Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2023, Az. StB 73/23

3. Strafsenat | REWIS RS 2023, 9246

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

1. Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 22. August 2023 in Verbindung mit dessen [X.] und Invollzugsetzungsbeschluss vom 6. September 2023 wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

1

Der Beschuldigte ist am 6. September 2023 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 22. August 2023 (2 [X.] 1156/23) festgenommen worden. Nach Verkündung des Haftbefehls sowie Erlass eines Beschlusses über dessen Aufrechterhaltung und Invollzugsetzung am [X.] (2 [X.] 1208/23) wird gegen den Beschuldigten ununterbrochen die Untersuchungshaft vollzogen.

2

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe seit Februar 2013 bis zu einem nicht näher bekannten [X.]punkt im [X.] in [X.] im Bereich [X.] durch drei selbständige Handlungen sich an einer [X.] im Ausland beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 [X.]), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 [X.]) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 [X.]) zu begehen („[X.]“ und „Islamischer Staat“), wobei er in einem Fall die [X.] als Rädelsführer gegründet und sich als Rädelsführer an ihr beteiligt habe sowie in einem weiteren Fall sich als Rädelsführer an ihr beteiligt und gemeinschaftlich handelnd im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufgehalten habe, vertrieben oder zwangsweise überführt habe, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbracht habe, strafbar nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 Variante 1 und 2, Abs. 4 Variante 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB, § 8 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 6 Nr. 2 [X.], § 25 Abs. 2, § 53 StGB.

3

Gegen den Haftbefehl in Gestalt des [X.] wendet sich der Beschuldigte mit seiner Beschwerde. Er macht geltend, es liege kein Haftgrund vor.

II.

4

Die nach § 304 Abs. 5 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 306 Abs. 1 StPO) Beschwerde des Beschuldigten hat in der Sache keinen Erfolg.

5

1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl vorgeworfenen Taten dringend verdächtig.

6

a) Im Sinne eines dringenden Tatverdachts ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

7

aa) Zum bewaffneten nichtinternationalen Konflikt in der [X.] Provinz [X.] sowie zu den dort agierenden terroristischen [X.]en „Islamischer Staat“ ([X.]) beziehungsweise „Islamischer Staat im [X.] und in [X.]“ ([X.]IG) und „[X.]“ ([X.]):

8

(1) Die in [X.] seit Februar 2011 gegen die Regierung von [X.] schwelenden Proteste eskalierten ab dem 15. März 2011 aufgrund des repressiven und gewaltsamen Vorgehens [X.] Sicherheitskräfte, Milizen sowie der [X.] gegen Demonstranten und Oppositionelle. Die dadurch bewirkte Militarisierung der Protestbewegung entwickelte sich zu einem bewaffneten [X.], der Anfang 2012 schließlich weite Teile des [X.] erfasste und sich zu einem großflächigen [X.] ausweitete. In dem Konflikt bekämpften sich die [X.] Streitkräfte, unterstützt durch militärisch aufgerüstete Sicherheitskräfte und Milizen, einerseits und quasi-militärisch organisierte, mit Kriegswaffen ausgestattete Rebellengruppen andererseits. In der Provinz [X.] eroberten Rebellengruppen bis März 2013 fast das gesamte [X.] samt in der Provinz befindlichen Ölquellen, die sie fortan ausbeuteten. [X.] konnten sich lediglich in der [X.] [X.] und westlich angrenzenden Gebieten einschließlich des Militärflughafens behaupten.

9

Zu den Hauptakteuren der Aufständischen in [X.] zählte die im Juli 2011 als Dachorganisation für die [X.] entstandene Freie Syrische [X.] ([X.]), die kein ausgeprägtes ideologisches Profil besaß. Ab dem Jahr 2013 wurden [X.]-Einheiten von nunmehr dominierenden islamistischen und jihadistischen Milizen insbesondere des [X.]IG und der „[X.]“ ([X.]) aus großen Teilen der von ihnen bis dahin kontrollierten Gebiete verdrängt. Der [X.]IG führte eine solche Verdrängungskampagne unter anderem in der Provinz [X.] spätestens seit Mitte 2013 gegen [X.]-Einheiten ebenso wie gegen die [X.] und mit ihr verbündete Gruppen. Die Konfliktparteien bekämpften sich intensiv mit militärischen Mitteln.

(2) Der „[X.]“ - bis zum Juni 2014 „Islamischer Staat im [X.] und in [X.]“ - ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des [X.] und die historische Region „ash-Sham“ (die heutigen [X.] [X.], [X.] und [X.] sowie [X.]) umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden „Gottesstaat“ unter Geltung der Scharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im [X.] und das Regime des [X.] Präsidenten [X.] zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als „Feind des Islam“ begreift; die Tötung solcher „Feinde“ oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht der [X.] als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Führung der [X.] hatte seit 2010 bis zu seinem Tod im Oktober 2019 der „[X.]“ [X.] inne. [X.] wurde von seinem Sprecher mit der Ausrufung des „Kalifats“ im Juni 2014 - die mit der Abstandnahme von der territorialen Selbstbeschränkung einherging - zum „Kalifen“ erklärt, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten.

