Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.03.2011, Az. I R 23/10

1. Senat | REWIS RS 2011, 8685

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Gegenstand

Vergütungen eines Delegierten einer Schweizerischen Kapitalgesellschaft (Mitglied des Verwaltungsrates) - Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs von Art. 16 DBA-Schweiz 1992 - Rechtsgrund für die Zahlung einer Vergütung bei geschäftsführender als auch geschäftsführungsüberwachender Funktion - Wegfall der Bindung an die Würdigung des FG


Leitsatz

Vergütungen eines Delegierten einer Schweizerischen Kapitalgesellschaft (Mitglied des Verwaltungsrates), die auf der Grundlage eines Anstellungsvertrages für die geschäftsführende Tätigkeit gezahlt werden, unterfallen Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 .

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung, in der Vergütungen eines geschäftsführenden Mitglieds des Verwaltungsrates einer [X.] Kapitalgesellschaft als steuerpflichtig erfasst sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), Eheleute mit einem inländischen Wohnsitz im Streitjahr (1996), wurden vom [X.]eklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) nach Maßgabe unbeschränkter Steuerpflicht zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war bei der C-AG, einer [X.] Aktiengesellschaft mit Sitz in [X.], seit der Gesellschaftsgründung (1990) beschäftigt. Die C-AG betrieb den Handel mit und die Vermittlung von Rohstoffen, Halb- und Fertigprodukten aller Art, insbesondere auf dem Gebiet der chemischen Industrie. Im Rahmen dieses Unternehmenszwecks hatte der Kläger die Aufgabe, für die C-AG insbesondere bei Chemieunternehmen in Osteuropa Kunststoffe aufzukaufen und sie an westeuropäische Abnehmer weiterzuverkaufen sowie internationale Geschäftskontakte zu pflegen. Im Streitjahr war neben dem Kläger noch ein Sachbearbeiter beschäftigt, der am Sitz der C-AG für die tatsächliche/technische Durchführung der vom Kläger erzielten Vertragsabschlüsse sorgte. Daneben waren für die Gesellschaft nur "freie Fremdarbeitskräfte" tätig.

3

Nach Ziffer 1 des Arbeitsvertrages vom 5./15. Januar 1990 erfolgte die Anstellung des [X.] als Geschäftsführer und "Delegierter" (dies ist nach Art. 718 Abs. 2 des [X.] [X.]undesgesetzes betreffend die Ergänzung des [X.] [Fünfter Teil: Obligationenrecht] vom 30. März 1911 --OR-- ein Mitglied des Verwaltungsrates, dem die Außenvertretung der Gesellschaft übertragen ist). Die [X.]estellung zum Delegierten erfolgte durch den Verwaltungsrat der C-AG (Art. 5 der Statuten der C-AG und der Schwestergesellschaften [X.]. Art. 11 ff. des Geschäftsreglementes der C-AG vom 9. Februar 1990 --Geschäftsreglement--). Zuvor war der Kläger durch die Generalversammlung der C-AG zum Mitglied des Verwaltungsrates ernannt worden. Der Kläger war mit der Funktion "Delegierter" und der Zeichnungsberechtigung "Einzelunterschrift" in das Handelsregister des Kantons [X.]-Stadt eingetragen; die Eintragung war im [X.] veröffentlicht worden. Dem Verwaltungsrat gehörte im Streitjahr auch (als Verwaltungsratspräsident) der in [X.] ansässige [X.] an, dem ein Zeichnungsrecht "zu zweien" eingeräumt war. Sitzungen des [X.] fanden grundsätzlich einmal jährlich statt. Eine (gesonderte) Vergütung für seine Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsrates erhielt der Kläger nicht.

4

Nach den Angaben im Lohnausweis des [X.] behielt die C-AG vom "[X.]ruttolohn Total" (160.000 [X.]) Quellensteuer in Höhe von 28.480 [X.] ein und führte sie an die [X.] ab. Nach der Quellensteuerabrechnung des [X.] des Kantons [X.]-Stadt vom 30. Juli 1998 betrug die Quellensteuer für den gesamten [X.]ruttolohn insgesamt 34.400 [X.] (21,5 %); eine Differenzierung nach kantonalen Abgaben und direkter [X.]undessteuer wurde nicht ausgewiesen.

