg des [X.] - das [X.] - als solches negiert. [X.] ist demgegenüber eine Entscheidung, welche einen [X.] an wahlfremde Umstände knüpft. So wird durch einen [X.] als Folge des Verlusts der Wählbarkeit - etwa der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes in der Gemeinde - das [X.] als solches nicht in Zweifel gezogen. Auch ein [X.] aus strafrechtlichen Gründen (§ 45 [X.]) oder - wie hier - aus Gründen der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Rates stellt die Wahlentscheidung selbst nicht in Frage. Deshalb wird der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl durch § 31 Abs. 1 [X.] nicht berührt. Die Vorschrift ermächtigt den Rat - und damit einen anderen als den Wähler - zwar, über den Fortbestand eines Mandats zu entscheiden. Jedoch zieht diese Entscheidung des Rates nicht das [X.] des Mandatsträgers in Zweifel, sondern knüpft an wahlfremde Umstände an.

cc) Das Berufungsurteil beruht jedoch auf einer unzutreffenden Handhabung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl.

(1) Ebenso wie der Grundsatz der Allgemeinheit ist der Grundsatz der Gleichheit der Wahl eng mit dem Demokratieprinzip verbunden. Deshalb garantiert er die Gleichheit des Wahlrechts in formal-egalitärer Weise, so dass grundsätzlich die eine Stimme auf das Wahlergebnis rechtlich denselben Einfluss ausüben muss wie die andere ([X.], Urteil vom 23. Januar 1957 - 2 [X.] - [X.]E 6, 84 <91>; stRspr). Auch dieser Grundsatz beherrscht nicht nur die Erlangung des Mandats und damit die erste Zusammensetzung des gewählten Organs, sondern ebenso den Fortbestand des Mandats und damit die Zusammensetzung des Organs während der gesamten Wahlperiode ([X.], Beschluss vom 16. Januar 1996 - 2 BvL 4/95 - [X.]E 93, 373 <377> m.w.N.).

Dass § 31 Abs. 1 [X.] den Gemeinderat zu einer Ungleichbehandlung bestimmter Gemeinderatsmitglieder ermächtigt, steht außer Zweifel. Der Betroffene wird gegenüber den übrigen Gewählten ungleich behandelt, weil er sein Mandat nicht länger ausüben darf. Anders als das Berufungsgericht meint, ist hierfür unerheblich, ob die Wahl selbst eine Persönlichkeitswahl ist oder doch ‌- durch die Möglichkeit des Kumulierens und [X.] - jedenfalls Elemente einer Persönlichkeitswahl enthält. Selbst im Falle einer reinen Listenwahl ohne derartige Variationsmöglichkeiten beruht das Mandat eines jeden Ratsmitgliedes auf einem für sämtliche ([X.] grundsätzlich gleichen Wahlsystem (vgl. [X.], Beschluss vom 11. November 1953 - 1 BvL 67/52 - [X.]E 3, 45 <50 f.>), dessen Ergebnis durch den späteren Ausschluss eines Gewählten verändert wird. Auf die Besonderheiten des [X.] Kommunalwahlsystems kommt es daher nicht an.

(2) Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG schließt eine Ungleichbehandlung der Gewählten zwar nicht schlechterdings aus, knüpft sie aber an zwingende Gründe des gemeinen Wohls, welche die Durchbrechung des [X.] Prinzips der formalen Stimmengleichheit rechtfertigen ([X.], Beschlüsse vom 9. März 1976 - 2 BvR 89/74 - [X.]E 41, 399 <413> und vom 16. Januar 1996 - 2 BvL 4/95 - [X.]E 93, 373 <377> m.w.N.). Das setzt voraus, dass die Gründe des gemeinen Wohls ihrerseits von verfassungsrechtlichem Rang sind und ein dem [X.] wenigstens entsprechendes Gewicht aufweisen ([X.], Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 - [X.]E 95, 408 <418>), sei es dass sie sich aus der Natur des Wahlvorgangs zwingend ergeben, sei es dass sie im Konfliktfalle einem anderen [X.] zur Geltung verhelfen sollen, sei es schließlich dass sie der Verwirklichung der mit der Wahl verfolgten Ziele dienen (vgl. [X.], Urteile vom 29. September 1990 - 2 [X.] u.a. - [X.]E 82, 322 <338>, vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 - [X.]E 95, 408 <409> und vom 13. Februar 2008 - 2 BvK 1/07 - [X.]E 120, 82 <106 f.>; jeweils m.w.N.).