Dem Anführer des [X.] unterstanden ein Stellvertreter sowie „Minister“ als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein „[X.]“ und ein „Propagandaminister“. Zur Führungsebene gehörten außerdem beratende „[X.]“. Veröffentlichungen wurden von eigenen Medienstellen produziert und verbreitet. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der [X.] besteht aus dem „Prophetensiegel“ (einem weißen Oval mit der Inschrift „[X.] - [X.] - [X.]“) auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem [X.] Glaubensbekenntnis. Die zeitweilig über mehrere Tausend Kämpfer waren dem „[X.]“ unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Die [X.] teilte von ihr besetzte Gebiete in [X.] ein und richtete einen [X.] ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der [X.] und [X.] [X.], aber auch von in Gegnerschaft zum [X.] stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsbereich des [X.] in Frage stellten, sahen sich der Verhaftung, Folter und der Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom [X.] zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus beging er immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er für Anschläge in [X.], etwa in [X.], [X.] und [X.], die Verantwortung.

[X.] gelang es dem [X.], große, aneinander angrenzende Teile der Staatsterritorien von [X.] und dem [X.] zu besetzen. Ab dem [X.] geriet die [X.] militärisch zunehmend unter Druck und musste schrittweise massive territoriale Verluste hinnehmen. Im März 2019 galt der [X.] als militärisch besiegt, ohne dass die [X.] als solche zerschlagen wäre.

(3) Die „[X.]“ („Brigade der Soldaten des Barmherzigen“) wurde im Februar 2013 in der Provinz [X.] gegründet. Sie bestand als eigenständige bewaffnete Rebellengruppe bis zu ihrer Eingliederung in den [X.] Anfang Juli 2014. Ihr Gründer und Anführer war der Beschuldigte (s. unten bb] [1]).

Ziel der [X.] war der Sturz der [X.] Regierung durch andauernden bewaffneten Kampf. Die [X.] bekannte sich zwar zur [X.], verfolgte aber eine islamistische Agenda. Von Anfang an und im Weiteren zunehmend bediente sie sich islamistisch-jihadistischer Rhetorik und Symbolik. Im Dezember 2013 gründete und dominierte sie unter dem Namen „[X.]qa“ („Sammelbewegung der [X.] von [X.]qa“) ein Bündnis mit anderen bewaffneten Gruppen. Es grenzte sich bewusst von dem Bündnis „Mishmish“ um die [X.] ab, das die Ausbreitung des [X.]IG kämpferisch unterbinden wollte. Offen erklärtes Ziel der [X.] war jedenfalls ab diesem [X.]punkt auch die Einführung der Scharia, die Errichtung eines [X.] Staates in [X.] und die Kooperation mit dem sich ausbreitenden [X.]IG.

Bei ihrer Gründung verfügte die [X.] mindestens über eine niedrige dreistellige Anzahl von Kämpfern, einen Anführer und ein Generalkommando. Sie untergliederte sich hierarchisch in [X.] (Bataillone), die durch [X.]-Anführer sowie [X.] geleitet und befehligt wurden. Den anfangs acht [X.] wurden durch Beitritte anderer bewaffneter Gruppen aus [X.] und dem Umland in der Folgezeit mindestens sieben weitere [X.] hinzugefügt. Die [X.] unterhielt mehrere logistische Stützpunkte und verwendete eigene Logos und Banner. Für propagandistische Öffentlichkeitsarbeit betrieb sie ein „Medienbüro“, nutzte einschlägige [X.] und veröffentlichte Presseerklärungen, Interviews sowie insbesondere [X.], etwa auf ihrem [X.] „             “. Eine Einheit unter zeitweiliger Leitung eines Bruders des Beschuldigten verwaltete die von der [X.] eingenommenen Ölquellen und nutzte den Vertrieb des gewonnenen Öls zur Finanzierung der Gruppierung sowie zur Beschaffung von Waffen.

Die [X.] engagierte sich langfristig in Bündnissen und Dachverbänden. Die Kämpfer wurden durch einen gemeinschaftlichen Schwur auf die [X.] und die Förderung von deren Zielen verpflichtet. Sie erhielten Verpflegung, Waffen, Ausrüstung, Ausbildung sowie teilweise Sold und dienten der [X.] in einer Art Schichtdienst. Die Organisation verfügte über Sturmgewehre, Maschinengewehre, leichte Panzerabwehrwaffen, selbstgefertigte ungelenkte Raketenartillerie und Mörser aller Kaliber sowie über mindestens ein rückstoßfreies Geschütz samt zugehöriger Munition. Sie nutzte außerdem eine größere Anzahl Geländefahrzeuge, teils mit aufgepflanzten schweren Maschinengewehren, und mindestens zwei erbeutete Panzer der [X.] [X.]. Auch im städtischen Gebiet bediente sie sich massiv ungelenkter Artillerie und Raketen; sie setzte [X.] und [X.] von Passanten ein. Zudem verwendete sie minderjährige Rekruten, verhöhnte in ihren [X.] Leichen getöteter Gegner und prägte die [X.] Feindbilder „Regimetreue“, „Schiiten“, „[X.]“. Als kämpfende Konfliktpartei engagierte sie sich dauerhaft an mehreren [X.] zu Gebieten, die von Einheiten des [X.] Regimes gehalten wurden, und führte zusätzlich begrenzte militärische Aktionen durch. Neben anderen bewaffneten Gruppierungen nahm sie spätestens ab April 2013 kontinuierlich an der Belagerung des von der [X.] Regierung innegehaltenen Flughafens von [X.] teil. In gleicher Weise betätigte sie sich an den [X.] in der [X.] selbst und dem nahegelegenen Industriegebiet.

