Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24.08.2010, Az. 3 AZB 13/10

3. Senat | REWIS RS 2010, 3866

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Gegenstand

Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs


Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des [X.] vom 23. März 2010 - 4 [X.]/10 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I. [X.]er Rechtsbeschwerdeführer und Kläger des Hauptsacheverfahrens(im [X.]olgenden: Kläger) begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung einer Rechtsanwältin zur [X.]urchführung einer Berufung.

2

[X.]er Kläger ist Rechtsanwalt. In seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen des [X.] nahm er dessen Arbeitgeberin(im [X.]olgenden: Beklagte) auf Zahlung pfändbarer Anteile am Arbeitseinkommen für die [X.] von März 2006 bis Juli 2009 in Höhe von insgesamt 49.286,40 Euro in Anspruch.

3

[X.]as Arbeitsgericht wies die Klage mit Urteil vom 12. August 2009 ab. [X.]as vollständig abgefasste Urteil gelangte am 26. Januar 2010 zur Geschäftsstelle und wurde dem Kläger am 4. [X.]ebruar 2010 zugestellt.

4

Am 16. Oktober 2009 war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet und Rechtsanwältin [X.] zur Insolvenzverwalterin bestellt worden.

5

Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2010 hat der Kläger beim [X.] unter Hinweis darauf, dass ihm ein vollständig abgefasstes Urteil bislang nicht zugestellt worden sei, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin zur [X.]urchführung der Berufung beantragt. Zur Erfolgsaussicht der Berufung hat er ausgeführt, die Klage sei zu Unrecht abgewiesen worden; das erstinstanzliche Urteil solle daher in vollem Umfang zur Überprüfung gestellt werden.

6

[X.]as [X.] hat mit Beschluss vom 23. März 2010 den [X.] des [X.] - in Unkenntnis der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten - zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe entgegen § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel nicht dargestellt. [X.]azu müsse im Rechtsmittelverfahren zumindest in Grundzügen aufgezeigt werden, weshalb die Entscheidung der Vorinstanz der Anfechtung unterliege. [X.]aran fehle es.

7

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.], mit der er seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur [X.]urchführung der Berufung unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin weiterverfolgt.

8

II. [X.]ie Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

9

1. [X.]er Senat kann über die Rechtsbeschwerde trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten entscheiden.

a) Zwar ist das die Masse betreffende Hauptsacheverfahren wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen. [X.]ie Unterbrechung tritt unabhängig von der Kenntnis der [X.]en und des Gerichts ein und ist in jeder Lage des Verfahrens - auch in der [X.] - von Amts wegen zu berücksichtigen(vgl. für die Revisionsinstanz: [X.] März 2002 - [X.]/01 - zu IV 1 b der Gründe, NJW 2002, 2107).

b) [X.]ie Unterbrechung des Hauptsacheverfahrens führte jedoch nicht zur Unterbrechung des [X.](vgl. zum [X.] der insolvent gewordenen [X.]: [X.] 4. Mai 2006 - [X.] 26/04 - NJW-RR 2006, 1208; 23. März 1966 - [X.] ZR 103/64 - NJW 1966, 1126). [X.]er Kläger als Gegner der insolvent gewordenen [X.] konnte auch während der Unterbrechung der Hauptsache einen [X.] stellen. Sein Antrag betrifft nicht die Insolvenzmasse. Außerdem hat die Unterbrechung nach § 249 Abs. 2 ZPO nur die Wirkungslosigkeit der von einer [X.] in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen gegenüber der anderen [X.], nicht jedoch gegenüber dem Gericht, zur [X.]olge.

2. [X.]ie Rechtsbeschwerde ist unbegründet. [X.]as [X.] hat den [X.] des [X.] im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. [X.]er Kläger war zwar entgegen der Auffassung des [X.]s zur Begründung des [X.] nach § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht gehalten darzulegen, weshalb die Entscheidung des Arbeitsgerichts fehlerhaft sein soll. [X.]ie Berufung bietet jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg iSv. § 114 Satz 1 ZPO.