Ausweislich Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG zielt die Wahl des Gemeinderates darauf, den Gemeinderat als Hauptvertretungsorgan des [X.] zu bilden, dem neben dem Bürgermeister die Erfüllung der Verwaltungsaufgaben der Gemeinde obliegt. Die Wahl verfehlte diesen ihren Zweck, wenn das gewählte Vertretungsorgan seine Aufgaben nicht oder nur eingeschränkt wahrnehmen könnte. Es ist deshalb anerkannt, dass die Wahrung oder Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Rates einen Grund des gemeinen Wohls darstellen kann, der nach Rang und Gewicht eine Einschränkung der Wahlrechtsgleichheit zu legitimieren vermag. Voraussetzung ist allerdings, dass eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit typischerweise vorliegt oder hinlänglich konkret zu erwarten ist und dass die Ungleichbehandlung eine Beseitigung dieser Störung mit hinreichender Sicherheit verspricht (vgl. [X.], Urteil vom 13. Februar 2008 - 2 BvK 1/07 - [X.]E 120, 82 <114>).

Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die durch § 31 Abs. 1 [X.] ermöglichte Ungleichbehandlung gewählter Gemeinderatsmitglieder durch den Zweck der Wahrung oder Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Rates gerechtfertigt werden könne. Allerdings hat es insofern nicht auf die Fähigkeit des Rates abgestellt, seine Verwaltungsaufgaben zu erfüllen, sondern darauf, ob der Rat imstande ist, das [X.] "richtig" zu repräsentieren, sowie im [X.] darauf, ob sich das [X.] durch den Rat angemessen repräsentiert sehe. Nur dann genieße der Rat das nötige Ansehen in der Bevölkerung, auf welches die Vorgängerregelung zu § 31 Abs. 1 [X.] abgehoben habe ([X.]. [X.]) und welches allein die Akzeptanz des Rates und seiner Entscheidungen in der Bevölkerung gewährleisten könne (vgl. [X.], [X.] 2012, 320 <322>). Damit kann eine Abweichung von der strengen Mandatsgleichheit nicht gerechtfertigt werden. Zwar dient die Gemeindevertretung der Vertretung des [X.] und ist es Aufgabe der Wahl und des sie ordnenden Wahlrechts, diese Vertretung zu bewerkstelligen. Jedoch gebietet der Gesichtspunkt der [X.] in erster Linie eine Repräsentationsgenauigkeit und spricht damit gerade gegen eine Veränderung des Wahlergebnisses, weshalb das [X.]esverfassungsgericht Benachteiligungen einzelner [X.] bei der Ausübung ihres Mandats gerade für unzulässig erklärte ([X.], Urteile vom 13. Juni 1989 - 2 [X.], Wüppesahl - [X.]E 80, 188 <219, 222> und vom 16. Juli 1991 - 2 [X.] - [X.]E 84, 304 <321 f.>).

Andere Ungleichbehandlungen hat das [X.]esverfassungsgericht nur in besonderen Ausnahmelagen - und begrenzt auf diese - zugelassen. So hat es eine parlamentarische Untersuchung des "[X.]" einzelner [X.] zu Zwecken der Aufklärung der Öffentlichkeit nur für die historische und politische Sonderlage der [X.] gebilligt ([X.], Beschluss vom 21. Mai 1996 - 2 [X.] - [X.]E 94, 351 <367 ff.>; Urteil vom 20. Juli 1998 - 2 [X.] - [X.]E 99, 19 <32>). Es ist nicht ersichtlich, dass die nicht nur in [X.] situativ anwendbare, sondern generelle Vorschrift des § 31 Abs. 1 [X.] durch diese Judikatur gestützt werden könnte. Daran vermag auch der Vortrag der Beklagten nichts zu ändern, ihr [X.]rat habe im vorliegenden Fall lediglich einen irrtumsbelasteten Wählerwillen korrigieren wollen ("Hätte der Wähler um die Strafverurteilung gewusst, hätte er den Kläger nicht gewählt."). Das vermag die gesetzliche Vorschrift als solche nicht zu rechtfertigen (und trifft im Übrigen auch tatsächlich nicht zu, weil jedenfalls die - dann später abgeurteilte - Straftat am Wahltag allgemein bekannt war).