Im Juni 2013 führte die [X.] in dem Ort [X.] gemeinsam mit der [X.] und weiteren bewaffneten Gruppen eine als „Säuberung“ bezeichnete, gegen die dortige schiitische Bevölkerung gerichtete Vertreibungsoperation durch, die sämtliche schiitische Präsenz in [X.] beendete und die gesamte schiitische Infrastruktur wie Moscheen und Gebetshäuser zerstörte (s. unten bb] [2]). Spätestens ab Anfang 2014 unterstützte die [X.] den [X.]IG bei der Einnahme der Provinz [X.] und der Vertreibung gegnerischer bewaffneter Einheiten. Anfang Juli 2014 trat sie dem [X.] bei, gab eine Gefolgschaftserklärung ab und beteiligte sich anschließend - als dessen Untergruppe - an der Eroberung der [X.] [X.] sowie der Unterwerfung des [X.] (s. unten bb] [3]). Im weiteren Verlauf des Jahres 2014 verschwand sie als abgrenzbare Untergruppe des [X.] und ging vollständig in ihm auf.

bb) Zu den Taten des Beschuldigten:

(1) Der Beschuldigte gründete die [X.]. Am 10. Februar 2013 vollzog er eine Gründungszeremonie, indem er eine Gründungserklärung vor den versammelten [X.]smitgliedern, darunter die [X.]-Anführer und Kämpfer, verlas und die Anwesenden gemeinsam [X.] ablegten. Das Geschehen wurde auf Video aufgezeichnet und auf dem [X.] „             “ veröffentlicht.

Im [X.] war der Beschuldigte der alleinige Anführer der [X.]. Er betätigte sich als Befehlshaber, als militärischer, politischer und weltanschaulicher Führer sowie als Verhandlungsspitze bei Kontakttreffen mit anderen bewaffneten Gruppen. Mehrfach verortete er die [X.] strategisch neu, indem er aus Bündnissen austrat, neue gründete und vor allem eine schrittweise Hinwendung zum [X.]IG vollzog. Er bekleidete formal wie faktisch die leitende Position, bestimmte [X.], -tätigkeiten und -ziele und legte die ideologische Ausrichtung der Gruppierung fest. Seine Befehlsgewalt unterlag keiner übergeordneten.

Insbesondere übte der Beschuldigte bestimmenden Einfluss auf die Funktionsfähigkeit der [X.] als kämpfende Konfliktpartei aus. Er finanzierte sie durch Einnahmen aus einer eroberten Ölquelle und stattete sie mit militärischem Material aus. Er rekrutierte, befehligte und versorgte Kämpfer. Er gab selbst Ausrüstung und Waffen an sie aus, zahlte persönlich Löhne aus und inspizierte Stellungen sowie Waffen. Auch nach außen trat der Beschuldigte stets als Zentralperson auf und gab sich als Anführer, so an der Front, in Einsätzen, in Besprechungen, in [X.] mit anderen [X.]-Gruppen, in übergeordneten Gremien wie dem „Militärischen Rat für die Provinz [X.]“, im Medienkontakt und in der Propaganda. Vor allem durch veröffentlichte [X.] ließ er einen regelrechten Personenkult um sich betreiben. Außerdem führte er Verhandlungen mit Führungspersonen der Gegner der [X.], etwa dem Kommandanten des militärischen Flughafens von [X.]. Ferner verkündete er seine strategischen Entscheidungen für die [X.], beispielsweise das Verhältnis zum [X.] betreffend.

Der Beschuldigte betrieb einige Social-media-Kanäle, auf denen er die [X.] sowie sich selbst als ihr Anführer darstellte. Insbesondere auf dem [X.] „             “ veröffentlichte er in den Jahren 2013 und 2014 mit Unterstützung des „[X.]“ eine Vielzahl von [X.] oder ordnete deren Veröffentlichung an. In einigen der [X.] trat er persönlich auf (Fall 1).

(2) Am 10. oder 11. Juni 2013 kam der Beschuldigte als Anführer der [X.] mit den Anführern anderer bewaffneter [X.] Gruppen, darunter die [X.], überein, in einer gemeinschaftlichen, konzertierten [X.] die Ortschaft [X.], einen Vorort der [X.] [X.], gewaltsam und dauerhaft von sämtlicher, auch ziviler, schiitischer Präsenz zu „säubern“. Sie vereinbarten, dort durch Tötung sich [X.] Einwohner, Plünderung und Vernichtung schiitischen Eigentums, Zerstörung der schiitischen religiös-kulturellen Einrichtungen sowie durch Verhaftungen, Entführungen, Bedrohungen und Beschimpfungen ein Klima der Angst und Hoffnungslosigkeit unter den ansässigen Schiiten und ihren Unterstützern zu erzeugen. Das Vorhaben zielte vor allem darauf ab, die Schiiten, soweit sie nicht getötet werden, zur Flucht zu zwingen, indem sie ihrer Lebensgrundlage und spirituellen Infrastruktur beraubt werden, und sie - durch intensive propagandistische Multiplikation der [X.] - zur dauerhaften Umsiedlung in das Ausland oder andere von [X.] Streitkräften noch kontrollierte [X.]teile zu nötigen. Durch mediale Verbreitung der „[X.]“ sollte der Effekt der Vertreibung mittels [X.] der Angst und Hoffnungslosigkeit verstärkt und verstetigt werden. Der Beschuldigte kam mit den anderen Anführern überein, die Kämpfer der [X.] auf eine gemeinsame [X.] und eine arbeitsteilige Ausführung zu verpflichten. Er versprach den Anführern der [X.] und der weiteren beteiligten Gruppen, sich durch entsprechenden Befehl an die Kämpfer der [X.], durch persönliche Präsenz, durch Ausgabe von Munition und Waffen sowie durch mediale Effekterhöhung an der [X.] zu beteiligen.

