Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.07.2014, Az. VII ZB 14/14

7. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4190

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

ZWANGSVOLLSTRECKUNG BUNDESGERICHTSHOF PROZESSVERGLEICH KOSTENFESTSETZUNGSVERFAHREN KOSTENTRAGUNG

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Kosten der Zwangsvollstreckung: Erstattungsanspruch des Gläubigers nach Ersetzung eines vorläufig vollstreckbaren Vorbehaltsurteils im Urkundsprozess durch Prozessvergleich mit Ratenzahlungsbewilligung


Leitsatz

1. Wird ein vorläufig vollstreckbares Urteil durch einen Prozessvergleich ersetzt, wonach der Schuldner zur Zahlung eines geringeren Betrags verpflichtet ist, kann der Gläubiger grundsätzlich die Erstattung der Kosten aus der zuvor auf der Grundlage des Urteils betriebenen Zwangsvollstreckung in der Höhe verlangen, in der sie angefallen wären, wenn er von vornherein die Vollstreckung auf den Vergleichsbetrag beschränkt hätte (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2003, IXa ZB 204/03, NJW-RR 2004, 503).

2. Wird dem Schuldner im Prozessvergleich Ratenzahlung auf den Vergleichsbetrag gewährt, hat die darin liegende Stundung keine Auswirkungen auf den dem Gläubiger nach diesen Grundsätzen zustehenden Anspruch auf Erstattung der Vollstreckungskosten.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 5. Februar 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Der Gläubiger erwirkte im [X.] ein vorläufiges vollstreckbares Vorbehaltsurteil, mit dem die Schuldnerin zur Zahlung von 4.842 € und weiteren 471,50 €, jeweils mit Zinsen, verurteilt wurde. Nachdem er daraus erfolglos die Zwangsvollstreckung betrieben hatte, schlossen die Parteien am 23. Januar 2013 einen [X.], der in der bis zum 8. Februar 2013 gesetzten Frist nicht widerrufen wurde.

2

Darin verpflichtete sich die Schuldnerin, an den Gläubiger zum Ausgleich der Klageforderung 2.421 € zu zahlen. Ihr blieb vorbehalten, diesen Betrag in monatlichen Raten zu je 100 € zu zahlen. Die erste Rate war am 1. März 2013 fällig, die weiteren Raten jeweils zum Monatsersten. Für den Fall, dass die Schuldnerin mit einer Zahlung mehr als zehn Werktage in Verzug geriet, sollte die gesamte dann noch offene Forderung sofort fällig und mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sein. Der Gläubiger verpflichtete sich, auf die Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil zu verzichten. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben.

3

Auf Antrag des Gläubigers vom 7. Februar 2013 hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. April 2013 die von der Schuldnerin an den Gläubiger zu erstattenden Zwangsvollstreckungskosten gemäß § 788 ZPO auf 410,20 € nebst Zinsen und weiteren 3,50 [X.] festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht den Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben und den Kostenfestsetzungsantrag des Gläubigers zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Kostenfestsetzungsantrag weiter.

II.

4

Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

5

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, der Festsetzung der Vollstreckungskosten stehe entgegen, dass der Gläubiger nur solche Vollstreckungskosten erstattet verlangen könne, die angefallen wären, wenn er von vornherein die Vollstreckung auf das Vergleichsergebnis beschränkt hätte. Da die Beteiligten im Vergleich eine Stundung der Vergleichssumme vereinbart hätten und sich der Gläubiger zudem verpflichtet habe, auf die Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil zu verzichten, könne der Gläubiger aus dem Vorbehaltsurteil nicht nur nicht mehr in Höhe der vollen Urteilssumme, sondern überhaupt nicht und damit auch nicht wegen der angefallenen Kosten vollstrecken.

6

2. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

7

Der Gläubiger kann von der Schuldnerin gemäß § 788 ZPO die Kosten der Zwangsvollstreckung in der Höhe ersetzt verlangen, wie sie entstanden wären, wenn er die Zwangsvollstreckung beschränkt auf den Vergleichsbetrag betrieben hätte.

8

a) Das Beschwerdegericht geht zutreffend davon aus, dass die Parteien in dem [X.] keine Regelung für die aufgrund der Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil angefallenen Kosten getroffen haben. Von der im Vergleich vereinbarten Kostenaufhebung werden sie nicht umfasst, da die Kosten der Zwangsvollstreckung keine Kosten des Rechtsstreits sind ([X.], Beschluss vom 10. Oktober 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 503, 504; Beschluss vom 24. Februar 2010 - [X.] 147/05, NJW-RR 2010, 1005 Rn. 9).

