Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.09.2016, Az. 25 W (pat) 87/14

25. Senat | REWIS RS 2016, 5613

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren – "Universum" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Löschungsverfahren [X.]/13

in Bezug auf die Marke 30 2009 032 383

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 13. September 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterin [X.] sowie des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 2. Juni 2009 als Wortmarke angemeldete Bezeichnung

2

[X.]

3

ist am 23. März 2010 unter der Nr. 30 2009 032 383 für folgende Dienstleistungen in das beim [X.] ([X.]) geführte Register eingetragen worden:

4

Klasse 35:

5

Organisatorische und betriebswirtschaftliche Abwicklung (Büroarbeiten) von Verwaltungsprozessen für die Industrie sowie für Dienstleistungs- und Handelsunternehmen mittels elektronischer Datenverarbeitung; Marktforschung und Marktanalyse; Ermittlung in Geschäftsangelegenheiten sowie Erteilung von Auskünften in Handels- und Geschäftsangelegenheiten im Zusammenhang mit der Erbringung von [X.]; Büroarbeiten für das Zahlungs- und Forderungsmanagement bei der Verwaltung sowie Beitreibung von Forderungen und [X.], einschließlich der Fristüberwachung und dem Mahnverfahren; vorgenannte Dienstleistungen auch als Back-up Servicing (soweit in Klasse 35 enthalten);

6

Klasse 36:

7

Erteilung von Auskünften über die Bonität und Zahlungsfähigkeit von Wirtschaftsunternehmen und Privatpersonen; Bonitätsprüfung und -bewertung sowie Kreditrisikobewertung auf der Basis von mathematisch-statistischen Berechnungen (Scoring), einschließlich der Erstellung von [X.]; Einziehung von [X.] ([X.]); Finanzdienstleistungen zur Abwicklung von Forderungskäufen für Dritte; vorgenannte Dienstleistungen auch als Back-up Servicing (soweit in Klasse 36 enthalten);

8

Klasse 38:

9

Telefondienste mittels Call Center.

Mit Schreiben vom 21. Januar 2013 hat die Löschungsantragstellerin gegenüber dem [X.] die Löschung der Marke beantragt. Dem Löschungsantrag, der ihr am 4. Februar 2013 zugestellt worden ist, hat die Markeninhaberin am 20. März 2013 widersprochen.

[X.] 3.4 des [X.] hat den Löschungsantrag mit Beschluss vom 11. März 2014 zurückgewiesen. Hierzu hat die sie ausgeführt, dass dem Zeichen „[X.]“ keine Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 [X.] entgegenstünden. Der Begriff „[X.]“ leite sich von dem [X.] Wort „universus“ in der Bedeutung von „ganz“, „sämtlich“, „allgemein“ her und sei in der [X.] in seinen verschiedenen Bedeutungen wie „Weltall“, „unendliche Vielfalt“ oder „Gesamtheit aller Dinge“ im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen nicht beschreibend. Diese Dienstleistungen stammten aus verschiedenen Bereichen des [X.], seien aber nicht so allumfassend, dass die Bezeichnung „[X.]“ geeignet wäre, sie unmittelbar zu beschreiben. Der Begriff „[X.]“ dürfe nicht mit dem Begriff „universal“ gleichgesetzt werden. Während „[X.]“ nur für das große Ganze bzw. das Weltall stehe, werde universal verwendet, um alltägliche Sachverhalte zu beschreiben (z. B. „Universalzange“ für eine universal verwendbare Zange). Ferner bestehe kein enger beschreibender Bezug zwischen dem Markenwort und den beanspruchten Dienstleistungen, da der Aussagegehalt des Wortes „[X.]“ so umfassend sei, dass er [X.]falls assoziative Anklänge hervorrufe.

