Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.03.2024, Az. AK 26 und 27/24, AK 26/24, AK 27/24

3. Strafsenat | REWIS RS 2024, 1642

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Tenor

Die Untersuchungshaft hat [X.].

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.] übertragen.

Gründe

I.

1

Die Angeschuldigten sind am 6. September 2023 aufgrund der Haftbefehle des Ermittlungsrichters des [X.] vom 22. August 2023 (2 [X.] 1156/23 [A.     ]; 5 [X.] 173/23 [[X.]]) festgenommen worden. Nach deren Verkündung sowie Erlass zweier Beschlüsse über die Aufrechterhaltung und Invollzugsetzung (2 [X.] 1208/23 [A.     ]) bzw. über die Invollzugsetzung (5 [X.] 181/23 [[X.]]) am Tag der Festnahme wird gegen die Angeschuldigten ununterbrochen die Untersuchungshaft vollzogen.

2

1. Gegenstand des gegen den Angeschuldigten A.     erlassenen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe sich seit Februar 2013 bis zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im [X.] in [X.] im Bereich [X.] durch drei selbständige Handlungen als Mitglied an einer [X.] im Ausland beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 [X.]), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 [X.]) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 [X.]) zu begehen („[X.]“ und „[X.]“), wobei er in einem Fall die [X.] als Rädelsführer gegründet und sich zugleich an ihr als Rädelsführer beteiligt habe sowie in einem Fall sich als Rädelsführer an ihr beteiligt und gemeinschaftlich handelnd im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufgehalten habe, vertrieben oder zwangsweise überführt habe, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbracht habe, strafbar nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 und 2, Abs. 4 Alternative 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB, § 8 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 6 Nr. 2 [X.], § 25 Abs. 2, § 53 StGB.

3

Mit Beschluss vom 20. Dezember 2023 (StB 73/23) hat der Senat die Haftbeschwerde des Angeschuldigten A.     verworfen.

4

2. Gegenstand des gegen den Angeschuldigten [X.]erlassenen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe sich seit einem derzeit noch nicht genau bekannten Zeitpunkt nach Februar 2013, spätestens ab Dezember 2013, bis einschließlich Juni 2014 in [X.] im Bereich [X.] als Mitglied an einer [X.] im Ausland beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 [X.]), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 [X.]) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 [X.]) zu begehen („[X.]“), strafbar nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB.

5

3. Der [X.] hat, nachdem er die beiden Ermittlungsverfahren verbunden hatte, am 20. März 2024 gegen die Angeschuldigten Anklage zum [X.] erhoben. Er hat den haftbefehlsgegenständlichen Vorwurf gegen den Angeschuldigten A.     um eine Tat erweitert; er legt ihm einen zusätzlichen Fall der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland als Rädelsführer in Tateinheit mit einem Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte (§ 9 Abs. 1 [X.]) zur Last.

II.

6

Bei beiden Angeschuldigten liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und ihre Fortdauer über sechs Monate hinaus vor.

7

1. Was den Angeschuldigten A.     betrifft, so wird hinsichtlich des dringenden Tatverdachts, des [X.] und der Versagung einer Haftverschonung auf die Gründe der Haftentscheidung des Senats vom 20. Dezember 2023 (StB 73/23) Bezug genommen. Diese gelten fort. Für die Haftfrage kommt es auf die in der Anklageschrift dargelegte Erweiterung des Vorwurfs nicht an. Namentlich kann dahinstehen, ob der Angeschuldigte eines weiteren Falls der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland als Rädelsführer in Tateinheit mit einem Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte dringend verdächtig ist, indem er als Anführer der „[X.]“ ([X.]) ein Feld von Erdölquellen habe erobern und ausbeuten lassen, und ob ein solches Tatgeschehen auf der Grundlage der Ausführungen in dem Haftbefehl (S. 4, 6, 10, 22) Gegenstand der Haftprüfung sein könnte.

