Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.09.2021, Az. II R 8/20

2. Senat | REWIS RS 2021, 2920

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Gegenstand

Kosten für ein Grabdenkmal als Nachlassverbindlichkeiten


Leitsatz

1. Zu den Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG können auch Aufwendungen für eine Zweitgrabstätte gehören, wenn die erste Grabstätte nur als vorübergehende Ruhestätte des Verstorbenen bestimmt war.

2. Die Angemessenheit eines Grabdenkmals richtet sich neben dem Umfang des Nachlasses nach der Lebensstellung des Erblassers. Entscheidend ist, was nach den in den Kreisen des Erblassers herrschenden Auffassungen und Gebräuchen zu einer würdigen Bestattung gehört.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 23.03.2020 - 4 K 2077/19 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist aufgrund gesetzlicher Erbfolge der Alleinerbe seines am ...2017 in [X.] verstorbenen [X.] (Erblasser). Beide sind muslimischen Glaubens. Der Erblasser wurde am [X.] bestattet. Die vom Kläger getragenen Kosten für das Grabdenkmal dieser Bestattung betrugen 9.300 €.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte mit [X.] vom 16.01.2019 Erbschaftsteuer fest. Der Bescheid erging vorläufig i.S. des § 165 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung hinsichtlich der Erbfallkosten, insbesondere der Kosten für ein Grabdenkmal, da der Kläger voraussichtliche Kosten für ein noch zu errichtendes [X.] geltend gemacht hatte.

3

Im Rahmen des [X.], in dem der Kläger unter Vorlage eines Bauvertrags vom 21.03.2019 für die Errichtung eines [X.]s 420.000 € als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen wollte, setzte das [X.] durch Bescheid vom 18.04.2019 die Erbschaftsteuer herab. Hierbei ließ es (neben Bestattungskosten und Grabpflegekosten) erstmals Kosten für ein Grabdenkmal in Höhe von 9.300 € als Nachlassverbindlichkeit zum Abzug zu. Die Kosten für das [X.] berücksichtigte es nicht. Im Übrigen wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 25.07.2019 den Einspruch als unbegründet zurück und hob den Vorläufigkeitsvermerk auf.

4

Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht ([X.]) als unbegründet ab. Eine Erblasserschuld hinsichtlich des [X.]s sei nicht gegeben, da der Vertrag zu dessen Errichtung erst nach dem Tod des Erblassers abgeschlossen worden sei und damit die Verbindlichkeit im Todeszeitpunkt weder rechtlich bestanden habe noch der Erblasser wirtschaftlich belastet worden sei. Eine testamentarische Auflage liege nicht vor und könne auch nicht einen weitergehenden Abzug eröffnen als § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 des [X.] (ErbStG). Nach dieser Vorschrift könnten nur die Kosten einer Erstanlage der Grabstätte abgezogen werden. Da der Erblasser bereits zeitnah nach seinem Tod bestattet worden sei, seien die Kosten einer Zweitgrabstätte --des [X.]s-- nicht abzugsfähig. Außerdem seien diese Kosten nicht angemessen im Vergleich zur Höhe des Nachlasses. Das Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2020, 1319.

5

Mit der Revision macht der Kläger geltend, die Vorentscheidung verletze § 10 Abs. 5 ErbStG und die Religionsfreiheit (Art. 4 des Grundgesetzes --GG--, Art. 9 Abs. 1 der [X.] zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten --EMRK-- und Art. 10 Abs. 1 Satz 2, Art. 21 und Art. 22 der [X.] --EUGrdRCh--). Zudem rügt der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs. Zwischen ihm und dem Erblasser habe schon zu Lebzeiten die vertragliche Vereinbarung bestanden, dass er nach dem Tod des Erblassers diesem --gegen Entgelt aus dem [X.] ein [X.] errichten werde. Diese Finanzierungszusage habe den Nachlass belastet. In jedem Fall liege eine Minderung seiner Bereicherung aufgrund rechtlicher, aber auch tatsächlicher bzw. sittlicher Verpflichtungen vor. Bei der zeitlich ersten Bestattung habe es sich nur um einen notwendigen Zwischenschritt und nicht um die geplante Erstanlage der letzten Ruhestätte des Erblassers entsprechend dessen Willen gehandelt. Schließlich sehe das Gesetz eine Beschränkung auf die "Erstanlage der Grabstätte" nicht vor bzw. stehe dem Erben ein Wahlrecht zu, welches Grabdenkmal als Abzugsposten zu berücksichtigen sei. Im Übrigen habe das [X.] auch die [X.] fehlerhaft bestimmt. Die Religionsfreiheit sei zu berücksichtigen.