5

Das [X.] hat den Kläger unter Hinweis auf die Anzahl der von ihm durch eine Auflistung ("Reiseliste") nachgewiesenen sog. Nichtrückkehrtage (über 60 Tage) zwar nicht als sog. Grenzgänger i.S. des Art. 15a Abs. 2 des Abkommens zwischen der [X.]undesrepublik [X.] und der [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 ([X.]G[X.]l II 1972, 1022, [X.]St[X.]l I 1972, 519) i.d.[X.] vom 21. Dezember 1992 ([X.]G[X.]l II 1993, 1888, [X.]St[X.]l I 1993, 928) --D[X.]A-Schweiz 1992-- angesehen. Es hat aber den auf eine Tätigkeit in Drittstaaten bzw. in [X.] entfallenden Teil des [X.]ruttolohns unter Hinweis auf Art. 15 Abs. 4 D[X.]A-Schweiz 1992 unter Anrechnung der [X.] Quellensteuer in die [X.]emessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen. Die Klage blieb erfolglos; zwar folgte das Finanzgericht (FG) der Auslegung des [X.] zu Art. 15 Abs. 4 D[X.]A-Schweiz 1992 nicht, stützte die Steuerfestsetzung (unter [X.]eachtung des sog. Verböserungsverbots) aber auf Art. 16 bzw. Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 D[X.]A-Schweiz 1992 (FG [X.]aden-Württemberg, [X.], Urteil vom 19. Dezember 2009  3 [X.], abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 411).

6

Die Kläger rügen die Verletzung materiellen Rechts und beantragen, das angefochtene Urteil und den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 20. Dezember 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 2005 in der Weise zu ändern, dass Einkünfte des [X.] aus nichtselbständiger Arbeit nicht mehr angesetzt werden, und die Einkommensteuer auf 0 DM (€) festzusetzen.

7

Das [X.] hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet; das [X.] hat die vom Kläger von der C-AG bezogenen Einnahmen zu Unrecht als steuerpflichtige Einkünfte in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 [X.] der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--); unter Änderung des angefochtenen Steuerbescheids ist die Einkommensteuer 1996 auf 0 DM (€) herabzusetzen.

9

1. Die Kläger waren im Streitjahr gemäß § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1990) unbeschränkt steuerpflichtig; nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) hatten die Kläger einen Wohnsitz im Inland. Die Kläger unterlagen daher mit allen in den Streitjahren erzielten Einkünften der Einkommensteuer. Ferner ist das [X.] ersichtlich davon ausgegangen, dass der Kläger aus abkommensrechtlicher Sicht in [X.] ansässig war (Art. 4 Abs. 1 [X.] 1992); diese Einschätzung wird von den Verfahrensbeteiligten geteilt.

2. Die Ausübung des hiernach bestehenden Besteuerungsrechts findet aber, soweit es um die streitgegenständlichen Einkünfte des [X.] geht, in Art. 24 Abs. 1 [X.] Satz 1 Buchst. d [X.] 1992 seine Grenze. Nach dieser Regelung werden bei einer in [X.] ansässigen Person Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen [X.]. 15 [X.] 1992, soweit sie nicht unter Art. 17 [X.] 1992 fallen, von der Bemessungsgrundlage der [X.] Steuer ausgenommen, wenn sie nach dem [X.] besteuert werden können und die Arbeit in [X.] ausgeübt wird. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Für die Einkünfte des [X.] aus nichtselbständiger Arbeit besteht nach Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 in [X.] ein Besteuerungsrecht; die Tätigkeit gilt auch als an diesem Ort ausgeübt.

a) Nach Art. 15 Abs. 4 Satz 1 [X.] 1992 können vorbehaltlich des Art. 15a [X.] 1992 die Einkünfte einer in [X.] ansässigen Person aus einer Tätigkeit als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in [X.] ansässigen Kapitalgesellschaft in [X.] besteuert werden, sofern die Tätigkeit nicht so abgegrenzt ist, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb [X.] umfasst. [X.] die [X.] diese Einkünfte nicht, so können sie in [X.] besteuert werden (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 [X.] 1992).

b) Der Kläger unterfiel im Streitjahr dem in Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 genannten Personenkreis.

aa) Nach den Feststellungen des [X.] war der Kläger Mitglied des [X.] und von dem Verwaltungsrat zum "Delegierten" der C-AG bestimmt worden. Er gehörte damit einerseits in seiner Eigenschaft als Mitglied des Verwaltungsrates demjenigen Gremium an, das nach dem [X.] Recht die Geschäftsführung der C-AG überwachte. Zugleich war er andererseits als "Delegierter" des Verwaltungsrates mit der Führung der laufenden Geschäfte der C-AG betraut. Er übte mithin in der letztgenannten Eigenschaft eine Funktion aus, die nach [X.] Recht der Vorstand einer AG wahrnimmt.

