Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.03.2011, Az. I R 29/10

1. Senat | REWIS RS 2011, 8681

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Gegenstand

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 14.03.2011 I R 23/10 - Besteuerungsrecht für Vergütungen eines Delegierten einer Schweizerischen Kapitalgesellschaft (Mitglied des Verwaltungsrates) - Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs von Art. 16 DBA-Schweiz 1992 - Rechtsgrund für die Zahlung einer Vergütung bei geschäftsführender als auch geschäftsführungsüberwachender Funktion - Wegfall der Bindung an die Würdigung des FG - Einheitlichkeit der Kostenentscheidung bei nur teilweiser Zurückverweisung)


Leitsatz

NV: Die Vergütungen des im Inland ansässigen Delegierten einer Schweizerischen Kapitalgesellschaft und damit Mitglieds deren Verwaltungsrats (Art. 718 Abs. 2 Schweizerischen Obligationenrechts) unterfallen Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz, soweit sie für die geschäftsleitende Tätigkeit gezahlt werden .

Tatbestand

1

[X.]. Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Steuerfestsetzungen, in denen Vergütungen eines geschäftsführenden Mitglieds des Verwaltungsrats einer [X.] Kapitalgesellschaft als steuerpflichtig erfasst sind.

2

Die Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2002 (Streitjahre) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie hatten in den Streitjahren ihren Wohnsitz und ihre ständige Wohnstätte in [X.]. Der Kläger trat zum 1. Januar 1987 als Projektleiter in die Dienste der [X.] ([X.]), einer [X.] [X.]ktiengesellschaft mit Sitz in [X.] ([X.]), ein ([X.]rbeitsvertrag vom 26. Februar 1987).

3

Organe der [X.] sind die Generalversammlung, der Verwaltungsrat und die Revisionsstelle ([X.]rt. 8 der Statuten in der Fassung vom 12. Mai 1997). [X.]ufgaben des Verwaltungsrats sind insbesondere die Oberleitung der Gesellschaft und die Erteilung der nötigen Weisungen, die Festlegung der Organisation, die Ernennung und [X.]bberufung der mit der Geschäftsführung und der Vertretung betrauten Personen und die Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen ([X.]rt. 17 der Statuten). Der Verwaltungsrat ist ermächtigt, die Geschäftsleitung nach Maßgabe eines Organisationsreglements ganz oder zum Teil an einzelne Mitglieder und an Dritte zu übertragen (s.a. [X.]rt. 20 Satz 2 der Statuten). Die Mitglieder des Verwaltungsrats haben für ihre Tätigkeit [X.]nspruch auf eine angemessene, vom Bilanzgewinn unabhängige Vergütung. [X.]ußerdem kann ihnen eine Tantieme gemäß [X.]rt. 677 des [X.] Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des [X.]erischen [X.]ivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911 ([X.]) zugesprochen werden ([X.]rt. 21 der Statuten).

4

Ein Organisationsreglement wurde nicht erlassen. Der Verwaltungsrat bestellte den Kläger am 26. März 1991 mit Wirkung auf den 1. [X.]pril 1991 zum [X.] Geschäftsführer. [X.]uvor war dem Kläger die [X.]eichnungsberechtigung "einzeln bis 1.000 [X.] darüber hinaus kollektiv zu zweien" für Bankgeschäfte erteilt worden. Im Rahmen einer strukturellen und personellen Neugestaltung der [X.] beschloss der Verwaltungsrat am 25. März 1992, dass [X.] und der Kläger die Geschäftsleitung bilden sollten. Bei dieser Gelegenheit bestimmte man [X.] zum Vorsitzenden, den Kläger zum Mitglied der Geschäftsleitung. Hieran anschließend vereinbarte man durch einen [X.]usatz zum [X.]rbeitsvertrag des [X.] die durch den Beschluss des Verwaltungsrats vom 25. März 1992 notwendigen Änderungen des [X.]rbeitsvertrages. [X.]m 25. Juni 1992 wurde der Kläger mit der Eigenschaft "Geschäftsführer" und der [X.]eichnungsart "Kollektivunterschrift zu zweien" ins Handelsregister des Kantons [X.] Hauptregister eingetragen. [X.] schied zum 31. Dezember 1999 als Mitglied der Geschäftsleitung (Geschäftsführer) aus (zugleich erlosch seine [X.]eichnungsberechtigung), nachdem er bis zum 31. Mai 1999 Delegierter des Verwaltungsrats gewesen war.