a) [X.]er [X.] des [X.] kann nicht deshalb zurückgewiesen werden, weil der Kläger in der Antragsbegründung nicht aufgezeigt hat, weshalb die erstinstanzliche Entscheidung fehlerhaft sein soll. Es bedarf keiner Entscheidung, ob § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO entsprechende [X.]arlegungen im Regelfall erfordert. Vorliegend sind hierauf gerichtete Ausführungen schon deshalb entbehrlich, weil das Urteil des Arbeitsgerichts nicht innerhalb von fünf Monaten nach seiner Verkündung vollständig abgefasst zur Geschäftsstelle gelangt ist. Es ist deshalb als Urteil ohne Gründe anzusehen(Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes 27. April 1993 - [X.] 1/92 - BVerwGE 92, 367). Zur Begründung einer hiergegen gerichteten Berufung genügt es, wenn der Berufungsführer geltend macht, das Urteil sei als solches ohne Gründe anzusehen (vgl. [X.] 16. Juni 2004 - 5 [X.] - zu II 2 d der Gründe, [X.] ZPO 2002 § 551 Nr. 2 = EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 3). [X.]as Berufungsgericht hat dann wegen des gerügten Mangels in der Berufungsinstanz eine vollständige Sachaufklärung zu betreiben ([X.] 13. September 1995 - 2 [X.] 855/94 - zu II 2 b aa der Gründe, [X.] ArbGG 1979 § 66 Nr. 12 = EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 22). Wird in einem solchen [X.]all für die Berufung Prozesskostenhilfe beantragt, kann von dem Antragsteller nicht verlangt werden, sich mit den mutmaßlichen Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils auseinanderzusetzen und aufzuzeigen, weshalb das Arbeitsgericht fehlerhaft entschieden haben soll. Anders als zur Begründung der Berufung ist zur Begründung des [X.] auch nicht erforderlich, dass der Antragsteller ausdrücklich rügt, das Urteil sei als solches ohne Gründe anzusehen. Es genügt vielmehr, wenn sich aus der Antragsbegründung und den Verfahrensakten ergibt, dass das Urteil nicht innerhalb von fünf Monaten nach seiner Verkündung zur Geschäftsstelle gelangt ist. [X.]ann ist für das Berufungsgericht erkennbar, dass eine Auseinandersetzung mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils nicht erfolgen kann. [X.]er Antragsteller ist auch nicht gehalten, nach § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel nochmals darzustellen. [X.]ies hat er als Kläger bereits durch die Klageschrift sowie ggf. weitere erstinstanzliche Schriftsätze oder einen in erster Instanz gestellten, ggf. positiv beschiedenen [X.] getan. [X.]ie hinreichende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ist daher vom Berufungsgericht anhand der Verfahrensakten zu beurteilen. So verhält es sich hier. [X.]er Kläger hat in dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zwar nicht ausdrücklich gerügt, dass das erstinstanzliche Urteil als solches ohne Gründe anzusehen sei. Aus seinem Hinweis in dem [X.] vom 19. Januar 2010, das Urteil sei noch nicht in vollständiger [X.]orm zugestellt worden, ist jedoch für das Prozesskostenhilfeverfahren ohne weiteres zu entnehmen, dass eine Auseinandersetzung mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils nicht erfolgen kann.

b) [X.]ie beabsichtigte Berufung bietet jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg iSv. § 114 Satz 1 ZPO, da die Weiterverfolgung der Zahlungsklage gegenüber der Beklagten aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils unzulässig geworden ist.

aa) [X.]ie Auslegung des [X.] ergibt, dass dieser sich auf eine mit den Zahlungsanträgen erster Instanz durchzuführende Berufung und daher weiterhin auf eine beabsichtigte Rechtsverfolgung gegen die Insolvenzschuldnerin bezieht. [X.]iese ist als „Beklagter und Antragsgegner“ im Rubrum des [X.] genannt. In der Antragsbegründung heißt es, das Arbeitsgericht habe die Klageanträge zu Unrecht abgewiesen und das erstinstanzliche Urteil werde daher in vollem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt.

bb) [X.]iese Rechtsverfolgung bietet schon deshalb keine hinreichende Aussicht auf Erfolg mehr, weil die in erster Instanz gegen die Beklagte verfolgten Zahlungsanträge mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils unzulässig geworden sind.

(1) [X.]urch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner nach § 80 Abs. 1 [X.] die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen. Eine gleichwohl gegen den Schuldner fortgeführte Klage wird unzulässig, da ihm die passive Prozessführungsbefugnis und dem Gläubiger, der seine [X.]orderungen nach § 87 [X.] nur noch durch Anmeldung im Insolvenzverfahren realisieren kann, das Rechtsschutzbedürfnis fehlt(vgl. [X.] 11. [X.]ezember 2008 - IX ZB 232/08 - Rn. 7, ZIP 2009, 240).

(2) [X.]er Kläger ist daher darauf verwiesen, seine [X.]orderungen zunächst zur Insolvenztabelle anzumelden und im [X.]alle des Bestreitens durch die Insolvenzverwalterin nach Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits seinen Klageantrag in der Berufung, für deren Einlegung und Begründung die [X.]risten nach § 249 Abs. 1 ZPO vor der Aufnahme noch nicht zu laufen begonnen haben(vgl. [X.] 29. März 1990 - III ZB 39/89 - zu II 3 der Gründe, [X.]Z 111, 104), auf [X.]eststellung der [X.]orderung zur Insolvenztabelle (§§ 175, 180 [X.]) umzustellen (vgl. [X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 240 Rn. 13 und 14 mwN).

3. Eine Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren war nicht veranlasst.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    [X.]    

        

        

        

        

        

        

        

        

Meta

3 AZB 13/10

24.08.2010

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZB

vorgehend ArbG Köln, 12. August 2009, Az: 3 Ca 4632/06, Urteil

§ 114 S 1 ZPO, § 117 Abs 1 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24.08.2010, Az. 3 AZB 13/10 (REWIS RS 2010, 3866)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3866

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 Ta 165/20

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