Gemäß dem gemeinsamen [X.] wurde der [X.] in [X.] durchgeführt. Die Kämpfer der beteiligten bewaffneten Gruppen handelten, wie zuvor vereinbart, nach der [X.]splanung auf Befehl ihrer Anführer. Der Beschuldigte gab in [X.] zu Beginn der [X.] Waffen und Munition an die Kämpfer der [X.] wie auch anderer Gruppen aus und erteilte Befehle an sie.

Wie von dem Beschuldigten angeordnet, beteiligten sich die Kämpfer der [X.] an der konzertierten [X.], indem sie - vor allem nach der Ausschaltung bewaffneten Widerstands - gemeinsam mit Kämpfern der weiteren Gruppen die „Durchkämmung“ und „Säuberung“ [X.]s betrieben. Die [X.]-Milizionäre suchten die Ortschaft nach Schiiten und schiitischen Liegenschaften ab, setzten Passanten fest und nötigten sie, sich zu ihrer Religionszugehörigkeit zu erklären sowie schiitische Liegenschaften zu lokalisieren. Sie beteiligten sich an Plünderungen und am Abtransport schiitischer Habe sowie der Bedrohung, Verhöhnung und Verächtlichmachung der Schiiten, ihres Glaubens, ihrer religiösen und kulturellen Artefakte ebenso wie an der Stürmung und Verbrennung schiitischer Häuser. [X.]-Mitglieder leisteten überdies den anderen bewaffneten Gruppen Hilfe, indem sie sich unter sie mischten, sie durch bewaffnete Präsenz unterstützten und in ihrem Handeln bestärkten. Bei der [X.] wurden entsprechend dem gemeinsamen Plan bis zu 60 schiitische Bewohner getötet, die restliche schiitische Bevölkerung durch Verbreitung der Nachricht des Tötungswillens zur Flucht veranlasst und ihr Besitz einschließlich ihrer Gotteshäuser und religiösen Artefakte unter herabwürdigenden Beschimpfungen zerstört, verwüstet, geplündert oder in Brand gesetzt. Die Angreifer errichteten Checkpoints und hielten tatsächliche oder vermeintliche Schiiten fest. Dabei kam es jedenfalls in Einzelfällen zu Misshandlungen, Inhaftierungen, Verschleppungen und Folterungen. Mit Billigung des Beschuldigten sprengten im Rahmen des [X.]splans tätige Angreifer in [X.] am 12. Juni 2013, dem Folgetag des Hauptangriffs, zwei schiitische Moscheen.

Wie von dem Beschuldigten und den anderen Anführern verabredet, filmten die Akteure Teile der Kämpfe sowie des „[X.]“ der Ortschaft nach verbliebenen Schiiten und deren Behausungen und schlachteten den Erfolg durch Veröffentlichung von [X.] auf der Plattform [X.] aus. In den [X.] wurden Opfer, gefangene Schiiten sowie Beute präsentiert; zudem wurden Schiiten beschimpft und verhöhnt, die als „Säuberung“ oder „Reinigung“ bezeichnete Beseitigung schiitischer Präsenz verkündet und zur Tötung von Schiiten aufgerufen. Der Beschuldigte beauftragte [X.], die [X.] filmend und kommentierend zu begleiten. Dieser äußerte sich auf Geheiß des Beschuldigten dabei im Sinne des [X.] und animierte so die gefilmten Kämpfer zu antischiitischen Handlungen und Reden. [X.] veröffentlichte er im [X.] zwei Filme, die sich in die Gesamtheit der das Geschehen inszenierenden [X.] einfügten.

Wie beabsichtigt, wurden Erzählungen des Vorgehens gegen alle Schiiten und die veröffentlichten [X.] medial aufgegriffen. Hierdurch wurde das Bild eines Massakers an den Schiiten [X.]s, ihrer Vertreibung sowie der vollständigen Zerstörung ihrer sozioökonomischen und religiös-kulturellen Lebensgrundlage verbreitet. Dem [X.]sziel entsprechend flüchteten als Folge des Angriffs alle - nicht getöteten oder gefangengenommenen - Schiiten der Ortschaft in Todesangst, entschlossen sich zur Aufgabe ihrer dortigen Wohnsitze und siedelten in das Ausland oder in andere syrische Gebiete um. Dies betraf 3.000 Zivilisten aus ungefähr 300 Familien ([X.]).

(3) Anfang Juli 2014 trat der Beschuldigte dem [X.] bei. Zur Unterstützung des [X.], für den er bereits zuvor geworben hatte, leistete der Beschuldigte öffentlich als regional bekannte Respektsperson gegenüber [X.] des [X.] ein förmliches Treuegelöbnis, ließ sich selbst zum [X.] eines Dorfes ernennen und stellte die [X.] mit dem wesentlichen Bestand ihrer Kämpfer, Waffen, Ausrüstung, Stützpunkte sowie Ölquellen in die Organisation. Die korrespondierende [X.]erklärung der [X.] an den [X.] ließ er am 5. Juli 2014 veröffentlichen.