5

Die ordentliche Generalversammlung der [X.] wählte den Kläger am 17. Mai 1999 zum Mitglied des Verwaltungsrats; jener ernannte ihn am selben Tag zum Delegierten des Verwaltungsrats und Vorsitzenden der Geschäftsleitung mit Wirkung ab dem 1. Juni 1999. In dieser Eigenschaft oblagen dem Kläger die Leitung und Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg der [X.] (Hinweis auf den [X.]usatz vom 20. Mai 1999 zum [X.]rbeitsvertrag), und zwar zusammen mit [X.], der im Dezember 1999 zum Mitglied der Geschäftsleitung ernannt worden war.

6

Die Vergütung des [X.] erfolgte auf der Grundlage des [X.]rbeitsvertrages durch ein monatliches Nettogehalt (1999: 9.275 [X.]; 2000: 12.950 [X.]; 2001: 13.163 [X.]; 2002: 13.276 [X.]) [X.] einer Sonderzuwendung (1999: 9.878 [X.]; 2000: 15.965 [X.]; 2001: 10.582 [X.]; 2002: 10.913 [X.]). Nach den [X.]ngaben auf den [X.] für die Streitjahre wurde vom Lohn des [X.] durch die [X.] [X.]erische Quellensteuer einbehalten (1999: 32.100 [X.]; 2000: 30.771 [X.]; 2001: 32.223 [X.]; 2002: 32.500 [X.]) und an die [X.] Steuerverwaltung abgeführt. Nach den Quellensteuerabrechnungen der Steuerverwaltung des Kantons [X.] unterlag der Kläger mit seinem Bruttoeinkommen insgesamt der Besteuerung in der [X.] (1999: 35.930 [X.]; 2000: 36.674 [X.]; 2001: 36.068 [X.]; 2002: 3.928 [X.]).

7

Mitglieder des Verwaltungsrats waren seit dem 1. Juni 1999 neben dem Kläger drei weitere Personen; nach dem [X.]usscheiden von zwei Personen wurde [X.] im Oktober 1999 in den Verwaltungsrat gewählt. In 1999 beteiligte sich der Kläger als [X.]ktionär ([X.]nteil von 49 %); weitere [X.]nteile hatte [X.] erworben (50 %), den Rest (1 %) hielt das weitere Verwaltungsratsmitglied (zugleich der Präsident des Verwaltungsrats). In den Streitjahren waren neben den Mitgliedern der Geschäftsleitung weitere neun Mitarbeiter bei der [X.] beschäftigt. Dabei handelte es sich um promovierte Wissenschaftler. Im Übrigen wurden noch eine Buchhalterin und eine Sekretärin für die [X.] tätig. In den beim Beklagten, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Finanzamt --F[X.]--) eingereichten Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gingen die Kläger davon aus, dass der Kläger nicht als Grenzgänger i.S. des [X.]rt. 15a des [X.]bkommens zwischen der [X.] und der [X.]erischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. [X.]ugust 1971 ([X.] 1971, 1022, BStBl I 1972, 519) in der Fassung des Protokolls vom 21. Dezember 1992 ([X.] 1993, 1888, [X.], 928) --DB[X.]-[X.] 1992-- anzusehen sei. Insoweit legten die Kläger Bescheinigungen der [X.] vor, nach denen der Kläger in den Streitjahren als Geschäftsführer bzw. (ab dem Streitjahr 2000) als Vorsitzender der Geschäftsleitung an jeweils mehr als 60 [X.]rbeitstagen (mit Einzelaufstellungen der Geschäftsreisen und sog. Nichtrückkehrtagen) aufgrund seiner [X.]rbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurückgekehrt sei. Die von einem Bediensteten der [X.] unterschriebenen Bescheinigungen enthalten jeweils den Sichtvermerk der Steuerverwaltung [X.]. Die Kläger waren darüber hinaus der [X.]uffassung, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger [X.]rbeit wegen [X.]rt. 15 [X.]bs. 4 DB[X.]-[X.] 1992 vollen Umfangs nicht der Einkommensteuer unterliegen würden.