8

Die nach der Vorlage der Haftbeschwerde durchgeführten Ermittlungen haben den dringenden Tatverdacht nicht entkräftet. Insbesondere haben die vom Angeschuldigten benannten Zeugen keine Angaben zur Existenz einer anderen Person als Anführer der [X.] gemacht, die geeignet sind, das bisherige auf vielfältigen Erkenntnissen beruhende Ermittlungsergebnis zu erschüttern. Wegen der Einzelheiten wird auf die Zuschrift des [X.]s vom 28. Februar 2024 verwiesen.

9

2. Was den Angeschuldigten [X.]betrifft, so gilt für die die Anordnung und den Vollzug der Untersuchungshaft rechtfertigenden allgemeinen Voraussetzungen:

a) Der Angeschuldigte ist der ihm angelasteten Tat dringend verdächtig.

aa) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

(1) Die [X.] wurde im Februar 2013 in der Provinz [X.] vom Angeschuldigten A.     gegründet. Sie bestand unter dessen Führung als eigenständige bewaffnete Rebellengruppe bis zu ihrer Eingliederung in den [X.] Anfang Juli 2014.

Ziel der [X.] war der Sturz des [X.] Regimes durch andauernden bewaffneten Kampf. Sie bekannte sich zwar zunächst zur [X.] ([X.]), die im Juli 2011 als Dachorganisation für die [X.] im [X.] entstanden war und kein ausgeprägtes ideologisches Profil besaß. Die [X.] verfolgte aber eine islamistische Agenda. Von Anfang an und im Weiteren zunehmend bediente sie sich islamistisch-jihadistischer Rhetorik und Symbolik. Im Dezember 2013 gründete und dominierte sie unter dem Namen „[X.]qa“ („Sammelbewegung der [X.] von [X.]qa“) ein Bündnis mit anderen bewaffneten Gruppierungen. Es grenzte sich bewusst von dem Bündnis „Mishmish“ um die „[X.]“ ([X.]) ab, das die Ausbreitung des „[X.] im [X.] und in Großsyrien“ ([X.]IG) kämpferisch unterbinden wollte. Offen erklärtes Ziel der [X.] war jedenfalls ab diesem Zeitpunkt die Einführung der Scharia, die Errichtung eines [X.] Staates in [X.] und die Kooperation mit dem sich ausbreitenden [X.]IG.

Bei ihrer Gründung verfügte die [X.] mindestens über eine niedrige dreistellige Anzahl von Kämpfern, einen Anführer und ein Generalkommando. Sie untergliederte sich hierarchisch in [X.] (Bataillone), die durch [X.]-Anführer sowie [X.] geleitet und befehligt wurden. Den anfangs acht [X.] wurden durch Beitritte anderer bewaffneter Gruppen aus [X.] und dem Umland in der Folgezeit mindestens sieben weitere [X.] hinzugefügt. Die [X.] unterhielt mehrere logistische Stützpunkte und verwendete eigene Logos und Banner. Für propagandistische Öffentlichkeitsarbeit betrieb sie ein „Medienbüro“, nutzte einschlägige [X.] und veröffentlichte Presseerklärungen, Interviews sowie insbesondere [X.], etwa auf ihrem YouTube-Kanal „           “. Eine Einheit unter zeitweiliger Leitung eines Bruders des Angeschuldigten A.     verwaltete die von der [X.] eingenommenen Ölquellen und nutzte den Vertrieb des gewonnenen Öls zur Finanzierung der Gruppierung sowie zur Beschaffung von Waffen.

Die [X.] engagierte sich langfristig in Bündnissen und Dachverbänden. Die Kämpfer wurden durch einen gemeinschaftlichen Schwur auf die [X.] und die Förderung von deren Zielen verpflichtet. Sie erhielten Verpflegung, Waffen, Ausrüstung, Ausbildung sowie teilweise Sold und dienten der [X.] in einer Art Schichtdienst. Die Organisation verfügte über Sturmgewehre, Maschinengewehre, leichte Panzerabwehrwaffen, selbstgefertigte ungelenkte Raketenartillerie und Mörser aller Kaliber sowie über mindestens ein rückstoßfreies Geschütz samt zugehöriger Munition. Sie nutzte außerdem eine größere Anzahl Geländefahrzeuge, teils mit aufgepflanzten schweren Maschinengewehren, und mindestens zwei erbeutete Panzer der [X.]. Auch im städtischen Gebiet bediente sie sich massiv ungelenkter Artillerie und Raketen. Sie setzte die Sprengung und Inbrandsetzung von Gebäuden als Kampfmittel ein; ihre Scharfschützen nahmen Passanten unter Beschuss. Zudem verwendete sie minderjährige Rekruten, verhöhnte in ihren [X.] Leichen getöteter Gegner und prägte die [X.] Feindbilder „Regimetreue“, „Schiiten“, „Alawiten“.