6

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und den [X.] vom 16.01.2019 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 18.04.2019 und der Einspruchsentscheidung vom 25.07.2019 dahingehend zu ändern, dass Kosten für die Errichtung des [X.]s als Nachlassverbindlichkeiten zum Abzug zugelassen werden.

7

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Zu Unrecht ist das [X.] davon ausgegangen, dass in jedem Fall nur die Kosten für das zeitlich zuerst errichtete Grabdenkmal nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] zum Abzug zuzulassen sind. Ob und in welcher Höhe die Kosten für das zweite Grabdenkmal im Streitfall abziehbar sind, vermag der Senat auf Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht zu beurteilen.

9

1. Bei einem Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 [X.] --wie im [X.] gilt als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 [X.] zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach dem [X.] unterliegt, die nach § 10 Abs. 3 bis 9 [X.] abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 [X.], vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 22.01.2020 - II R 41/17, [X.], 460, [X.], 459, Rz 20).

2. Die vom Erblasser herrührenden Schulden sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Dies sind nur die aus Rechtsgründen bestehenden Erblasserschulden ([X.]-Urteil vom 11.07.2019 - II R 4/17, [X.], 447, [X.], 319, Rz 26; [X.] vom 26.02.2014 - II B 125/13, [X.] 2014, 699, Rz 5, m.w.N.). Darunter fallen alle vertraglichen, außervertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen, die in der Person des Erblassers begründet worden und mit seinem Tod nicht erloschen sind bzw. kraft § 10 Abs. 3 [X.] als nicht erloschen gelten ([X.]-Urteil in [X.], 447, [X.], 319, Rz 26, m.w.N.).

a) Grundsätzlich kann somit auch eine aus einem Vertrag mit dem Erben resultierende Verbindlichkeit des Erblassers Nachlassverbindlichkeit i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] sein, denn die infolge des Anfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse gelten als nicht erloschen (§ 10 Abs. 3 [X.]).

b) Ein solcher Vertrag kann auch ein noch zu Lebzeiten des Erblassers zwischen diesem und dem Erben abgeschlossener (entgeltlicher) Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --[X.]--) oder ein (unentgeltlicher) Auftrag i.S. von § 662 [X.] sein, aufgrund dessen der Erbe einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen (§ 670 [X.]) oder auf Leistung eines Vorschusses für die zur Ausführung der Geschäftsbesorgung entstandenen Aufwendungen (§ 669 [X.]) erworben hat (vgl. [X.]-Urteil vom 28.06.1995 - II R 80/94, [X.], 218, [X.] 1995, 784, unter [X.]), oder auch ein Dienstvertrag, der dem Erben entsprechende Ansprüche verschafft (vgl. dazu [X.]-Urteil vom 09.11.1994 - II R 111/91, [X.] 1995, 598, unter [X.]; [X.] in [X.] 2014, 699, Rz 6).

Die entsprechenden Verbindlichkeiten können jedoch nicht dadurch begründet werden, dass sich der Erbe erst auf den Tod des Erblassers zur Ausführung des Auftrags verpflichtet. Zwar existieren auch Auftragsverhältnisse zugunsten eines [X.] durch einen unter Lebenden abgeschlossenen Vertrag, der erst nach dem Tod des Auftraggebers auszuführen ist (vgl. dazu Urteil des [X.] --BGH-- vom 30.10.1974 - IV ZR 172/73, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1975, 382). Ein lediglich zweiseitiges Auftragsverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Erben genügt jedoch nicht.