8

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1999 setzte das F[X.] die Einkünfte des [X.] aus nichtselbständiger [X.]rbeit unter Hinweis auf [X.]rt. 15 [X.]bs. 4 DB[X.]-[X.] 1992 mit dem Teil an, der rechnerisch auf seine Tätigkeit in Drittstaaten und in [X.] entfiel (84.806 DM entsprechend 93/240 der Vergütung); der Kläger sei kein Grenzgänger. Die restlichen (steuerfreien) Einnahmen aus nichtselbständiger [X.]rbeit berücksichtigte das F[X.] im Wege des [X.]. Im Übrigen ließ das F[X.] die [X.] Quellensteuer, die rechnerisch auf die steuerpflichtigen Einkünfte entfiel, als "Steuer für ausländische Einkünfte" zum [X.]bzug zu. Schließlich kürzte das F[X.] in entsprechender Weise die geltend gemachten Sonderausgaben und Werbungskosten.

9

Für die Streitjahre 2000 bis 2002 vertrat das F[X.] die [X.]uffassung, dass der gesamte [X.]rbeitslohn des [X.] der Einkommensteuer unterliege, weil er Grenzgänger i.S. von [X.]rt. 15a DB[X.]-[X.] 1992 gewesen sei; denn er habe nicht nachgewiesen, dass er an mehr als 60 [X.]rbeitstagen aus beruflichen Gründen nicht an seinen Wohnsitz in [X.] zurückgekehrt sei (steuerpflichtiger [X.]rbeitslohn 2000: 248.655 DM; 2001: 238.169 DM; 2002: 121.537 €). Die in der [X.] einbehaltene Quellensteuer berücksichtigte das F[X.] gemäß [X.]rt. 15a [X.]bs. 3 Buchst. a DB[X.]-[X.] 1992 bei der [X.]nrechnungsverfügung für 2000 und 2001 in Höhe von 4,5 % des Bruttolohns lt. den [X.] und für 2002 in Höhe von 4,5 % des steuerpflichtigen [X.]rbeitslohns.

Die Klage war teilweise erfolgreich (Finanzgericht --[X.]-- Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2009  3 K 3006/08, den Klägern zugestellt am 18. März 2010). [X.]um Streitjahr 1999 wies das [X.] die Klage als unbegründet ab, da auf der Grundlage des ab 1. Juni 1999 (Wahl des [X.] zum Mitglied des Verwaltungsrats) anzuwendenden [X.]rt. 16 DB[X.]-[X.] 1992 eine höhere Steuer anzusetzen sei, was aber am [X.] scheitere; zu den anderen Streitjahren kam es unter [X.]nrechnung der (vollen) [X.] Quellensteuer zu einer Herabsetzung der Einkommensteuer.

Die Kläger rügen mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts; sie beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide in der jeweiligen Fassung durch die [X.] in der Weise zu ändern, dass die Einkünfte des [X.] aus nichtselbständiger [X.]rbeit mit 0 DM/€ berücksichtigt werden und die Einkommensteuer auf jeweils 0 DM/€ herabzusetzen.

Die Revisionsbegründung der Kläger ist beim [X.] am 19. Mai 2010 (einem Mittwoch) eingegangen. Mit Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 8. Juni 2010 sind die Kläger auf den [X.]blauf der [X.] am 18. Mai 2010, einen verspäteten Eingang der Revisionsbegründung und auf § 56 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) hingewiesen worden.

Das F[X.] rügt mit der zu den Streitjahren 2000 bis 2002 erhobenen Revision die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger und das F[X.] beantragen sinngemäß wechselseitig, die Revision des jeweils anderen Beteiligten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

B. I. Die Revision der Kläger ist unzulässig und daher zu verwerfen. Die Kläger haben die Revisionsbegründung, was im Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 8. Juni 2010 im Einzelnen dargelegt wurde, nach Ablauf der Frist des § 120 Abs. 2 [X.]O und damit verspätet eingereicht und [X.] entsprechender [X.] keinen Antrag auf eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 [X.]O gestellt. Es ist für den Senat auch nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen für eine solche Wiedereinsetzung vorliegen.

II. Die Revision des [X.], die sich auf die Streitjahre 2000 bis 2002 bezieht, ist begründet; das [X.] ist insoweit aufzuheben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O). Ob das [X.] den Kläger in den streitgegenständlichen Festsetzungen zu Recht als Grenzgänger angesehen hat, da dem Kläger der Nachweis von mehr als 60 Nichtrückkehrtagen nicht gelungen sei, kann auf der Grundlage der bisher vorliegenden Feststellungen des [X.] nicht entschieden werden.