Als kämpfende Konfliktpartei engagierte sich die [X.] dauerhaft an mehreren [X.] zu Gebieten, die von Einheiten des [X.] Regimes gehalten wurden, und führte zusätzlich begrenzte militärische Aktionen durch. Neben anderen bewaffneten Gruppierungen nahm sie spätestens ab April 2013 kontinuierlich an der Belagerung des von der [X.] gehaltenen Militärflughafens von [X.] teil. Auf die gleiche Weise betätigte sie sich an den [X.] in der [X.] selbst und dem nahegelegenen Industriegebiet. Im Juni 2013 führte die [X.] in dem Ort [X.] gemeinsam mit der [X.] und weiteren bewaffneten Gruppierungen eine als „Säuberung“ bezeichnete, gegen die dortige schiitische Bevölkerung gerichtete Vertreibungsoperation durch, die sämtliche schiitische Präsenz in [X.] beendete und die gesamte schiitische Infrastruktur wie Moscheen und Gebetshäuser zerstörte. Dabei wurde eine Vielzahl schiitischer Einwohner getötet. Die [X.] diente der Vergeltung sowie der Errichtung einer der Ideologie der [X.] entsprechenden Staats- und Gesellschaftsordnung.

Spätestens ab Anfang 2014 unterstützte die [X.] den [X.]IG bei der Einnahme der Provinz [X.] und der Vertreibung gegnerischer bewaffneter Einheiten. Anfang Juli 2014 trat sie der nunmehr in „[X.]“ ([X.]) umbenannten [X.] bei, gab eine Gefolgschaftserklärung ab und beteiligte sich anschließend als deren Untergruppe an der Eroberung der [X.] [X.] sowie der Unterwerfung des [X.]. Im weiteren Verlauf des Jahres 2014 verschwand sie als abgrenzbare Einheit des [X.] und ging vollständig in ihm auf.

(2) Der Angeschuldigte [X.]trat der [X.] zu einem bislang nicht genau bekannten Zeitraum zwischen September und Anfang Dezember 2013 bei. Er teilte ihre Ideologie und gehörte ihr bis einschließlich Juni 2014 an.

Spätestens seit Anfang Dezember 2013 hatte der Angeschuldigte eine führende Stellung im militärischen Bereich der [X.] inne. In dieser Funktion befehligte er ihre Kampftruppen im Gebiet [X.] bei Gefechten gegen die [X.]. Soweit an diesen Kampfhandlungen neben Einheiten der Gruppierung Kräfte anderer [X.]en beteiligt waren, koordinierte der Angeschuldigte den Einsatz. Insbesondere nahm er im Dezember 2013 an dem gemeinsam mit weiteren Kräften der [X.]qa ausgeführten Angriff gegen Stützpunkte der [X.] beim Militärflughafen [X.] teil. Im Februar 2014 führte er Einheiten der [X.] bei Kampfhandlungen gegen die [X.] in der Ortschaft [X.]. Unter seiner Leitung nahmen die Truppen der Gruppierung im April 2014 einen Teil des Militärflughafens [X.] ein. Indes gelang ihnen nicht dessen vollständige Übernahme. Vielmehr zogen sich die Kämpfe mit der [X.] bis Juni 2014 hin.