Im [X.] gegen die [X.] und andere Rebellengruppen griff der [X.] im Juli 2014 die [X.] [X.] an und nahm sie am 5. Juli 2014 ein. Der Beschuldigte führte diesen Angriff für den [X.] an und marschierte an der Seite eines anderen [X.]-Kommandeurs in die [X.] ein. Als [X.]-[X.] und -Kommandeur trat er dort in der Folge zur Demonstration der Präsenz und des Machtanspruchs mit [X.]-Flagge, -Fahrzeugen und -Kleidung auf, ebenso in einem anschließend auf [X.] veröffentlichten Video. Gleichfalls im Juli 2014 warb er als [X.]-Vertreter bei den Dorfältesten des [X.] für die Unterwerfung unter die [X.]. Auch an der militärischen Niederschlagung des Widerstands der Verteidiger des [X.] sowie dessen Abriegelung und Besetzung Ende Juli bis Anfang August 2014 beteiligte sich auf Befehl des Beschuldigten die nunmehr dem [X.] beigetretene [X.], vor allem durch Einsatz ihrer Artillerie (Fall 3).

b) Der dringende Tatverdacht beruht, soweit es den bewaffneten nichtinternationalen Konflikt in der [X.] Provinz [X.] sowie die terroristischen [X.]en [X.] und [X.] als solche betrifft, insbesondere auf mehreren Sachverständigengutachten, daneben auf Auswerteberichten des [X.]. Speziell für die [X.] kommen die - in den Gutachten verwerteten - Erkenntnisse aus verschiedenen [X.] und die Aussagen zahlreicher aus [X.] stammender Zeugen hinzu, die ihren Bekundungen zufolge der Gruppierung angehörten oder Kontakt zu ihr hatten.

Die Stellung des Beschuldigten als Gründer und Anführer der [X.] sowie seine Betätigungen für diese werden mit dem im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderlichen Verdachtsgrad vor allem durch zwei der Gutachten und verschiedene sich mit deren Ergebnissen deckende Angaben [X.] Zeugen belegt. Soweit er anlässlich einer polizeilichen Gefährderansprache einen anderen Anführer der [X.] benannt hat, lässt sich den bisherigen Ermittlungen, insbesondere dem vorbeschriebenen Sachverständigen- und Zeugenbeweis, kein Hinweis auf die Existenz einer derartigen Person entnehmen. Dass sich der Beschuldigte mit großer Wahrscheinlichkeit auf die geschilderte Weise an der gegen die schiitische Bevölkerung von [X.] gerichtete Vertreibungsoperation beteiligte, ergibt sich ebenfalls aus den beiden Gutachten, in welche hierfür ergiebige Quellen- und Videoauswertungen eingeflossen sind, daneben aus entsprechenden Bekundungen [X.] Zeugen, besonders desjenigen, der die [X.] mutmaßlich im Auftrag des Beschuldigten filmend sowie kommentierend begleitete und zwei [X.] veröffentlichte.

Der dringende Verdacht der Überführung der [X.] in den [X.], des Auftretens des Beschuldigten auch für diese Organisation sowie seiner Tätigkeit für sie stützt sich namentlich auf Zeugenaussagen, Erkenntnisse, die eine Nichtregierungsorganisation mitgeteilt hat, und eines der Gutachten. Soweit der Beschuldigte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 29. November 2023 zur Begründung eines Antrags auf Vernehmung mehrerer Zeugen vorgetragen hat, er sei Gefangener des [X.] gewesen und gefoltert worden, beeinflusst die schlichte Behauptung die aus den [X.] ersichtliche vergleichsweise gefestigte Beweislage ohnehin nicht maßgebend. Im Übrigen wurde der Beschuldigte nach derzeitigem Ermittlungsstand [X.] nach der Konsolidierung der Macht des [X.] marginalisiert und entmachtet, weil er nach der Niederwerfung des bewaffneten Widerstands anderer Gruppen im [X.] sowie als starker lokaler Führer mit Bestrebungen, sich eine gewisse Autonomie und seine Pfründe aus lukrativen Erdölquellen zu bewahren, entbehrlich und hinderlich für die Organisation wurde.

Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Haftbefehl, die ihm zugrundeliegende Antragschrift des [X.] vom 17. August 2023 und dessen Zuschrift vom 6. Dezember 2023 verwiesen.

c) In rechtlicher Hinsicht ist der Beschuldigte dringend verdächtig jedenfalls der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland als Rädelsführer in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Gründung einer terroristischen [X.] im Ausland als Rädelsführer und in einem Fall mit einem Kriegsverbrechen gegen Personen durch Vertreibung, sowie der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 und 2, Abs. 4 Alternative 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB, § 8 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 6 Nr. 2 [X.], § 25 Abs. 2, §§ 52, 53 StGB.

aa) [X.] Erörterung bedarf nur das Kriegsverbrechen gegen Personen durch Vertreibung:

(1) Nach § 8 Abs. 1 Nr. 6 [X.] macht sich strafbar, wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person (§ 8 Abs. 6 [X.]), die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt.