Die Besorgung eines Geschäfts für einen anderen setzt voraus, dass der Geschäftsführer zum Zwecke der Geschäftsbesorgung "Aufwendungen macht". Bei der Erbringung jeder einzelnen Aufwendung muss außerdem der [X.] (noch) vorhanden sein, da bei dessen Aufgabe das Auftragsverhältnis bzw. das Rechtsverhältnis der auftragslosen Geschäftsführung entfällt (vgl. [X.] vom 05.07.2018 - III ZR 273/16, NJW 2018, 2714, Rz 28). Es muss daher eine Tätigkeit ausgeübt werden, die an sich der Sorge des anderen obliegen würde und durch die dessen Interesse gefördert wird ([X.]e vom 17.05.1971 - VII ZR 146/69, BGHZ 56, 204, unter I.2., und vom 21.06.2012 - III ZR 291/11, [X.], 3366, Rz 12). Dies ist nach dem Tod des Auftraggebers trotz der Auslegungsregel des § 672 [X.] nicht der Fall, wenn der Erbe als Rechtsnachfolger des Auftraggebers mit dem Auftragnehmer personenidentisch ist und keine Tätigkeit im fremden Interesse mehr ausübt. Für eigene Geschäfte sehen §§ 669, 670 [X.] einen Anspruch auf Leistung eines Vorschusses für die zur Ausführung der Geschäftsbesorgung entstandenen Aufwendungen oder einen Aufwendungsersatzanspruch nicht vor.

§ 10 Abs. 3 [X.] ändert hieran nichts. Diese Vorschrift fingiert für erbschaftsteuerliche Zwecke den Fortbestand von Rechten, Pflichten oder Rechtsverhältnissen, ersetzt aber nicht diejenigen Tatbestandsvoraussetzungen, die das Zivilrecht für die jeweiligen Ansprüche und Verbindlichkeiten vorsieht.

c) Leistungen des Erben, die dieser aufgrund einer von ihm angenommenen moralischen Verpflichtung erbringt, sind nicht gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar ([X.]-Urteile vom 15.06.1988 - II R 165/85, [X.], 380, [X.] 1988, 1006, Rz 13, und in [X.] 1995, 598, unter [X.]; [X.] vom [X.] 149/08, [X.] 2009, 1655, unter a, und in [X.] 2014, 699, Rz 6). Lediglich für Dauerschuldverhältnisse kann dies aufgrund der bisherigen [X.]-Rechtsprechung anders gesehen werden. Für ein arbeitsrechtliches Verhältnis hat der [X.] entschieden, dass Leistungen des Erben aus dem Nachlass auch ohne rechtliche Verpflichtung in besonderen Ausnahmefällen als Nachlassverbindlichkeiten in Betracht kommen, wenn sie eine ernsthafte wirtschaftliche Belastung darstellen. Dies wird im Allgemeinen nur bejaht werden können, wenn der Zuwendende sich zu der rechtlich nicht erzwingbaren Leistung aus anderen zwingenden Gründen --z.B. sittlicher Art-- für verpflichtet hält und sie tatsächlich so erfüllt, dass der Bedachte aufgrund eigener Bindung des Zuwendenden auch künftig mit Sicherheit auf die Fortdauer der Leistungen rechnen kann (vgl. [X.]-Urteil vom 18.11.1963 - II 166/61, [X.], 83).

3. Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 [X.] sind ferner Verbindlichkeiten aus u.a. Auflagen vom Erwerb als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig.

a) Eine Auflage i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 2 [X.] ist gegeben, wenn der Erblasser den Erben oder einen Vermächtnisnehmer durch Testament zu einer Leistung verpflichtet, ohne einem anderen ein Recht auf diese Leistung zuzuwenden (§ 1940, §§ 2192 ff. [X.]; vgl. [X.]-Urteile vom 05.11.1992 - II R 62/89, [X.]E 169, 463, [X.] 1993, 161, unter [X.], und in [X.], 447, [X.], 319, Rz 28).

b) Die Auflage muss eine rechtliche Verpflichtung des Erben begründen ([X.] in [X.] 2009, 1655, unter a). Dazu gehört bei einseitigen letztwilligen Verfügungen insbesondere die Wahrung der Form nach § 2231 [X.]. Mündliche Anordnungen genügen auch erbschaftsteuerrechtlich nicht. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Senats auch unwirksame, insbesondere lediglich mündlich erteilte und deshalb formunwirksame Verfügungen von Todes wegen erbschaftsteuerrechtlich anzuerkennen, soweit sie vollzogen werden (vgl. [X.]-Urteile vom 28.03.2007 - II R 25/05, [X.]E 215, 557, [X.] 2007, 461, unter [X.], und vom [X.], [X.] 2011, 261, Rz 8, jeweils m.w.N.). Das gilt aber für die Auflage nicht.

