Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.06.2010, Az. I R 115/08

1. Senat | REWIS RS 2010, 6056

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Gegenstand

Grenzgängerbesteuerung DBA-Schweiz


Leitsatz

Nur ein Arbeitstag kann als Nichtrückkehrtag i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 zu werten sein (BFH-Urteil vom 11.11.2009 I R 15/09, BFHE 227, 419 BStBI II 2010, 602). Dieser Maßgabe kann nicht eine "Üblichkeit" der Arbeitsleistung an Wochenenden (bei Dienstreiseabwesenheit vom Wohnsitz) bei leitenden Angestellten entgegen gehalten werden.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die inländische Steuerpflicht von Einkünften, die aus einem Arbeitsverhältnis mit einem [X.] Arbeitgeber erzielt wurden.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der im Streitjahr 2001 seit dem Beginn seiner Arbeitstätigkeit (1. April 2001) bei einem [X.] Arbeitgeber einen Wohnsitz in [X.] innehatte, wurde vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) zur Einkommensteuer veranlagt. Das [X.] erfasste Teile der vom Kläger erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als steuerpflichtig. Zwar sei der Kläger, der mit seiner Einkommensteuererklärung auf 64 sogenannte Nichtrückkehrtage (Dienstreisen im Ausland) verwiesen hatte, kein Grenzgänger i.S. des Art. 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik [X.] und der [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 ([X.] 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.[X.] vom 21. Dezember 1992 ([X.] 1993, 1888, [X.], 928) --[X.] 1992--. Er unterliege aber --auch wenn ihm von seinem Arbeitgeber eine im Handelsregister eingetragene Zeichnungsberechtigung "Kollektiv zu zweien" verliehen worden und er damit als leitender Angestellter i.S. des Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 anzusehen [X.] mit dem rechnerisch auf seine Tätigkeit in Drittstaaten bzw. in [X.] entfallenden Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der inländischen Besteuerung. Die Klage blieb erfolglos (Finanzgericht --FG-- Baden-Württemberg, [X.], Urteil vom 17. Juli 2008 3 K 3008/08, Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1729 [Leitsatz]).

3

Der Kläger macht mit der Revision materielle Rechtsfehler geltend. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid in der Weise zu ändern, dass eine Einkommensteuer von 0 DM festgesetzt wird.

4

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--); das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht, soweit es vom Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht erfasst.

6

1. Der Kläger war im Streitjahr gemäß § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1997 unbeschränkt steuerpflichtig; er unterlag daher mit allen im Streitjahr erzielten Einkünften der Einkommensteuer. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) hatte der Kläger im Streitjahr einen Wohnsitz im Inland.

7

2. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass die Einkünfte des [X.] aus der Tätigkeit für seinen in [X.] ansässigen Arbeitgeber gemäß Art. 15a [X.] 1992 der inländischen Besteuerung unterliegen.

8

a) Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 [X.] 1992 sind Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat zu besteuern, in dem dieser ansässig ist. Grenzgänger i.S. des Art. 15a Abs. 1 [X.] 1992 ist jede in einem Vertragsstaat ansässige Person, die im anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 [X.] 1992). Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, so entfällt nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 [X.] 1992 die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn sie bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt.

9

b) Der Kläger hat für seine Tätigkeit Einkünfte aus unselbständiger Arbeit bezogen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf keiner weiteren Erläuterung.

c) Der Kläger war Grenzgänger i.S. des Art. 15a [X.] 1992. Nach den Feststellungen des [X.] war der Kläger im Inland ansässig und ist von seinem Arbeitsort in [X.] regelmäßig an seinen Wohnsitz zurückgekehrt. Der Grenzgängereigenschaft des [X.] steht Art. 15a Abs. 2 Satz 2 [X.] 1992 nicht entgegen. Denn der Kläger hat durch seine durch das Arbeitsverhältnis veranlassten Dienstreisen, die das [X.] seiner im Klageverfahren eingereichten Aufstellung (64 Tage) entnommen hat, ohne dass insoweit Verfahrensrügen erhoben worden wären, nicht die Höchstgrenze von 60 [X.]n --die im Streitfall (Arbeitsaufnahme 1. April 2001) zeitanteilig mit 45 Tagen anzusetzen ist-- überschritten.