1. Die Kläger waren in den Streitjahren 2000 bis 2002 gemäß § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes unbeschränkt steuerpflichtig; nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) hatten die Kläger einen Wohnsitz im Inland. Die Kläger unterlagen daher mit allen in den Streitjahren erzielten Einkünften der Einkommensteuer. Ferner ist das [X.] ersichtlich davon ausgegangen, dass der Kläger aus abkommensrechtlicher Sicht in [X.] ansässig war (Art. 4 Abs. 1 [X.] 1992); diese Einschätzung wird von den Verfahrensbeteiligten geteilt.

2. Die Ausübung des hiernach bestehenden Besteuerungsrechts findet aber, soweit es um die streitgegenständlichen Einkünfte des [X.] geht, in Art. 24 Abs. 1 [X.] Satz 1 Buchst. d [X.] 1992 seine Grenze. Nach dieser Regelung werden bei einer in [X.] ansässigen Person Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen [X.]. 15 [X.] 1992, soweit sie nicht unter Art. 17 [X.] 1992 fallen, von der Bemessungsgrundlage der [X.] Steuer ausgenommen, wenn sie nach dem [X.] besteuert werden können und die Arbeit in [X.] ausgeübt wird. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Für die Einkünfte des [X.] aus nichtselbständiger Arbeit besteht nach Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 in [X.] ein Besteuerungsrecht; die Tätigkeit gilt auch als an diesem Ort ausgeübt.

a) Nach Art. 15 Abs. 4 Satz 1 [X.] 1992 können vorbehaltlich des Art. 15a [X.] 1992 die Einkünfte einer in [X.] ansässigen Person aus einer Tätigkeit als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in [X.] ansässigen Kapitalgesellschaft in [X.] besteuert werden, sofern die Tätigkeit nicht so abgegrenzt ist, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb [X.] umfasst. [X.] die [X.] diese Einkünfte nicht, so können sie in [X.] besteuert werden (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 [X.] 1992).

b) Der Kläger unterfiel dem in Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 genannten Personenkreis.

aa) Nach den Feststellungen des [X.] war der Kläger Mitglied des Verwaltungsrats der [X.] und von dem Verwaltungsrat zum "Delegierten" bestimmt worden. Er gehörte damit einerseits in seiner Eigenschaft als Mitglied des Verwaltungsrats demjenigen Gremium an, das nach dem [X.] Recht die Geschäftsführung der [X.] überwachte. Zugleich war er andererseits als "Delegierter" des Verwaltungsrats mit der Führung der laufenden Geschäfte der [X.] betraut (Vorsitzender der Geschäftsleitung). Er übte mithin in der letztgenannten Eigenschaft eine Funktion aus, die nach [X.] Recht der Vorstand einer [X.] wahrnimmt.

bb) Der "Delegierte" im Sinne des [X.] Rechts wird zwar in Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 nicht ausdrücklich aufgeführt. Er nimmt aber aus zivilrechtlicher Sicht eine Stellung ein, die im Hinblick auf die damit verbundene Leitungs- und Vertretungsmacht derjenigen des in Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 genannten Prokuristen mindestens gleichsteht. Das rechtfertigt die Annahme, dass er in den von Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 erfassten Personenkreis einzubeziehen ist (so im Ergebnis auch [X.] in [X.]/[X.], Besteuerung und Bilanzierung international tätiger Unternehmen, 1998, [X.] ff.; [X.]/Perroulaz/[X.], Internationales Steuerrecht --[X.]-- 2010, 279, 280; [X.]/[X.]/[X.], Der Steuer- und Investitionsstandort [X.], 2. Aufl., S. 321 f.; a.A. [X.] Münster, Urteil vom 15. Dezember 1998 2 K 5021/96 E, Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 1999, 371). Eine solche Auslegung ist nicht zuletzt deshalb sachgerecht, weil im Zweifel davon auszugehen ist, dass sich die Parteien eines Abkommens zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung wechselseitig gleich weit reichende Besteuerungsrechte einräumen wollen (Senatsurteil vom 5. März 2008 [X.], 55/07, [X.], 1487); gegen diesen Grundsatz würde verstoßen, wenn man den in [X.] ansässigen Vorstand einer [X.] [X.] dem Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 zuordnen, den damit vergleichbaren in [X.] ansässigen "Delegierten" einer [X.] [X.] aber nicht. Eine solche Handhabung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Vertragsstaaten den "Delegierten" einer [X.] Kapitalgesellschaft bewusst aus dem Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 ausgeschlossen haben; solche Anhaltspunkte bestehen aber nicht. Deshalb wird dieser Personenkreis ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen Erwähnung in dieser Regelung von Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 erfasst.