Die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 6 [X.] beruht auf den Regelungen des Art. 8 Abs. 2 Buchst. a (vii) [X.]tGH-Statut für internationale bewaffnete Konflikte und des Art. 8 Abs. 2 Buchst. e (viii) [X.]tGH-Statut für nichtinternationale bewaffnete Konflikte. Sie fasst beide Rechtsnormen unter Beibehaltung ihres sachlichen Gehalts zusammen. Nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. e (viii) [X.]tGH-Statut darf die Verlegung der Zivilbevölkerung nicht aus Gründen im Zusammenhang mit einem solchen Konflikt angeordnet werden, sofern dies nicht im Hinblick auf die Sicherheit der betreffenden Bevölkerung oder aus zwingenden militärischen Gründen geboten ist. Die Regelung ist aus Art. 17 Abs. 1 Satz 1 des [X.] zu den [X.] vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nichtinternationaler bewaffneter Konflikte vom 8. Juni 1977 ([X.] [X.] 1637; nachfolgend: [X.]) abgeleitet und an den Rechtsgedanken des - für internationale bewaffnete Konflikte geltenden - Art. 49 Abs. 1 und 2 des IV. [X.]s vom 12. August 1949 zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten ([X.] [X.]; fortan: [X.]) angelehnt. § 8 Abs. 1 Nr. 6 [X.] stellt allerdings - anders als Art. 8 Abs. 2 Buchst. e (viii) [X.]tGH-Statut - nicht die Anordnung der Verlegung (vgl. [X.]tGH, Urteil vom 8. Juli 2019 - [X.]/04-02/06, Rn. 1080 - [X.]), sondern diese selbst unter Strafe; dabei genügt es, wenn sie auch nur eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person betrifft (zum Ganzen [X.], Beschluss vom 30. November 2022 - 3 [X.], NJW 2023, 1138 Rn. 45).

Als Tathandlung erfasst § 8 Abs. 1 Nr. 6 [X.] mit dem Vertreiben und dem zwangsweisen Überführen jede Form des gegen den freien Willen erzwungenen tatsächlichen Verbringens von dem rechtmäßigen Aufenthaltsort an einen anderen, im Fall des [X.] außerhalb des Staatsgebiets, im Fall des Überführens innerhalb desselben (s. [X.], Beschluss vom 30. November 2022 - 3 [X.], NJW 2023, 1138 Rn. 46). Das Verbringen muss weder ein bestimmtes Ziel haben, noch muss der Zielort unter der Kontrolle der [X.] stehen. Beide Alternativen erfordern einen erzwungenen Ortswechsel. Zwang bedeutet dabei nicht allein die Ausschaltung alternativer Handlungsmöglichkeiten, sondern umfasst auch die Fälle, in denen das Opfer durch Druck im Wege einer angedrohten oder gegenwärtigen Übelzufügung unfreiwillig selbst seine Umsiedlung beschließt. Nach der Rechtsprechung des [X.], von der abzuweichen kein Anlass besteht, genügt das Ausnutzen einer generellen Zwangssituation; entstehen kann diese Lage etwa durch nicht aushaltbare Lebensumstände, fortgesetzte militärische [X.]en gegen bestimmte Städte, ein Leben in ständiger Angst und Unsicherheit sowie die völkerrechtswidrige Zerstörung von Wohngebäuden oder Unterkünften (s. die Rechtsprechungsnachweise von LK/[X.], StGB, 13. Aufl., § 8 [X.] Rn. 92 f.; MüKoStGB/[X.]/Zimmermann, 4. Aufl., § 8 [X.] Rn. 173 ff.; vgl. ferner - zu den entsprechenden Tathandlungen beim Verbrechen gegen die Menschlichkeit - Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 1038 f., 1339).

(2) Auf der Grundlage des dem Beschuldigten angelasteten Sachverhalts liegt ein Vertreiben und zwangsweises Überführen der schiitischen Zivilisten [X.]s vor. Aufgrund massiver Gewalt und Drohung flüchteten sie in das von [X.] Streitkräften gehaltene Nachbargebiet jenseits des [X.] und siedelten dauerhaft in andere syrische Gebiete oder ins Ausland um. In [X.] hatte nach dem 12. Juni 2013 kein vormaliger schiitischer Bewohner mehr Wohnsitz oder Aufenthalt.

Die auf Befehl des Beschuldigten und der anderen Anführer handelnden Angreifer schufen für die Schiiten [X.]s nicht aushaltbare Lebensumstände sowie ein Klima der Angst und Hoffnungslosigkeit. Dies geschah insbesondere durch die - mit Tötungen, Verhaftungen und Entführungen verdeutlichte - Bedrohung mit dem Tode, die Zerstörung der Wohngebäude, Gottes- und Versammlungshäuser sowie die Plünderung des Besitzes. Durch das zumal medial verstärkte Androhen und Zufügen schwerer Schäden erzwangen die Angreifer die unfreiwillige Entscheidung der Schiiten, sich selbst in vom Regime kontrollierte Gebiete zu flüchten und anschließend durch Umzug ins Ausland oder fernere syrische Gebiete ihren gewählten Wohn- oder Aufenthaltsort aufzugeben.

(3) Bei den schiitischen Zivilisten handelte es sich um nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen im Sinne des § 8 Abs. 6 Nr. 2 [X.] (zu den Voraussetzungen s. [X.], Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 [X.], [X.]St 64, 10 Rn. 78 ff., 84 ff.; Beschluss vom 4. April 2019 - AK 12/19, NStZ-RR 2019, 229, 231). Das zwangsweise Verbringen dieser Menschen in andere Gebiete stand im notwendigen funktionalen Zusammenhang mit dem damals in [X.] herrschenden nichtinternationalen bewaffneten Konflikt (vgl. [X.], Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 StR 57/17, [X.]St 62, 272 Rn. 55 [X.]; Beschluss vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 38). Dabei verstieß das Handeln der Angreifer, für das kein legitimer sachlicher Grund bestand, gegen eine in den Vorschriften des [X.] und des [X.] zum Ausdruck kommende allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG (vgl. BT-Drucks. 14/8524 S. 21, 27; LK/[X.], StGB, 13. Aufl., § 8 [X.] Rn. 94 f.; MüKoStGB/[X.]/Zimmermann, 4. Aufl., § 8 [X.] Rn. 179 [X.]).