bb) Der "Delegierte" im Sinne des [X.] Rechts wird zwar in Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 nicht ausdrücklich aufgeführt. Er nimmt aber aus zivilrechtlicher Sicht eine Stellung ein, die im Hinblick auf die damit verbundene Leitungs- und Vertretungsmacht derjenigen des in Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 genannten Prokuristen mindestens gleichsteht. Das rechtfertigt die Annahme, dass er in den von Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 erfassten Personenkreis einzubeziehen ist (so im Ergebnis auch [X.] in [X.]/[X.], Besteuerung und Bilanzierung international tätiger Unternehmen, 1998, [X.] ff.; [X.]/Perroulaz/[X.], Internationales Steuerrecht --[X.]-- 2010, 279, 280; [X.]/[X.]/[X.], Der Steuer- und Investitionsstandort [X.], 2. Aufl., S. 321 f.; a.A. [X.] Münster, Urteil vom 15. Dezember 1998 2 K 5021/96 E, E[X.] 1999, 371). Eine solche Auslegung ist nicht zuletzt deshalb sachgerecht, weil im Zweifel davon auszugehen ist, dass sich die Parteien eines Abkommens zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung ([X.]) wechselseitig gleich weit reichende Besteuerungsrechte einräumen wollen (Senatsurteil vom 5. März 2008 [X.], 55/07, [X.], 1487); gegen diesen Grundsatz würde verstoßen, wenn man den in [X.] ansässigen Vorstand einer [X.] AG dem Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 zuordnen, den damit vergleichbaren in [X.] ansässigen "Delegierten" einer [X.] AG aber nicht. Eine solche Handhabung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Vertragsstaaten den "Delegierten" einer [X.] Kapitalgesellschaft bewusst aus dem Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 ausgeschlossen haben; solche Anhaltspunkte bestehen aber nicht. Deshalb wird dieser Personenkreis ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen Erwähnung in dieser Regelung von Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 erfasst.

cc) Der Senat geht hiernach nicht davon aus, dass die Einkünfte eines "delegierten Verwaltungsrats" einer [X.] AG nur Art. 16 [X.] 1992 unterfallen (so aber [X.], Steuer & Wirtschaft International --[X.]-- 2000, 199, 201 ff.; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Staringer, Arbeitnehmer im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2003, [X.], 94 ff.; Stefaner, [X.] 2004, 68, 70 ff.; s.a. [X.] Münster, Urteil in E[X.] 1999, 371). Er schließt sich vielmehr der vorherrschenden Ansicht an, nach der Art. 16 [X.] 1992 nur dann anwendbar sein kann, wenn die Aufgaben eines Verwaltungsratsmitglieds sich auf die Überwachung der Geschäftsleitung beschränken. Auf dieser Grundlage hat der erkennende Senat auch in seinem zum [X.] 1992 ergangenen Urteil vom 11. November 2009 [X.] ([X.], 419, [X.], 602) darauf verwiesen, dass der dortige Kläger als Mitglied des Verwaltungsrates (nur) eine Überwachungsfunktion bezüglich der Geschäftsführung ausgeübt hat, was die Anwendung des Art. 16 [X.] 1992 in diesem Streitfall ermöglichte (s.a. zu anderen [X.]: Senatsurteil in [X.], 1487 [[X.]-Belgien]; Senatsurteil vom 5. Oktober 1994 [X.], [X.], 424, [X.] 1995, 95 [[X.]-Kanada]; Senatsurteil vom 23. Februar 2005 [X.], [X.], 241, [X.] 2005, 547 [[X.]-Spanien]). Diese Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs wird auch von der Rechtsprechung in [X.] ([X.] vom 24. Januar 2008 [zum [X.] [X.]-Frankreich], abgedruckt in [X.]/von [X.]/[X.], Doppelbesteuerungsabkommen [X.]-[X.], [X.] [X.]) und in [X.] (Verwaltungsgerichtshof, Erkenntnis vom 31. Juli 1996  92/13/0172, [X.]; s.a. [X.], [X.] 1996, 427) sowie von weiten Teilen der Literatur getragen (z.B. [X.] in Debatin/[X.], Doppelbesteuerung, [X.] Art. 16 Rz 2, 12 f., 15 ff., 22; [X.], ebenda, [X.] Art. 16 Rz 2, 16, 25; [X.] in [X.]/[X.]/ [X.], Doppelbesteuerungsabkommen [X.]-[X.], Art. 16 Rz 21, 23 f.; Prokisch in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., Art. 16 Rz 12; [X.] in Gosch/[X.]/Grotherr, [X.]-Kommentar, Art. 16 OECD-[X.] Rz 1, 7, 19 f.; [X.] in [X.], [X.]/[X.], [X.] Art. 16 Rz 18, 22; [X.], Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 16.452; [X.], Handbuch des Internationalen Steuerrechts [X.], 2. Aufl., S. 198 f.; [X.], Einführung in das internationale Steuerrecht [X.], 3. Aufl., S. 437 f.; [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], S. 321 f.; [X.]/ [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Staringer, a.a.[X.], S. 49, 60 ff.; [X.]/Perroulaz/[X.], [X.] 2010, 279, 280). Sie führt im Streitfall dazu, dass die Tätigkeit des [X.] nicht Art. 16 [X.] 1992, sondern Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 unterfällt. Eine andere Beurteilung könnte allenfalls dann angezeigt sein, wenn Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 hinter Art. 16 [X.] 1992 zurückträte; das ist aber nach dem Wortlaut der Vorschrift, der einen Nachrang nur gegenüber Art. 15a [X.] 1992 bestimmt, nicht der Fall.