Hiergegen wendet sich die Löschungsantragstellerin mit ihrer Beschwerde. Der Begriff „[X.]“ sei gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] freihaltebedürftig. So werbe die Markeninhaberin damit, dass sie ganzheitliche [X.] anbiete („[X.]“). Für „sämtliche und umfassende“ Dienstleistungen sei der Begriff „[X.]“ beschreibend. Der Begriff dürfe nicht auf die Bedeutung „Weltall“ reduziert werden. Den beteiligten Verkehrskreisen sei die [X.] Abstammung des Wortes „[X.]“ von lateinisch „universus“ bekannt. Daher erstrecke sich die dem [X.] Begriff „universus“ bzw. dem [X.] Begriff „universal“ innewohnende Bedeutung im Sinne von „ganz“, „sämtlich“, „allgemein“, „vielseitig“ oder „umfassend“ unmittelbar auch auf den Begriff „[X.]“. Dem Begriff „[X.]“ fehle zudem die Unterscheidungskraft. Ihm werde lediglich die Bedeutung eines bestimmten Raumes zugeordnet, in dem bestimmte Waren bzw. Dienstleistungen angeboten würden. Die Bezeichnung für solche Räume, wie etwa „[X.]“, „Gartenparadies“ oder Gartenuniversum“, sei weit verbreitet. Somit sei auch „[X.]“ nur eine verbraucherorientierte Sachinformation im Sinne eines „Anbietungsraumes“.

Die Löschungsantragstellerin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.]s vom 11. März 2013 aufzuheben und die Löschung der Marke 30 2009 032 383 anzuordnen.

Die Markeninhaberin und Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde der Löschungsantragstellerin zurückzuweisen.

Es gebe keinen sachlichen Bezug zwischen dem Begriff „[X.]“ in dem Wortsinn „Weltall“ bzw. „Weltraum“ und inkassobezogenen Dienstleistungen. Die Auffassung der Löschungsantragstellerin, wonach sich die dem Begriff „universal“ innewohnenden Bedeutungen auch auf den Begriff „[X.]“ erstreckten, sei nicht nachvollziehbar. Der für sich stehende Begriff „[X.]“ bezeichne auch keinen Raum, in dem die Dienstleistungen angeboten würden. Die von der Löschungsantragstellerin angeführten Beispiele wie „Gartenuniversum“ seien mit der angegriffenen Marke nicht vergleichbar, da die Beispiele erkennbar eine Verknüpfung mit bestimmten Waren oder Dienstleistungen herstellen würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung, die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Markeninhaberin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Eine Marke ist auf Antrag gemäß § 50 Abs. 1 [X.] wegen absoluter Schutzhindernisse nach §§ 3, 7, 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 [X.] zu löschen, wenn sie sowohl bezogen auf den Anmeldezeitpunkt – dahingehend wird der Wortlaut des § 50 Abs. 1 [X.] vom [X.] im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.] aktuell ausgelegt (vgl. [X.], [X.], 1143, Rn. 9 ff., Rn. 12 ff., insbesondere Rn. 15 – [X.] werden Fakten) - als auch bezogen auf den Zeitpunkt der anstehenden Entscheidung über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Markenabteilung vom 11. März 2014 (§ 50 Abs. 2 S. 1 [X.]) schutzunfähig war bzw. ist. Die Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1 [X.] sind vorliegend in Betracht zu ziehen.

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dürfen Zeichen nicht eingetragen werden bzw. sind diese auf Antrag zu löschen, wenn sie zu den vorstehend genannten maßgeblichen Zeitpunkten ausschließlich aus Angaben bestanden bzw. bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der geografischen Herkunft oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen können. Nach der Rechtsprechung des [X.] verfolgt die mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c Markenrichtlinie übereinstimmende Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass sämtliche Zeichen oder Angaben, die Merkmale der beanspruchten Waren beschreiben, von [X.] frei verwendet werden können. Sie erlaubt es daher nicht, dass solche Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung nur einem Unternehmen vorbehalten werden. Entscheidendes Kriterium für den Ausschluss der Eintragung bzw. Löschung ist die Eignung einer Bezeichnung zur beschreibenden Verwendung (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, Rn. 25, 30 - [X.]; [X.], 146, Rn. 31 f. – [X.]). Für die Beurteilung der Verkehrsauffassung in Bezug auf die Schutzfähig-keit, hier konkret die Eignung der angegriffenen Bezeichnung als beschreibende Angabe zu dienen, ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der beanspruchten Produkte als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, Rn. 29 - [X.]; [X.] GRUR 2006, 411, Rn. 24 - [X.], [X.] GRUR 2008, 900, Rn. 18 - [X.]; [X.], 565, Rn. 13 - smartbook).