[X.] ist dem Beschuldigten bereits nach den allgemeinen Grundsätzen als Mittäter (§ 25 Abs. 2 GG i.V.m. § 2 [X.]) zuzurechnen (vgl. [X.], Beschluss vom 5. September 2019 - AK 47/19, juris Rn. 47). Auf die Vorgesetztenverantwortlichkeit nach § 4 [X.] (dazu [X.], Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, [X.]St 55, 157 Rn. 35 ff.; Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 [X.], [X.]St 64, 10 Rn. 148 f.) kommt es deshalb hier nicht an.

bb) Was das [X.]sdelikt der §§ 129a, 129b Abs. 1 StGB betrifft, so ist zu beurteilen: Fall 1 ([X.]) als Gründung einer und zugleich mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland als Rädelsführer, [X.] ([X.]) als - mit dem Kriegsverbrechen idealkonkurrierende - mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland als Rädelsführer, Fall 3 ([X.]) als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland (zum [X.]sbegriff nach dem bis zum 21. Juli 2017 geltenden Recht s. [X.], Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 [X.], [X.]St 54, 216 Rn. 23, 33, 37 ff. [X.]; zu den Tathandlungen des Gründens und - anschließenden - Sichbeteiligens s. [X.], Beschluss vom 7. Mai 2019 - AK 13/19 u.a., juris Rn. 20 f., 30 [X.]; zum Merkmal des Rädelsführers vgl. [X.], Urteil vom 12. September 2023 - 3 StR 306/22, juris Rn. 69 [X.]; zur konkurrenzrechtlichen Beurteilung s. [X.], Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, [X.]St 60, 308 Rn. 23, 37 ff.; vom 20. Februar 2019 - AK 4/19, [X.]R [X.] § 8 Abs. 1 Konkurrenzen 1 Rn. 27).

Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung der Taten des Beschuldigten liegt sowohl hinsichtlich der [X.] als auch des [X.]IG beziehungsweise [X.] vor.

cc) Die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts ergibt sich für das Kriegsverbrechen aus § 1 Satz 1 [X.], für die strafbewehrten Zuwiderhandlungen gegen das [X.]sverbot aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 4 StGB. Der [X.] an eine terroristische Organisation ist nach Art. 1 und 3 des [X.] Anti-Terror-Gesetzes Nr. 19 vom 28. Juni 2012 in [X.] mit Strafe bedroht (s. [X.], Beschluss vom 9. März 2022 - AK 6/22, juris Rn. 42).

dd) Ob und inwieweit durch die mutmaßliche Beteiligung des Beschuldigten an der gegen die schiitische Bevölkerung von [X.] gerichteten Vertreibungsoperation ([X.]) weitere Straftatbestände erfüllt sind, ist für die Haftfrage ohne Bedeutung (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Februar 2015 - StB 2/15, juris Rn. 26; ferner [X.], Beschluss vom 21. Juni 2023 - StB 38/23, juris Rn. 4).

2. Die Strafgerichtsbarkeit des [X.] und damit die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des [X.] für den Erlass des Haftbefehls ergibt sich aus § 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 1 Nr. 6 und 8, § 142a Abs. 1 GVG.

3. Gegen den Beschuldigten besteht jedenfalls der Haftgrund der [X.] (§ 112 Abs. 3 StPO). Daher kann dahinstehen, ob der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) ebenfalls gegeben ist. Dies könnte insofern zweifelhaft sein, als der Beschuldigte schon lange [X.] Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren hatte und im Januar 2023 über den Verdacht unter anderem von „Kriegsverbrechen nach §§ 8, 9 [X.]“ sowie „von Verbrechen nach §§ 129a, 129b StGB“ im Zusammenhang mit einer Betätigung für die [X.] und den [X.] in der Provinz [X.] im [X.]raum von 2012 bis 2015 informiert worden ist, gleichwohl jedenfalls keine erkennbaren Bemühungen entfaltet hat, sich dem Verfahren zu entziehen.

a) Bei den in § 112 Abs. 3 StPO aufgeführten Straftaten, zu denen sowohl die Gründung einer terroristischen [X.] im Ausland als auch die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer solchen zählen, darf nach dem Gesetzeswortlaut die Untersuchungshaft auch dann angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach § 112 Abs. 2 StPO nicht besteht. Allerdings ist die Vorschrift wegen eines sonst darin geregelten offensichtlichen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungskonform auszulegen. Der Erlass eines Haftbefehls ist danach nur zulässig, wenn Umstände vorliegen, welche die Gefahr begründen, dass ohne die Verhaftung des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat gefährdet sein könnte (s. [X.], Beschluss vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65, [X.]E 19, 342, 350 f.).