dd) Im Streitfall kann ferner davon ausgegangen werden, dass die von der C-AG gezahlte Vergütung der Tätigkeit des [X.] als "Delegierter" zuzuordnen ist. Die davon abweichende Würdigung seitens des [X.], dass der Kläger diese Vergütung ausschließlich in seiner Eigenschaft als Verwaltungsrat der C-AG --und damit nicht für seine geschäftsleitende, sondern nur für eine überwachende Tätigkeit-- erhalten habe, wird von den Feststellungen des [X.] nicht getragen und ist deshalb für den Senat nicht bindend.

aaa) Dem Verwaltungsrat [X.]. 707 ff. OR, der die Gesellschaft nach außen vertritt (Art. 718 Abs. 1 Satz 1 OR), sind besondere Aufgaben übertragen; als unübertragbare und unentziehbare Aufgabe sieht die [X.] von Art. 716a Abs. 1 OR "die Oberleitung der Gesellschaft und die Erteilung der nötigen Weisungen" vor, sowie dessen Nr. 5 "die Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen ...". Darüber hinaus führt der Verwaltungsrat --durch alle Mitglieder "[X.] die Geschäfte der Gesellschaft, soweit er die Geschäftsführung nicht übertragen hat (Art. 716 Abs. 2, Art. 716b Abs. 3 OR). Dazu heißt es in Art. 716b Abs. 1 OR, dass die Statuten den Verwaltungsrat ermächtigen können, die Geschäftsführung nach Maßgabe eines Organisationsreglementes ganz oder zum Teil an einzelne Mitglieder oder an Dritte zu übertragen. Eine solche Delegation --und zwar auf den Kläger-- ist nach den Feststellungen des [X.] im Streitfall erfolgt.

bbb) Auch wenn ein geschäftsführender Verwaltungsrat damit rechtlich sowohl geschäftsführende als auch geschäftsführungsüberwachende Funktionen hat, ist der Rechtsgrund für die Zahlung einer Vergütung --als maßgeblicher Zuordnungsgrund (insoweit zutreffend [X.] Münster, Urteil in E[X.] 1999, [X.] im Zweifel zumindest auch der Geschäftsleitung zuzuordnen. Denn einerseits bleibt, wenn der Verwaltungsrat der Gesellschaft mit Blick auf die Verwaltungsratstätigkeit keine gesonderte Vergütung (z.B. "Honorar" als Forderung aus Dienstvertrag oder Auftrag; Sitzungsgeld) beschließt, diese Tätigkeit ohne Vergütung (s.a. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], Art. 16 Rz 25 a.E.; für den [X.] Aufsichtsrat s.a. § 113 Abs. 1 Satz 1 des Aktiengesetzes). Andererseits wird eine geschäftsführende Tätigkeit auch mit Blick auf eine damit verbundene arbeitstägliche Belastung nicht ohne gesonderte Entgeltvereinbarung ("Arbeitslohn") ausgeübt werden. Nicht ausgeschlossen erscheint zwar im Einzelfall, eine Aufteilung gemischt-veranlasster Vergütungen bei vorhandenen objektiven Abgrenzungskriterien vorzunehmen (s. Senatsurteil in [X.], 241, [X.] 2005, 547; [X.]/Perroulaz/[X.], [X.] 2010, 279, 280), etwa wenn der Verwaltungsrat eine Vergütung der Mitglieder beschließt, die Vergütung aber für das geschäftsführende Mitglied mit seinem Anspruch aus einer Geschäftsführervereinbarung verrechnet wird (zum Ausschluss einer Aufteilung bei fehlenden objektiven Kriterien und zur Zuweisung der Vergütung nach ihrem "bestimmenden wirtschaftlichen Gehalt", der in aller Regel im Bereich der geschäftsführenden Tätigkeit liegen wird, s. ebenfalls Senatsurteil in [X.], 241, [X.] 2005, 547; Prokisch in [X.]/[X.], a.a.[X.], Art. 16 Rz 15; [X.] in Gosch/[X.]/Grotherr, a.a.[X.], Art. 16 OECD-[X.] Rz 8, 20 a.E.). Die Möglichkeit einer solchen Aufteilung hat das [X.] aber ausdrücklich verneint. Das allein spricht schon dafür, die vom Kläger bezogene Vergütung dessen Geschäftsleitungstätigkeit und damit abkommensrechtlich Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 zuzuordnen.