Der [X.] hatte die vorbezeichnete Rechtsprechung nämlich darauf gestützt, dass sowohl der Begünstigte als auch der Belastete den erblasserischen Willen anerkennen (sowohl in dem Urteil in [X.]E 215, 557, [X.] 2007, 461 als auch in den vorhergehenden [X.]-Urteilen vom [X.] - II 120/64, [X.]E 97, 311, [X.] 1970, 119, sowie vom 15.03.2000 - II R 15/98, [X.]E 191, 403, [X.] 2000, 588 für formunwirksame Vermächtnisse; in dem Urteil in [X.] 2011, 261 für den Fall einer unwirksamen Erbeinsetzung). Die Anerkennung des nicht formgültig ausgesprochenen erblasserischen Willens durch zwei Personen mit naturgemäß gegenläufigen Interessen begründet eine gewisse Gewähr für die tatsächliche Existenz dieses Willens und bildet gleichzeitig eine Schranke gegenüber Missbrauch. Im Falle der Auflage ist die Konstellation entscheidend anders, da dieses Korrektiv fehlt. Sie ist nach § 1940 [X.] gerade dadurch charakterisiert, dass der Erbe oder ein Vermächtnisnehmer zu einer Leistung verpflichtet ist, ohne dass der andere ein Recht auf die Leistung hätte. Es stünde deshalb in dessen Belieben, Ausgaben zu tätigen und sich darauf zu berufen, es handele sich um die Erfüllung einer --lediglich mündlich ausgesprochenen-- Auflage.

4. Schließlich sind gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig u.a. die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal.

a) Zu den Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] können auch Aufwendungen für eine Zweitgrabstätte gehören, wenn die erste Ruhestätte nur als vorübergehende Grabstätte des Erblassers bestimmt war.

aa) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass zu den Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] nur die Aufwendungen für das zeitlich zuerst errichtete Grabdenkmal zählen. Denn der Beerdigungsakt findet seinen Abschluss mit der Herrichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte ([X.] vom 20.09.1973 - III ZR 148/71, [X.], 238). Kosten, die nach Abschluss der Bestattung und Herrichten eines ersten Grabdenkmals entstehen, sind daher weder zivilrechtlich vom Erben zu tragen noch sozialrechtlich Bestattungskosten (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 25.08.2011 - B 8 [X.] 20/10 R, [X.], 61, [X.] 4-3500 § 74 Nr. 2, Rz 20, und vom 04.04.2019 - B 8 [X.] 10/18 R, [X.] 4-3500 § 74 Nr. 3, Rz 13, m.w.N.).

bb) Allerdings sind Konstellationen denkbar, in denen entweder aufgrund der äußeren Umstände oder aufgrund des insofern maßgeblichen Willens des Verstorbenen hinsichtlich der Art und Weise seiner Bestattung und des Orts der letzten Ruhestätte (vgl. Urteil des [X.] vom 19.06.2019 - 6 CN 1/18, BVerwGE 166, 65, Rz 22; zur Ermittlung vgl. [X.]e vom 26.02.1992 - XII ZR 58/91, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht --FamRZ-- 1992, 657, unter [X.], und vom [X.] - VI ZR 272/18, [X.], 1274, Rz 16 f.) der Verstorbene zunächst in einem Grab bestattet wird, das lediglich eine provisorische Zwischenlösung darstellt, und im [X.] Kosten für eine zweite Grabstätte entstehen, in der der Tote die nach seinen Vorstellungen letzte Ruhe findet. Ebenso wie damit zusammenhängende [X.] von § 1968 [X.] ausnahmsweise als vom Erben zu tragende Beerdigungskosten erfasst sind (vgl. [X.]: [X.]/[X.], [X.], 80. Aufl., § 1968 Rz 2; [X.]/[X.] (2020) [X.], § 1968, Rz 7, m.w.N.; und sogar einen neuen Leistungsfall im Sinne des Sozialrechts darstellen können, vgl. [X.] in [X.], 61, [X.] 4-3500 § 74 Nr. 2, Rz 20), können Kosten für das von vornherein als endgültige Ruhestätte geplante Grabdenkmal in einem solchen speziellen Fall abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] sein, auch wenn es sich um ein zeitlich als zweites errichtetes Grabdenkmal handelt. Voraussetzung ist jedoch, dass bereits bei Errichtung des ersten Grabdenkmals dieses offensichtlich nur als provisorische Übergangslösung angelegt war. Insoweit trägt der Erbe für diese für ihn steuergünstige Ausnahme die Darlegungs- und Feststellungslast.

b) Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] sind außerdem nur die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal abzugsfähig. Die Entscheidung, ob ein angemessenes Grabdenkmal i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] vorliegt, obliegt dem Finanzamt und dem Finanzgericht unter Würdigung aller Tatsachen im Einzelfall.

aa) Ein Grabdenkmal hat den Zweck, auf den Verstorbenen hinzuweisen und gibt die wesentlichen Lebensdaten, wie Name, Geburts- und Sterbedatum, wieder. Das Denkmal kann einfach gestaltet sein, es kann sich aber auch um eine große bauliche [X.] handeln (vgl. [X.], [X.] Erbrecht --[X.] [X.] 23/2016 [X.]. 2).

bb) Übereinstimmend mit den Kriterien, die zur Bestimmung der zivilrechtlichen Kostentragungspflicht nach § 1968 [X.] herangezogen werden und damit die aufgrund des Erbfalls entstandene Verbindlichkeit bestimmen (vgl. Urteile des [X.] vom 23.06.1994 - 18 U 10/94, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge --ZEV-- 1994, 372, unter I.1., und vom 23.03.1994 - 15 U 282/92, Versicherungsrecht 1995, 1195; [X.] in: jurisPK-[X.], Aufl. 2020, § 1968 [X.] Rz 8; [X.], [X.] [X.] 23/2016 [X.]. 2), ist zur Beurteilung der Angemessenheit eines Grabdenkmals grundsätzlich auf die Lebensstellung des Erblassers abzustellen (vgl. Urteil des [X.] vom 06.07.1993 - 27 U 63/93, Neue Juristische [X.] Zivilrecht 1994, 155, Rz 5; Urteil des [X.] in ZEV 1994, 372, unter I.1.; [X.]/[X.] (2020) [X.], § 1968, Rz 7). Entscheidend ist, was nach den in den Kreisen des Erblassers herrschenden Auffassungen und Gebräuchen zu einer würdigen Bestattung gehört (vgl. [X.] in [X.], 238, m.w.N., und bereits Urteil des [X.] vom 27.01.1922 - 1a A 123/21, [X.], [X.], § 10 [X.] Ziff. 2, A 405). Die Höhe des Nachlasses ist zu berücksichtigen.

c) Ergibt die Würdigung im Einzelfall, dass die nachgewiesenen Kosten für ein Grabdenkmal die Angemessenheit übersteigen, ist der Abzug nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] auf den Teil beschränkt, der den angemessenen Kosten entspricht (vgl. zu Grabpflegekosten [X.]-Urteil in [X.], 460, [X.], 459, Rz 23; so auch [X.] in [X.]/[X.], § 10 [X.], Rz 111; [X.] in [X.]-eKommentar --Fassung vom 29.12.2020--, § 10 [X.] Rz 152; [X.] [X.]/Königer, 13. Ed. 01.10.2021, § 10 Rz 227; [X.], ZEV 2010, 561).

d) Diese Maßstäbe respektieren die in Art. 4 Abs. 1, 2 GG, Art. 9 [X.] und Art. 10 Abs. 1 Satz 2, Art. 21 und Art. 22 EUGrdRCh geschützte Religionsfreiheit. Sie tragen sowohl aus religiösen Gründen erforderlichen Umbettungen als auch entsprechenden Ausgestaltungen des Grabdenkmals Rechnung.