cc) Der Senat geht hiernach nicht davon aus, dass die Einkünfte eines "delegierten Verwaltungsrats" einer [X.] [X.] nur Art. 16 [X.] 1992 unterfallen (so aber [X.], Steuer & Wirtschaft International --[X.]-- 2000, 199, 201 ff.; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Staringer, Arbeitnehmer im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2003, [X.], 94 ff.; Stefaner, [X.] 2004, 68, 70 ff.; s.a. [X.] Münster, Urteil in E[X.] 1999, 371). Er schließt sich vielmehr der vorherrschenden Ansicht an, nach der Art. 16 [X.] 1992 nur dann anwendbar sein kann, wenn die Aufgaben eines Verwaltungsratsmitglieds sich auf die Überwachung der Geschäftsleitung beschränken. Auf dieser Grundlage hat der erkennende Senat auch in seinem zum [X.] 1992 ergangenen Urteil vom 11. November 2009 [X.] ([X.], 419, [X.], 602) darauf verwiesen, dass der dortige Kläger als Mitglied des Verwaltungsrats (nur) eine Überwachungsfunktion bezüglich der Geschäftsführung ausgeübt hat, was die Anwendung des Art. 16 [X.] 1992 in diesem Streitfall ermöglichte (s.a. zu anderen [X.]: Senatsurteil in [X.], 1487 [[X.]-Belgien]; Senatsurteil vom 5. Oktober 1994 [X.], [X.], 424, [X.] 1995, 95 [[X.]-Kanada]; Senatsurteil vom 23. Februar 2005 [X.], [X.], 241, [X.] 2005, 547 [[X.]-Spanien]). Diese Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs wird auch von der Rechtsprechung in [X.] ([X.] vom 24. Januar 2008 [zum [X.] [X.]-Frankreich], abgedruckt in [X.]/von [X.]/[X.], Doppelbesteuerungsabkommen [X.]-[X.], [X.] [X.]) und in [X.] (Verwaltungsgerichtshof, Erkenntnis vom 31. Juli 1996 92/13/0172, [X.]; s.a. [X.], [X.] 1996, 427) sowie von weiten Teilen der Literatur getragen (z.B. [X.] in Debatin/[X.], Doppelbesteuerung, [X.] Art. 16 Rz 2, 12 f., 15 ff., 22; [X.], ebenda, [X.] Art. 16 Rz 2, 16, 25; [X.] in [X.]/[X.]/ [X.], Doppelbesteuerungsabkommen [X.]-[X.], Art. 16 Rz 21, 23 f.; Prokisch in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., Art. 16 Rz 12; [X.] in Gosch/[X.]/Grotherr, [X.]-Kommentar, Art. 16 OECD-[X.] Rz 1, 7, 19 f.; [X.] in [X.], [X.]/[X.], [X.] Art. 16 Rz 18, 22; [X.], Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 16.452; [X.], Handbuch des Internationalen Steuerrechts [X.], 2. Aufl., 1993, S. 198 f.; [X.], Einführung in das internationale Steuerrecht [X.], 3. Aufl., S. 437 f.; [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], S. 321 f.; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Staringer, a.a.[X.], S. 49, 60 ff.; [X.]/Perroulaz/[X.], [X.] 2010, 279, 280). Sie führt im Streitfall dazu, dass die Tätigkeit des [X.] nicht Art. 16 [X.] 1992, sondern Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 unterfällt. Eine andere Beurteilung könnte allenfalls dann angezeigt sein, wenn Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 hinter Art. 16 [X.] 1992 zurückträte; das ist aber nach dem Wortlaut der Vorschrift, der einen Nachrang nur gegenüber Art. 15a [X.] 1992 bestimmt, nicht der Fall.

dd) Im Streitfall kann ferner davon ausgegangen werden, dass die von der [X.] gezahlte Vergütung der Tätigkeit des [X.] als "Delegierter" zuzuordnen ist. Die davon abweichende Würdigung seitens des [X.], dass der Kläger diese Vergütung ausschließlich in seiner Eigenschaft als Verwaltungsrat der [X.] --und damit nicht für seine geschäftsleitende, sondern nur für eine überwachende Tätigkeit-- erhalten habe, wird von den Feststellungen des [X.] nicht getragen und ist deshalb für den Senat nicht bindend.