3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Zwar lässt sich § 31 Abs. 1 [X.] - enger als vom Berufungsgericht angenommen - verfassungskonform auslegen. Einer solchen Auslegung der irrevisiblen Norm durch das Revisionsgericht steht auch deren weitere berufungsgerichtliche Auslegung nicht entgegen, wenn diese ‌- wie hier - revisibles Recht verletzt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1986 - 7 C 79.85 - BVerwGE 75, 67 <72> m.w.N.). Bei zutreffender verfassungskonformer Auslegung deckt § 31 Abs. 1 [X.] aber nicht die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung. Das ergibt sich aus den revisionsrechtlich bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz (§ 137 Abs. 2 VwGO), ohne dass weitere Feststellungen erforderlich wären. Das [X.]esverwaltungsgericht kann daher in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Dies führt zur Änderung der Urteile der Vorinstanzen und zu der vom Kläger begehrten Feststellung, dass sein Ausschluss aus dem Rat der Beklagten rechtswidrig war.

a) Allerdings ist § 31 Abs. 1 [X.] gültiges Recht. Entgegen der Auffassung des [X.] ist die Vorschrift einer Auslegung zugänglich, die mit den Anforderungen des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl vereinbar ist. Wie erwähnt, setzt dies voraus, dass die Vorschrift dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Rates im Sinne seiner Fähigkeit, seine gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen, dient, dass eine solche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit in den vom Gesetz erfassten Fällen typischerweise vorliegen oder eintreten kann und dass die vom Gesetz vorgesehene Ungleichbehandlung eine Beseitigung dieser Störung mit hinreichender Sicherheit verspricht (vgl. [X.], Urteil vom 13. Februar 2008 - 2 BvK 1/07 - [X.]E 120, 82 <114>). Das kann angenommen werden, wenn ein Ratsmitglied wegen einer Straftat verurteilt wurde, die in sachlichem Zusammenhang mit der [X.] steht und die die Arbeitsfähigkeit des Rates so nachhaltig stört, dass deren Sicherstellung oder Wiederherstellung den Ausschluss des Ratsmitgliedes erfordert.

Richtig ist, dass sich eine solche Auslegung von der Vorstellung des historischen Gesetzgebers, wie sie das Berufungsgericht ermittelt hat, entfernt. Dem historischen Gesetzgeber ging es nicht um die Sicherung der Arbeitsfähigkeit des Rates, sondern um die Sicherung seines Ansehens in der Bevölkerung. Damit allein ließe sich die Durchbrechung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Wahlrechtsgleichheit nicht rechtfertigen. Das zwingt indes nicht dazu, § 31 Abs. 1 [X.] für verfassungswidrig zu erklären. Der Wortlaut der Vorschrift lässt zu, die Vorschrift zum Schutz der Arbeitsfähigkeit des Rates und damit zu einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck einzusetzen. Auch das Berufungsgericht hat ihren Schutzzweck abweichend von der Vorstellung des historischen Gesetzgebers definiert, auch wenn es insofern noch nicht weit genug gegangen ist. Ist eine gesetzliche Vorschrift hinsichtlich eines Teils ihres Anwendungsbereichs verfassungskonform und kann sie derartig einschränkend ausgelegt werden, verbietet es sich, sie auch insoweit und damit gänzlich als verfassungswidrig und nichtig anzusehen.

§ 31 Abs. 1 [X.] erlaubt den Ausschluss eines Ratsmitgliedes aus dem Rat, wenn das Ratsmitglied - erstens - nach der Wahl zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt wurde und es - zweitens - durch die Straftat die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit verwirkt hat. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist, wer vorbestraft ist, nicht mehr unbescholten. Die zweite Voraussetzung für den Ausschluss erlangt demzufolge gegenüber der ersten nur dadurch selbstständige Bedeutung, dass Art und Maß der "[X.]" danach bestimmt werden muss, was "für ein Ratsmitglied erforderlich" ist. Dies erlaubt und gebietet es, die Möglichkeit des Ausschlusses aus dem Rat wegen einer Straftat in sachliche Beziehung zur [X.] sowie nach Art und Gewicht zugleich in Beziehung zu dem [X.] Prinzip zu setzen, dessen Wahrung das Gebot der Wahlrechtsgleichheit in erster Linie dient und welches der Ausschluss relativiert.

Daraus ergibt sich zum einen, dass die Straftat in sachlichem Zusammenhang mit der [X.] stehen muss. Dieser Zusammenhang besteht nicht nur bei einer Straftat in der Ratssitzung oder in sonstiger Ausübung des Mandats, sondern etwa auch bei einer Straftat im Zuge des Kommunalwahlkampfs wie im vorliegenden Falle oder eines sonstigen politischen Wahlkampfs. Insofern ist dem Berufungsgericht beizupflichten. Ihm kann lediglich darin nicht gefolgt werden, dass es auch Straftaten ohne jegliche politische Konnotation als mögliche Anknüpfungstaten ansieht, wenn diese nur hinlänglich schwer wiegen; solchen Taten fehlt der nötige sachliche Bezug zur [X.].