5. Die Entscheidung des [X.] ist aufzuheben. Das [X.] ist von abweichenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Sache ist nicht spruchreif, da der Senat auf Grundlage der vorliegenden Feststellungen nicht abschließend zu beurteilen vermag, ob sich das Urteil dennoch im Ergebnis als richtig erweist.

a) Das [X.] hat zwar zu Recht erkannt, dass sich aus dem vom Kläger abgeschlossenen Vertrag zur Errichtung des Mausoleums keine Verpflichtung i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] ergibt. Der entsprechende Vertrag wurde --wie das [X.] zutreffend ausführt-- erst ca. zwei Jahre nach dem Tod des Erblassers geschlossen. Die aus diesem Vertrag resultierenden Verbindlichkeiten rühren nicht mehr vom Erblasser her. Eine Verpflichtung zum Aufwendungsersatz bzw. zur Leistung eines Vorschusses aus einem vermeintlichen Auftragsverhältnis oder einer Geschäftsführung ohne Auftrag zwischen dem Kläger und dem Erblasser ist aus Rechtsgründen nicht denkbar, da nach dem Tod des Erblassers aufgrund des Zusammenfallens von Auftraggeber und Auftragnehmer in der Person des [X.] die notwendige Tätigkeit im fremden Interesse nicht mehr möglich war.

b) Ebenso hat das [X.] zu Recht entschieden, dass eine Auflage i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 2 [X.] mangels rechtlicher Verpflichtung des [X.] durch Testament nicht bestand. Der Erblasser hatte seinen Wunsch auch nach dem Vortrag des [X.] allein mündlich geäußert.

c) Allein der Umstand jedoch, dass bereits ein Grabdenkmal errichtet war, schließt die Abziehbarkeit von Aufwendungen für ein zeitlich nachfolgend errichtetes Grabdenkmal nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] nicht zwingend aus. Die als alternativ zu verstehende Begründung des [X.], die Kosten für das zweite Grabdenkmal seien im Vergleich zur Höhe des [X.] nicht angemessen, kann das Urteil nicht tragen. Die Angemessenheitsprüfung ist zu Unrecht allein auf das Nachlassvermögen abgestellt. Eine Begrenzung auf den angemessenen Teil der Kosten hat das [X.] nicht vorgenommen.

d) Mangels entsprechender Feststellungen kann der [X.] nicht abschließend über die Abzugsfähigkeit der Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] entscheiden. Daher wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im Rahmen des zweiten [X.] wird das [X.] festzustellen haben, ob dem Grunde nach die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Kosten einer Zweitgrabstätte vorliegen, namentlich ob sich die [X.] lediglich als provisorische Zwischenlösung dargestellt hat. Ferner müssen ausreichende Nachweise für die tatsächliche Errichtung des zweiten Grabdenkmals sowie die Zahlung der behaupteten Aufwendungen vorliegen. Sollten diese Voraussetzungen zu bejahen sein, ist über die Angemessenheit des Aufwands für die Zweitgrabstätte, ggf. die Reduktion der Kosten auf ein angemessenes Maß zu befinden.

e) Über den gerügten Verfahrensfehler ist deshalb nicht mehr zu entscheiden.

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 8/20

01.09.2021

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 23. März 2020, Az: 4 K 2077/19, Urteil

§ 10 Abs 3 ErbStG 1997, § 10 Abs 5 Nr 1 ErbStG 1997, § 10 Abs 5 Nr 2 ErbStG 1997, § 10 Abs 5 Nr 3 S 1 ErbStG 1997, § 662 BGB, § 669 BGB, § 670 BGB, § 1968 BGB, Art 4 GG, Art 9 MRK, Art 10 Abs 1 S 2 EUGrdRCh, Art 21 EUGrdRCh, Art 22 EUGrdRCh

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.09.2021, Az. II R 8/20 (REWIS RS 2021, 2920)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2920


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 4 K 2077/19

FG München, 4 K 2077/19, 23.03.2020.


Az. II R 8/20

Bundesfinanzhof, II R 8/20, 01.09.2021.


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III ZR 273/16

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