Wie die Markenabteilung 3.4 des [X.]s im angefochtenen Beschluss vom 11. März 2014 zutreffend ausführt, handelt es sich bei dem Markenwort „[X.]“ um einen Begriff, der sich aus der [X.] Sprache vom Wort „universus“ mit der Bedeutung „ganz“, „allgemein“, „sämtlich“ ableitet. In der [X.] hat der Begriff „[X.]“ zunächst die Bedeutung von „Kosmos“ bzw. „Weltall“. Ausgehend von dieser Bedeutung wird der Begriff gelegentlich im übertragenen Sinne verwendet („Er lebt in seinem eigenen [X.]“ = „Er lebt in seiner eigenen Welt“). Außerdem wird der Begriff gelegentlich verwendet um - in Verbindung mit weiteren Begriffen - auf eine übergroße Vielfalt von bestimmten Dingen hinzuweisen ([X.] „Das ganze [X.] der Musik/Kunst/Literatur“). Keine dieser im [X.] Sprachgebrauch üblichen Bedeutungen des Wortes „[X.]“ kann in einen sinnvollen beschreibenden Zusammenhang mit den von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen gebracht werden.

Soweit die Löschungsantragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung auf die Bedeutung des [X.] Begriffes „universus“ abstellen will, kann dem nicht gefolgt werden. Wörter toter Sprachen wie [X.] oder Altgriechisch sind nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich ungeeignet zur unmittelbaren Produktbeschreibung, sofern sie nicht (mit identischer Bedeutung) in den [X.] Sprachgebrauch eingegangen sind oder die entsprechende tote Sprache auf dem entsprechenden Sektor als Fachsprache verwendet werden, wie [X.] in der Medizin oder Botanik (vgl. dazu [X.]/Hacker, [X.], 11. Aufl., § 8 Rn. 494 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Diese Voraussetzungen sind vorliegend offensichtlich nicht gegeben. Das Markenwort „[X.]“ kann im Übrigen auch nicht mit dem [X.] Begriff „universal“ gleichgesetzt bzw. als ein geeignetes Synonym angesehen werden, zumal bei den inländischen Verkehrskreisen beim Begriff „[X.]“ die Bedeutung im Sinne von „Kosmos“ bzw. „Weltall“ eindeutig im Vordergrund steht.

Ausgehend von der fehlenden Eignung der Bezeichnung „[X.]“, die von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zu beschreiben, kann der angegriffenen Marke auch die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht abgesprochen werden. Die Bezeichnung stellt weder eine im Vordergrund stehende beschreibende Angabe dar, noch ist ein enger beschreibender Zusammenhang zwischen dieser Bezeichnung und den beanspruchten Dienstleistungen ersichtlich. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Bezeichnung „[X.]“ im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen sinnvoll und naheliegend in einer werblichen-produktanpreisenden Bedeutung verwendet werden könnte, auch nicht in dem von der Löschungsantragstellerin verwendeten Sinn von „[X.]“ bzw. „umfassender Rundum-komplett-Service“.

Der Gedanke, dass der Verkehr in dem Markenwort „[X.]“ den Raum erkennen werde, in welchem die beanspruchten Dienstleistungen angeboten werden, erscheint fernliegend. Der Begriff „[X.]“ ist offenkundig weder eine geographische Herkunftsangabe noch die Bezeichnung eines Geschäftslokals (wie etwa „Gartenuniversum“) und wird von den angesprochenen Verkehrskreisen auch nicht in dieser Weise verstanden. Vergleiche zu gänzlich anderen Begriffen und deren Verkehrsverständnis (wie „Gartenuniversum“) können grundsätzlich dahingestellt bleiben.

Nach alledem war die Beschwerde der Löschungsantragstellerin zurückzuweisen.

Meta

25 W (pat) 87/14

13.09.2016

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.09.2016, Az. 25 W (pat) 87/14 (REWIS RS 2016, 5613)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5613

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Referenzen
Wird zitiert von

26 W (pat) 21/17

26 W (pat) 594/20

26 W (pat) 547/20

26 W (pat) 524/17

26 W (pat) 526/21

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