ccc) Hinzu kommt, dass die streitigen Einkünfte des [X.] auf einem Arbeitsvertrag beruhen, der noch vor der Bestellung des [X.] zum Verwaltungsrat der C-AG abgeschlossen worden ist. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des [X.] stammt der Arbeitsvertrag vom 5./15. Januar 1990, während der Kläger erst am 9. Februar 1990 in den Verwaltungsrat der C-AG berufen worden ist. Auch wenn zwischen beiden Ereignissen nur wenige Wochen lagen, unterstreicht diese zeitliche Abfolge immerhin, dass die im Anstellungsvertrag vereinbarten Bezüge zumindest in erster Linie für die Tätigkeit des [X.] als Geschäftsleiter der C-AG gezahlt worden sind. Damit stimmt überein, dass der Kläger der C-AG seine Arbeitskraft mit festgelegter wöchentlicher Arbeitszeit und Urlaubsanspruch schuldete. Und schließlich spricht auch die Höhe der Bezüge dafür, dass diese nicht eine überwachende, sondern zumindest im Wesentlichen die geschäftsleitende Tätigkeit des [X.] abgelten sollte. Daher unterfällt die Vergütung, nachdem eine Aufteilungsmöglichkeit insoweit nicht besteht, vollen Umfangs dem Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992.

c) Das [X.] hat nicht festgestellt, dass die Tätigkeit des [X.] lediglich Aufgaben außerhalb [X.] umfasste (Art. 15 Abs. 4 Satz 1 letzter Halbsatz [X.] 1992). Außerdem wurden die Einkünfte des [X.] aus seiner Tätigkeit für die C-AG in [X.] besteuert (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 [X.] 1992).

3. Die Anwendung des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 [X.] 1992 wird im Streitfall nicht durch Art. 15a [X.] 1992 ausgeschlossen. Denn der Kläger ist kein Grenzgänger [X.]. 15a [X.] 1992, da er im Streitjahr an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurückgekehrt ist (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 [X.] 1992).

a) Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 [X.] 1992 sind Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat zu besteuern, in dem dieser ansässig ist. Grenzgänger [X.]. 15a Abs. 1 [X.] 1992 ist jede in einem Vertragsstaat ansässige Person, die im anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 [X.] 1992). Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, so entfällt nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 [X.] 1992 die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn sie bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt.

b) Im Streitfall hat der Kläger als Gegenstand der Feststellungen des [X.] zur Überzeugung des Tatsachengerichts nachgewiesen, dass er an über 60 Tagen durch das Arbeitsverhältnis veranlasste Dienstreisen mit auswärtiger Übernachtung unternommen hat. Damit hat der Kläger nach den Maßgaben des Senaturteils in [X.], 419, [X.], 602, auf das für Einzelheiten zu verweisen ist, über 60 Nichtrückkehrtage [X.]. 15a Abs. 2 Satz 2 [X.] 1992 nachgewiesen, so dass die Grenzgängereigenschaft im Streitfall nicht erfüllt ist.

4. Das [X.] hat zutreffend berücksichtigt, dass die Tätigkeit des [X.] [X.]. 24 Abs. 1 [X.] Satz 1 Buchst. d [X.] 1992 als in [X.] ausgeübt gilt; der Senat verweist, um insoweit Wiederholungen zu vermeiden, auf das Senatsurteil vom 11. November 2009 [X.]/08 ([X.], 402, [X.], 781).

Meta

I R 23/10

14.03.2011

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 19. Dezember 2009, Az: 3 K 131/07, Urteil

Art 15 Abs 4 DBA CHE 1992, Art 15a DBA CHE, Art 16 DBA CHE, Art 24 Abs 1 Nr 1 S 1 Buchst d DBA CHE, Art 24 Abs 1 Nr 2 DBA CHE, § 118 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.03.2011, Az. I R 23/10 (REWIS RS 2011, 8685)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8685

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