aaa) Dem Verwaltungsrat [X.]. 707 ff. OR, der die Gesellschaft nach außen vertritt (Art. 718 Abs. 1 Satz 1 OR), sind besondere Aufgaben übertragen; als unübertragbare und unentziehbare Aufgabe sieht die [X.] von Art. 716a Abs. 1 OR "die Oberleitung der Gesellschaft und die Erteilung der nötigen Weisungen" vor, sowie dessen Nr. 5 "die Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen ...". Darüber hinaus führt der Verwaltungsrat --durch alle Mitglieder "[X.] die Geschäfte der Gesellschaft, soweit er die Geschäftsführung nicht übertragen hat (Art. 716 Abs. 2, Art. 716b Abs. 3 OR). Dazu heißt es in Art. 716b Abs. 1 OR, dass die Statuten den Verwaltungsrat ermächtigen können, die Geschäftsführung nach Maßgabe eines Organisationsreglements ganz oder zum Teil an einzelne Mitglieder oder an Dritte zu übertragen. Eine solche Delegation --und zwar auf den Kläger-- ist nach den Feststellungen des [X.] im Streitfall erfolgt.

bbb) Auch wenn ein geschäftsführender Verwaltungsrat damit rechtlich sowohl geschäftsführende als auch geschäftsführungsüberwachende Funktionen hat, ist der Rechtsgrund für die Zahlung einer Vergütung --als maßgeblicher Zuordnungsgrund (insoweit zutreffend [X.] Münster, Urteil in E[X.] 1999, [X.] im Zweifel zumindest auch der Geschäftsleitung zuzuordnen. Denn einerseits bleibt, wenn der Verwaltungsrat der Gesellschaft mit Blick auf die Verwaltungsratstätigkeit keine gesonderte Vergütung (z.B. "Honorar" als Forderung aus Dienstvertrag oder Auftrag; Sitzungsgeld) beschließt, diese Tätigkeit ohne Vergütung (s.a. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], Art. 16 Rz 25 a.E.; für den [X.] Aufsichtsrat s.a. § 113 Abs. 1 Satz 1 des Aktiengesetzes). Andererseits wird eine geschäftsführende Tätigkeit auch mit Blick auf eine damit verbundene arbeitstägliche Belastung nicht ohne gesonderte Entgeltvereinbarung ("Arbeitslohn") ausgeübt werden. Nicht ausgeschlossen erscheint zwar im Einzelfall, eine Aufteilung gemischt-veranlasster Vergütungen bei vorhandenen objektiven Abgrenzungskriterien vorzunehmen (s. Senatsurteil in [X.], 241, [X.] 2005, 457; [X.]/Perroulaz/[X.], [X.] 2010, 279, 280), etwa wenn der Verwaltungsrat eine Vergütung der Mitglieder beschließt, die Vergütung aber für das geschäftsführende Mitglied mit seinem Anspruch aus einer Geschäftsführervereinbarung verrechnet wird (zum Ausschluss einer Aufteilung bei fehlenden objektiven Kriterien und zur Zuweisung der Vergütung nach ihrem "bestimmenden wirtschaftlichen Gehalt", der in aller Regel im Bereich der geschäftsführenden Tätigkeit liegen wird, s. ebenfalls Senatsurteil in [X.], 241, [X.] 2005, 457; Prokisch in [X.]/[X.], a.a.[X.], Art. 16 Rz 15; [X.] in Gosch/[X.]/Grotherr, a.a.[X.], Art. 16 OECD-[X.] Rz 8, 20 a.E.). Die Möglichkeit einer solchen Aufteilung hat das [X.] aber ausdrücklich verneint. Das allein spricht schon dafür, die vom Kläger bezogene Vergütung dessen Geschäftsleitungstätigkeit und damit abkommensrechtlich Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992 zuzuordnen.