aa) Das [X.] hat zutreffend angenommen, dass eintägige Dienstreisen in [X.] (im Streitfall: 5 Tage) nicht zu [X.]. 15a Abs. 2 Satz 2 [X.] 1992 führen. Dazu nimmt der Senat auf sein Urteil vom 11. November 2009 [X.] ([X.], 419, [X.], 602) Bezug, an dem festzuhalten ist.

bb) Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass [X.] von mehrtägigen Dienstreisen in [X.] (im Streitfall: 13 Tage) nicht als [X.] i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 [X.] 1992 zu berücksichtigen sind. Auch insoweit nimmt der Senat auf sein Urteil in [X.], 419, [X.], 602 Bezug.

cc) Das [X.] hat nicht gesondert gewürdigt, dass nach der Aufstellung des [X.] 8 Dienstreisetage auf [X.] entfielen (Reisetage Samstag oder Sonntag), wobei 3 Tage als [X.] zu werten waren (soweit das [X.] bei der wörtlichen Umschreibung der [X.] den 1. Juli 2001 nicht anführt, ändert dies an der Feststellung auf der Grundlage der tabellarischen Aufstellung des [X.] nichts). Nach dem Senatsurteil in [X.], 419, [X.], 602 liegen keine [X.] vor, wenn eine mehrtägige Dienstreise des Arbeitnehmers auf Wochenenden oder Feiertage entfällt und die Arbeit an diesen Tagen nicht ausdrücklich vereinbart ist und der Arbeitgeber für die an diesen Tagen geleistete Arbeit weder einen anderweitigen Freizeitausgleich noch ein zusätzliches Entgelt gewährt, sondern lediglich die Reisekosten übernimmt; dies gilt auch für leitende Angestellte, die ihre Tätigkeit zeitlich eigenverantwortlich wahrnehmen und während einer Dienstreise freiwillig am Wochenende arbeiten. Auch hieran hält der Senat fest (zustimmend z.B. [X.], Internationales Steuerrecht --[X.]-- 2010, 320, 321). Der dazu geäußerten Kritik (Lusche, [X.], 914, 915 f.; [X.]/Perroulaz/[X.], [X.] 2010, 279, 283) ist nicht zu folgen. Ein entsprechender Auslegungsspielraum besteht nicht, da die Annahme eines [X.]s (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 [X.] 1992) ausdrücklich nur für einen "Arbeitstag" in Betracht kommt. Dieser eher formalen Maßgabe, an die auch die gesamte Struktur des Art. 15a [X.] 1992 (und insbesondere die Festlegung der Zahl der [X.]) anknüpft, kann nicht eine "Üblichkeit" der Arbeitsleistung an Wochenenden (bei [X.] vom Wohnsitz) bei leitenden Angestellten entgegengehalten werden, allenfalls eine ausdrückliche arbeitsvertragliche Vereinbarung (s. Gosch, [X.], 191, 192).

Entgegen der Ansicht der Revision hat das [X.] zu diesem Gesichtspunkt ausreichende tatsächliche Feststellungen getroffen, die eine Entscheidung in der Sache ermöglichen. Denn das [X.] hat insbesondere zur Höhe der vom Arbeitgeber geschuldeten Vergütung den Arbeitsvertrag herangezogen und die Höhe der im Streitjahr ausgezahlten Vergütung festgestellt. Daraus ergibt sich eine auf [X.] entfallende Zusatzvergütung nicht. Auch ein Freizeitausgleich lässt sich den vom [X.] zugrunde gelegten Aufstellungen des [X.] zu seinen Arbeits- bzw. Dienstreisetagen nicht entnehmen. Allein durch die (unstreitige) Übernahme der Reisekosten erhält der Arbeitnehmer kein zusätzliches Entgelt für eine Arbeitsleistung, sondern lediglich einen Aufwendungsersatz.

dd) Nach diesen Grundsätzen überstieg die Zahl der [X.] (geltend gemacht: 64 Tage, abzüglich der nach den Maßgaben oben unter aa bis cc nicht anzuerkennenden 23 Tagen) nicht die in Art. 15a Abs. 2 Satz 2 [X.] 1992 bestimmte und im Streitfall auf 45 Tage modifizierte Höchstgrenze.

Meta

I R 115/08

09.06.2010

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 17. Juli 2008, Az: 3 K 3008/08, Urteil

Art 15a Abs 2 DBA CHE 1971 vom 21.12.1992

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.06.2010, Az. I R 115/08 (REWIS RS 2010, 6056)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6056

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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