9

b) Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht dem Gläubiger jeglichen Anspruch auf Kostenerstattung versagt.

aa) Der im [X.] vereinbarte Verzicht des Gläubigers auf die Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil bedeutet lediglich, dass für die Zukunft nur noch der [X.] Vollstreckungstitel ist. Der Verzicht nimmt dem Vorbehaltsurteil jedoch in dem durch den [X.] bestätigten Umfang nicht die Wirkung als Grundlage für in der Vergangenheit bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen ([X.], Beschluss vom 10. Oktober 2003 - [X.], aaO, 504; Beschluss vom 24. Februar 2010 - [X.] 147/05, aaO Rn. 8).

bb) Dafür, dass die Forderung zum Zeitpunkt der versuchten Zwangsvollstreckung noch nicht fällig war, ist nichts ersichtlich. Die Forderung wurde der Schuldnerin erst mit der im [X.] bewilligten Ratenzahlung gestundet. Diesem Umstand kommt für die Frage, inwieweit der Gläubiger die Zwangsvollstreckung zu Recht betrieben hat, keine Bedeutung zu (vgl. [X.]/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 788 Rn. 13, Stichwort "Stundung").

c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt dies nicht dazu, dass die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom Senat selbst zurückgewiesen werden kann. Denn sie ist nur teilweise unbegründet; es fehlen Feststellungen dazu, in welchem Umfang dies der Fall ist.

Der Gläubiger kann nach Ersetzung des vollstreckbaren Titels durch einen [X.] die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht mehr in voller Höhe gegen die Schuldnerin geltend machen. Dies leitet sich maßgeblich aus § 788 Abs. 3 ZPO ab. Danach sind dem Schuldner die Kosten der Zwangsvollstreckung zu erstatten, wenn das Urteil, aus dem die Zwangsvollstreckung erfolgt ist, aufgehoben wird. Bei teilweiser Aufhebung des Urteils sind die Mehrkosten zu erstatten, die bei der Vollstreckung des verbliebenen Anspruchs nicht entstanden wären ([X.]/Stöber, aaO, § 788 Rn. 22 m.w.N.). Diese Vorschrift beruht, wie der vergleichbare § 717 Abs. 2 ZPO, auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Gläubiger aus einem noch nicht endgültigen Titel auf eigene Gefahr vollstreckt ([X.], Beschluss vom 5. Mai 2011 - [X.] 39/10, [X.], 1142 Rn. 10). Daraus ist abzuleiten, dass die Kosten der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil nicht dem Schuldner zur Last fallen sollen, soweit der Verurteilung durch das Rechtsmittelgericht die materiell-rechtliche Grundlage entzogen wird. Für den Fall, dass dieses Ergebnis durch einen nachfolgenden [X.] erzielt wird, gilt nichts Anderes ([X.]/Stöber, aaO). Derartige Kosten sind daher nicht nur zu erstatten, wenn sie bereits beigetrieben wurden, sondern dürfen bereits im Kostenfestsetzungsverfahren keine Berücksichtigung finden ([X.], Beschluss vom 7. September 2011 - [X.], NJW-RR 2012, 311 Rn. 8; [X.]/[X.]/[X.], 4. Aufl., § 788 Rn. 49; vgl. auch [X.] in [X.]/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 788 Rn. 19).

d) Danach kann der Gläubiger die Kosten der Zwangsvollstreckung ersetzt verlangen, die angefallen wären, wenn er die Zwangsvollstreckung von vornherein nur in Höhe des Vergleichsbetrags von 2.421 € betrieben hätte. Das Beschwerdegericht wird dementsprechend nach Zurückverweisung der Sache die Kosten der Zwangsvollstreckung auf dieser Grundlage zu ermitteln und festzusetzen haben.

[X.]                      Safari Chabestari                       Halfmeier

           [X.]                                  Jurgeleit

Meta

VII ZB 14/14

09.07.2014

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Bonn, 5. Februar 2014, Az: 4 T 358/13

§ 788 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.07.2014, Az. VII ZB 14/14 (REWIS RS 2014, 4190)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4190

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VII ZB 14/14 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 147/05 (Bundesgerichtshof)

Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung: Ersetzung eines vollstreckbaren Titels durch einen Prozessvergleich


XII ZB 147/05 (Bundesgerichtshof)


IXa ZB 204/03 (Bundesgerichtshof)


V ZB 5/05 (Bundesgerichtshof)


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.