ccc) Hinzu kommt, dass die streitigen Einkünfte des [X.] auf einem Arbeitsvertrag beruhen, der noch vor der Bestellung des [X.] zum Verwaltungsrat der [X.] abgeschlossen worden ist. Damit sind die im Anstellungsvertrag vereinbarten Bezüge zumindest in erster Linie für die Tätigkeit des [X.] als Mitglied der Geschäftsleitung der [X.] gezahlt worden. Damit stimmt überein, dass der Kläger der [X.] seine Arbeitskraft mit festgelegter wöchentlicher Arbeitszeit und Urlaubsanspruch schuldete. Und schließlich spricht auch die Höhe der Bezüge dafür, dass diese nicht eine überwachende, sondern zumindest im Wesentlichen die geschäftsleitende Tätigkeit des [X.] abgelten sollte. Daher unterfällt die Vergütung, nachdem eine Aufteilungsmöglichkeit insoweit nicht besteht, vollen Umfangs dem Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 4 [X.] 1992.

c) Das [X.] hat nicht festgestellt, dass die Tätigkeit des [X.] lediglich Aufgaben außerhalb [X.] umfasste (Art. 15 Abs. 4 Satz 1 letzter Halbsatz [X.] 1992). Außerdem wurden die Einkünfte des [X.] aus seiner Tätigkeit für die [X.] in [X.] besteuert (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 [X.] 1992).

3. Das [X.] hätte auf dieser Grundlage zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit des [X.] [X.]. 24 Abs. 1 [X.] Buchst. d [X.] 1992 als in [X.] ausgeübt gilt; der Senat verweist, um insoweit Wiederholungen zu vermeiden, auf das Senatsurteil vom 11. November 2009 [X.]/08 ([X.], 402, [X.], 781). Ob allerdings die Anwendung des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 [X.] 1992 im Streitfall durch Art. 15a [X.] 1992 ausgeschlossen ist, da der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass er in den Streitjahren jeweils an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurückgekehrt ist (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 [X.] 1992), lässt sich auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht entscheiden. Denn das [X.] hat die Reiselisten des [X.] zwar in seine Feststellungen aufgenommen, jene aber für 2000 bis 2002 keiner weiteren Prüfung unterworfen, da es Art. 16 [X.] 1992 herangezogen hat.

a) Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 [X.] 1992 sind Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat zu besteuern, in dem dieser ansässig ist. Grenzgänger [X.]. 15a Abs. 1 [X.] 1992 ist jede in einem Vertragsstaat ansässige Person, die im anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 [X.] 1992). Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, so entfällt nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 [X.] 1992 die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn sie bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt.

b) Im Streitfall hat das [X.] die Reiselisten des [X.] 2000 bis 2002 einer den Maßgaben des [X.] vom 11. November 2009 [X.] ([X.], 419, [X.], 602) entsprechenden Prüfung nicht unterworfen. Dies ist nachzuholen. Dabei ist --wie das [X.] zutreffend zum Streitjahr 2009 ausgeführt [X.] eine Nichtrückkehr, die durch eine weitere Tätigkeit (hier: geschäftsführungsüberwachende Verwaltungsratstätigkeit) veranlasst ist, aus der Zählung auszusondern (Senatsurteil in [X.], 419, [X.], 602), ebenfalls Übernachtungen am Wochenende (Samstag/Sonntag), da an diesen Tagen keine Arbeitsverpflichtung besteht (s. ebenfalls das Senatsurteil in [X.], 419, [X.], 602). Nach dem Vortrag der Beteiligten in der Revisionsinstanz ist streitentscheidend, ob die Reisen 2000 bis 2002 mit der Bezeichnung "Ort: … ([X.]); Anlass: Vorstandssitzung" der geschäftsführenden Tätigkeit des [X.] (so der Vortrag der Kläger) oder der geschäftsführungsüberwachenden Tätigkeit als Verwaltungsrat zuzuweisen ist; diese Würdigung obliegt dem [X.].

4. [X.] folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O. Auch bei nur teilweiser Zurückverweisung der Sache ist dem [X.] die Entscheidung über die gesamten Kosten des Verfahrens zu übertragen (Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung).

Meta

I R 29/10

14.03.2011

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 17. Dezember 2009, Az: 3 K 3006/08, Urteil

Art 15 Abs 4 DBA CHE 1992, Art 15a DBA CHE 1992, Art 16 DBA CHE 1992, Art 24 Abs 1 Nr 1 Buchst d DBA CHE 1992, Art 24 Abs 1 Nr 2 DBA CHE 1992, § 118 Abs 2 FGO, § 143 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.03.2011, Az. I R 29/10 (REWIS RS 2011, 8681)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8681

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