bb) Hinsichtlich der [X.] [X.] [X.] und ihrer Teilnahme am bewaffneten nichtinternationalen Konflikt in der Provinz [X.] beruht der dringende Tatverdacht auf Sachverständigengutachten und polizeilichen Auswerteberichten. Sie werden bestätigt durch Erkenntnisse aus einer großen Anzahl von [X.] und durch Aussagen zahlreicher aus [X.] stammender Zeugen, die ihren Bekundungen zufolge der Gruppierung angehörten oder Kontakt zu ihr hatten. Im Hinblick auf die Struktur und Tätigkeit der [X.] sowie die Vertreibungsoperation in der Ortschaft [X.] am 11. Juni 2013 sind die Ermittlungsergebnisse in einen umfangreichen Vermerk des [X.] vom 13. Dezember 2023 niedergelegt. Darin sind - neben Erkenntnissen aus Sachverständigengutachten, Zeugenvernehmungen und sonstigen Ermittlungsmaßnahmen - die Resultate aus der seit der Festnahme vorgenommenen Auswertung der relevanten Inhalte zweier [X.] und eines [X.] der [X.] sowie weiterer zahlreicher [X.] eingeflossen.

Der Angeschuldigte [X.]hatte die mitgliedschaftliche Beteiligung an der [X.] zunächst in Abrede gestellt. So hatte er im Asylverfahren bestritten, in [X.] einer bewaffneten Gruppierung angehört zu haben. In einem anderen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft [X.] hat er dann zwar über seinen Verteidiger eingeräumt, er sei einer der Organisationen beigetreten, die sich nach Ausbruch des [X.] gegen das syrische Regime gerichtet hätten. Jedoch habe er lediglich an [X.] für eine Rebellengruppierung mitgewirkt, in denen Kampfszenen nur nachgeahmt worden seien. An realen Kampfhandlungen habe er sich nicht beteiligt. Im hiesigen Verfahren hat er sich erstmals mit der [X.] seines Verteidigers vom 18. März 2024 dahin geäußert, er habe der [X.] angehört und aktiv an bewaffneten Auseinandersetzungen mit dem [X.] um den Militärflughafen [X.] mitgewirkt, allerdings nicht in leitender Funktion sowie „weniger aus religiösen bzw. fanatischen ..., sondern eher ... aus finanziellen und logistischen Gründen“.

Hinsichtlich der führenden Stellung des Angeschuldigten [X.]innerhalb der [X.] und seiner mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen stützt sich der dringende Tatverdacht im Wesentlichen auf die Auswertung einer Vielzahl gesicherter [X.], welche die Medienabteilung der [X.] in das [X.] einstellte, und hierauf bezogene Identifizierungsgutachten des [X.]. Den [X.] lässt sich sowohl entnehmen, dass der Angeschuldigte mit großer Wahrscheinlichkeit auf Seiten der [X.] an verschiedenen Kampfeinsätzen teilnahm, namentlich im Bereich des Militärflughafens [X.] und der Ortschaft [X.], als auch, dass er hochwahrscheinlich eine den regulären Kämpfern übergeordnete leitende und koordinierende Funktion einnahm (beispielsweise aufgrund des Untertitels „Ansprache des Militärkommandeurs“). Dass er damals die Ideologie der [X.] teilte, ergibt sich insbesondere aus seinen offenkundig von einer islamistischen Gesinnung getragenen Äußerungen, die auf den [X.] dokumentiert sind.

Soweit sich der Angeschuldigte in dem anderen Ermittlungsverfahren über seinen Verteidiger dahin eingelassen hat, auf den [X.] seien lediglich zu Propagandazwecken nachgeahmte Kampfszenen zu sehen, vermag dies den dringenden Tatverdacht nicht zu entkräften. Auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungsergebnisse besteht hierfür weder ein tatsächlicher Anhalt, noch ist dies im Hinblick auf das auf den [X.] wiedergegebene Geschehen plausibel. Die nunmehrigen Ausführungen in der [X.] geben ebenfalls keinen Anlass, den dringenden Tatverdacht abweichend zu bewerten. Auch für den Vorwurf, dass der Angeschuldigte im militärischen Bereich der [X.] eine führende Position einnahm, liegt aus den genannten Gründen weiterhin der nach § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderliche Verdachtsgrad vor. Die eingehende Würdigung seiner voneinander divergierenden Angaben bleibt einer voraussichtlichen Hauptverhandlung vorbehalten (vgl. zudem [X.], Urteil vom 26. Januar 2023 - 3 StR 154/22, juris Rn. 17).