Aus dem Vorstehenden ergibt sich des Weiteren, dass die Straftat die Sorge begründen muss, von dem Ratsmitglied gehe auch künftig eine Gefährdung der Arbeitsfähigkeit des Rates aus. Im Kommunalrecht ist weithin anerkannt, dass der Zweck, die Funktionsfähigkeit der Ratstätigkeit zu schützen, den zeitweiligen Ausschluss eines Ratsmitgliedes aus der laufenden Sitzung oder zusätzlich für die folgende oder mehrere folgende Sitzungen in Anknüpfung an eine Störung der Sitzung erlaubt. Es ist möglich, dass das Verhalten eines Ratsmitgliedes im Rat oder im sachlichen Zusammenhang mit der [X.] die Funktionsfähigkeit des Rates derart gravierend beeinträchtigt, dass deren Schutz den Ausschluss dieses Mitgliedes für den verbleibenden Rest der Wahlperiode erforderlich macht. Das kommt namentlich in Betracht, wenn das Ratsmitglied organisierte Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung eingesetzt hat. Ein solches Verhalten stellt die freie [X.] Willensbildung im Rat in Frage. Die Willensbildung im Rat setzt voraus, dass alle Ratsmitglieder ihr Mandat frei von unzulässiger Einflussnahme, Druck und Einschüchterung wahrnehmen und ihre Überzeugung und ihre politischen Anliegen in der [X.] uneingeschränkt zum Ausdruck bringen können. Daran fehlt es, wenn sie infolge des Verhaltens eines Ratskollegen damit rechnen müssen, dass dieser auch künftig organisierte körperliche Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung einsetzt. Solche Handlungen führen typischerweise zur Einschüchterung und sind geeignet, das eigene Verhalten im Rat in einer Weise zu beeinflussen, die Konflikte mit diesem Ratskollegen zu vermeiden, zu mindern oder zu verdecken sucht. All diese Reaktionen beeinträchtigen die freie politische Auseinandersetzung im Rat und stellen damit die [X.] Grundlage der gemeindlichen Aufgabenerfüllung in Frage.

b) Ob hiernach die gesetzlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 [X.] in der gebotenen verfassungskonformen Auslegung vorlagen, ist nicht festgestellt. Der Rat der beklagten [X.] hat jedenfalls von dem durch die Vorschrift eröffneten Ermessen keinen dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Gebrauch gemacht, obwohl dies geboten gewesen wäre (§ 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 40 VwVfG). Der [X.]rat der Beklagten hat angenommen, dass § 31 Abs. 1 [X.] dem Schutz der Lauterkeit und Sauberkeit der Verwaltung und damit dem Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen dem [X.] und dem Rat als seiner Vertretung diene; dieses Vertrauensverhältnis hat er als gestört erachtet, zu seiner Wiederherstellung hat er den Ausschluss des [X.] verfügt. Das entspricht zwar - wie gezeigt - der Vorstellung des historischen Gesetzgebers, wird indes den Anforderungen des Grundgesetzes nicht gerecht. Auf den Schutz seiner Arbeits- und Funktionsfähigkeit, auch auf das hierzu nötige Vertrauen in die allseitige Friedfertigkeit der Ratsmitglieder untereinander, hat der Rat den Ausschlussbeschluss hingegen nicht gestützt. Zudem hat er nicht geprüft, ob die Gefahr für seine Arbeitsfähigkeit noch gegenwärtig fortbestand und ob ihr mit dem Ausschluss des [X.] hinlänglich sicher begegnet werden konnte. Entgegen der Auffassung des [X.] fehlt es daran allerdings nicht schon, weil auch ein ausgeschlossenes Ratsmitglied versuchen könnte, gewaltsam gegen politische Gegner vorzugehen. Im Rat wäre die Gefahr entsprechender Störungen mit dem Ausschluss beseitigt. [X.] Störungen durch Nichtmitglieder wäre nicht mit kommunalrechtlichen, sondern mit polizei- und strafrechtlichen Maßnahmen zu begegnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Meta

10 C 11/14

21.01.2015

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 15. März 2013, Az: 10 A 10573/12, Urteil

Art 28 Abs 1 S 2 GG, § 113 Abs 1 S 4 VwGO, § 31 Abs 1 GemO RP

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.01.2015, Az. 10 C 11/14 (REWIS RS 2015, 16837)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16837

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