Genügen kann bereits die zwar nicht mit bestimmten Tatsachen belegbare, aber nach den Umständen des Falls doch nicht auszuschließende Flucht- oder Verdunkelungsgefahr, ferner die ernstliche Befürchtung, der Täter werde weitere Taten ähnlicher Art begehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist die Feststellung, dass eine verhältnismäßig geringe oder entfernte Gefahr dieser Art besteht. Wenn allerdings nach den Umständen des Einzelfalls gewichtige Gründe gegen jede Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO) sprechen, ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von einem Haftbefehl nach § 112 Abs. 3 StPO abzusehen (s. [X.], Beschluss vom 20. April 2022 - StB 15/22, juris Rn. 12 [X.]).

b) Nach diesen rechtlichen Maßstäben liegt der Haftgrund der [X.] vor. Es bestehen zumindest eine verhältnismäßig geringe Flucht- und Verdunkelungsgefahr.

aa) Unter Würdigung sämtlicher fluchtfördernder und -hemmender Faktoren ist eine Fluchtgefahr nicht auszuschließen. Die vom Beschuldigten zu erwartende Strafe begründet einen hohen Fluchtanreiz. Im Hinblick auf die Schwere der dem Beschuldigten vorgeworfenen Verbrechen hat er mit einer langjährigen Haftstrafe zu rechnen. Es bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass er sich über das Gewicht des [X.] und die voraussichtliche Validität der den Verdacht stützenden Beweismittel vor seiner Festnahme nicht im Klaren gewesen ist. Er hat demgegenüber erlebt, dass ein weiterer Verdacht - derjenige der Beteiligung an dem sog. Shu’[X.] - nicht hat erhärtet werden können und andere strafrechtliche Maßnahmen gegen ihn sowie ihm Bekannte „im Sande verlaufen“ sind.

Den [X.] und beruflichen Bindungen des Beschuldigten nach [X.] kommt kein Gewicht zu, das ihn, auf freien Fuß gelangt, mit hinreichender Sicherheit von einer Flucht abhielte. Dies gilt auch unter Berücksichtigung seiner Kenntnis vom Ermittlungsverfahren sowie des Umstands, dass er von einem [X.]aufenthalt in den Jahren 2017 und 2018 freiwillig zurückkehrte. Hinzu kommt, dass er bei der Einreise nach [X.] einen in der [X.] erworbenen gefälschten [X.] Pass mit sich führte, [X.] familiäre Bezüge ebenso dorthin wie nach [X.] hat und - für eine Flucht nützliche - Kontakte zu ehemaligen Gefährten beziehungsweise Untergebenen im In- und Ausland unterhält.

bb) Nach den Umständen des Falls ist eine Verdunkelungsgefahr ebenfalls nicht auszuschließen.

In dem Ermittlungsverfahren gewonnene Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass aus [X.] stammende Zeugen eingeschüchtert werden, um sie von Aussagen abzuhalten, die den Beschuldigten belasten. Es kommt ernstlich in Betracht, dass er sich, auf freien Fuß gelangt, unter Einsatz eines Netzwerks von Familienangehörigen und Unterstützern aktiv steuernd an der Einschüchterung von Zeugen beteiligte, weshalb die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der ihm vorgeworfenen Taten gefährdet erschiene. So hat die anwaltliche Vertreterin eines Zeugen Anfang Oktober 2023 schriftsätzlich mitgeteilt, er und seine in [X.] verbliebene Familie seien seit der Inhaftierung des Beschuldigten auf [X.] massiven Drohungen ausgesetzt. Der angegebene Name der drohenden Person weist dabei Ähnlichkeit mit dem des Beschuldigten auf. Dem Schriftsatz zufolge sei der Familie vermittelt worden, diese Ankündigungen würden nur dann nicht wahrgemacht, falls der Zeuge seine Aussage nicht vor Gericht wiederhole. Sollte er dies indes in Anwesenheit des Beschuldigten („von Angesicht zu Angesicht“) tun, dann werde Rache geübt.

cc) Wegen näherer Einzelheiten wird auf den angefochtenen Haftbefehl, die ihm zugrundeliegende Antragschrift des [X.] vom 17. August 2023 und dessen Zuschrift vom 6. Dezember 2023 verwiesen.

4. Eine - bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO mögliche - Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO analog) ist nicht erfolgversprechend. Unter den gegebenen Umständen kann der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als ihren Vollzug erreicht werden.

5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Eine Verletzung des Gebots, die Ermittlungen zügig zu führen, ist nicht ersichtlich. Der [X.] hat mitgeteilt, mit deren Abschluss sei zeitnah zu rechnen; gegenwärtig würden die abschließenden polizeilichen Vermerke über die Auswertung insbesondere des umfangreichen Videomaterials erstellt. Er beabsichtige, die öffentliche Klage Anfang des Jahres 2024, vor der Sechs-Monats-Haftprüfung, zu erheben.

Schäfer                    Berg                    [X.]

Meta

StB 73/23

20.12.2023

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 22. August 2023, Az: 2 BGs 1156/23

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2023, Az. StB 73/23 (REWIS RS 2023, 9246)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9246

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

AK 26 und 27/24, AK 26/24, AK 27/24 (Bundesgerichtshof)


AK 18/17 (Bundesgerichtshof)


AK 56/23 (Bundesgerichtshof)


AK 61/17, AK 62/17 (Bundesgerichtshof)

Untersuchungshaft: Dringender Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung


AK 55/23 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

3 StR 537/14

3 StR 306/22

3 StR 57/17

3 StR 236/17

3 StR 230/22

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.