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den gegen den Angeschuldigten vollzogenen Haftbefehl, die diesem zugrundeliegende Antragsschrift des [X.]s vom 16. August 2023 und dessen Zuschrift vom 28. Februar 2024 verwiesen.

cc) In rechtlicher Hinsicht ist der Angeschuldigte [X.]dringend verdächtig der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB. Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung seiner Taten im Zusammenhang mit der Betätigung für die [X.] liegt vor. Die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 4 StGB. Der [X.] an eine terroristische Organisation ist nach Art. 1 und 3 des [X.] Nr. 19 vom 28. Juni 2012 in [X.] mit Strafe bedroht (s. [X.], Beschluss vom 9. März 2022 - AK 6/22, juris Rn. 42).

b) Die Strafgerichtsbarkeit des [X.] und damit die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des [X.] für den Erlass des Haftbefehls folgt aus § 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 1 Nr. 6, § 142a Abs. 1 GVG.

c) Gegen den Angeschuldigten [X.]liegt jedenfalls der Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO) vor. Daher kann offenbleiben, ob der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) ebenfalls gegeben ist. Dies könnte insofern zweifelhaft sein, als der Angeschuldigte in [X.] familiär eingebunden sowie sozial integriert scheint (dazu sogleich) und gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er bereits seit September 2022 mit Ermittlungen zu strafbarem Verhalten im [X.]sgebiet gerechnet, gleichwohl bislang jedenfalls keine erkennbaren Bemühungen entfaltet hat, sich dem Verfahren zu entziehen.

Bei den in § 112 Abs. 3 StPO angeführten Straftaten, zu denen die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland gehört, kann für die Anordnung der Untersuchungshaft bereits die zwar nicht mit bestimmten Tatsachen belegbare, aber nach den Umständen des Falls doch nicht auszuschließende Fluchtgefahr genügen (zu den rechtlichen Anforderungen s. [X.], Beschluss vom 20. April 2022 - StB 15/22, juris Rn. 11 f. mwN). So liegt es hier, sollte der Angeschuldigte [X.]auf freien Fuß gelangen:

Im Fall seiner Verurteilung hat der Angeschuldigte eine empfindliche, einen erheblichen Fluchtanreiz begründende Strafe zu erwarten. Dem stehen keine hinreichenden die Fluchtgefahr ausschließenden Umstände gegenüber. Zwar verfügt der Angeschuldigte in [X.] über [X.] Bindungen. Er ist seit Oktober 2021 mit einer [X.] und [X.] Staatsangehörigen verheiratet, mit der er zwei kleine Kinder hat. Vier seiner Geschwister wohnen in [X.]. Der Angeschuldigte zeigte sich um seine Integration bemüht. So sind seine Deutschkenntnisse mittlerweile gut; vor seiner Inhaftierung absolvierte er an einer Hochschule ein Masterstudium in Interkultureller Kommunikation und engagierte sich ehrenamtlich. Jedoch ist sein aufenthaltsrechtlicher Status ungesichert. Das auf seinen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis eingeleitete Verwaltungsverfahren ist derzeit wegen Anhängigkeit eines Ermittlungsverfahrens ausgesetzt. Überdies leben seine Eltern und drei Geschwister noch in [X.]. Er unterhält Kontakte in den [X.] und plante, in Begleitung seiner Familie dorthin zu fliegen, nach eigenen Angaben für ein Treffen mit seinen Eltern. Sollte sich der Angeschuldigte ins Ausland absetzen, ist zu erwarten, dass seine Ehefrau, die zum [X.] Glauben konvertiert ist und seine im [X.] traditionellen [X.] Wertvorstellungen teilt, ihm mit den gemeinsamen Kindern dorthin folgt. Ein Abtauchen innerhalb von [X.] ist ebenso wenig ausgeschlossen.

d) Eine - bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO mögliche - Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO analog) verspricht beim Angeschuldigten [X.]keinen Erfolg. Entgegen dem Antrag der Verteidigung kann unter den gegebenen Umständen der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als ihren Vollzug erreicht werden.

3. Bei beiden Angeschuldigten liegen die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus vor. Der besondere Umfang und die besondere Schwierigkeit der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug.

a) Seit der Festnahme der Angeschuldigten sind die Inhalte zweier [X.] und eines [X.] der [X.], insgesamt 498 [X.] und 72 Seiten Tweets, sowie weitere 64 [X.] ausgewertet worden.

b) Hinsichtlich des gegen den Angeschuldigten A.     erhobenen Vorwurfs sind seit der Invollzugsetzung des Haftbefehls neun Zeugen im In- und Ausland vernommen worden, wobei die letzte Vernehmung auf den 16. Februar 2024 datiert. Auf die Beweisanregungen des Verteidigers des Angeschuldigten vom 29. November 2023 und vom 16. Januar 2024 hat der [X.] zeitnah Rechtshilfeersuchen an die [X.] sowie an [X.] auf Vernehmung von insgesamt fünf Zeugen gerichtet. Vier bei dem Angeschuldigten anlässlich der Festnahme sichergestellte Mobiltelefone sind vorläufig gesichtet worden. Aufgrund der darauf gespeicherten großen Datenmenge ist die Auswertung der einzelnen Inhalte noch nicht abgeschlossen.

c) Hinsichtlich des gegen den Angeschuldigten [X.]erhobenen Vorwurfs sind seit der Invollzugsetzung des Haftbefehls fünf Zeugen einvernommen worden, die sich im maßgeblichen Zeitraum in dem [X.] [X.], seiner 20 Kilometer südöstlich von [X.] gelegenen Heimatstadt, aufhielten und bei denen Anhaltspunkte vorgelegen haben, dass sie ihn kennen. Die Vernehmungen haben im Oktober 2023 stattgefunden. Die aufwändige Auswertung der Beweismittel, die im Rahmen der anlässlich der Festnahme durchgeführten Durchsuchung sichergestellt worden sind (Mobiltelefon und [X.]), ist im November 2023 abgeschlossen gewesen. Der Schlussbericht der [X.] ist im Oktober 2023 vorgelegt worden. Die - zum Teil zeitintensiven - [X.]ermittlungen, mittels derer abgeklärt worden ist, ob Hinweise auf eine (fortbestehende) radikalislamische Gesinnung des Angeschuldigten oder Anhaltspunkte für weitere mitgliedschaftliche Beteiligungsakte innerhalb der [X.] bestehen, haben ebenfalls bis November 2023 gedauert.

Nachdem der Angeschuldigte [X.]über seinen Verteidiger wiederholt mitgeteilt hatte, er wolle sich zur Sache einlassen, hat der [X.] seine Vernehmung für den 29. und 30. November 2023 vorgesehen, von welcher der Angeschuldigte allerdings kurzfristig Abstand genommen hat. Der polizeiliche Schlussbericht ist daraufhin unter dem 14. Dezember 2023 vorgelegt worden.

d) Der [X.] hat hinreichend zügig Anklage erhoben. Dem Angeschuldigten [X.]gegenüber begründet es keine Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes, dass die vom Verteidiger des Angeschuldigten A.     angeregten Zeugenvernehmungen zu einer unbeträchtlich späteren Anklageerhebung auch gegen ihn geführt haben. Dass der [X.] es als sachgerecht erachtet hat, die Ermittlungsverfahren zu verbinden, und somit auf die Zulassung nur einer Hauptverhandlung gegen beide angetragen hat, ist nicht zu beanstanden.

e) Wegen näherer Einzelheiten wird auf die Zuschrift des [X.]s vom 28. Februar 2024 Bezug genommen.

4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht bei keinem der Angeschuldigten derzeit außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung jeweils zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Schäfer                       Berg                       [X.]

Meta

AK 26 und 27/24, AK 26/24, AK 27/24

21.03.2024

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: AK

vorgehend BGH, 22. August 2023, Az: 2 BGs 1156/23

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.03.2024, Az. AK 26 und 27/24, AK 26/24, AK 27/24 (REWIS RS 2024, 1642)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1642

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